(Santiago de Chile) Das vatikanische Presseamt gab am Montag die Emeritierung einiger chilenischer Bischöfe bekannt. Insgesamt sollen in dieser Woche gleich acht Bischöfe des Landes emeritiert werden. Der einzigartige Schritt ist das jüngste Kapitel eine beispiellosen Konfliktes.
Im Mittelpunkt des Konfliktes steht der von der Kirche verurteilte Ex-Priester Fernando Karadima und sein sexueller Mißbrauch. Das Vertrauen der Menschen in die Kirche hat seit Bekanntwerden der Mißbrauchsfälle schwer gelitten. Eine Folgewirkung ist der Fall von Bischof Juan Barros Madrid von Osorno im Süden des Landes.
Da Papst Franziskus sich weigerte, Bischof Barros zu emeritieren, wie es zuletzt sogar die Chilenische Bischofskonferenz gefordert hatte, boten alle chilenischen Bischöfe ihren Rücktritt an. Der in der Kirchengeschichte beispiellose Schritt wurde von der Chilenischen Bischofskonferenz am vergangenen 18. Mai bekanntgegeben. Die drei Tage zuvor waren die Bischöfe auf Einladung von Papst Franziskus im Vatikan verbracht.
Beobachter sahen in dem Paukenschlag einen fast verzweifelten Versuch, Papst Franziskus doch noch zu einer Entscheidung zu Barros zu bewegen. Damit trat aber noch eine weitere Frage in den Vordergrund, die des päpstlichen Gesichtsverlustes.
Obwohl die Bischöfe jede Verknüpfung ihres Rücktrittsangebotes, das mehr einer Drohung gleichkam, mit dem Fall Barros vermieden, und Papst Franziskus ohnehin seit seiner Rückkehr aus Lateinamerika Ende Januar Barros nicht mehr erwähnte, war klar, daß das nicht genügen würde. Der Zusammenhang lag zu deutlich auf der Hand. Eine Emeritierung von Barros durch Franziskus mußte als Niederlage des Papstes interpretiert werden.
Gestern löste Franziskus das Problem auf seine Weise. Vorerst. Ob damit die Akte Karadima-Barros endlich für die Kirche geschlossen werden kann, muß sich erst noch zeigen. Franziskus emeritierte Barros, nachdem er sich fast dreieinhalb Jahre vehement gegen eine solche Option gesträubt und noch im Januar Barros-Kritiker der „Verleumdung“ bezichtigte. Er emeritierte zugleich aber noch weitere Bischöfe. Insgesamt soll es sieben neben Barros sein.
Eeine solche Massenemeritierung in einem Land gab es noch nicht.
Die Emeritierung von Barros wurde in ein ganzes Emeritierungspaket gepackt. Franziskus mußte sich dem Offensichtlichen fügen, tut dies aber auf eine Weise, die weder den Eindruck von Schwäche noch einer Niederlage signalisiert. Die Emeritierung von gleich acht Bischöfen ist ein so aufsehenerregender Akt, daß das Staunen über die zur Schau gestellte Machtfülle andere Aspekte, auch die dem Papst abgenötigte Absetzung eines einzelnen Bischofs verblassen läßt.
Das vatikanische Presseamt gab gestern die Emeritierung von drei Bischöfen bekannt: Erzbischof Cristian Caro Cordero von Puerto Montt, Bischof Gonzalo Duarte Garcia De Cortazar SS.CC. von Valparaiso und Bischof Juan Barros Madrid von Osorno. Erzbischof Caro und Bischof Duarte hatten vor einigen Monaten das 75. Lebensjahr vollendet und ihr Rücktrittsangebot ohnehin gemäß Kirchenrecht dem Papst unabhängig vom kollektiven Rücktritt vorgelegt. Bischof Barros hingegen ist erst 61 Jahre alt und vorerst der einzige Bischof, der wirklich abgesetzt wurde.
Die gestern herumgereichte Liste von Bischöfen, die von Franziskus emeritiert werden, ist jedoch wesentlich länger. Neben weiteren Oberhirten, die bereits die Altersgrenze überschritten haben, finden sich darunter auch die anderen Zöglinge Karadimas, die wie Barros zu Bischofswürden gelangten. Es sind Bischof Tomislav Koljatic von Linares (63), Bischof Horacio Valenzuela von Talca (65) und Weihbischof Andres Arteaga von Santiago de Chile (59). Arteaga war noch unter dem Vorgänger von Kardinal Ezzati als Erzbischof von Santiago de Chile, Kardinal Francisco Javier Errázuriz Ossa, einem persönlichen Freund von Papst Franziskus, zum Weihbischof ernannt worden. Ihm wurde vorgeworfen, die Vorwürfe gegen Karadima, mit denen er befaßt war, nicht ernsthaft geprüft zu haben. Manche Kritiker sind noch deutlicher.
Unter den Bischöfen, die altersbedingt emeritiert werden, findet sich auch der Primas des Landes, Erzbischof Ricardo Kardinal Ezzati von Santiago de Chile (76). Kardinal Ezzati hatte Ende April auf einer öffentlichen Pressekonferenz mit deutlichen Worten den Rücktritt von Barros gefordert.
Der achte Bischof auf der Liste ist Bischof Alejandro Goic von Rancagua (78).
Die Gesamtliste zeigt, daß Papst Franziskus ernst macht. Die emeritierten Bischöfe lassen sich dabei in zwei Gruppen unterteilen: in die vier Karadima-Bischöfe, alle noch unter 75, und vier Bischöfe, die altersbedingt emeritiert werden.
Aus der Forderung nach Entfernung von Bischof Barros scheint ein generelles, wenn auch nach außen etwas verschleiertes Reinemachen zu werden. Den Preis bezahlt offenbar auch der Primas des Landes. Seine öffentliche Forderung nach Absetzung Barros‘, die eine direkte Herausforderung an den Papst war, wird zwar erfüllt, kostet ihn aber selbst seinen Bischofssitz.
Vorerst sind aber erst drei von acht Emeritierungen amtlich. Hinter den Kulissen herrscht einige Aufregung.
Mit der Absetzung von Bischof Barros könnte auch die Mission des päpstlichen Sondergesandten Charles Scicluna in das Bistum Osorno hinfällig geworden sein. Diesbezüglich wurde noch nichts bekanntgegeben. Scicluna wurde im Mai als Kandidat für das Amt des Substituten des Kardinalstaatssekretärs, eines der ranghöchsten Ämter im Vatikan genannt.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Twitter/SlideShare/MiL