Von Roberto de Mattei*
Zu den in der Sprache von Papst Franziskus am häufigsten vorkommenden Wörtern gehört das Wort „meticciato“ , gemeint ist Vermischung wie Rassenvermischung, Hybridisierung, im Deutschen, Spanischen und anderen Sprachen ist Mischling, Bastard gemeint.[1] Franziskus schreibt diesem Begriff eine Bedeutung zu, die nicht nur rassisch und ethnisch, sondern auch politisch, kulturell und sogar theologisch gemeint ist. Er tat es am 12. Dezember mit der Aussage, daß Unsere Liebe Frau „für uns gemischt sein wollte, sie hat sich vermischt. Und nicht nur mit Juan Dieguito, sondern mit dem Volk. Sie hat sich vermischt, um die Mutter von allem zu sein, sie hat sich mit der Menschheit vermischt. Warum? Weil sie Gott „vermischt“ hat. Das ist das große Geheimnis: Maria, die Mutter, vermischt Gott, wahrer Gott und wahrer Mensch, in ihrem Sohn“[2] (L’Osservatore Romano, 13. Dezember 2019).
Ob sich Papst Franziskus dessen bewußt ist oder nicht, der Ursprung dieser „hybriden“ Sichtweise des Mysteriums der Menschwerdung Gottes liegt in der Häresie von Eutyches (378–454), Archimandrit des Hiobsklosters in Konstantinopel, laut dem nach der hypostatischen Vereinigung die Menschlichkeit und Göttlichkeit Christi verschmolzen seien, um ein tertium quid zu bilden, eine hybride Mischung, die weder Gott noch Mensch sei.
Der Eutychianismus ist eine grobe Form des Monophysitismus, weil er im fleischgewordenen Sohn Gottes nur eine einzige Natur behauptet als Ergebnis dieser konfusen Vereinigung der Göttlichkeit mit der Menschlichkeit.
Nachdem Eusebius von Dorylaeum seine Stimme dagegen erhob (derselbe, der 20 Jahre zuvor Nestorius angeklagt hatte), versammelte Flavianus, Bischof von Konstantinopel, 448 eine Synode, die Eutyches als Häretiker verurteilte und exkommunizierte. Eutyches gelang es jedoch, mit Unterstützung des Patriarchen von Alexandria, Dioskoros I., eine andere Synode nach Ephesus einzuberufen, von der er rehabilitiert wurde, während Flavianus, Eusebius und andere Bischöfe angegriffen, mißhandelt und abgesetzt wurden.
Zu jener Zeit war der Heilige Leo der Große Papst, der die Synode von Ephesus nicht anerkannte, und sie Latrocinium Ephesinum, die „Räubersynode von Ephesus“ nannte. Unter diesem Namen ist dieses irreguläre Conciliabulum in die Geschichtsschreibung eingegangen.
Nachdem er einen Brief an Flavianus geschickt hatte, in dem er die überlieferte christologische Lehre darlegte (Denz‑H., 290–295), drängte der Papst die neue Kaiserin Pulcheria (399–453), ein neues Konzil in der Stadt Chalcedon in Bithynien zu organisieren. Bei der dritten Sitzungsperiode des Konzils wurde der Brief von Papst Leo an Flavianus über die Menschwerdung des Logos verlesen. Kaum war die Stimme des Lektors verklungen, riefen alle Konzilsväter mit einer Stimme:
„Das ist der Glaube der Väter, das ist der Glaube der Apostel. Wir alle glauben es, die Rechtgläubigen glauben es. Mögen jene, die es nicht glauben, exkommuniziert werden. Petrus per Leonem locutus est. Petrus hat durch Leo gesprochen“(Mansi: Sacrorum conciliorum nova et amplissima Collectio, VI, 971, Act. II).
Das Konzil von Chalcedon definierte die Glaubensformel der Einheit Christi als Person und der Dualität der Naturen der einen Person Christi, vollkommener und wahrer Gott, vollkommener und wahrer Mensch, als einziges Subjekt in zwei verschiedenen Naturen. Die dogmatische Definition von Chalcedon bekennt:
„In der Nachfolge der heiligen Väter also lehren wir alle übereinstimmend, unseren Herrn Jesus Christus als ein und denselben Sohn zu bekennen: derselbe ist vollkommen in der Gottheit und derselbe ist vollkommen in der Menschheit; derselbe ist wahrhaft Gott und wahrhaft Mensch aus vernunftbegabter Seele und Leib; derselbe ist der Gottheit nach dem Vater wesensgleich und der Menschheit nach uns wesensgleich, in allem uns gleich außer der Sünde; derselbe wurde einerseits der Gottheit nach vor den Zeiten aus dem Vater gezeugt, andererseits der Menschheit nach in den letzten Tagen unsertwegen und um unseres Heiles willen aus Maria, der Jungfrau und Gottesgebärerin, geboren“(Denz‑H, 301).
Die Hauptfiguren von Chalcedon, Flavianus und Pulcheria, wurden wie der Heilige Leo der Große zur Ehre der Altäre erhoben, während der Name Eutyches zu denen der Häresiarchen gezählt wird.
Unter den zahlreichen Varianten des Eutychianismus, die im Laufe der Jahrhunderte auftraten, entwickelte sich in der protestantischen Welt die Kenosis durch eine extravagante Interpretation der „Vernichtung“ oder „Entleerung“, von der der Heilige Paulus im Brief an die Philipper spricht (Phil 2,7). Die Kirche versteht diesen Schritt im moralischen Sinne und liest darin die freiwillige Demütigung Christi, der, obwohl er wirklich Gott war und blieb, sich erniedrigte, um seine unendliche Größe in der Demut unseres Fleisches zu verbergen. Die Lehre von der Kenosis behauptet stattdessen einen wahren Verlust oder völligen Verzicht auf die göttlichen Eigenschaften des Wortes. In der Enzyklika Sempiternus Rex vom 8. September 1951 widerlegte Pius XII. diese Lehre mit den Worten:
„Mit dem Glaubensbekenntnis von Chalcedon völlig im Widerspruch steht auch eine außerhalb der Katholischen Kirche weitverbreitete Ansicht, die sich auf eine schlecht und willkürlich ausgelegte Stelle des Philipperbriefes des Apostels Paulus stützt: die sogenannte Kenosislehre, nach der in Christus eine Einschränkung der Gottheit des Wortes behauptet wird; eine wirklich ruchlose Erdichtung, die ebenso danach verlangt, gerügt zu werden, wie der ihr entgegengesetzte Irrtum des Doketismus, der das ganze Geheimnis der Menschwerdung und Erlösung zu blutlosen und nichtigen Schemen macht.“
Die Behauptung einer Einschränkung der Göttlichkeit ist absurd, weil das göttliche Wesen unendlich vollkommen, einfach und unveränderlich ist und metaphysisch keiner Einschränkung unterworfen werden kann, und ein Gott, der darauf verzichtet, er selbst zu sein, hört auf Gott zu sein und zu existieren (siehe Luigi Iammarone: La teoria chenotica e il testo di Fil 2, 6–7, in: Divus Thomas, 4 (1979), S. 341–373).
Die Neo-Eutychianer leugnen die Wahrheit der Vernunft, nach der Gott das Wesen schlechthin ist, die reine Tat, unveränderlich in seiner unendlichen Vollkommenheit, und lehnen die Wahrheit des Glaubens ab, nach der Jesus als Mensch-Gott während seines gesamten Lebens die Gottesschau, Grundlage seiner Göttlichkeit, hatte.
Die Theologie der „Vermischung“ von Papst Bergoglio scheint sich diese Position zu eigen zu machen. Es ist dieselbe, die ihm auch von Eugenio Scalfari zugeschrieben wird, als er in einem Artikel in der Repubblica vom 9. Oktober schrieb, daß Jesus laut Franziskus „nach seiner Inkarnation“ „aufhört, ein Gott zu sein, und bis zu seinem Tod am Kreuz ein Mensch wird“.
Der Direktor des Vatikanischen Presseamtes, der am selben Tag Stellung nahm, bestritt Scalfaris Worte nicht als falsch, sondern sagte, daß sie „eher eine persönliche und freie Interpretation dessen darstellen, was er gehört hat“. Damit beließ er den Schatten eines ernsten Argwohns auf Bergoglios Christologie.
Einige mögen argumentieren, daß wir Papst Franziskus Häresien zuschreiben, die er nie formal erklärt hat. So wahr es ist, daß Häresiekritik nur auf Sätze angewendet werden kann, die eine offenbarte Wahrheit leugnen, so wahr ist es auch, daß sich ein Häretiker auch durch die Mehrdeutigkeit seiner Worte und seiner Taten, durch sein Schweigen und seine Unterlassungen zeigen kann.
Es scheint uns möglich, auf Papst Franziskus die Worte anzuwenden, die ein bedeutender Patrologe, Pater Martin Jugie, Eutyches widmete:
„Es ist sehr schwer, genau zu sagen, welche persönliche Lehre Eutyches über das Geheimnis der Menschwerdung hatte, weil er selbst es nicht genau wußte. Eutyches war ein Häretiker, weil er hartnäckig zweideutige Formeln vertrat, die obendrein in ihrem Kontext falsch waren: Da sich diese Formeln für eine orthodoxe Erklärung anboten und bestimmte seiner Aussagen eine geeignete Interpretation begünstigen, bleibt man über sein tatsächliches Denken unschlüssig“ (Encyclopedia Cattolica, Band V (1950), Spalte 870, 866–870).
Die Theologie von Papst Franziskus ist „vermischt“, weil sie Wahrheiten und Irrtümer vermengt und ein wirres Gemisch bildet, in der nichts klar, eindeutig und entschieden ist. Alles entzieht sich jeder sicheren Definition und die Widersprüchlichkeit scheint die Seele des Denkens und der Sprache zu sein. Franziskus möchte zusammen mit der Gottesmutter die ganze Kirche „vermischen“, indem er sie aus sich selbst herausgehen lassen will, um sich mit der Welt zu vermischen, in diese einzutauchen und von dieser aufgesaugt zu werden.
Die Kirche ist aber heilig und unbefleckt wie die Heilige und Unbefleckte Jungfrau Maria, Mutter und Vorbild des Mystischen Leibes. Die Gottesmutter ist nicht vermischt, im Sinne wie es Papst Franziskus darstellt, weil es nichts Hybrides, Dunkles, Verwirrtes in ihr gibt. Maria ist nicht vermischt, weil sie Licht ohne Schatten ist, Schönheit ohne Unvollkommenheiten, unverfälschte Wahrheit, immer makellos und integer.
Bitten wir die selige Jungfrau Maria um Hilfe, damit unser Glaube sich nicht vermischt, sondern immer rein und unberührt bleibt und vor Gott und vor den Menschen leuchtet, so wie das menschgewordene Wort in der Weihnachtsnacht leuchtete, als es sich der Welt offenbarte.
*Roberto de Mattei, Historiker, Vater von fünf Kindern, Professor für Neuere Geschichte und Geschichte des Christentums an der Europäischen Universität Rom, Vorsitzender der Stiftung Lepanto, Autor zahlreicher Bücher, zuletzt in deutscher Übersetzung: Verteidigung der Tradition: Die unüberwindbare Wahrheit Christi, mit einem Vorwort von Martin Mosebach, Altötting 2017.
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Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Corrispondenza Romana
[1] Ins Deutsche ist der spanische Begriff in Form des Lehnwortes Mestizentum (Mestize) eingegangen.
[2] Im spanischen Original: „se nos quiso mestiza, se mestizó. Pero no sólo con el Juan Dieguito, con el pueblo. Se mestizó para ser Madre de todos, se mestizó con la humanidad. ¿Por qué? Porque ella mestizó a Dios. Y ese es el gran misterio: María Madre mestiza a Dios, verdadero Dios y verdadero hombre, en su Hijo.”
Der Vatikan veröffentlichte dazu auch eine italienische Übersetzung. Der Vergleich verdeutlicht die Aussageabsicht: „si è voluta meticcia per noi, si è meticciata. E non solo con Juan Dieguito, ma con il popolo. Si è meticciata per essere Madre di tutti, si è meticciata con l’umanità. Perché? Perché ha “meticciato” Dio. Ed questo è il grande mistero: Maria Madre “meticcia” Dio, vero Dio e vero uomo, nel suo Figlio.”