(Rom) Wer wird die Nachfolge von Kardinal Robert Sarah als Präfekt der römischen Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung antreten? Zwei Monate nach der Emeritierung des Kardinals aus Guinea ist die Frage noch offen. Die in Rom am häufigsten genannten Kandidaten entstammen der Bugnini-Richtung, was andeutet, daß eine Rolle rückwärts gemacht werden soll, zurück zur Liturgiereform von 1969, deren Haltbarkeitsdatum so gering ist, daß in den vergangenen 50 Jahren bereits mehrere Ausgaben des Missale Romanum in volkssprachlicher Übersetzung notwendig waren, um es „zeitgenössisch“ zu halten, wie der Avvenire, die Tageszeitung der Italienischen Bischofskonferenz, am 4. Dezember 2020 begeistert meinte.
Am 20. Februar wurde Kardinal Sarah nach einer Amtszeit von etwas mehr als fünf Jahren von Papst Franziskus emeritiert. Dabei ist der 75jährige Schwarzafrikaner bei bester Gesundheit. Papst Franziskus hatte den 75. Geburtstag und das reguläre Ende einer Amtsperiode abgewartet. Die Emeritierung erfolgte so, daß kein Eindruck entstehen konnte, es habe sich um eine Strafmaßnahme gehandelt.
Kardinal Sarah war der einzige Dikasterienleiter, der sich mit Papst Franziskus einen offenen Schlagabtausch leistete. Dabei ging es 2016 um die Zelebrationsrichtung Osten. Die Aufforderung an alle Priester, wieder Richtung Osten zu zelebrieren, wie es die Kirche bis zur Bugnini-Reform von 1969/1970 getan hatte, steht nach wie vor im Raum. Da Franziskus persönlich und gleich zweimal seinem Präfekten widersprach, konnte sie aber nicht die gewünschte Wirkung entfalten, wenngleich sie durchaus ein Echo fand.
Eine zweite, indirekte Konfrontation mit Franziskus wagte der Kardinal Anfang 2020, als er sich mit dem Buch „Aus der Tiefe des Herzens“ einer Aufweichung des priesterlichen Zölibats und des Weihesakraments entgegenstellte und dafür Benedikt XVI. zum Verbündeten hatte.
Kurz nach der Emeritierung entsandte Franziskus einen Apostolischen Visitator an die Gottesdienstkongregation.
„Dies ist eine besonders abwertende Maßnahme für Kardinal Sarah, dessen Management überprüft werden soll“, so Riposte catholique.
Immerhin gilt Kardinal Sarah im kommenden Konklave als möglicher Papabile.
Kandidat 1: Bischofs Claudio Maniago
Zum Visitator ernannte Franziskus Bischof Claudio Maniago von Castellaneta, ohne daß bisher vom vatikanischen Presseamt etwas davon bekanntgemacht wurde. Der ehemalige Weihbischof von Florenz war von Franziskus 2014 auf den Bischofsstuhl berufen worden. Msgr. Maniago ist „eines der aktivsten Mitglieder der italienischen Pressure Group, die eine maximale Reduzierung des Motu proprio Summorum Pontificum und der ‚Privilegien‘ der Ecclesia-Dei-Welt fordert“, so Riposte catholique. Damit „qualifizierte“ er sich offenbar 2015 für das Amt des Vorsitzenden der Liturgiekommission der Italienischen Bischofskonferenz und 2016 für die Mitgliedschaft in der Gottesdienstkongregation.
Maniago hielt sich vor Ostern drei Tage an der Kongregation auf, wie CNA berichtete, und führte Gespräche mit den Mitarbeitern. Dabei sei es um die tägliche Arbeit und Ansichten zur Liturgie gegangen. Andere Quellen sprechen davon, daß der Bischof sich einen Überblick über den aktuellen Mitarbeiterstab und dessen Einstellung verschaffen sollte.
CNA berichtete gestern, unter Berufung auf vatikanische Quellen, daß Struktur und Aufgaben der Kongregation beibehalten, aber um einen Punkt erweitert werden sollen. Im Profil soll die „liturgische Sensibilität, die vom Zweiten Vatikanischen Konzil ausgeht“, eine ausdrückliche Erwähnung finden, womit die umstrittene Liturgiereform von Msgr. Annibale Bugnini von 1969/1970 gemeint ist.
Ob und wann Bischof Maniago dem Papst Bericht erstattet hat, ist nicht bekannt. Zu einer offiziellen Audienz wurde er laut Tagesbulletin des vatikanischen Presseamtes bisher nicht empfangen. Dennoch scheint der Fahrplan bereits festzustehen. Laut den CNA-Quellen soll die Ernennung des neuen Präfekten der Gottesdienstkongregation noch „vor dem Fest Christi Himmelfahrt“ erfolgen, das am 13. Mai begangen wird.
Seit seiner Entsendung als Visitator ist Msgr. Maniago als potentieller Nachfolger von Kardinal Sarah in aller Munde. Seither hat sich auch die Besorgnis traditionsverbundener Kreise erhöht.
Kandidat 2: Bischof Vittorio Viola
Auch der zweite Name, der in Rom genannt wird, deutet in dieselbe Richtung. Um genau zu sein, wird er schon länger als jener von Msgr. Maniago herumgereicht. Es handelt sich um Msgr. Vittorio Viola, den Bischof von Tortona. Er ist promovierter Liturgiewissenschaftler und Professor an der römischen Benediktinerhochschule Sant’Anselmo. Wie Maniago wurde auch Viola 2014 von Papst Franziskus in das Bischofsamt berufen. Zuvor war der Franziskaner Guardian des Franziskanerkonvents an der Basilika Santa Maria degli Angeli in Assisi, dem bedeutendsten Kloster des Franziskanerordens. Franziskus lernte ihn bei seinem ersten Assisi-Besuch 2013 kennen. Viola war damals auch diözesaner Caritasdirektor.
Die Priesterweihe hatte er 1993 von Bischof Luca Brandolini von Sora-Aquino-Pontecorvo empfangen, der ein enger Mitarbeiter von Annibale Bugnini war. Katholisches.info schrieb am 11. Mai 2020:
„Der heute 87 Jahre alte Brandolini war ein Schüler und Mitarbeiter von Msgr. Annibale Bugnini, dem Schöpfer des Novus Ordo. Der Bischofsring des 1982 verstorbenen Bugnini wurde ab 1987 von seinem Schüler Brandolini getragen, der ihn seinerseits 2014 an seinen Protegé Viola weitergab.“
Im November 2012 hatte Katholisches.info den Artikel Franz von Assisi statt Annibale Bugnini – Benedikt XVI. mahnt Bischöfe Liturgie zu respektieren veröffentlicht, der alle wesentlichen Elemente ansprach, die nun eine Rolle zu spielen scheinen. Damals war Msgr. Domenico Sorrentino Bischof von Assisi, und er ist es heute noch. Der Liturgiker Sorrentino war 2003 zum Sekretär der Gottesdienstkongregation ernannt worden, jenes Amt, das einst auch Annibale Bugnini innehatte. Papst Benedikt XVI. ersetzte ihn wenige Monate nach seiner Wahl durch den heutigen Erzbischof von Colombo, Malcolm Kardinal Ranjith, der über eine liturgische Sensibilität verfügte, die Benedikt näherstand.
Sorrentino wurde als Bischof von Assisi aus Rom wegbefördert. Dort stellte er im Oktober 2013 dem neugewählten Papst Franziskus den Franziskanerpater Vittorio Viola vor. Die Italienische Bischofskonferenz hingegen berief Sorrentino, nachdem er Bischof von Assisi geworden war, in die Liturgiekommission, was einem Affront gegen Benedikt XVI. gleichkam. Dieser hatte ihn aus der Gottesdienstkongregation entfernt, weil Sorrentino entgegen der Absicht von Benedikt erfolgreich hintertrieben hatte, daß bei der Bischofssynode über die Eucharistie von 2005 das Missale von Pius V. und die Wiedergewinnung der überlieferten Form des Römischen Ritus thematisiert wurden.
Die Liturgiekommission der Italienischen Bischofskonferenz ist seit Jahrzehnten eine feste Domäne der Bugnini-Schule. Die Liturgiekommissionen der Bischofskonferenzen haben für das jeweilige Land mehr konkreten Einfluß als die Gottesdienstkongregation. Maniago, Viola und Sorrentino sitzen gemeinsam in der derzeit siebenköpfigen italienischen Kommission. Auch Bugnini-Schüler Brandolini, der Viola zum Priester weihte und ihm Bugninis Bischofsring überließ, gehörte ihr an. Man kennt sich. So verwundert es auch nicht, daß Sorrentino und Maniago im Herbst 2016 gemeinsam von Papst Franziskus zu Mitgliedern der Gottesdienstkongregation ernannt wurden.
Unter dem Vorsitz von Msgr. Maniago und mit Hilfe von Msgr. Viola und Msgr. Sorrentino wurde die dritte italienische Ausgabe des Missale Romanum veröffentlicht. Es enthält das von Franziskus gewünschte geänderte Vaterunser und enthält nicht die von Benedikt XVI. angeordnete Richtigstellung der Wandlungsworte pro multis als „für viele“ anstatt der Bugnini-Übersetzung „für alle“. In den Augen progressiver Kirchenkreise haben sich sowohl Bischof Maniago als auch Bischof Viola damit für höhere Ämter empfohlen. Bischof Viola war in der Tat als neuer Erzbischof von Genua im Gespräch. Franziskus entschied sich jedoch für Violas franziskanischen Mitbruder aus einem anderen Ordenszweig, den ehemaligen Generalminister des Minoritenordens Marco Tasca.
Das neue italienische Meßbuch wurde von den meisten Diözesen mit dem Ersten Adventssonntag 2020 eingeführt. Verpflichtend ist seine Verwendung seit Ostern 2021.
Nachtrag
Der Vollständigkeit halber soll ein dritter Kandidat nicht unerwähnt bleiben, obwohl sein Name derzeit weniger zu hören ist: Auch der spanische Jesuit Juan Antonio Martínez Camino SJ wird als potentieller Sarah-Nachfolger genannt. Der Weihbischof von Madrid wurde an der deutschen Jesuitenhochschule Sankt Georgen in Frankfurt am Main promoviert. Als Präfekt der Gottesdienstkongregation, so wird ihm nachgesagt, wäre er der „Totengräber“ des Motu proprio Summorum Pontificum.
Alles scheint „auf einen Angriff auf ‚Summorum Pontificum‘ und den Usus antiquior allgemein“ hinzudeuten, so Monika Rheinschmitt von Pro Missa Tridentina Ende Februar.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Avvenire/CEI/Bistum Sora/Bistum Tortona (Screenshots)