
(Rom) Was Papst Franziskus offiziell sagte, ist nicht neu. Es gehört zu den logischen Bestimmungen der Kirche. Selbst Franziskus hatte diese bereits an früherer Stelle wiederholt. Daß dies widersprüchlich erscheint, hat mit einer anderen, allerdings prägenden Seite des derzeitigen Pontifikats zu tun. Nun aber entfachte sich eine Diskussion über ein angeblich von Franziskus verwendetes Wort, für das er sich nun entschuldigte, ohne zu bestätigen, es überhaupt gesagt zu haben. Hier der Versuch einer Rekonstruktion der Ereignisse.
Am 20. Mai hatte sich Franziskus im Vatikan mit den italienischen Bischöfen getroffen. Der Meinungsaustausch fand hinter verschlossenen Türen statt. Doch wie gewohnt, sickerten einige Indiskretionen durch, die von den ausgewählten „üblichen Bekannten“ unter den Medien an die Öffentlichkeit weitergegeben wurden. Im konkreten Fall waren das La Croix, die Tageszeitung der französischen Bischöfe, und La Repubblica, die Tageszeitung der italienischen Linken, die bekanntermaßen auch Franziskus bevorzugt liest.
Der Papst ist als Bischof von Rom zugleich Primas von Italien und automatisch Vorsitzender der Italienischen Bischofskonferenz. Um nicht zu sehr in die Angelegenheiten eines einzelnen Landes hineingezogen zu werden, ernennt er für den tatsächlichen Vorsitz einen italienischen Bischof als seinen Vertreter. Vor der Frühjahrsvollversammlung trifft sich der Papst jedoch jährlich mit allen Bischöfen, um aktuelle Fragen zu besprechen. So geschah es auch dieses Jahr. Am 20. Mai fand das Treffen der Bischöfe mit Franziskus statt und noch am selben Tag wurde dann auch die Frühjahrsvollversammlung eröffnet, die bis zum 23. Mai wie gewohnt im Vatikan tagte.
Beim genannten Treffen wurde Franziskus von einem Bischof gefragt, was zu tun sei, wenn ein „offen homosexueller“ Mann sich um Aufnahme in ein Priesterseminar bewirbt. Die Frage erstaunt, denn die entsprechenden kirchlichen Bestimmungen sind, es gilt die Instruktion von 2005, diesbezüglich sehr deutlich. Franziskus selbst hatte sie im Jahr 2016 bestätigt. Die Homosexualität ist jedoch zu einem alles erdrückenden Kulturkampfthema geworden, mit dem die woke Linke die Menschheit gnadenlos zwangsbeglücken will. Der Homo-Monat Juni, mit dem der katholische Herz-Jesu-Monat zugedeckt wird, läßt grüßen.
Franziskus signalisierte seit seiner Wahl, eine Öffnung gegenüber Homosexuellen durchsetzen zu wollen. Er änderte formal nichts an der kirchlichen Morallehre, verschweigt diese jedoch der Öffentlichkeit, indem er sie nicht lehrt, und sandte stattdessen unzählige homophile Signale aus. Vor allem umgab er sich mit einer Reihe von Kirchenmännern, denen der Ruf, homosexuell zu sein, vorauseilte oder sie nach erfolgter Ernennung schnell einholte. Offiziell, so heißt es mit Nachdruck, führe Franziskus seit dem Beginn seines Pontifikats einen Kampf gegen „jede ungerechte Diskriminierung von Homosexuellen“. Das klingt grundsätzlich gut, doch wo liegt die Grenze zur „Diskriminierung“? Die woke Linke hat sich den Kampf gegen „Diskriminierung“ auf die Fahne geschrieben und verschiebt in einem zersetzenden Impetus laufend und willkürlich die Meßlatte.
Franziskus sprach sich für Rechtsnormen zugunsten homosexueller Paare aus, ermöglichte ihnen mit Amoris laetitia still und leise die Kommunionzulassung, ermöglichte ihnen die Taufe „ihrer“ Kinder ohne Thematisierung ihres eigenen Zustandes, ebenso die Zulassung als Paten und Trauzeugen und verschaffte ihnen schließlich mit Fiducia supplicans sogar den kirchlichen Segen. Jedenfalls kann jeder Bischof das nun so halten, wie er will.
Die Frage des Bischofs erfolgte vor dem Hintergrund, daß von Italiens Episkopat im vergangenen Herbst Neuregelungen für die Zulassung von Seminaristen erarbeitet wurden, die derzeit vom Vatikan geprüft wird. Die Genehmigung steht noch aus.
Die wiederholte Nachfrage in einer geklärten Angelegenheit ist meist ein Hinweis, daß eine Änderung der bisherigen Position erwünscht ist oder es mit der Klarheit doch nicht so weit her ist, wie gemeint. Zur Verunsicherung in der Homo-Frage wurde von Franziskus selbst tatkräftig beigetragen. Erzielte er übrigens Erfolge mit seinen Öffnungen? Hat sich der kulturkämpferische Druck auf die Kirche in der Homo-Frage abgeschwächt? Nichts dergleichen läßt sich feststellen. Er ist massiver denn je und heute auch aus dem Inneren der Kirche heraus virulent, angefacht durch den päpstlichen Probabilismus.
Jedenfalls antwortete Franziskus dem italienischen Bischof aber anders, als es sich manche aufgrund seiner homophilen Agenda vielleicht erwartet hatten. Franziskus soll geantwortet haben, daß es besser sei, jemanden „mit dieser Tendenz nicht zu weihen“. Aus eigener Erfahrung, wie Franziskus ausführte, könne er sagen: Es sei besser, durch dieses Auslesekriterium zu riskieren, „eine Berufung zu verlieren“, als sich die „Probleme“ einzufangen, die durch solche Situationen verursacht werden. Die Befürchtung ist, so Franziskus, daß solche Kandidaten am Ende, zuerst als Seminaristen, dann aber auch als Priester, ein Doppelleben führen, indem sie ihre Homosexualität weiterhin geheim ausleben und zugleich unter der Verschleierung leiden. Das, so die offensichtliche Schlußfolgerung, wirke sich doppelt negativ aus.
Umstritten ist der genaue Beweggrund von Franziskus. Santa Marta nahestehende Quellen sagen, er wolle damit eine Konditionierung vermeiden. Niemand solle nämlich Priester werden, um seiner eigenen sexuellen Situation zu entkommen. Handelt Franziskus auch darin als Freund der Homosexuellen? Oder zeigt sich vielmehr ein Dilemma?
Das Dilemma in der kirchlichen Positionierung ist, daß die Klarheit in Sachen Homosexualität eben nicht so klar ist, wie es scheint. Sie ist in der Theorie klar, aber in der Praxis scheint es auch im hohen wie niederen Klerus erhebliche Mentalvorhalte zu geben, die die Lehre in nicht unerheblichem Ausmaß um ihre Wirkung bringen.
Der Kern der Gesamtfrage steht und fällt nämlich mit der Prämisse, ob Homosexualität ein „naturgegebener“ Zustand ist, für den die Betroffenen nichts können, weder etwas dazu beigetragen haben noch sich davon befreien können, oder ob es sich um eine sexuelle Identitätsstörung handelt, die im Laufe des Lebens erst durch widrige innere (charakterliche Defizite wie Narzißmus) oder äußere (z. B. fehlender Elternteil, was ein positives Selbstverständnis im eigenen Geschlecht verhindert; zu dominanter andersgeschlechtlicher Elternteil; sexueller Mißbrauch oder Verführung in einer heiklen Entwicklungsphase) Faktoren entsteht und durchaus korrigiert werden kann. Die große Versuchung, auch in der kirchlichen Hierarchie, besteht darin, die Frage als naturgegeben abzutun und sich damit jeder Verantwortung und auch Diskussion zu entziehen. Denn was nicht geändert werden könne, das müsse eben einfach akzeptiert werden. Jede Grundsatzdiskussion ist damit vom Tisch, für die woke Linke und Homo-Lobby, weil die Akzeptanz ohnehin das erklärte ideologische Ziel ist, für Konservative und auch manche kirchliche Hierarchen, weil es sie aus geistiger Trägkeit und auch aus Feigheit davon entbindet, sich einer solchen Auseinandersetzung zu stellen.
Franziskus ersuchte jedenfalls die italienischen Bischöfe gleichzeitig, die abgelehnten jungen Männer so gut wie möglich zu „begleiten“. Zudem tätigte Franziskus eine kryptische Aussage, indem er sagte, er habe in Italien eine „zu seltsame Atmosphäre in den Seminaren“ wahrgenommen. Was aber meinte der Papst damit? Es ist bekannt, daß er in den mehr als elf Jahren seines Pontifikats noch nie sein eigenes Priesterseminar in Rom besuchte, geschweige denn irgendein anderes diözesanes Priesterseminar. Was also genau will Franziskus „wahrgenommen“ haben?
Gegenüber den italienischen Bischöfen wiederholte Franziskus jedoch die Aufforderung seiner Vorgänger, die er selbst auch schon geäußert hatte, keine Homosexuellen zu Priestern zu weihen und auch keine Homosexuellen in die Priesterseminare aufzunehmen.
Dies geschah hinter verschlossenen Türen, was verständlich wird, wenn man weiß, wie die politische Linke Jagd auf jene macht, die sich der Homo-Agenda widersetzen, aber auch, daß Franziskus in hohem Maße dazu neigt, seinen jeweiligen öffentlichen Gesprächspartnern Freundlichkeiten zu streuen.
Hinter verschlossenen Türen trat der Papst gegenüber den Bischöfen hingegen als Vorgesetzter auf und schlug dabei, nicht zum ersten Mal, einen eher umgangssprachlichen Ton an. Jorge Mario Bergoglio griff dabei sehr tief in die Vokabularkiste, die für einen Papst eigentlich tabu sein sollte. Wir rekonstruieren: Franziskus warf den italienischen Bischöfen vor, daß es in einigen Seminaren „zu viel Queerismus gibt“. Die bürgerliche spanische Tageszeitung ABC war im Gefolge um Relativierung bemüht:
„Natürlich wußte der Papst, der die Sprache Dantes nicht als Muttersprache spricht, nicht, daß das italienische Wort ‚frociaggine‘ höchst beleidigend ist. In seiner Familie sprach er nur den piemontesischen Dialekt, nicht Italienisch.“
In Rom heißt es hingegen, daß Franziskus genau wußte, was er sagte und sich offenbar bewußt abschätzig ausdrückte, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen. Das zur Diskussion stehende Wort ließe sich mit „Schwuchteleien“ oder „Schwulereien“ übersetzen. Jedenfalls wurde Franziskus von seinen Zuhörern ganz genau verstanden.
Hat Franziskus nun von „Schwuchteln“ geredet oder nicht? Ja, er hat wohl. Doch Franziskus ist gut im Verschleiern und Aussitzen, aber weit weniger im Eingestehen von ihm nicht ins Konzept passenden Fehlern. Und ja, ein Papst sollte bei der Wortwahl sorgsam umgehen, um niemanden unnötig zu kränken oder einer Sache zu schaden und vor allem um das Ansehen seines Amtes zu schützen. Die ganze Homo-Angelegenheit ist so schon verrannt genug.
Vatikansprecher Matteo Bruni hatte sich heute jedoch um eine klare Antwort gewunden, obwohl diese die beste und schnellste Lösung der Angelegenheit wäre. Bruni sagte an die Journalisten gewandt:
„Papst Franziskus ist sich der kürzlich veröffentlichten Artikel über ein Gespräch hinter verschlossenen Türen mit den Bischöfen der Italienischen Bischofskonferenz bewußt. Wie er bei vielen Gelegenheiten gesagt hat: ‚In der Kirche ist Platz für alle, für alle! Niemand ist überflüssig, niemand ist überflüssig, es ist Platz für alle. So wie wir sind, alle.‘
Der Papst hatte nie die Absicht, sich homophob zu äußern oder zu beleidigen, und er entschuldigt sich bei denjenigen, die sich durch die Verwendung eines Begriffs, auf den sich andere bezogen haben, beleidigt fühlten.“
Diese Formulierung erscheint recht unglücklich, weil der Vatikanist von La Croix, Loup Besmond de Senneville, in seinem Bericht dem Papst den Satz an die Bischöfe zuschrieb: „Sprechen Sie nicht mit Journalisten darüber.“ Einige Bischöfe verstanden das offenbar als Aufforderung, das Gegenteil zu tun.
Was bleibt, ist ein vielleicht unerwarteter, aber deshalb nicht weniger bitterer Beigeschmack, daß ein Mann auf dem Stuhl Petri sitzt, der in bestimmten Situationen zu einer Wortwahl greift, die seines Amtes nicht würdig ist. Bisher wußte man von Zornesausbrüchen und Schimpftiraden, ohne eine genaue Wortwahl zu erfahren, da die Betroffenen den Anstand und das Schamgefühl hatten, die Diskretion zu wahren.
Vatikansprecher Bruni dementierte nichts, womit er es gewissermaßen bestätigte. So stehen Medienindiskretionen ohne Quellenangabe im Raum und eine „Entschuldigung“ des Papstes, obwohl weder dementiert noch bestätigt wurde und offiziell niemand weiß oder sagen kann, was Franziskus wirklich gesagt hat.
Das leidige Homo-Thema braucht nicht mehr Öl im Feuer durch eine unangemessene Wortwahl des Papstes, sondern bedarf eines Kirchenoberhaupts, das sich die Mühe macht, dem Klerus, den Gläubigen und der Welt die göttliche Schöpfungsordnung, das Wesen des Menschen, seine beiden Geschlechter und ihre Bedeutung zu erklären und daraus verständlich zu machen, warum Homosexualität weder natürlich noch gottgewollt ist. Doch dazu konnte sich Franziskus bis in das zwölfte Jahr seines Pontifikats nicht aufraffen.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: VaticanMedia (Screenshots)
Manchmal blitzt auch aus Santa Marta ein Licht auf.
Der Verwirrer kann gar nicht anders: heute so, morgen so, übermorgen vielleicht oder auch nicht.
Das Ganze hat aber System. Und es geht nie um die Wahrheit: selbst richtig Gesagtes ist Lüge.
„Wir wissen wer Du bist: der Heilige Gottes“, sagten die Dämonen. Aus ihrem Munde aber Unwahrheit und Verspottung. Entsprechend die Antwort Christi auf solche Äußerungen.
Was für eine Komödie…!
In Italien gehen die Uhren eben doch noch ein wenig anders. Erst recht wieder unter einer Giorgia Meloni. Da macht der „Papa“ keine Ausnahme. Auch wenn er vor der Öffentlichkeit so tut… Im Grunde führt er uns alle wie ein Tanzbär an der Nase herum!
Heterosexuelle italienische Männer, die Ehemänner u. Familienväter sind bzw. werden wollen, haben nach wie vor eine Abneigung Homosexuellen gegenüber. Da heißt es dann ungeniert: „Quello è un frocio!“ (Der ist ein Schwuchtel). Gerade erlebte ich mit einem Bekannten aus Apulien wieder dergleichen, als ich in einer Cafeteria mit ihm einen Caffè trank u. ein „stadtbekannter“ Pizzeria-Chef am anderen Ende auf der Bildfläche erschien. Jedenfalls sind die Italiener nicht willens, sich ständig in sämtliche Queerrichtungen zwangsbeglücken zu lassen.
Doch gab es entsprechende Probleme in italienischen Priesterseminaren wohl immer schon – glaubt man Aussagen italienischer Priester in der deutschen Auslandseelsorge. So z.B. im Süditalien der 50er u. 60er Jahre. Hinter den Kulissen der „heiligen Hallen“, versteht sich.