Es besteht kein Zweifel, daß in Rom seit drei Jahren, seit der Darmoperation 2021, die Gedanken intensiv um das nächste Konklave kreisen. Damian Thompson, bis 2019 Chefredakteur des konservativen Catholic Herald und seither Mitherausgeber des konservativen britischen Nachrichtenmagazins The Spectator, widmete dem Thema vor kurzem ein ausführliche Analyse, die auf der britischen Online-Nachrichten- und Meinungsplattform Unherd veröffentlicht wurde. Darin geht er den Fragen nach, wie es nach elf Jahren um das Pontifikat des ältesten amtierenden Papstes seit Leo XIII. (1810–1903) bestellt ist, und wer Aussicht auf die Nachfolge von Franziskus haben könnte.
An der Römischen Kurie hatten viele in den vergangenen Jahren „Angst vor ihrem Chef“, doch das lasse nun nach, je erkennbarer wird, daß Franziskus nicht mehr in der Lage ist, seine strenge Kontrolle und Überwachung aufrechtzuerhalten. Zu sehr ist der regierende Papst gesundheitlich angeschlagen. Thompson verweist auf Andrew Napolitano, einen ehemaligen Richter am Superior Court des Staates New Jersey, der Anfang März nach seinem Aufenthalt in Santa Marta schrieb: „Der Papst ist bei schlechter Gesundheit, kann kaum sprechen oder gehen und strahlt Traurigkeit aus. Ich glaube nicht, daß er noch lange da sein wird.“ Der Großteil der Kommunikation der Kurialen, so Thompson, erfolgt dennoch über private Kanäle, denn sie rechnen damit, daß ihr Telefon im Vatikan abgehört und die Internet-Korrespondenz mitgelesen wird.
Beim päpstlichen Hofstaat liegen die „Nerven blank“, denn Franziskus müsse sich „mehr Fragen zu seinem persönlichen Verhalten stellen“ lassen „als jeder andere Papst seit Menschengedenken“.
„Jahrelang wurden Anschuldigungen, die die Karriere eines jeden weltlichen westlichen Führers torpedieren würden, von einer Prätorianergarde progressiver Journalisten, die 2013 ihren Ruf für den ‚großen Reformer‘ aufs Spiel setzten, verschwiegen oder heruntergespielt. Infolgedessen wissen selbst gläubige Katholiken nicht, daß der erste jesuitische Papst versucht hat, mehrere abstoßende Sexualstraftäter vor der Justiz zu schützen, und zwar aus Gründen, die nie zufriedenstellend erklärt wurden.“
Das gilt nicht für die Leser von Katholisches.info, für die Allgemeinheit aber sehr wohl. Grund dafür ist allerdings nicht nur die von Thompson erwähnte „Prätorianergarde“ um Franziskus, sondern mehr noch die schützende Hand des Mainstream, die über dem argentinischen Papst liegt, die ihrerseits natürlich nicht in einzelnen Redaktionen beschlossen wurde.
„Erst jetzt kommt die Wahrheit ans Licht“, für die Allgemeinheit, „zur Erleichterung der Mitarbeiter des Vatikans“, die unter der „autokratischen Herrschaft“, den „Wutausbrüchen“ und den „schwelenden Ressentiments“ von Franziskus leiden müssen.
Fall Rupnik
Der Wendepunkt, so Thompson, ist der „besonders grausame Skandal“ des Priesterkünstlers Marko Ivan Rupnik, durch den das päpstliche „Spiel“ offengelegt wurde. „Die Rupnik-Affäre ist der abscheulichste Skandal, der mir in den mehr als 30 Jahren meiner Berichterstattung über die katholische Kirche begegnet ist.“ Thompson nennt einige der grausamen Anschuldigungen, die gegen den aus Slowenien gebürtigen ehemaligen Jesuiten erhoben werden. Katholisches.info hat diese bisher nicht genannt und wird es auch hier nicht tun, da dies keinen Informationswert hätte und nur kranke Gehirne befriedigen würde.
Franziskus erklärte im Herbst 2023 empört, als habe er das erste Mal von den Vorwürfen gegen seinen Freund und bisherigen Mitbruder Rupnik gehört, daß er gegen diesen vorgehen werde, doch geschehen ist auch seither nichts, so wie Franziskus schon die Jahre davor seine schützende Hand über den Mosaikkünstler gehalten und dessen Exkommunikation abgewendet hatte. Die Vogel-Strauß-Haltung des Mainstream, die Franziskus seit elf Jahren vor unangenehmen Fragen bewahrt, macht es möglich.
Fall Zanchetta
Rupnik ist jedoch kein Einzelfall. Gleiches geschah mit dem argentinischen Bischof Gustavo Oscar Zanchetta, den Franziskus zum Diözesanbischof von Orán ernannt hatte, wo Zanchetta innerhalb kürzester Zeit die Diözesanfinanzen zerrüttete und die Seminaristen seines eigenen Priesterseminars als Stricher eines Homo-Bordells betrachtete.
Franziskus sorgte auch in diesem „giftigen Skandal“ nicht etwa für Ordnung, sondern versuchte seinen einstigen Schützling, als Bergoglio Erzbischof von Buenos Aires war, vor der Strafverfolgung zu retten, indem er ihn in einer Nacht-und-Nebel-Aktion aus Argentinien in den Vatikan holte. Dort erfand er für Zanchetta eine eigene Stelle in der Apostolischen Güterverwaltung, ausgerechnet dort für jemand, der die Finanzen von zwei Bistümern zerrüttet hatte. Zanchetta hatte gleiches vor Orán als Generalvikar schon in seiner Heimatdiözese getan. Die argentinische Justiz beharrte jedoch, sodaß der geflüchtete Bischof schließlich in seine Heimat zurückkehren mußte, vor Gericht gestellt und zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe verurteilt wurde – obwohl der Vatikan die vom argentinischen Gericht ersuchten Unterlagen nicht übermittelte. Zanchetta mußte dennoch nicht ins Gefängnis, sondern darf seine Strafe im Hausarrest in einem kirchlichen Exerzitienhaus absitzen. Manche fallen immer weich.
Bereits als Erzbischof von Buenos Aires hatte Bergoglio versucht, den Priester und Kinderschänder Julio Grassi vor dem Gefängnis zu bewahren, und ließ die Grassi-Opfer als Lügner diskreditieren.
Doch seine Vergangenheit holt Franziskus ein, so Thompson, je mehr seine Kontrolle nachläßt. Seine Gegner wagen inzwischen immer mehr „äußerst schädliche“ Dokumente in Umlauf zu bringen.
Die „dunklen Geheimnisse dieses Pontifikats werden die Kardinäle bei ihren Diskussionen vor dem Konklave, bevor sie in der Sixtinischen Kapelle ihre Stimmen abgeben, schwer belasten“. Man werde um diese Diskussion aber nicht herumkommen, denn „die Spaltung zwischen progressiven und konservativen Katholiken“, die „auf das Zweite Vatikanische Konzil zurückgeht“ und sich „unter diesem Pontifikat noch viel mehr verschärft hat“, ist unter Franziskus „immer giftiger“ geworden.
Der Autokrat
Als Franziskus sein Amt antrat, seien viele begeistert gewesen, von seinem „informellen Stil“, seiner Demut, sich „Bischof von Rom“ zu nennen, seinem Verzicht auf Merkwürdigkeiten wie die roten Schuhe. Doch dann habe sich intern das Gegenteil herausgestellt: Franziskus regiert autokratisch und bevorzugt mit Exekutivbefehlen. Seine Vorliebe gilt deshalb dem Motu proprio, von dem er bereits mehr als 60 erlassen hat. Sechsmal so viele wie Johannes Paul II. in seinem ungleich längeren Pontifikat von fast 27 Jahren.
Die Motu proprien von Franziskus „haben massive Änderungen in der Liturgie, den Finanzen, der Regierung und dem Kirchenrecht bewirkt. Sie kommen oft ohne Vorwarnung und können brutal sein“. Franziskus nutzte sie, um den Souveränen Malteserorden, ein eigenständiges Völkerrechtssubjekt, unter seine Kontrolle zu bringen, und auf dieselbe Weise entmachtete er das Opus Dei. Thompson erwähnt es nicht, doch beide Vereinigungen sind einflußreich, finanzstark und konservativ und gerieten deshalb ins Visier des Papstes.
Thompson vergißt aber nicht, auf die „pathologische Abneigung“ von Franziskus gegen die traditionsverbundenen Katholiken zu verweisen, die er durch das Motu proprio Traditionis custodes frontal attackierte. Dessen Umsetzung erfolgt mit „Cromwellscher Gründlichkeit“ durch den von Franziskus eingesetzten und zum Kardinal kreierten Präfekten des Gottesdienstdikasteriums Arthur Roche, den „mächtigsten englischen Geistlichen in Rom“.
Der „selbstgefällige“ Roche habe sich, so Thompson, „zu einer bekannten römischen Bestie entwickelt: ein autoritärer Liberaler mit einer Nase für den saftigsten Saltimbocca alla romana und das fluffigste Tiramisù. Dieses Jahr zwang er seinen alten Rivalen, Kardinal Vincent Nichols von Westminster, in dessen Diözese die Zeremonien der Karwoche im überlieferten Ritus zu verbieten.“
Thompson zitiert den konservativen Lord Moylan, einen traditionalistischen Katholiken, der auf X seiner Wut Luft machte und schrieb:
„Ich habe heute abend einer wunderbaren tridentinischen Gründonnerstagsliturgie beigewohnt. Ich werde nicht sagen, wo sie stattfand, falls Arthur [Roche] seine Schergen vorbeischickt. Ich will nur sagen, daß der englische Katholizismus eine jahrhundertealte Tradition von Untergrundmessen hat. Das einzige, was sich geändert hat, ist, wer uns verfolgt.“
Viele Bischöfe zeigen kein sonderliches Interesse am überlieferten Ritus, doch stört es sie, von Franziskus in die Zange genommen zu werden, der „Synodalität“ verkündet, aber autoritär immer mehr Zuständigkeiten an sich zieht und parallel unangenehme Entscheidungen, vor denen er selbst sich drückt, auf die Bischöfe abwälzt.
Höhepunkt der anti-bergoglianischen Empörung ist die Erklärung Fiducia supplicans, die kurz vor Weihnachten 2023 vom Glaubensdikasterium „ohne Vorwarnung“ erlassen wurde. Sie erlaubt Priestern Homo-Paare „außer-liturgisch“ zu segnen. „Das war erstaunlich, denn noch 2021 hatte dasselbe Amt die Segnung von gleichgeschlechtlichen Paaren verurteilt. Außerdem hatte noch nie jemand von einer nicht-liturgischen Segnung gehört. Im Kirchenrecht gibt es so etwas nicht. Wer ist auf diese Idee gekommen?“
Die Suche führe schnell ans Ziel: Die Idee stammt vom neuen Glaubenspräfekten Kardinal Manuel Victor „Tucho“ Fernández, dem „exzentrischsten der argentinischen Schützlinge des Papstes“. Die Ernennung von Fernández zum Leiter des Glaubensdikasteriums „ist an Merkwürdigkeit kaum zu überbieten“. Er ist ein „peinliches Leichtgewicht“ in einem Amt, das zuvor „ein großer Theologe wie Joseph Ratzinger“ innehatte. „Tucho“ wurde durch Bücher über die „Theologie des Küssens“ und die „Theologie des Orgasmus“ bekannt.
Die erste Wahl von Franziskus für das Amt sei, so Thompson, eigentlich der progressive Deutsche Heiner Wilmer, der ehemalige Generalobere der Herz-Jesu-Priester und seit 2018 Bischof von Hildesheim, gewesen. Das sei einmal dahingestellt. Tatsache ist, daß Fernández, kaum ernannt, sofort Fiducia supplicans auf den Schreibtisch des Papstes legte, der es genehmigte und durch diese „Verhöhnung der Lehren Christi“ eine möglicherweise „irreparable“ Kluft zwischen progressiven und konservativen Bischöfen in der Kirche auftat.
Mehrere Bischöfe und ganze Bischofskonferenzen lehnten sich gegen Fiducia supplicans auf – und ganz Schwarzafrika. Santa Marta ruderte zurück und begann den eigenen Vorstoß zu zerlegen und sich zwischen die Stühle zu setzen. Franziskus ging einerseits in der Verteidigung von Tucho Fernández soweit, sich einen Rassismusvorwurf zuzuziehen, andererseits vergraulte er die kirchliche Homo-Lobby, weil er schon am 4. Januar in einer „Klarstellung“ zu Fiducia supplicans den Homo-Segen auf „15 Sekunden“ beschränkte und betonte, daß damit „keine Billigung“ des homosexuellen Lebenswandels verbunden ist.
Die polnische und die ungarische Bischofskonferenz haben die Erklärung Fiducia supplicans abgelehnt, die koptisch-orthodoxe Kirche beendete wegen der Erklärung den Dialog mit Rom und die ukrainische griechisch-katholische Kirche empörte sich, da sie ohnehin auf „Kriegsfuß“ mit Franziskus steht, wegen seiner Friedensbemühungen im russisch-ukrainischen Krieg. Die Antipathie zwischen der russisch-orthodoxen und der ukrainischen griechisch-katholischen Kirche reicht bis ins 16. Jahrhundert zurück.
Thompson bringt dieses heillose Durcheinander mit der Aufforderung von Franziskus in Zusammenhang, als dieser im Juli 2013 den Jugendlichen beim Weltjugendtag in Rio de Janeiro zugerufen hatte: „Ich hoffe, daß es Chaos geben wird!“ Das sei ihm, Franziskus, jedenfalls gelungen und löse ein immer größeres Unbehagen in der Kirche aus.
„Er ist einer der kompliziertesten Männer, die ich je getroffen habe“
Daher wirft Thompson einen Blick auf die Persönlichkeitsstruktur des regierenden Papstes. „Er ist einer der kompliziertesten Männer, die ich je getroffen habe“, zitiert der Spectator-Herausgeber eine vatikanische Quelle.
„Er kann sehr lustig und auch unglaublich rachsüchtig sein. Wenn du ihm in die Quere kommst, tritt er dich noch, wenn du schon am Boden liegst.“
Franziskus sei aber „kein Meisterstratege“, vielmehr ein „ungeschickter Taktiker, der seine Zeit damit verbringt, Brände zu legen und zu löschen“.
„Seine oberste Priorität ist es, undurchschaubar zu sein. Er will nicht, daß jemand erfährt, was er vorhat – und falls man es herausfindet, wird er das Gegenteil tun, auch wenn es seine Pläne durchkreuzt.“
Thompsons römische Quelle, so der Autor, gehört einer kleinen Klerikergruppe an, die in der Einschätzung der Menschen „auffallend sanft“ sei. Um so interessanter war es für ihn, zu beobachten, wie sich die Quelle in den „letzten fünf Jahren so verhärtet hat, daß sie Franziskus, ohne zu zögern, als einen bösen Mann bezeichnet“.
Franziskus ist es, der Fernández zum Präfekten ernannte. Er genehmigte dessen „Kritzeleien“ namens Fiducia supplicans. Derselbe Franziskus ist es, der dann, als Kritik aufkam, „schnell den Rückwärtsgang eingelegt hat“. Was sagt das über seine Persönlichkeit aus? Thompson widerspricht dem konservativen französischen Katholiken Jean-Pierre Moreau, der Franziskus in seinem soeben erschienenen Buch als „progressiven Bilderstürmer“ darstellt, der von einer „quasi marxistischen Befreiungstheologie inspiriert ist“. Der Brite hält Franziskus vielmehr für “das, was er schon immer war: einen Peronisten“. Perón war ein „vollendeter Opportunist“, der sich auf dem Höhepunkt seiner Macht von Nationalsozialisten und Marxisten unterstützen ließ, „aber auch Freude daran hatte, Verbündete und Gegner gleichermaßen unerwartet zu prügeln“.
Bergoglio zeigte in seiner Jugend großes Interesse am Peronismus: Die Gemeinsamkeiten sind der Einsatz für die soziale Wohlfahrt und ein leidenschaftlicher Antiamerikanismus. Flexibilität und Täuschung gehören offenbar auch dazu, denn unter Johannes Paul II., der Bergoglios Aufstieg entschied, indem er ihn zuerst zum Weihbischof, dann zum Erzbischof von Buenos Aires ernannte und zum Kardinal kreierte, gab sich dieser in theologischen Fragen betont orthodox. Das brachte ihm die Verachtung durch einige seiner Jesuitenmitbrüder ein.
„Aber er hatte schon immer eine Abneigung gegen penible Zeremonien – es gibt Aufnahmen, in denen er das Allerheiligste in Buenos Aires praktisch in eine Menschenmenge wirft – und wenn man ihn dabei beobachtet, wie er sich gähnend durch die Zeremonien im Petersdom schleppt, kann man sich nur fragen, ob er die Messe so langweilig findet.“
Inzwischen zelebriert er sie ohnehin faktisch nicht mehr in der Öffentlichkeit. Als Vorwand werden seine gesundheitlichen Beschwerden genannt. Thompson erinnert als Kontrast an Johannes Paul II., der durch die Krankheit gezeichnet, fast gelähmt und des Sprechens unfähig, mit letzter Kraft die Messe zelebrierte.
Einige wenige sahen frühzeitig klar. Noch am Abend, als Franziskus gewählt wurde, veröffentlichte die traditionsverbundene US-amerikanische Seite Rorate caeli den Aufschrei des argentinischen Journalisten Marcelo Gonzalez aus Buenos Aires. Dieser äußerte, daß ihn „das Grauen“ erfaßt habe, als er Jorge Mario Bergoglio auf die Mittelloggia des Petersdoms treten sah, denn das sei „der schlimmste aller unvorstellbaren Kandidaten“, „ein eingeschworener Feind der überlieferten Messe, der „jeden einzelnen Priester verfolgt hat, der sich bemühte, eine Soutane zu tragen“.
Thompson gesteht, die Darstellung, wie die meisten, für übertrieben gehalten zu haben. Doch er sei mit den anderen „falsch“ gelegen: „Gonzalez hatte recht mit der lateinischen Messe und mit den Soutanen“. Heutzutage wissen „ehrgeizige Priester“, so der Autor, sich in Rom ja nicht in Soutane blicken zu lassen.
Thompson stellt jedoch die Frage in den Raum, ob Franziskus „wirklich ein Progressiver“ ist. Die Tatsache, „daß er Konservative verabscheut“, muß das noch nicht bedeuten. Auch die Tatsache, daß er sich offen für die Frauenordination zeigt, die er in Wirklichkeit ablehnt, und bereitwillig Fototermine mit Homosexuellen aller Art gewährt, sollte nicht Anlaß sein, „zuviel hineinzuinterpretieren“.
Daß Franziskus auch ganz anders kann, zeigte sich, als er kürzlich Homosexuelle gegenüber den italienischen Bischöfen als „Schwuchteln“ bezeichnete. Ist das der wirkliche Bergoglio, der hier durchblitzte? Vieles spricht dafür, wie Thompson andeutet:
„Es ist schwer zu erklären, warum in seinem Umfeld, sowohl in Argentinien als auch in Rom, so viele schwule Geistliche zu finden sind, denn niemand hat je behauptet, dass Jorge Bergoglio, der ehemalige Türsteher eines Nachtclubs, der vor seinem Eintritt ins Priesterseminar eine Freundin hatte, homosexuell ist. Aber er weiß, in wessen Kleiderschrank Leichen liegen.“
Die Sammlung von Klatsch und Tratsch und ihr Einsatz als Machtinstrument gehören zum politischen Einmaleins in Lateinamerika. „Ein Priester in Rom erzählte mir“, so Thompson: „Wenn Bergoglio früher Rom besuchte, stellte er sich zwischen die anderen Besucher in der Casa del Clero und saugte den Klatsch und Tratsch auf, der sich oft um schwule Geistliche drehte.“
Thompsons Darstellung, die Kardinäle hätten 2013 Bergoglio gewählt, weil er „Schädlingsbekämpfung“ versprach, um die Korruption auszumerzen, darf angezweifelt werden. Tatsache ist jedoch, daß er „dieses Versprechen nicht gehalten hat“.
Der Blick auf zwei Kardinäle, die aus Altergründen nicht mehr am Konklave teilnehmen durften, sich jedoch für Bergoglio fest ins Zeug gelegt hatten und in Rom anwesend waren, wäre für die Papstwähler hilfreich gewesen: auf den US-Amerikaner Theodore McCarrick und auf den Belgier Godfried Danneels. Beide waren unter Benedikt XVI. in Ungnade gefallen. Der deutsche Papst hatte diesbezüglich das richtige Gespür. Beide standen im Ruf, „Schwuchteln“ zu sein, um Franziskus zu zitieren. McCarricks Päderastentum war „in der amerikanischen Kirche seit Jahrzehnten ein offenes Geheimnis“. Danneels war beim Versuch ertappt worden, den „inzestuösen Kindesmißbrauch durch einen seiner Bischöfe zu vertuschen“.
„Franziskus hat beide rehabilitiert.“
Die schützende Hand über homosexuelle Mißbrauchstäter ist bei Franziskus weder ein Einzelfall noch ein unabsichtlicher Ausrutscher. Das, Thompson läßt es durchblicken, hat System. Dazu gehört offenbar auch die doppelte Pervertierung. Während Franziskus Homo-Mißbrauchstäter schützte und vertuschte, ließ er es zu, daß der von ihm ernannte Präfekt des vatikanischen Wirtschaftssekretariats, der konservative Australier George Pell, eine ebenso nüchterne wie integre Persönlichkeit, in seinem Kampf gegen die römische Korruption zu Fall gebracht wurde, indem gegen ihn eine „erfundene Anklage wegen Kindesmißbrauchs“ inszeniert wurde. Wenn der Fall Rupnik, laut Thompson, der „grausamste Skandal“ dieses Pontifikats ist, dann muß ihm der Fall Pell zur Seite gestellt werden. Nur im Doppelpack wird die dunkle Seite des aktuellen Pontifikats wirklich erkennbar. Der unschuldige Kardinal Pell wurde von Franziskus fallengelassen. Ganz anders als der von Franziskus geschützte, aber schuldige Zanchetta ging Pell freiwillig nach Australien und stellte sich der Gerichtsbarkeit. Mehr als ein Jahr mußte der Kardinal im Gefängnis verbringen, bis der Oberste Gerichtshof seine Unschuld feststellte. Die Spur der Intrige, die in den Vatikan führt, wurde natürlich nicht untersucht. Franziskus verweigerte Pell sogar noch nach dessen Freispruch noch längere Zeit selbst ein Minimum an Rehabilitierung. Ein Amt erhielt der Australier auch nicht mehr. Grausamkeit bis ins letzte Glied. Pell, auf den viele Katholiken ihre Hoffnungen gesetzt hatten, starb überraschend wenige Tage nach Benedikt XVI.
Anders verlief der Fall Becciu, der seine Hände in zu viele Töpfe gesteckt hatte. Franziskus ließ ihn nicht fallen, sondern nahm ihn aus der Schußlinie, indem er ihn zum Dikasterienleiter und Kardinal beförderte. Als Fehlinvestitionen in der Höhe von Hunderten von Millionen Pfund bekannt wurden, konnte ein Einschreiten der vatikanischen Strafverfolgungsbehörden nicht mehr verhindert werden. Becciu wurde schließlich zu fünfeinhalb Jahren Gefängnis verurteilt, wird aber keinen einzigen Tag davon in einer Gefängniszelle verbringen müssen und auch seine Kardinalswürde hat er immer noch. Alle kosmetischen Erklärungen, daß er den Purpur zwar habe, aber in Wirklichkeit nicht habe, sind nur Nebelkerzen. Warum? Thompson bringt es knapp auf den Punkt: „Er weiß zuviel.“
Mit Fiducia supplicans hat sich Franziskus einen Strich durch die Rechnung gemacht
Alle diese Skandale sind „grausam“, so der Spectator-Herausgeber, doch nichts wird das kommende Konklave mehr bedingen als Fiducia supplicans. Diese römische Homo-Erklärung hat „die Dynamik des Wahlkollegiums verändert“. Das liegt nicht nur am „radioaktiven Thema der Homosexualität“, das schon die protestantischen Kirchen „zerrissen hat“, sondern daran, daß die Erklärung die „katastrophale Inkompetenz dieses Pontifikats auf den Punkt bringt“.
Gut drei Viertel aller Papstwähler im kommenden Konklave wurden von Franziskus ernannt. Die Mehrheitsverhältnisse scheinen erdrückend, doch seit Fiducia supplicans hat sich alles verschoben.
Kardinalsernennungen wurden von Franziskus wie ein „peronistisches Brettspiel“ gehandhabt. In den USA, besser gesagt insgesamt im Westen, achtete Franziskus darauf, „bergoglianische Loyalisten“ in Amt und Würden zu bringen. Dafür stehen die Bischofsstühle von Newark, New Jersey, Chicago, Washington. Newark erhielt mit Joseph Tobin, einem McCarrick-Boy, seinen ersten Kardinal, während Los Angeles, wo unter Benedikt XVI. berechtigterweise mit José Horacio Gómez auf den ersten hispanischen US-Kardinal gehofft werden konnte, bis heute leer ausging. Mehr noch. Franziskus begnügt sich selten mit dem bloßen Sieg. Er muß auf seinen besiegten Gegner noch eintreten. So enthält er Gómez nicht nur die Kardinalswürde vor, sondern verlieh diese dem ultraprogressiven Robert McElroy, einem Suffragan von Gómez. So begnügte sich Franziskus nicht, seinen alten argentinischen Gegenspieler Héctor Rubén Aguer sofort mit Vollendung des 75. Lebensjahres zu emeritieren, sondern ernannte ausgerechnet das Leichtgewicht Victor Manuel „Tucho“ Fernández zu seinem Nachfolger. Thompson schreibt es nicht, doch das hat etwas Boshaftes.
Dem Homo-Päderasten McCarrick wurde von Franziskus 2018 die Kardinalswürde entzogen, weil er nicht mehr anders konnte. Dafür ernannte Franziskus gleiche mehrere McCarrick-Boys zu Bischöfen und Kardinälen. Wie nennt man das?
In den riesigen Weiten der nicht-westlichen Welt hingegen wandte Franziskus auf seinem Brettspiel andere Taktiken an. So schenkte er der Mongolei, wo es nur 1450 Katholiken gibt, einen Kardinal, während Länder mit Millionen von Katholiken unberücksichtigt blieben. Tonga hat einen Kardinal, Australien und Irland haben keinen. Franziskus gefallen solche exotischen Spielchen, doch achtete er dabei weniger auf Inhalte. In den Ländern der einstigen Dritten Welt haben die westlichen Fraktionsbildungen in der Kirche wenig bis keine Relevanz. In manchen Orten sind sie ein Importprodukt der westlichen kirchlichen Geldgeber, aber nicht mehr. In seinen beiden letzten Konsistorien ernannte Franziskus ganze 33 Kardinäle, „von denen nur eine Handvoll radikale Ansichten über Sexualität im westlichen Stil vertreten“.
Franziskus habe die Chance vertan, den Sack für das nächste Konklave zuzuziehen, zitiert Thompson eine vatikanische Quelle. Die neuen Kardinäle würden zwar einige bergoglianische Kriterien erfüllen, indem sie der Kapitalismus-Kritik von Franziskus applaudieren, manche auch seinen „melodramatischen Warnungen vor einem Klimawandel“, doch für die Sodomie haben sie kaum Verständnis. Thompson zitiert dazu seine vatikanische Quelle:
„Als Fiducia supplicans veröffentlicht wurde, haben die afrikanischen Kardinäle ihre Verehrung für Franziskus über Nacht aufgegeben. Die große Mehrheit wird niemand wählen, der Fiducia unterstützt hat.“
Die Rede ist immerhin von 17 afrikanischen Wahlmännern. Dazu kommen mindestens zehn Kardinäle aus Asien, Lateinamerika und dem Westen, die ihre Ablehnung von Fiducia supplicans offen kundgetan haben. Laut Thompson dürfte es nicht allzu schwierig sein, eine Sperrminorität von Fiducia-supplicans-Gegnern im Konklave zu bilden. Da laut geltendem Wahlrecht ein Papst die Zustimmung von mindestens zwei Dritteln der Wähler braucht, kann diese Sperrminorität zwar keinen Kandidaten durchsetzen, aber jeden Kandidaten verhindern.
„Das ist eine schlechte Nachricht für Kardinal Luis Tagle, den ehrgeizigen ehemaligen Erzbischof von Manila. Er wurde wegen seines Auftretens und seiner sozialliberalen Ansichten einst als ‚asiatischer Franziskus‘ bezeichnet.“
Nachdem mehrere Skandale, darunter auch sexueller Mißbrauch, in den Reihen der Caritas Internationalis bekannt wurden, entzog Franziskus Tagle die Leitung des Caritas-Dachverbandes. Der Sinophilippiner wurde vom Papst aber nicht fallengelassen, das tut Franziskus bei seiner Freunden kategorisch nicht, sondern auf den weniger einflußreichen, aber prestigeträchtigen Posten eines Präfekten des Dikasteriums für die Evenagelisierung der Völker versetzt.
Auch die Chancen von Kardinal Matteo Zuppi, dem Erzbischof von Bologna, Vorsitzenden der Italienischen Bischofskonferenz und Sonderbeauftragten des Papstes für den Frieden in der Ukraine, schwinden damit. Dessen Gesinnung „ist sozialistisch“, auch wenn er unter Benedikt XVI., als Weihbischof von Rom, eigens die Zelebration des überlieferten Ritus erlernte. Seine Haltung zur Homosexualität nennt Thompson „zurückhaltend“. In Wirklichkeit ist sie homophil, wie Thompson dann auch selbst bestätigt, indem er das Beispiel einer Homo-Segnung in Bologna anführt, mit der sich Zuppi gleich doppelt diskreditierte, indem er im nachhinein die Segnung bestreiten ließ.
Konservative oder traditionsverbundene Kandidaten werden von Thompson erst gar nicht behandelt, weil sie keine Aussicht auf Erfolg haben, so der Brite.
Hardliner-Progressive wie die McCarrick-Boys Gregory, Cupich, Farrell und McElroy in den USA, hätten allerdings auch keine Chancen und auch „die altgedienten europäischen Linken Hollerich, Marx und Czerny“ nicht. Der Malteser Mario Grech, den Franziskus zum Kardinal kreierte und zum Generalsekretär der Bischofssynode ernannte, „hat seinen Ruf zusammen mit der Synodalitätssynode in den Sand gesetzt“. Seine Gegner, so Thompson, bezeichnen ihn als den „größten Speichellecker“ an der Römischen Kurie, eine Position, um die allerdings Arthur Roche mit ihm konkurriert, so der Autor.
Als gemäßigte Alternativen nennt Thompson den Ungarn Peter Erdö, Erzbischof von Esztergom-Budapest und Primas von Ungarn. Er gilt als sehr zurückhaltender Gelehrter, was der Autor mit einer Anekdote belegt: Als er Kardinal Erdö vor mehreren Jahren in London zum Kaffee traf, sei wegen des mühsamen Einsatzes eines Übersetzers schon eine halbe Stunden vergangen gewesen, als Erdö „plötzlich in fließendes Englisch wechselte“. Der ungarische Purpurträger scheue das Rampenlicht und soll etwas dünnhäutig sein, „aber bei der Familiensynode 2015 nutzte er trotz des Drängens päpstlicher Apparatschiks seine Position als Generalrelator, um eine meisterhafte Verteidigung der traditionellen Lehre zu liefern“. Ein römischer Gesprächspartner nannte Erdö gegenüber Thompson „langweilig konservativ, was vielleicht genau das ist, was wir jetzt brauchen“.
Da sollten einem schon wesentlich gewichtigere Kriterien für den nächsten Papst einfallen als ein solcher kirchenpolitischer Minimalismus.
Als weiteren gemäßigten Kandidaten der „sich nur schwer in eine Schublade stecken“ lasse, nennt der Brite den italienischen Kardinal Pierbattista Pizzaballa, Lateinischer Patriarch von Jerusalem und damit in den vergangenen Monaten viel im Rampenlicht. Dabei offenbarte sich Pizzaballa als „ein Diplomat von seltenem Geschick“. Seine Verurteilung der israelischen Angriffe auf Zivilisten im Gazastreifen brachte ihm eine Rüge des israelischen Außenministers ein – allerdings hatte er zuvor bereits die Hamas für ihre „Barbarei“ verurteilt und sich selbst als Geisel anstelle von entführten Israelis angeboten.
Fakt sei aber bezüglich Konklave, wie Thompson bestätigt: Nichts Genaues weiß man nicht. „Es wird allgemein angenommen, daß wir nach Franziskus für ein paar Jahrhunderte“ auf dem Stuhl Petri „keinen weiteren Lateinamerikaner oder Jesuiten mehr sehen werden“. Es sei wohl eher angesagt, sich schon einmal mit einigen asiatischen Namen vertraut zu machen: Kardinal William Goh aus Singapur, orthodox in bezug auf die Morallehre, verhalten kritisch gegenüber der Kapitulation vor Peking; Kardinal Charles Maung Bo aus Myanmar, ein deutlicher Kritiker des China-Deals, der mit dem Geheimabkommen von 2018 zustandekam; und Kardinal Lazarus You Heung-sik aus Südkorea, seit 2021 Präfekt des Klerusdikasteriums. Thompson nennt Kardinal Kardinal You Heung-sik „eine faszinierende Figur“:
„Er konvertierte im Teenageralter zum Katholizismus, nachdem sein Vater entweder getötet worden oder in den Norden übergelaufen war – niemand weiß es. Dann bekehrte er den Rest seiner eigenen Familie. Sein Glaube ist fröhlich und seine Vision der Priesterausbildung weitaus attraktiver als Franziskus‘ bittere Tiraden gegen den ‚Klerikalismus‘.“
Und schließlich nennt der Brite noch Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, der sich unübersehbar in Stellung zu bringen versucht. Der 69jährige werde als Kandidat ernst genommen, was „an sich schon merkwürdig ist“. Parolin hat alle wesentlichen Handlungen des derzeitigen Pontifikats mehr oder weniger direkt mitzuverantworten. Becciu war zur Zeit des Immobilienskandals sein Stellvertreter im Staatssekretariat. Parolin war es auch, der das Geheimabkommen mit der Volksrepublik China aushandelte, von dem Kardinal Joseph Zen sagte, daß dadurch auch die standhafte romtreue Untergrundkirche dem Regime ausgeliefert und von diesem in eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Kommunistischen Partei umgewandelt werden wird. „Genau das ist geschehen.“
Kardinal Zen, den viele Katholiken als einen lebenden Heiligen betrachten, darf selbst, da schon 92 Jahre alt, am Konklave nicht mitwählen. Er sagte über Kardinal Parolin:
„Er ist so optimistisch. Das ist gefährlich. Ich habe dem Papst gesagt, daß Parolin einen vergifteten Verstand hat. Er ist sehr nett, aber ich habe kein Vertrauen in diese Person. Er glaubt an die Diplomatie, nicht an unseren Glauben.“
Eine vatikanische Quelle bestätigte diese Einschätzung gegenüber Thompson:
„Er ist zu jedem nett, aber innen hohl.“
Thompson sekundiert:
„Niemand bestreitet, daß Parolin ein kluger Kopf ist, der sich darauf spezialisiert hat, keine Fingerabdrücke in der Nähe der Tatorte verschiedener Verbrechen zu hinterlassen. Er nuanciert seine Aussagen zur Ukraine und zu Israel, während der Papst mit seinen improvisierten Kommentaren ins Fettnäpfchen tritt. Er bombardiert potentielle Feinde mit Liebe. Er wittert eine Gegenreaktion gegen Franziskus und schwenkt nach rechts, indem er zugibt, daß Tuchos Homo-Segen Unsinn ist.“
Der Spectator-Herausgeber geht in seiner Analyse noch weiter:
„Für seine Kritiker ist Parolin der italienische Franziskus: inhaltsleer, hinterhältig und die lateinische Messe höhnisch verachtend – eine idiotische Haltung, wenn man bedenkt, wie erstaunlich schnell die überlieferte Liturgie unter jungen Katholiken Kultstatus erlangt. Aber übersehen sie dabei einen großen Unterschied? Von dem Moment an, als er Kardinal wurde, hatte Bergoglio das Papstamt fest im Blick, und sein Blick hat nie nachgelassen. Parolin hingegen könnte erkennen, daß er zu kompromittiert ist, um mehrere Wahlgänge zu überstehen. Vielleicht ist es sein eigentliches Ziel, unter dem nächsten Mann ein wirklich mächtiger Staatssekretär zu werden.“
Im Klartext, Parolin könnte sich zurücknehmen, um mit seinem Gewicht die Wahl eines ihm genehmen Kandidaten zu fördern.
Wer dieser Kandidat aber sein könnte, der Aussicht auf die Wahl zum nächsten Papst hat, dazu „haben wir wirklich keine Ahnung“, so Thompson. Es falle jedenfalls auf, daß Kardinal Vincent Nichols, Erzbischof von Westminster und Primas von England und Wales, „ein Wechselwähler“, den Namen von Franziskus „mit einer Häufigkeit nannte, die erschaudern ließ“, dies jetzt aber „nicht mehr so oft“ tut:
„Er hat wohl die Nase voll von der bedeutungslosen Rhetorik der Synodalität und davon, von Arthur Roche herumgeschubst zu werden. Von Fiducia war er eindeutig nicht beeindruckt.“
Aus dem Gesamtkontext sei es „leicht“ vorstellbar, daß „eher progressive Kardinäle für einen eher konservativen Kandidaten stimmen, der die strukturellen Schäden der letzten elf Jahre“ beseitigt. Franziskus hinterlasse ein Kirchenrecht „mit so vielen Löchern, daß es wie die Marsoberfläche aussieht“, so ein Priester, der an der Römischen Kurie arbeitet. Die Bischöfe seien nicht begeistert über die Entscheidungen, die ihnen aufgelastet, während ihnen bisherige Rechte genommen wurden. Die Diözesanbischöfe müssen wegen Franziskus entscheiden, ob geschiedene Wiederverheiratete zur Kommunion zugelassen sind, und müssen schauen, daß die Fiducia-supplicans-Segnungen „spontan“ und „außerliturgisch“ sind. Dabei ist völlig unklar, was das überhaupt heißen soll.
„Es ist anzunehmen“, so Thompson, „daß die meisten Kardinäle in ihren Gesprächen vor dem Konklave darin übereinstimmen, daß der nächste Papst jemand sein muß, der in der Lage ist, eine Notreparatur zu beaufsichtigen, die die Lehre und den Umfang der kirchlichen Autorität klärt und dem Dschihad gegen traditionalistische Katholiken ein Ende setzt, von denen viele eine oder zwei Generationen jünger sind als die sie belästigenden Boomer.“
Fest steht, so der Autor, daß die Papstwähler wissen, daß sie „tief in die Vergangenheit der führenden Kandidaten eindringen müssen“, um böse Überraschungen zu vermeiden. Bereits 2021 hatte der Kirchenhistoriker Alberto Melloni, Leiter der progressiven Schule von Bologna, in der progressiven britischen katholischen Zeitschrift The Tablet davor gewarnt, daß andernfalls der Supergau eintreten könnte, daß im Konklave ein Papst gewählt wird, der dann, kaum daß er die Mittelloggia des Petersdoms betritt, schon über seine eigene Vergangenheit stürzt und der Stuhl Petri wieder vakant ist.
Die notwendige Überprüfung werde eine „unangenehme Angelegenheit“ sein. Schon 2013 wäre sie aber dienlich gewesen, um nicht über eine Fehleinschätzung eines Kandidaten zu stolpern. Viele argentinische Katholiken „aus dem gesamten ideologischen Spektrum“ wußten nämlich „über die charakterlichen Schwächen von Franziskus Bescheid: seine zwanghafte Geheimniskrämerei, seine Rache gegen andere, seine störenden Allianzen und seine Herrschaft durch Angst. Aber niemand hat sie gefragt.“
Es sei, so Thompson, zwar davon auszugehen, daß unter den aktuell 127 Papstwählern keiner „so gemein“ ist wie Franziskus. Dennoch sollte im nächsten Konklave ausgeschlossen werden, jemanden zu wählen, der „dem Modus operandi“ von Franziskus folgt:
„Mit anderen Worten: kein Chamäleon. Keiner, der unter Benedikt orthodox, aber unter Franziskus progressiv war und jetzt in die Mitte zurückkehrt.
Der neue Papst muß ein heiliger Mann sein, der sich auf Mitarbeiter verläßt, die keinen Dreck am Stecken haben und gegen die er keinen Dreck am Stecken hat. Der Papst muß über jeden Vorwurf erhaben sein.“
Thompson meint, das sei auch wichtiger als die Frage, ob der nächste Papst „progressiv“ oder „konservativ“ sei. Dem ist so nicht beizupflichten, wie er selbst schon in kluger Voraussicht erahnt. Thompson schließt seine Analyse jedoch mit einer richtigen Aussicht für die Kirche:
„Aber wenn die Kardinäle ihre Arbeit richtig gemacht haben, wird der Applaus schnell wieder einsetzen. Und wenn Sie genau hinhören, werden Sie ein anderes Geräusch aus allen Büros des Vatikans hören: einen Seufzer der Erleichterung, daß das bergoglianiche Spiel endlich vorbei ist.“
Text/Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican.va/Wikicommons (Screenshots)