
(Rom) Papst Franziskus wird im kommenden September Kolumbien besuchen. Das Land erlebte einen jahrzehntelangen Krieg zwischen Regierung und marxistischen Guerillagruppen, die sich zum Teil durch Drogenhandel finanzierten. Staatspräsident Juan Manuel Santos handelte mit den linken FARC-Rebellen einen „Friedensplan“ aus, der von Papst Franziskus unterstützt, aber von der Mehrheit der Kolumbianer in einer Volksabstimmung abgelehnt wurde. Mit der Bekanntgabe des Besuchsprogramm wurde eine „Überraschung“ angekündigt.
Papst-Besuch mit „Überraschung“
Papst Franziskus hatte unmittelbar vor der Abstimmung einen Besuch des lateinamerikanischen Landes an die Annahme des „Friedensplan“ gekoppelt. Die Mehrheit des Wahlvolks hielt sich am 2. Oktober 2016 jedoch an die ablehnende Haltung der Kolumbianischen Bischofskonferenz. Dieser Umstand verzögerte den Papst-Besuch um fast ein Jahr. Es bedurfte einiger Anstrengungen die Wogen zu glätten.
Das Motto des Papstbesuches „Machen wir den ersten Schritt“ steht ganz im Zeichen der umstrittenen Friedensbemühungen. Als Ende Juni das offizielle Besuchsprogramm bekanntgegeben wurde, gab Kardinal Ruben Salazar, der Erzbischof von Bogota, zu verstehen, daß es „eine Überraschung“ geben könnte. Nähere Angaben machte der Kardinal nicht. Seither wird über eine mögliche Seligsprechung von Bischof Jesus Emilio Jaramillo Monsalve spekuliert, der 1989 von der marxistischen Guerillaorganisation ELN ermordet wurde.
Gestern berichtete El Tiempo, die größte kolumbianische Tageszeitung, daß die römische Kongregation für die Heilig- und Seligsprechungsprozesse dem Papst die Seligsprechung des Bischofs empfehlen werde:
„Just am heutigen Dienstag, dem 53. Gründungstag der ELN, wird im Vatikan grünes Licht für die Seligsprechung von Msgr. Jesus Emilio Jaramillo, Bischof von Arauca, gegeben, der am 2. Oktober 1989 von dieser Guerillagruppe ermordet wurde.“
Die Nachricht gab Don Jose Maria Bolivar, Pfarrer von Arauca, bekannt. Laut Pfarrer Bolivar haben sich alle Kardinäle und Bischöfe der Kongregation für die Seligsprechung ausgesprochen. Die Entscheidung liegt nun bei Papst Franziskus.
Die Ermordung von Bischof Jaramillo
Bischof Jaramillo wurde in der ländlichen Gegend von Arauquita, als er dort evangelisierte, entführt und ermordet. Er war am 14. Februar 1916 in Santo Domingo im kolumbianischen Departement Antioquia geboren worden. In jungen Jahren trat er den Misioneros Javerianos de Yarumal (MXY) bei, einem 1927 in seiner Heimatprovinz gegründeten und 1939 kirchlich anerkannten Missionsorden bei.

Am 1. September 1940 wurde er für den Orden zum Priester geweiht, der heute mehr als 200 Angehörige zählt, davon mehr als 160 Priester, und rund 70 Pfarreien betreut. Papst Paul VI. ernannte P. Jaramillo 1970 um Apostolischen Vikar von Arauca und Titularbischof von Strumnitza (heute Mazedonien). Als Arauca 1984 als eigenständiges Bistum errichtet wurde, wurde Msgr. Jaramillo zum ersten Oberhirten.
Ermordet wurde der Missionar und Bischof vom Ejercito de Liberacion Nacional, der „Nationalen Befreiungsarmee“ (ELN). So nennt sich die am 4. Juli 1964 gegründete, marxistische Guerillabewegung. Ihre Farben rot und schwarz entlehnte die noch heute bestehende Organisation der Anarchistenbewegung. Unter dem Motto „Ni un paso atras: liberacion o muerte“ (Kein Schritt zurück: Befreiung oder Tod) verbreitete sie im nordwestlichen Kolumbien Furcht und Schrecken und kämpfte mit sowjetischer Hilfe für die Errichtung einer kommunistischen Diktatur nach kubanischem Vorbild. Neben den Schriften von Ernesto „Che“ Guevara de la Serna, der die Revolution von Kuba nach ganz Lateinamerika exportieren wollte, spielten für den ELN die marxistische Befreiungstheologie und Antonio Gramscis Schriften über die kommunistische Machtübernahme eine entscheidende Rolle.
Kommunistische Guerillabewegung mit dem höchsten Priesteranteil
1973 hatte die ELN eine schwere militärische Niederlage erlitten. Seither wurde „Abweichlertum“ nicht mehr ausschließlich mit der Erschießung erledigt. 1982 wurde der exkommunizierte katholische Priester Manuel Perez Martinez zum Comandante Supremo der kommunistischen Guerillatruppe. Diese verlegte sich nun auf Sabotage, Entführungen, Schutz- und Lösegelderpressungen. Im Gegensatz zur FARC, der größeren, ebenfalls kommunistischen Guerillaorganisation im Süden des Landes, soll sich die ELN nicht am Drogenhandel beteiligt haben, was bestenfalls für die Zeit vor 2000 gegolten haben kann.

Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks gerieten die kommunistischen Terrorgruppen in Bedrängnis und zeigten plötzlich Gesprächsbereitschaft. In den 90er Jahren vermittelte auch die Deutsche Bischofskonferenz zwischen ELN und Regierung. Der christdemokratisch-konservative Staatspräsident Alvaro Uribe (2002–2010) setzte nicht mehr auf Verhandlungen, sondern auf eine endgültigen Sieg über den kommunistischen Terrorismus. Er setzte FARC und ELN militärisch dermaßen zu, daß das „Problem“ am Ende seiner zweiten Amtszeit so gut wie erledigt schien. Da Uribe laut Verfassung nicht mehr für ein drittes Mandat kandidieren konnte, wurde der Liberale Juan Manuel Santos zum Nachfolger gewählt. Santos, der einer Allianz aus Liberalen und Sozialisten vorsteht, verließ Uribes Kurs und wählte den „weichen“ Weg. Er machte den FARC zum gleichwertigen Verhandlungspartner. Damit hauchte er, so Kritiker, der faktisch schon toten Terrororganisation unerwartet neues Leben ein. Die Ablehnung des „Friedensplans“ durch die Kolumbianer ist auch als Mißbilligung dieser Politik von Staatspräsident Santos zu verstehen.
Vom „Arbeiterpriester“ zum „Comandante Poliarco“

Im Gegensatz zum FARC weigerte sich die ELN die Bedingungen zu erfüllen, um an den Friedensverhandlungen teilnehmen zu können. Erst am vergangenen 2. Februar wurde die letzte Geisel freigelassen. Seit dem 7. Februar sitzt auch die ELN am Verhandlungstisch, wenn auch vorerst im sicheren Ecuador.
Bischof Jaramillo setzte sich zwei Ziele: die Versöhnung der Gesellschaft und echte soziale Hilfe, um den Terrororganisationen den Boden zu entziehen. Aus diesem Grund war er persönlich in den ärmsten Gegenden unterwegs und besuchte jene Bevölkerungsschichten, in denen der Boden für den ELN besonders fruchtbar war. Seine Aktivitäten kamen der „Revolution“ in die Quere. Er wurde von ELN-Terroristen entführt und ermordet. Die Leiche des Bischofs wies sieben Einschußstellen auf. Er war regelrecht hingerichtet worden. Die Guerilleros hatten ihm den Bischofsring und das Brustkreuz abgenommen. Oberkommandant der ELN war damals der „Arbeiterpriester“ und Befreiungstheologe Manuel Perez Martinez. Ein Priester kommandierte die Männer, die den Bischof exekutierten.

In den 70er und 80er Jahren herrschte unter radikalen Linkskatholiken und verschiedenen, ökumenisch-christlichen Kreisen, die dem Ostblock nahestanden, verbreitet die Meinung, daß nicht-linke Katholiken nicht als Glaubensbrüder, sondern als „Reaktionäre“ und „Konterrevolutionäre“ zu sehen waren und als „Feinde“ der Revolution bekämpft und beseitigt zu werden hatten. „Beseitigt“ wurde auch Bischof Jaramillo, und den Befehl zu seiner Ermordung erteilte ein abgefallener Priester.
Für die Terrorgruppe war es ein enormer Imageschaden. Die Bevölkerung ging empört auf die Straß und demonstrierte gegen den kommunistischen Untergrund. Das Begräbnis des Bischofs wurde zu einer Massenkundgebung: „Es ist unerträglich, daß das der Boden unseres Landes mit dem Blut eines Bischofs getränkt wurde“, stand auf einem Transparent, das an der Hauptstraße von Arauca angebracht war.
Camilo Torres, Vorkämpfer einer „christlich-kommunistischen Front“
Dieser Manuel Perez Martinez war 1943 in der spanischen Provinz Saragossa geboren worden. Nach seiner Priesterweihe 1966 ging er als „Arbeiterpriester“ nach Frankreich, dann in die Karibik und schließlich nach Kolumbien. In Haiti, der Dominikanischen Republik und Kolumbien wurde er von den Regierungen wegen subversiver, revolutionärer Agitation des Landes verwiesen. Im kolumbianischen Priester Camilo Torres Restrepo fand er sein großes Vorbild.

Camilo Torres stammte aus einer der reichsten kolumbianischen Familien, die dem liberalen Großbürgertum angehörte. Seine Kindheit verbrachte er von 1931–1934 im Deutschen Reich, wo sein Vater als Diplomat tätig war. Nach Kolumbien zurückgekehrt ließen sich die Eltern scheiden, während der Sohn, nachdem er ein Studium der Rechtswissenschaften begonnen hatte, sich entschloß, Priester zu werden. Torres studiert Philosophie und Theologie und wurde 1954 zum Priester geweiht. Anschließend studierte er Soziologie an der Katholischen Universität Löwen und gilt als ein „Pionier“ dieses Faches in Lateinamerika.
Als er 1959 nach Bogota zurückging, begann er aktiv die „Arbeiterklasse“ zu unterstützen. 1960 gründete er an der Universität von Bogota die erste Soziologische Fakultät des Halbkontinents. 1963 schuf er mit der Vereinigten Volksfront ein breites Linksbündnis gegen die sich in der Regierung abwechselnden Liberalen und Konservativen. Sein Ziel war eine sozialrevolutionäre Massenbewegung. Er sprach von einer „christlich-kommunistische Front“.
Torres radikalisierte sich immer mehr. 1965 wurde er von seinem Priestertum suspendiert und ihm die Professur entzogen. Daraufhin ging er in den Untergrund und schloß sich dem bewaffneten Kampf der im Jahr zuvor gegründeten kommunistischen ELN an, mit deren Anführern er bereits seit längerem im Kontakt stand. Im Februar 1966 wurde er bei einem Feuergefecht mit der kolumbianischen Armee erschossen und von der ELN und europäischen Linkschristen zum „Märtyrer“ gemacht.

Als Manuel Perez Martinez nach Kolumbien kam, war Torres bereits tot, entfaltete dennoch, oder gerade deswegen, eine besondere Wirkung auf den gleichgesinnten Spanier. Perez schloß sich ebenfalls dem ELN und dem bewaffneten Kampf an und wurde – wie Torres und weitere katholische Priester – zum Guerillaführer. Von 1982–1998 war der Befreiungstheologe unter dem Kampfnamen „Comandante Poliarco“ der Chefideologe und längstdienende ELN-Comandante. Er lebte mit einer ehemaligen Ordensfrau mit dem Kampfnamen „Monica“ zusammen, mit der er eine Tochter hatte.
Als Ruhegebiet und zur medizinischen Behandlung begab sich „Poliarco“, wie andere Revolutionäre nach Kuba. Dort stellte man eine Hepatitis-C-Infektion fest. Vor bald 20 Jahren. im Februar 1998, „El Cura Perez“, so war er allgemein bekannt, irgendwo „in den kolumbianischen Bergen“ an dieser Infektion. Staatspräsident Santos erteilte als „Geste der Versöhnung“ den Auftrag, sein Grab zu suchen.
Der Bischof, den er hinrichten ließ, könnte im kommenden September zu den Altären erhoben werden. Auf seinem Grabstein steht geschrieben: „Prophet und Märtyrer des Friedens“.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Alchetron/El Tiempo/Wikicommons
„In den 70er und 80er Jahren herrschte unter radikalen Linkskatholiken und verschiedenen, ökumenisch-christlichen Kreisen, die dem Ostblock nahestanden, verbreitet die Meinung, daß nicht-linke Katholiken nicht als Glaubensbrüder, sondern als „Reaktionäre“ und „Konterrevolutionäre“ zu sehen waren und als „Feinde“ der Revolution bekämpft und beseitigt zu werden hatten.“
Sind Sie sich sicher, daß es nur in den 70er und 80er Jahren so war? Mit Bergoglio und seinen Leuten ist die Revolution in den Vatikan eingezogen und agiert nach genau diesen Handlungsmaximen!