
Am 31. Mai wurde das eucharistische Wunder von Vilakkannur in Indien von der Kirche offiziell anerkannt. Da es nur wenige anerkannte Wunder dieser Art gibt, verdient das Ereignis deutlich mehr internationale Aufmerksamkeit, als ihm bisher geschenkt wird.
Eine vom Apostolischen Nuntius in Indien geleitete Zeremonie bestätigte den übernatürlichen Charakter des Antlitzes Christi, das vor zwölf Jahren auf einer konsekrierten Hostie erschienen ist. Die mit Rom unierte syro-malabarische Kirche sieht darin ein Zeichen. Diese Kirche wurde in den vergangenen Jahren durch harte liturgische Kämpfe erschüttert.
Mit der Zeremonie, die Nuntius Msgr. Leopoldo Girelli leitete, erkannte die Kirche das eucharistische Wunder offiziell an, das sich vor einem Dutzend Jahren in der Christkönigskirche von Vilakkannur im Bundesstaat Kerala ereignete. Am 13. November 2013 erkannte der Ortspriester Pater Thomas Pathickal während der Meßfeier der syro-malabarischen Pfarrei das auf die Hostie geprägte Antlitz Christi als Zeugnis Seiner realen Gegenwart. Die zuständige Erzdiözese informierte den Heiligen Stuhl und übertrug diesem die Untersuchung des Phänomens. Diese führte zum Schluß, daß es sich um ein übernatürliches Ereignis handelt.
Am Samstag, dem 31. Mai, wurde diese Nachricht in dieser Pfarrei im Bezirk Kannur mit einer Messe, zelebriert von Msgr. Girelli, in Anwesenheit von 10 000 Gläubigen gefeiert. Der Apostolische Nuntius dankte Gott für die Wunder, die im Laufe der Geschichte die Gegenwart Christi in der Eucharistie bewiesen haben. „Der auferstandene Christus ist in seiner Kirche auf vielerlei Weise gegenwärtig“, sagte er, “aber in besonderer Weise durch das Sakrament seines Leibes und Blutes“.
Der Vertreter des Vatikans lud dazu ein, dieses außergewöhnliche Ereignis im Rahmen des Weges zu interpretieren, den die syro-malabarische Kirche beschreitet und der durch die Wunde der Spaltung gerade um die Heilige Qurbana, die Eucharistiefeier dieses östlichen Ritus, gekennzeichnet ist. Seit Jahren führt die Entscheidung der Synode dieser mit Rom unierten Kirche, eine einheitliche Form für die Eucharistiefeier einzuführen, zu starken Spannungen.
„Das Wunder von Vilakkannur erinnert die syro-malabarische Kirche daran, daß die Heilige Qurbana ein Zeichen der Gemeinschaft mit Gott und der Einheit der Gläubigen ist und nicht der Zwietracht. Wie könnte man ignorieren, daß die Spannungen, die den Klerus und die Gläubigen der syro-malabarischen Kirche noch immer spalten, im Widerspruch zur Eucharistie, dem Sakrament der Einheit, stehen? Christus in der Eucharistie ist das Zentrum des christlichen Lebens. Daher sollte die Feier der Eucharistie nicht zur Spaltung führen.“
Das Wunder von Vilakkannur, so der Nuntius, „ist ein großer Segen nicht nur für die syro-malabarische Kirche“, sondern für die gesamte Kirche in Indien.
„Ich hoffe inständig, daß diese Christkönigskirche in Vilakkannur zum Ort der Versöhnung und der Einheit für die syro-malabarische Kirche und zum Pilgerzentrum für die eucharistische Anbetung in Indien wird“.
Jose Kavi, der Chefredakteur der indischen katholischen Internetseite Matters India, erklärte gegenüber AsiaNews: „Die kleine Dorfkirche von Vilakkannur hat ihren Platz in der Kirche als Ort des ersten eucharistischen Wunders in Indien gefunden. Die Anerkennung fand in einer feierlichen Zeremonie statt, die sogar vom Regen verschont blieb, obwohl im Bezirk Kannur Alarmstufe Rot ausgerufen worden war: ein Ereignis, das auch vom Erzbischof von Tellicherry, Joseph Pamplany, als großartig bezeichnet wurde.“
Von hindunationalistischer Seite wird gegen den Ort agitiert mit dem Vorwurf, es handle sich um „eine Aktion zum Geld machen“, doch die Kirche wisse, so Kavi, daß für Gott „nichts unmöglich ist“ und die Kirchengeschichte eine Reihe von anerkannten eucharistischen Wundern vorzuweisen hat.
Der syro-malabarische Liturgiestreit
Die Heilige Qurbana bezeichnet in der syro-malabarischen Kirche, die dem ostsyrischen oder chaldäischen Ritus folgt, das „Opfer“. Der Begriff stammt aus dem Aramäischen, ebenso wie Raza, „Geheimnis“ („Mysterium“). Die syro-malabarische Kirche geht auf den Apostel Thomas zurück. Der Überlieferung nach landete dieser 52 n. Chr. an der Malabarküste in Südindien, dem heutigen Kerala. Durch seine Mission enstanden die Thomaschristen, die ab dem 4. Jahrhundert mit der nestorianischen Kirche des Ostens in Verbindung stand, deren Zentrum Mesopotamien damals zu Persien gehörte. Von Bischöfen aus Mesopotamien übernahmen sie den ostsyrischen Ritus und die syrische Liturgiesprache.

Als im 16. Jahrhundert mit den Portugiesen die römische Kirche nach Indien kam, gab es Bestrebungen der zwangsweisen Latinisierung. Das führte 1653 durch Thomaschristen zur Gründung der syro-malankarischen Kirche, die sich der portugiesischen Herrschaft widersetzten.
Im 19. Jahrhundert begann Rom die Eigenständigkeit der syrischen Christen Indiens anzuerkennen und gewährte ihnen eine eigene Hierarchie. Es wurde ihnen als Oberhaupt ein Erzbischof zugestanden. Dieser Erzbischof von Ernakulam-Angamaly wurde 1992 in den Rang eines Großerzbischofs erhoben. Diese syro-malabarische Kirche führt als unierte Kirche die syrische Tradition Indiens innerhalb der katholischen Kirche fort.
Im Zuge der nachkonziliaren Liturgiereform der römischen Kirche (1969) trugen indische Priester, die im Westen, besonders in Rom, ausgebildet wurden, die Idee, die Zelebrationsrichtung nach protestantischer Art umzudrehen, auch in die syro-malabarische Kirche. Vor allem das Erzbistum Ernakulam-Angamaly wurde zu einem progressiven Zentrum. Progressive Priester zelebrierten eigenmächtig zum Volk hin. Dadurch kam es zu heftigen Spannungen und einer faktischen liturgischen Spaltung der Kirche.
Rom versuchte zu schlichten, um ein Schisma abzuwenden. So kam es 1999 zum Kompromiß der sogenannten „einheitlichen Formel“, die von der Synode der syro-malabarischen Kirche angenommen wurde. Laut dieser Formel sollte der Priester während des Wortgottesdienstes zum Volk blicken, wie es die Progressiven wollen, aber während der Eucharistiefeier, der Heiligen Qurbana, ad orientem zelebrieren, wie es immer war und wie es die Traditionalisten verteidigen.
Im Erzbistum Ernakulam-Angamaly, einer von fünf syro-malabarischen Metropolien, lehnte aber die Mehrzahl der Priester den Kompromiß als „rückwärtsgewandt“ ab und zelebrierte weiterhin nach progressiver Art zum Volk hin.
Interessanterweise verteidigte Rom in diesem Konflikt immer die traditionelle Zelebrationsweise, die es für die lateinische Kirche verworfen hatte – auch Papst Franziskus. Unter ihm eskalierte der Konflikt sogar, als er 2023 in einer Videobotschaft an die Priester der Erzdiözese Ernakulam-Angamaly appellierte und eine Frist bis Weihnachten setzte, um die einheitliche Formel umzusetzen. Dabei drohte er widerständigen Priestern mit der Exkommunikation. Mehr als 400 zelebrierten weiterhin demonstrativ dem Volk zugewandt.
Als Reaktion kam es auch zu teils gewalttätigen Aktionen der Progressiven. Der damalige Apostolische Administrator, Erzbischof Andrews Thazhath, trat zurück. Sein Nachfolger, der von der Synode der syro-malabarischen Kirche gewählt wurde, unterstützte die Forderung von Papst Franziskus. Der Widerstand der Progressiven setzte sich jedoch fort, weshalb die Priesterweihe von acht Diakonen für das Erzbistum Ernakulam-Angamaly im Dezember 2023 ausgesetzt wurde, da sie sich zuvor schriftlich verpflichten sollten, die einheitliche Formel anzuerkennen, was zu neuen Konflikten führte.
Im Juli 2024 wurde ein neuer Kompromiß erzielt. Seither gilt, daß in jeder Pfarrei an Sonntagen zumindest eine Messe in der einheitlichen Form zelebriert werden sollte. Die achte Diakone wurden, nachdem sie die schriftliche Zusicherung gegeben hatten, am 4. November 2024 in Thrikkakara zu Priestern geweiht.
Nicht alle Spannungen konnten jedoch überwunden werden. Msgr. Joseph Pamplany, der derzeitige Apostolische Administrator, der als großerzbischöflicher Vikar das Erzbistum Ernakulam-Angamaly leitet, wurde am 6. Mai 2025 von einer Gruppe von Gläubigen verbal angegriffen und bedroht. Die kirchliche Autorität verurteilte die Proteste scharf, da sie das Ansehen der Kirche schädigen.
Um größere Disziplin zu erreichen, wurde von der syro-malabarischen Kirche sogar ein Sondergericht für liturgische Verstöße in Kochi eingerichtet.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Youtube/AsiaNews (Screenshot)
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