Der Bischof von Rom und seine „kopflose“ Diözese

Anspruch und Wirklichkeit


Der damalige Kardinalvikar Angelo De Donatis mit den 2022 von Papst Franziskus neuernannten Weihbischöfen von Roma (v. l.): Riccardo Lamba, Daniele Salera und Baldassare Reina
Der damalige Kardinalvikar Angelo De Donatis mit den 2022 von Papst Franziskus neuernannten Weihbischöfen von Roma (v. l.): Riccardo Lamba, Daniele Salera und Baldassare Reina

(Rom) Papst Fran­zis­kus bevor­zugt seit sei­ner Wahl, sich nach außen mehr als Bischof von Rom denn als Papst zu prä­sen­tie­ren. Doch um sei­ne Diö­ze­se küm­mert er sich nicht beson­ders oder aber auf sei­ne ganz eige­ne Art. Die Unru­he und Unzu­frie­den­heit im römi­schen Kle­rus ist des­halb erheb­lich, und das nicht erst seit gestern. „Die Prie­ster erhe­ben sich gegen den Papst, weil sie von die­ser fal­schen Syn­oda­li­tät und die­ser des­po­ti­schen Regie­rung erschöpft sind.“

Der erste Aufstand der römischen Priester gegen Franziskus

Anzei­ge

Im März 2020 kam es, als dra­stisch­stes Bei­spiel, zum ersten offe­nen Auf­stand der römi­schen Pfar­rer gegen Fran­zis­kus. Der Papst woll­te in einem „pan­de­mi­schen“ Anfall der glo­ba­li­sti­sche Vor­rei­ter sein, indem er für sei­ne Diö­ze­se die welt­weit radi­kal­sten Coro­na-Maß­nah­men ver­häng­te. Die Bischofs­kon­fe­ren­zen auf allen Kon­ti­nen­ten fie­len zwar der Rei­he nach um und ahm­ten nach, was die Ita­lie­ni­sche Bischofs­kon­fe­renz vor­ge­macht hat­te: Alle Zele­bra­tio­nen waren seit dem 8. März 2020 unter­sagt wor­den. Ita­li­en war das Land, das der Welt den berüch­tig­ten „Lock­down“ bescher­te, aber sich bis heu­te wei­gert – auch die der­zei­ti­ge Rechts­re­gie­rung von Gior­gia Melo­ni – die Unter­la­gen offen­zu­le­gen, auf­grund derer die­se bis dahin bei­spiel­lo­se Ent­schei­dung getrof­fen wur­de. Die Bischö­fe anti­zi­pier­ten mit dem Meß­ver­bot sogar die Regie­rung, damals noch die Links­re­gie­rung von Giu­sep­pe Con­te aus Fünf­ster­ne­be­we­gung und Links­de­mo­kra­ten, um einen Tag, denn der Lock­down trat erst am 9. März in Kraft. Die Ita­lie­ni­sche Bischofs­kon­fe­renz hät­te einen so radi­ka­len Beschluß nie ohne Rück­spra­che und Bil­li­gung durch Papst Fran­zis­kus gewagt. Weil die­se vor­lag, fie­len auch die ande­ren Bischofs­kon­fe­ren­zen dann wie Domi­no­stei­ne um und taten, was in jeder Hin­sicht unna­tür­lich und objek­tiv falsch war – und das schon damals und nicht erst heu­te, wo die ein­sti­gen Coro­na-Fana­ti­ker behaup­ten: „es damals nicht bes­ser gewußt zu haben“. Sie wuß­ten es, denn wel­chen ande­ren Grund könn­te es sonst geben, daß die Regie­run­gen ihre Ent­schei­dungs­grund­la­gen von damals unter Ver­schluß halten.

Doch Papst Fran­zis­kus ging weni­ge Tage spä­ter, am 12. März 2020, noch wei­ter und über­traf die­se Radi­ka­li­tät noch, indem er den Kar­di­nal­vi­kar von Rom Ange­lo De Dona­tis das berüch­tig­te Dekret 468/​20 ver­öf­fent­li­chen ließ. Mit die­sem wur­de ange­ord­net, nach­dem seit vier Tagen schon kei­ne Mes­sen mehr zele­briert wer­den durf­ten, daß in der gan­zen Diö­ze­se Rom alle Kir­chen und Kapel­len geschlos­sen und ver­rie­gelt zu wer­den hat­ten. Die Men­schen soll­ten in ihren Nöten und Äng­sten, in die man sie – wie man heu­te hin­läng­lich weiß – völ­lig unbe­grün­det, aber gene­ral­stabs­mä­ßig gestürzt hat­te, nicht ein­mal zum per­sön­li­chen Gebet in eine Kir­che dür­fen. Fran­zis­kus hat­te nicht weni­ger als die Abschaf­fung der Kir­che dekretiert.

Das war nun wirk­lich zuviel. Gegen das Dekret kam es zum Auf­stand der römi­schen Pfar­rer. Auch der Rek­tor der deut­schen Natio­nal­kir­che, der Öster­rei­cher Franz Xaver Brand­may­er, betei­lig­te sich dar­an. Er ließ wis­sen: Wer sei­ne Kir­che schlie­ßen wol­le, müs­se ihn zuerst phy­sisch über­win­den. Dazu waren auch ande­re Pfar­rer und Kir­chen­rek­to­ren ent­schlos­sen. San­ta Mar­ta gab nach und ruder­te zurück. Inner­halb von 24 Stun­den wur­de das Dekret als „zu dra­sti­sche Maß­nah­me“ kor­ri­giert. Jede Form des Got­tes­dien­stes blieb zwar wei­ter­hin unter­sagt, doch die Kir­chen durf­ten offenbleiben.

Die Köpfung der Diözese Rom

Das gerin­ge Inter­es­se von Fran­zis­kus an sei­nem Bis­tum wird ekla­tant dar­an deut­lich, daß er in den elf Jah­ren sei­nes Pon­ti­fi­kats noch nie das Prie­ster­se­mi­nar sei­ner Diö­ze­se besuchte.

Kar­di­nal De Donatis

Es rumort in Rom daher an vie­len Ecken und Enden. Jüng­stes Bei­spiel sind die Abset­zun­gen an der Spit­ze der Diö­ze­se Rom. Am ver­gan­ge­nen Sams­tag, dem 6. April, mach­te Fran­zis­kus sei­ne Diö­ze­se „kopf­los“. Er eme­ri­tier­te den bis­he­ri­gen Kar­di­nal­groß­pö­ni­ten­ti­ar Mau­ro Pia­cen­za und ernann­te sei­nen treu­en Statt­hal­ter in Rom, Kar­di­nal­vi­kar Ange­lo De Dona­tis, zum neu­en Großpönitentiar.

Gleich­zei­tig ernann­te er den Jesui­ten Msgr. Danie­le Liba­n­ori, der bis­her Weih­bi­schof von Rom war und für die welt­be­rühm­te römi­sche Alt­stadt zustän­dig, zu sei­nem „per­sön­li­chen Asses­sor für das geweih­te Leben“, eine unge­wöhn­lich beschei­de­ne Beför­de­rung, zumal ein sol­ches Amt bis­her nicht exi­stier­te.
Liba­n­oris Vor­gän­ger, Matteo Maria Zup­pi und eben Ange­lo De Dona­tis, waren von Fran­zis­kus mit dem Kar­di­nals­pur­pur und Schlüs­sel­po­si­tio­nen aus­ge­zeich­net wor­den. De Dona­tis lei­te­te seit 2017 für Fran­zis­kus des­sen Diö­ze­se Rom und Zup­pi wur­de 2015 zum Erz­bi­schof von Bolo­gna und 2022 auch zum Vor­sit­zen­den der Ita­lie­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz ernannt.

Vor allem beför­der­te Fran­zis­kus am ver­gan­ge­nen Sams­tag De Dona­tis und Liba­n­ori aus der Diö­ze­se fort, bei­de in den Vati­kan, aber ohne Nach­fol­ger zu ernen­nen. Erst nach­träg­lich berief er dazu gestern den Bischofs­rat sei­ner Diö­ze­se ein, an dem Kar­di­nal De Dona­tis und Msgr. Liba­n­ori bereits nicht mehr teil­nah­men. Der Unmut der Prie­ster der Diö­ze­se über die „kopf­lo­se“ Situa­ti­on war näm­lich aus­rei­chend deut­lich bis in den Vati­kan hör­bar gewor­den. Fran­zis­kus erklär­te am Mon­tag­mor­gen dem ver­blie­be­nen Bischofs­rat, immer­hin noch sechs Weih­bi­schö­fe, daß er sich „Zeit neh­me“, um den neu­en Vikar für die Diö­ze­se Rom aus­fin­dig zu machen. Bis dahin über­trug er die Lei­tung der Diö­ze­se dem Vize­ger­en­ten. Die­ses Amt exi­stiert heu­te nur mehr in der Diö­ze­se Rom und könn­te mit einem „geschäfts­füh­ren­den“ Ver­tre­ter ver­gli­chen wer­den. Der Vize­ger­ent ist zugleich Kom­men­da­tar­abt der Basi­li­ka San Loren­zo fuo­ri le mura.

Rom wird also der­zeit vom Ver­tre­ter des Ver­tre­ters des Pap­stes geleitet.

Msgr. Reina, der neue starke Mann des Papstes in Rom

Das Amt des Vize­ger­en­ten hat seit dem 6. Janu­ar 2023 der sizi­lia­ni­sche Msgr. Bald­ass­ar­re Rei­na inne. Rei­na war Anfang 2022 aus sei­ner Hei­mat­diö­ze­se Agri­gent an die Römi­sche Kurie beru­fen wor­den, wo er für die Kle­rus­kon­gre­ga­ti­on arbei­te­te. Sei­ne eigent­li­che Kar­rie­re war aber bereits vor­ge­zeich­net. Schon am 27. Mai 2022 ernann­te ihn Fran­zis­kus zum Titu­lar­bi­schof und Weih­bi­schof von Rom. Kaum mehr als ein hal­bes Jahr spä­ter erfolg­te Rei­n­as Beför­de­rung zum Vize­ger­en­ten, mit des­sen Amt die Wür­de eines Titu­lar­erz­bi­schofs ver­bun­den ist. Unter den Weih­bi­schö­fen der Diö­ze­se kommt ihm dadurch aller­dings kei­ne beson­de­re Stel­lung zu.

Zwi­schen Rei­na und sei­nem Vor­ge­setz­ten, Kar­di­nal­vi­kar De Dona­tis, kam es jedoch schnell zu Rei­be­rei­en. Obwohl alle Betei­lig­ten von „medi­ter­ra­ner“ Geschäf­tig­keit geprägt sind, die wenig Trans­pa­renz, aber dafür viel Eigen­mäch­tig­keit und noch mehr „Freun­de“ kennt, beharr­te De Dona­tis auf sei­ne Ent­schei­dungs­ge­walt, wäh­rend drei der bis Sams­tag ins­ge­samt sie­ben Weih­bi­schö­fe Roms, die Mon­signo­ri Rei­na, Liba­n­ori und Rena­to Taran­tel­li, ihre eige­nen „Geschäft­chen“ (Sile­re non pos­sum) machen woll­ten. Taran­tel­li hat­te bis zu sei­ner Ernen­nung zum Weih­bi­schof das Rechts­amt der Diö­ze­se Rom geleitet.

Seit meh­re­ren Mona­ten wur­de daher, vor allem von Msgr. Rei­na, auf die Ablö­se von De Dona­tis als Kar­di­nal­vi­kar gedrängt und für des­sen Weg­be­för­de­rung geworben.

Am ver­gan­ge­nen Sams­tag inter­ve­nier­te Fran­zis­kus tat­säch­lich, auf­grund wel­cher Ein­flü­ste­run­gen auch immer. Daß es sol­che gab, steht außer Zwei­fel. Das belegt die „Köp­fung“ der Diö­ze­se Rom, ohne Neu­er­nen­nun­gen vorzunehmen.

Das Aufbegehren der Präfekten

Mit den Reak­tio­nen, einem nicht öffent­li­chen, aber inter­nen Auf­stand der römi­schen Prie­ster, hat­te man wahr­schein­lich nicht gerech­net. Des­halb beeil­te sich Fran­zis­kus den Bischofs­rat ein­zu­be­ru­fen. Die Situa­ti­on ist ver­fah­ren. Indem Fran­zis­kus den Vize­ger­en­ten Rei­na mit der Lei­tung der Diö­ze­se betrau­te, ist die­ser nun auch Vor­sit­zen­der des Prä­fek­ten­ra­tes.

Papst Franziskus in der römischen Präfektur XI
Papst Fran­zis­kus mit Prie­stern der römi­schen Prä­fek­tur XI

Die Diö­ze­se Rom ist nicht in Deka­na­te, son­dern Prä­fek­tu­ren unter­teilt. Von die­sen gibt es 36. Sie wer­den jeweils von einem Pfar­rer gelei­tet, der zugleich Prä­fekt sei­ner Prä­fek­tur ist. Zusam­men bil­den die­ser Pfar­rer-Prä­fek­ten den Prä­fek­ten­rat, der die römi­schen Pfar­rei­en und Prie­ster ver­tritt. Die Prä­fek­ten wer­den jeweils auf vier Jah­re bestimmt.

Der Prä­fek­ten­rat reagier­te näm­lich prompt und ent­schie­den auf die per­so­nel­len Ver­än­de­run­gen vom ver­gan­ge­nen Sams­tag und for­der­te Papst Fran­zis­kus ein­stim­mig auf, das Amt des Vikars an der Diö­ze­san­spit­ze schnell neu zu beset­zen. Der von römi­schen Prie­stern betrie­be­ne Blog Sile­re non pos­sum schreibt dazu nicht ohne Sei­ten­hieb auf die unter Fran­zis­kus erfolg­te Akzent­ver­schie­bung in der Primatsfrage:

„Es muß gesagt wer­den, daß das, was in der Diö­ze­se Rom geschieht, jener Diö­ze­se – den­ken wir dar­an – die in der Lie­be vor­steht, etwas ist, was es seit dem 18. Jahr­hun­dert nicht mehr gege­ben hat. Die Prie­ster erhe­ben sich gegen den Papst, weil sie von die­ser fal­schen Syn­oda­li­tät und die­ser des­po­ti­schen Regie­rung erschöpft sind.“

Die Prä­fek­ten haben bei ihrer Ver­samm­lung ein­hel­lig unter­stri­chen, daß die Maß­nah­me, mit der Kar­di­nal­vi­kar De Dona­tis aus dem Amt „gejagt“ wur­de, „beschä­mend“ ist, so Sile­re non pos­sum.

„Der Papst hat­te mehr als ein Jahr Zeit, um über die­se Ernen­nung nach­zu­den­ken, er hat sogar so getan, als wür­de er uns in den ein­zel­nen Prä­fek­tu­ren zuhö­ren, und das ist das Ergeb­nis“, empör­te sich ein Prä­fekt, den der römi­sche Prie­ster­blog zitiert.

In der Tat hat­te sich Fran­zis­kus erst am ver­gan­ge­nen Frei­tag, am Tag vor sei­nen Per­so­nal­ent­schei­dun­gen, mit 35 Prie­stern der Prä­fek­tur XI getrof­fen, ohne irgend­ei­ne Erwäh­nung zu machen.

Ein ande­rer Prä­fekt wird mit den Wor­ten zitiert: 

„Mit Don Ange­lo [De Dona­tis] hat­te ich eini­ge Mei­nungs­ver­schie­den­hei­ten, aber das ist nicht die Kir­che Chri­sti. So macht man das nicht!“ 

Die Prä­fek­ten wur­den recht deut­lich: Sie wür­den „kei­nen Fuß“ mehr in das Vika­ri­at set­zen, bis ein neu­er Vikar ernannt sein wird. Dabei fan­den sie auch tadeln­de Wor­te für Fran­zis­kus, der, wenn er schon De Dona­tis unbe­dingt ver­set­zen woll­te, sofort einen Nach­fol­ger ernen­nen hät­te müssen.

Die Zwangsbeglückungen durch den anderen Vikar

Auch bei der sehr „offe­nen“ Aus­spra­che am Mon­tag kam so man­cher Unmut an die Ober­flä­che. Msgr. Dario Ger­va­si, einer von nun nur mehr sechs Weih­bi­schö­fen Roms, gab deut­lich zu ver­ste­hen, was er von so man­chem „Welt­tag“ hält, der der Diö­ze­se auf­ge­drückt wur­de. Die­se Kri­tik rich­te­te sich an Kar­di­nal Mau­ro Gam­bet­ti, den Erz­prie­ster von Sankt Peter, der sol­che „Tage“ erfin­de, um sei­nen „Freun­den“ Posten und Auf­trä­ge zu verschaffen.

Zum bes­se­ren Ver­ständ­nis: Die Diö­ze­se Rom unter­teilt sich in zwei Vika­ria­te, sprich Gene­ral­vi­ka­ria­te, die jeweils für den Papst gelei­tet wer­den, das eigent­li­che Bis­tum Rom, also die Stadt und ihr Umland, und der Vati­kan. Vikar des Pap­stes für Rom war bis Sams­tag Kar­di­nal De Dona­tis. Vikar des Pap­stes für den Vati­kan ist seit 2021 der umtrie­bi­ge Mino­ri­ten­pa­ter Kar­di­nal Mau­ro Gam­bet­ti, Erz­prie­ster des Peters­doms und Vor­sit­zen­der der Dom­bau­hüt­te von Sankt Peter, jener Vikar, der so geschäf­tig ist, daß er Zeit hat, den über­lie­fer­ten Ritus aus dem Peters­dom zu ver­ban­nen, aber kei­ne Zeit hat, das Chor­ge­bet des Dom­ka­pi­tels im Chor­rock zu verrichten.

Die Unstim­mig­kei­ten, die vor allem zwi­schen­mensch­li­cher, jeden­falls sel­ten inhalt­li­cher Natur sind, also nicht die Dis­zi­plin und vor allem die Leh­re der Kir­che betref­fen, zei­gen sich auch in der feh­len­den Ver­ab­schie­dung für Kar­di­nal De Dona­tis aus sei­nem Amt. Vize­ger­ent Rei­na, der neue star­ke Mann des Pap­stes in Rom, teil­te den Prä­fek­ten kurz ange­bun­den mit, daß es kei­ne Ver­ab­schie­dung für den Kar­di­nal­vi­kar geben wer­de. „Die Prie­ster­wei­hen wer­den zugleich die Ver­ab­schie­dungs­mes­se sein.“ Punkt. „So etwas hat es in der Geschich­te der Diö­ze­se noch nie gege­ben. War­um kön­nen die Prie­ster von Rom ihren Vikar nicht ver­ab­schie­den?“, so Sile­re non pos­sum.

Msgr. Rei­na ließ die Prä­fek­ten auch wis­sen, daß er sich ger­ne mit ihnen tref­fen und aus­tau­schen wür­de. Die­se zeig­ten ihm jedoch die kal­te Schul­ter und ant­wor­te­ten, an einer sol­chen Begeg­nung nicht inter­es­siert zu sein, denn Rei­na habe sich im ver­gan­ge­nen Jahr mehr­fach mit ihnen getrof­fen, aber dann „das genaue Gegen­teil des­sen getan, um was wir ihn gebe­ten hat­ten. Auf unbe­que­me Fra­gen gab er kei­ne Antwort.“

Die Autoren des römi­schen Prie­ster­blogs wer­fen Fran­zis­kus vor, zwar Reform­de­kre­te zu unter­zeich­nen, sich dann aber selbst nicht mehr dar­an zu erin­nern. Laut sei­ner Kon­sti­tu­ti­on In Eccle­si­arum Com­mu­nio­ne vom 21. Dezem­ber 2023 und den dazu­ge­hö­ri­gen Fol­ge­do­ku­men­ten zu ihrer Aus­le­gung erteil­te Fran­zis­kus den römi­schen Weih­bi­schö­fen eine Son­der­man­dat, laut dem sie für das ihnen zuge­wie­se­ne Ter­ri­to­ri­um wie Diö­ze­san­bi­schö­fe zu betrach­ten sind. Doch mit der Abset­zung von Weih­bi­schof Liba­n­ori, dem die pre­sti­ge­träch­ti­ge römi­sche Alt­stadt unter­stand, scheint Fran­zis­kus sich nicht mehr dar­an erin­nern zu kön­nen. Gestern sag­te er im Bischofs­rat, die Pfar­rer die­ses Gebiets soll­ten ihm meh­re­re Pfar­rer vor­schla­gen, aus denen er dann einen bestim­men wer­de, der die Auf­ga­ben eines Weih­bi­schofs übernimmt.

Kommissar Libanoris „despotisches Regime“

Den Jesui­ten Liba­n­ori, den Fran­zis­kus 2017 zum Weih­bi­schof von Rom ernann­te – und auch schon mehr­fach als Kom­mis­sar ein­setz­te, so 2019, um die tra­di­ti­ons­ver­bun­de­ne Prie­ster­bru­der­schaft Fami­lia Chri­sti zu zer­schla­gen, und 2022, als er ihn zum Apo­sto­li­schen Kom­mis­sar für (viel­mehr gegen) die kon­ser­va­ti­ve Ordens­ge­mein­schaft Pro Deo et fra­tri­bus – Fami­lie Mari­ens ernann­te – muß­te Fran­zis­kus aus Rom wie­der abzie­hen, weil er den ihm unter­ste­hen­den Kle­rus durch sei­ne „des­po­ti­sche“ Art, so der römi­sche Prie­ster­blog Sile­re non pos­sum, zur Weiß­glut gebracht hatte. 

Msgr. Liba­n­ori und sein Bischofswappen

Um sei­nen abrup­ten Abgang zu beschö­ni­gen, sei es Liba­n­ori selbst gewe­sen, so der Blog, der einen Tag vor sei­ner Ver­set­zung in den Medi­en Stim­men über die angeb­li­chen Hin­ter­grün­de in Umlauf brach­te, ganz nach dem effi­zi­en­ten Muster: Der Erste bestimmt das Narrativ.

Liba­n­ori selbst habe am ver­gan­ge­nen Frei­tag durch Hin­wei­se an befreun­de­te Jour­na­li­sten ver­brei­tet, sei­ne Abbe­ru­fung sei ein wei­te­rer päpst­li­cher Akt zum Schutz des gefal­le­nen Jesui­ten Mar­ko Ivan Rup­nik – also eines Mit­bru­ders von Papst Fran­zis­kus und von Msgr. Liba­n­ori. Anders aus­ge­drückt: Sein, Liba­n­oris, Vor­ge­hen „gegen“ Rup­nik, habe ihn nun den Posten gekostet. 

Um genau zu sein, han­delt es sich um einen ehe­ma­li­gen Mit­bru­der, da Rup­nik 2023 aus dem Jesui­ten­or­den aus­ge­schlos­sen wur­de, nach­dem die lon­ga manus von San­ta Mar­ta jede wei­te­re Sank­ti­on blockiert hat­te. Die Geschich­te die­ses Künst­ler­prie­sters ist in der Tat kein Ruh­mes­blatt des der­zei­ti­gen Pon­ti­fi­kats. Daß ein berg­o­glia­ni­scher Jesu­it aus per­sön­li­chen Inter­es­sen aller­dings nicht nur einen ehe­ma­li­gen Mit­bru­der, son­dern hin­ten­her­um sogar den Papst ins Zwie­licht setzt, um selbst bes­ser dazu­ste­hen, ist dann doch ein star­kes Stück.

„Liba­n­oris Hal­tung ist sehr beschä­mend, denn er weiß sehr wohl, daß sei­ne Ent­fer­nung nichts mit Rup­nik zu tun hat, sonst wäre sie schon viel frü­her erfolgt. Außer­dem, war­um soll­te er zum Bera­ter für das geweih­te Leben ernannt wer­den, wenn der Papst ihn für sei­ne Aktio­nen in der Cau­sa Loyo­la-Gemein­schaft bestraft hät­te? Das macht kei­nen Sinn. Wenn man dar­über hin­aus bedenkt, daß De Dona­tis auch ent­fernt wur­de, stellt man fest, daß der slo­we­ni­sche Jesu­it damit nichts zu tun hat“, so Sile­re non pos­sum.

In Wirk­lich­keit waren sowohl Liba­n­ori als auch De Dona­tis von Fran­zis­kus damit beauf­tragt wor­den, hin­ter Rup­nik her auf­zu­räu­men, um die­sen doch noch ret­ten zu kön­nen. Liba­n­ori fiel es dabei zu, die Loyo­la-Gemein­schaft auf­zu­lö­sen, aus der die Kla­gen gegen Rup­nik kamen, die den Fall erst ins Rol­len gebracht hatten.

De Dona­tis wie­der­um hat­te die Visi­ta­ti­on des von Rup­nik in Rom errich­te­ten Stu­di­en- und Kunst­zen­trums Alet­ti gelei­tet und gehör­te, offen­bar im Auf­trag von Fran­zis­kus, zu den gro­ßen Ver­tei­di­gern Rupniks.

Franziskus läßt seine Getreuen nicht fallen

In Wirk­lich­keit trifft es viel­mehr zu, daß Fran­zis­kus sei­ne treu­en Gefähr­ten nicht fal­len­läßt. Das belegt auch der Fall Liba­n­ori. Als Weih­bi­schof von Rom muß­te er ihn abzie­hen, um einen Prie­ster-Auf­stand zu ver­hin­dern. Dafür schuf er ihm ad hoc ein eige­nes Amt, das es bis­her nicht gege­ben hat­te. Einen per­sön­li­chen Bera­ter (Asses­sor) für das geweih­te Leben hat­te noch kein Papst, denn dafür steht dem Kir­chen­ober­haupt ja eine gan­ze Behör­de zur Ver­fü­gung, das Dik­aste­ri­um für die Insti­tu­te des geweih­ten Lebens und die Gesell­schaf­ten des apo­sto­li­schen Lebens, wie die Ordens­kon­gre­ga­ti­on neu­er­dings heißt.

Liba­n­ori ergeht es also wie dem argen­ti­ni­scher Lands­mann von Fran­zis­kus, dem ver­ur­teil­ten Homo-Miß­brauchs­tä­ter Gustavo Oscar Zan­chet­ta. Zan­chet­ta war von Fran­zis­kus im Som­mer 2013 zum Diö­ze­san­bi­schof ernannt wor­den, um damit eine „sehr kon­ser­va­ti­ve“ Gegend Argen­ti­ni­ens zu bestra­fen. Fran­zis­kus räch­te sich nach sei­ner Wahl an der kon­ser­va­ti­ven Grup­pe in der Argen­ti­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz, die sich ihm als Pri­mas wider­setzt hat­te. Zan­chet­ta zer­rüt­te­te nicht nur in erstaun­lich kur­zer Zeit die Finan­zen der Diö­ze­se, son­dern konn­te auch sei­nen Homo-Trie­ben nicht wider­ste­hen. Auf sei­nem Com­pu­ter wur­de nicht nur aller­lei homo-por­no­gra­phi­sches Mate­ri­al gefun­den. Der Regens des Prie­ster­se­mi­nars von Zan­chet­tas Diö­ze­se wuß­te nicht mehr, wie er sei­ne Semi­na­ri­sten vor dem neu­en Bischof schüt­zen soll­te, der sich als Homo-Trieb­tä­ter ent­pupp­te. Rom, obwohl infor­miert, schau­te jah­re­lang weg, bis es zum Auf­stand kam und ver­zwei­fel­te Prä­la­ten der Diö­ze­se die Öffent­lich­keit informierten.

Zan­chet­ta ver­ließ flucht­ar­tig sei­ne Diö­ze­se. Fran­zis­kus half ihm unter­zu­tau­chen und brach­te ihn schließ­lich mit einem eigens für ihn geschaf­fe­nen Posten im Vati­kan unter. Die Sache ende­te aber nicht, wie es Fran­zis­kus offen­bar gehofft hat­te. Anfang 2022 wur­de Zan­chet­ta von einem argen­ti­ni­schen Straf­ge­richt wegen des sexu­el­len Miß­brauchs von Semi­na­ri­sten zu vier­ein­halb Jah­ren Gefäng­nis ver­ur­teilt. Nach vier Mona­ten Haft wur­de ihm aus „gesund­heit­li­chen Grün­den“ der Haus­ar­rest gewährt, den er in einer Alters­re­si­denz für Prie­ster ver­bü­ßen muß.

Die jüng­sten römi­schen Vor­fäl­le zei­gen übri­gens auch, daß inner­kirch­lich unter Fran­zis­kus Geschäfts- und Macht­fra­gen sowie per­sön­li­che Befind­lich­kei­ten offen­bar ein Über­ge­wicht gegen­über inhalt­li­chen Fra­gen, ob dis­zi­pli­na­ri­scher oder dok­tri­nä­rer Art, haben. Auch ist in die­sem Kon­text, bei dem es in der Sache um nichts Wesent­li­ches geht, die Bereit­schaft weit grö­ßer, es bis zum Auf­stand kom­men zu las­sen, als in den Din­gen, die wirk­lich zählen.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: MiL/​Wikicommons

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