
(Rom) Zum Abschluß der Weltgebetswoche für die Einheit der Christen erteilte Papst Franziskus der gegenseitigen „Abwerbung“ von Gläubigen unter christlichen Konfessionen eine Absage. Eine weitere Absage an Bekehrung und Mission?
Welchen Missionsauftrag hat die Kirche?
Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil gibt es in der Katholischen Kirche in Sachen Mission und Bekehrung doppelte Schwierigkeiten. Einmal in der Frage nach dem Verhältnis zu anderen christlichen Denominationen. Zum anderen in der Frage nach dem Verhältnis zu anderen Religionen. Der Fragenkomplex hat eine Vielzahl von Facetten. Ökumene und Religionsfreiheit sind zwei Hauptstichwörter.
Papst Franziskus fiel in seinem erst kurzen Pontifikat mehrfach durch ambivalente Aussagen zum Thema Mission, Proselytismus und Bekehrungen auf. Aussagen, die einer faktischen Distanzierung von Bekehrungen sehr nahe kommen oder eine solche sogar explizit zum Ausdruck brachten. Was Papst Franziskus genau meint, läßt sich kaum mit Genauigkeit ausmachen, da ein diffuser Gebrauch bestimmter Begriffe jede inhaltliche Schärfe aufhebt. Tendenziell nimmt der Betrachter daher mehr einen Eindruck auf, der seinerseits wiederum ambivalent bleiben muß.
Keine „Abwerbung“ unter Christen
Zum Abschluß der Weltgebetswoche für die Einheit der Christen in der römischen Patriarchalbasilika St. Paul vor den Mauern erteilte Papst Franziskus in seiner Homilie am gestrigen Sonntag der gegenseitigen „Abwerbung“ von Gläubigen unter christlichen Kirchen eine Absage. So jedenfalls haben es auch die offiziellen katholischen Nachrichtenagenturen verstanden.
„Das gemeinsame Engagement, das Evangelium zu verkünden, erlaubt, jede Form von Proselytenmacherei und die Versuchung zum Konkurrenzkampf zu überwinden“, sagte er in Rom beim ökumenischen Wortgottesdienst, der jährlich zum Abschluss der Gebetswoche für die Einheit der Christen in St. Paul vor den Mauern stattfindet.
Alle Christen seien im „Dienst ein und desselben Evangeliums“, so der Papst. Zugleich forderte er in der Kirche Sankt Paul vor den Mauern dazu auf, „alles polemische oder apologetische Verhalten“ abzulegen und gemeinsam das Verbindende zwischen allen Christen zu suchen. So könnten „viele von der Vergangenheit ererbte Streitigkeiten unter den Christen“ überwunden werden.
„Gelassenes, unbeschwertes Gegenüberstellen“
Weiter wandte sich der Papst in seiner Predigt gegen ein intellektuelles Schaulaufen im ökumenischen Dialog. Die Einheit der Christen werde nicht das Ergebnis „raffinierter theoretischer Diskussionen“ sein, in denen jeder versuche, den anderen von der Stichhaltigkeit der eigenen Ansichten zu überzeugen. Die Christen müßten zur Erkenntnis gelangen, daß sie sich „gegenseitig brauchen“, um in die Tiefe des Geheimnisses Gottes einzudringen, so Franziskus. Um einander zu verstehen und in der Liebe und der Wahrheit zu wachsen, müsse man „innehalten, einander annehmen und einander zuhören. „Auf diese Weise beginnt man bereits, Einheit zu erleben“, sagte Franziskus.
Der Papst verwies auf das Vorbild Jesu Christi. Es ermutige dazu, eine „gelassene, unbeschwerte Gegenüberstellung“ mit dem zu suchen, der anders ist, als man selbst. Jesus zeige, dass eine solche Begegnung mit dem Fremden „uns wachsen lassen kann“.
Historische und neue Konfessionen
An dem ökumenischen Wortgottesdienst nahmen erneut hohe Repräsentanten der historischen christlichen Konfessionen teil. Gemeinsam mit dem Papst beteten sie vor Beginn des Wortgottesdienstes am Grab des Apostels Paulus.
Papst Franziskus erweiterte den ökumenischen Dialog zwischen den christlichen Konfessionen um die Evangelikalen und die Pfingstbewegungen, während er persönlich und außerprotokollarisch den historischen protestantischen Konfessionen weniger Aufmerksamkeit schenkt.
Absage an Proselytenmacherei und Bekehrung
Es geht aber nicht nur um eine Absage an eine gegenseitige „Abwerbung“ unter Christen. Papst Franziskus erteilte bereits 2013 eine Absage an die Proselytenmacherei (siehe Heiligsprechung eines Missionars, aber Verzicht auf Mission?) und erteilte in seinem ersten Gesprächs-Interview mit dem Atheisten Eugenio Scalfari eine Art generelle Absage an Bekehrungen (siehe Nein zu Bekehrungen, Ja zur Mission – Widerspricht sich der Papst selbst?).
Zu den Widersprüchlichkeiten in den Aussagen von Papst Franziskus nahm bereits Anfang Oktober 2013 der Rechtsphilosoph Mario Palmaro kurz vor seinem Tod Stellung (siehe Christus ist keine Option unter vielen, schon gar nicht für seinen Stellvertreter auf Erden). Eine Analyse und Kritik, die nichts an ihrer Bedeutung verloren hat.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons