
(Rom) Papst Franziskus empfing gestern Maria Campatelli in Privataudienz, eine enge Vertraute des Künstlers und ehemaligen Jesuiten Marko Ivan Rupnik. Campatelli wurde von Rupnik als seine Nachfolgerin an der Spitze des von ihm gegründeten Zentrums Aletti in Rom eingesetzt.
Campatelli studierte zunächst Literatur und Geschichte und promovierte dann in Theologie am Päpstlichen Orientalischen Institut. Sie war sechs Jahre Vorsitzende der Katholischen Jugend Italiens. Seit 2000 gehört sie der Gemeinschaft des Zentrums Aletti an. Sie verteidigte den slowenischen Künstlerpriester besonders energisch, als er öffentlich in die Kritik geriet und schließlich aus dem Jesuitenorden entlassen wurde. Die Entlassung erfolgte aber wundersamerweise weder wegen sexuellen Mißbrauchs noch Machtmißbrauchs, sondern wegen Ungehorsams.
Insider sind überzeugt, daß von Campatelli, die in Vatikankreisen als „Die Theologin“ bekannt ist, nur der Form nach die Leitung des Zentrums Aletti übernommen wurde, in Wirklichkeit aber dort weiterhin Rupnik das Sagen hat.
Im vergangenen Juni, als Rupniks Ausschluß aus dem Jesuitenorden definitiv wurde, veröffentlichte Campatelli einen offenen Brief, in dem sie die Ordensoberen beschuldigte, eine Medienkampagne gegen den in Ungnade gefallenen Künstlerpriester unterstützt zu haben. Das war immerhin ein Angriff auf die Oberen jenes Ordens, dem auch Papst Franziskus angehört.
Mit der ihr gestern gewährten Audienz im Apostolischen Palast signalisierte Franziskus ein weiteres Mal, daß Rupnik und dessen Zentrum weiterhin das päpstliche Wohlwollen genießen. Franziskus war es, der Rupnik – bevor dessen Fall an die Öffentlichkeit gelangte – sogar vor der bereits verhängten Exkommunikation bewahrte. Das wurde zwar offiziell nie gesagt, doch wer sonst hätte diese Macht gegenüber der Glaubenskongregation? Franziskus war es, der die Entlassung Rupniks aus dem Klerikerstand und seine Laisierung abwendete, sodaß am Ende nur die Entlassung aus dem Jesuitenorden und einige andere Auflagen übrigblieben. Und Franziskus ist es auch, der behilflich dabei war, daß Rupnik und seinem Anhang die Möglichkeit geboten wird, sich eine Diözese zu suchen, die bereit ist, die Gemeinschaft aufzunehmen.
Rupnik und das Zentrum Aletti verlassen Rom, soviel ist sicher. In welche Diözese sie übersiedeln, wird geheimgehalten. Nicht nur „der Guru und sein Harem“, wie es in römischen Kreisen spitz heißt, packen die Koffer, sondern auch die sechs übrigen Jesuitenpatres, die der bisherigen Jesuitengemeinschaft des Zentrums Aletti angehörten, haben um Entbindung aus dem Jesuitenorden ersucht.
Durch die zahlreichen weltweit ausgeführten Aufträge für Kunstwerke ist das Zentrum Aletti „eine Festung aus Macht und Geld“, so der römische Blog Silere non possum. Papst Franziskus will diese „Festung“ offenbar an seiner Seite behalten. Erst im Frühjahr wurde die Existenz der GmbH Rossoroblu „für die Schaffung und Umsetzung, in der Werkstatt oder vor Ort von Mosaiken, Glasfenstern, Fresken, Murales, Skulpturen und Malereien in den unterschiedlichsten Techniken und Arten“ bekannt. Die millionenschwere Gesellschaft gehört zu 90 Prozent Rupnik und zu zehn Prozent Manuela Viezzoli, einer ehemaligen Schwester der Frauengemeinschaft Comunità Loyola, die wie Campatelli im Zentrum Aletti zum Kreis der Allertreuesten um den Künstler gehört. Bis heute ist die Frage unbeantwortet, wie es sein konnte, daß diese Gesellschaft ohne Wissen seiner Ordensoberen existieren kann.
Vor allem zeigt sich, wie bereits bei früheren Fällen (man denke an „Don Mercedes“, Bischof Zanchetta, Bischof Barros …), daß Franziskus mit zweierlei Maß mißt. Befreundete Mißbrauchstäter werden bevorzugt behandelt. Das betraf, zumindest in seiner Aufarbeitung und den Folgen sogar und gerade den Fall McCarrick.
Campatelli, die wie Rupnik ansonsten im Vatikan die Ungnade zu spüren bekommt – das vatikanische Presseamt führt sie nicht einmal mehr mit ihrem Professorentitel an –, wird von Franziskus hingegen mit einer Privataudienz geehrt, obwohl sie sich zahlreiche Akte des Ungehorsams geleistet hat. Doch für Franziskus gilt offensichtlich – und folgt man argentinischen Stimmen, so galt das auch schon zu seiner Zeit als Erzbischof von Buenos Aires –, daß Ungehorsam kein Problem ist, solange man nicht ihm ungehorsam wurde.
Rupnik verfügt weiterhin über einen engmaschigen Freundeskreis. Zu diesem gehören eine Reihe von Bischöfen, darunter Msgr. Gianmarco Busca, der Bischof von Mantua, der nur aufgrund des starken Einflusses von Rupnik in Santa Marta auf diesen Bischofsstuhl erhoben wurde. Gleiches wird von mehreren slowenischen Bischöfen gesagt.
Papst Franziskus hat eine Schwäche für „gefallene“ Mitarbeiter, denen er eine Chance gibt, wo ihnen sonst keine mehr gewährt würde, und dadurch auf ihre bedingungslose Loyalität zählen kann. Man erinnere sich an den Auftakt zur päpstlich-bergoglianischen Homo-Agenda mit dem berühmt-berüchtigten Satz: „Wer bin ich, um zu urteilen?“ Dieser fiel im Zusammenhang mit Msgr. Battista Ricca, dem Direktor des vatikanischen Gästehauses Domus Sanctae Marthae, in dem Franziskus seit seiner Wahl zum Papst lebt. Dieser Direktor, ein Vatikandiplomat, war zum Skandal geworden, als sein homosexuelles Doppelleben aufflog. Zahlreiche der engsten Mitarbeiter von Franziskus haben ein solches „Vorleben“, das sie zu allertreuesten und devoten Gefolgsleuten des regierenden Papstes machen. Eine Entourage mit einem „Geschmäckle“, wie die Schwaben sagen würden. Man könnte es auch anders sagen: Es handelt sich um eine gezielte Personalpolitik, ein ganz eigenes „Geschäftsmodell“, das vor Aufmucken, Kritik und Illoyalität absichert – und Abhängigkeiten schafft.
Rupniks Kunstwerke bleiben weltweit als unübersehbarer Fußabdruck in den bedeutendsten Heiligtümern erhalten, einschließlich dem Vatikan. Einzig die Schweizer Diözese Lausanne, Genf und Freiburg unter Bischof Charles Morerod hat vorerst eine Kommission eingesetzt, um über den weiteren Umgang mit den dreizehn sich an mehreren Kirchen des Kantons Genf befindenden Rupnik-Mosaiken zu entscheiden.
Die bergoglianische Vorgehensweise zeigt: Solange ein Skandal nicht an die Öffentlichkeit dringt, wird zugedeckt. Wird ein Skandal öffentlich, versucht Franziskus im zu Gesicht stehende Betroffene zu schützen und die Sache auszusitzen. Nur wenn das nicht geht, weil der öffentliche Druck zu groß wird, folgen Sanktionen, die allerdings so angelegt sind, daß ihm nahestehende Betroffene nicht zu hart fallen. So erfolgreich geschehen im Fall Battista Ricca, so versucht im Fall McCarrick. Erst als die New York Times 2018 zum Halali blies, mußte Franziskus handeln, verhinderte aber die gebotene Untersuchung und Aufarbeitung des Falls.
Freunde von Santa Marta können sich eindeutig mehr erlauben, selbst wenn es sich um sexuellen Mißbrauch Minderjähriger, sexuelle Korrumpierung von Seminaristen, Mißbrauch des Gewissens und der Sakramente handelt. Auch die propagierte Kirche der Armen für die Armen spielt dann keine Rolle, wie das Beispiel Rupnik und sein Zentrum Aletti zeigt.
Santa Marta lo vult.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: VaticanMedia
Ein ernüchternder Text, der viele Fragen aufwirft. Offensichtlich sind auch in der Kirche manche „gleicher“ als andere und das erst recht, wenn sehr viel Geld im Spiele ist. Ich vermute, dass Rupnik sich mit dem Geld zur Ruhe setzen und als Priester nicht mehr tätig sein wird? Dass der Vatikan und /oder Jesuitenorden hier auch auf Geld spekulieren, kann ich mir zumindest sehr gut vorstellen. In der Kirche geht es ja immer ums liebe Geld. Wer anderes behauptet, hat leider keine Ahnung. Ich vermute aber, Rupnik hat sich im Vorfeld gegen Zugriffsmöglichkeiten der Kirche immunisiert? Die Sache mit dem „Harem“ ist in der Tat haarsträubend und es wundert einen schon, dass da so gar nicht oder erst sehr spät durchgegriffen worden ist.