
Von P. Paolo M. Siano*
Professor Gianmario Cazzaniga, ein vom Großorient von Italien geschätzter Gelehrter, erklärt, wie die Idee einer Weltrepublik zwischen dem 17. und 18. Jahrhundert durch eine Republik der Gelehrten und der Wissenschaften vorbereitet wurde, das heißt, durch ein kulturelles Netzwerk von Literaten, Adligen, Schriftstellern, Verlegern, Antiquaren und Wissenschaftlern, das von hugenottischen Kreisen, von protestantischen (aber nicht nur) Finanzsektoren in Genf, Amsterdam und London und ab 1717 von den Freimaurerlogen gefördert wurde.1
Auch der französische Gelehrte Yves Hivert-Messeca bekräftigt, daß die Freimaurer im 18. Jahrhundert von einer übernationalen und überkonfessionellen Gesellschaft/Brüderlichkeit, das heißt, von einem neuen Europa träumen.2
Es ist logisch zu deduzieren, daß die Verwirklichung einer Europäischen Republik oder Weltrepublik nach freimaurerischen Prinzipien das Projekt oder zumindest die Hoffnung implizierte, eine soziokulturelle Transformation (nach den freimaurerischen Grundsätzen des Säkularismus und Antidogmatismus) und/oder die Revolution und den politisch-militärischen Sturz der konfessionellen katholischen Monarchien (zum Beispiel der Habsburger) und des damaligen päpstlichen Kirchenstaates zu erreichen.
1868 wird die erste Ausgabe der Zeitung Les Etats-Unis d’Europe [Die Vereinigten Staaten von Europa] gedruckt, eines Organs der Internationalen Liga für Frieden und Freiheit mit Sitz in Bern (Schweiz) und Niederlassungen in Frankreich, Belgien, Italien, Deutschland und England. In der ersten Ausgabe vom 5. Januar 1868 wird bekanntgegeben, daß der Freimaurer Giuseppe Garibaldi ihr Ehrenvorsitzender ist (S. 1). In der Nummer 47 vom 22. November 1868 wird die Freimaurerei gelobt (S. 187f).
1889 beschuldigen die beim Katholikentag in Wien versammelten österreichischen Katholiken die Freimaurer, die Zerstörung des katholischen Österreichs zu wollen: Delenda est Austria.3
Vom 31. August bis 2. September 1900 findet in Paris ein internationaler Freimaurerkongreß unter der Schirmherrschaft des Großorients von Frankreich (GOdF) statt. Der Großmeister der Schweizer Großloge Alpina, Edouard Quartier-la-Tente (1855–1925), äußert die Hoffnung auf eine Koalition aller weltweiten freimaurerischen Mächte, um die freimaurerischen Ideale zu verwirklichen und die Weltrepublik zu gründen: „Pour la fondation de la République Universelle“.4
Der Großmeister des Großorients von Frankreich, Louis Lucipia (1843–1904), rühmt die Französische Revolution, kritisiert den Klerikalismus und die katholische „Theokratie“ (S. 73f). Verschiedene Freimaurer bekräftigen auf diesem Kongreß die Forderung: „Vive la République universelle!“ (S. 124, 128, 134, 156–160).
1902, etwa sechzehn Jahre vor dem Untergang des Habsburgerreichs, veröffentlicht die Rivista della Massoneria Italiana des Großorients von Italien den Artikel des italienischen Freimaurers Emilio Bossi (1870–1920), der folgendes aus Lugano (Schweiz) schrieb:
„Es ist die Freimaurerei, die die internationale Schiedsgerichtsbarkeit entstehen lassen sollte als Vorbereitung auf die künftige Föderation der Vereinigten Staaten von Europa, die der Auftakt für die Vereinigten Staaten der Welt ist.“ 5
Vom 3. bis 5. Juli 1909 findet in Baden-Baden ein Treffen französischer und deutscher Freimaurer statt. Der hohe Würdenträger des Großorients von Frankreich, Charles Bernardin, bringt einen Trinkspruch auf die Vereinigten Staaten von Europa („Etats Unis d’Europe“) und die Weltfreimaurerei aus.6

Auch der ungarische jüdische Historiker François Fejtö (1909–2008) erklärt, daß das Freimaurerprojekt des 18. und 19. Jahrhunderts der Vereinigten Staaten von Europa und der Weltrepublik die Zerstörung der katholischen Habsburgermonarchie implizierte und daß Freimaurer und Freimaurereien, besonders der Großorient von Frankreich, dabei eine große Rolle spielten.7
In der Tat kann die Freimaurerei mit dem Ende dieses Reiches wieder auf österreichischen Boden und insbesondere nach Wien zurückkehren. 1918 wird die Großloge von Wien gegründet. 1922 erfolgt die freimaurerische Initiation von Richard Nikolaus Graf Coudenhove-Kalergi (1894–1972) in die Wiener Loge Humanitas, dann wird er in das „Mozart-Kapitel“ des 18. Grades – Ritter vom Rosenkreuz des Alten und Angenommenen Schottischen Ritus eingeweiht. Kalergi gründet die Paneuropabewegung, die von Anfang an von der Großloge von Wien unterstützt wird.8
In dem Buch Praktischer Idealismus. Adel–Technik–Pazifismus (Pan-Europa Verlag, Wien-Leipzig 1925) setzt der Freimaurer Kalergi den europäischen Geist mit Luzifer-Prometheus, dem Lichtträger, gleich:
„In der jüdischen Mythologie entspricht der europäische Geist Luzifer, in der griechischen Prometheus, dem Lichtbringer, der den göttlichen Funken zur Erde trägt, […] der Vater des Kampfes, der Technik, der Aufklärung und des Fortschrittes […]“, S. 83.
Nach Kalergi hat der „Geist Europas“ den politischen Despotismus gebrochen, und nur mit der Emanzipation vom Christentum findet Europa sich selbst (vgl. S. 83–85).
Auch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts werden in Kreisen des Großorients von Italien und in seinem Alten und Angenommenen Schottischen Ritus die „Vereinigten Staaten von Europa“ 9 und das „Vereinigte Europa“ 10 bejubelt, wie man zum Beispiel im Monatsmagazin für freimaurerische und profane Kultur L’Incontro delle genti lesen kann, das seit 1960 vom Freimaurer Elvio Sciubba 33° (1915–2001) geleitet wird. In einem Buch von 2010 zitieren die Freimaurer Alain Bauer (ehemaliger Großmeister des Großorients von Frankreich) und Jean-Claude Rochigneux (ehemaliger Rat des Großorients von Frankreich) den Contrat Maçonnique Européen (Europäischer Freimaurervertrag) des Großorients von Frankreich (Straßburg, 5. Juni 1993), in dem unter anderem bekräftigt wird:
- Die Freimaurerei verteidigt die Laizität [= Säkularismus], daher die Trennung von Kirche und Staat, weil nur der Säkularismus die absolute Gewissens- und Religionsfreiheit verteidigt;
- Die Freimaurerei trägt die in den Universalismus eingefügte europäische Idee in sich;
- Die Freimaurerei will ein freimaurerisches Europa („Europe maçonnique“), das zum Aufbau eines kulturellen Europas beiträgt.11
Das freimaurerische Europa („l’Europe maçonnique“), das vom Großorient Frankreichs vertreten wird, besteht sowohl in der Union der europäischen Freimaurerei als auch in einem Europa, das kulturell, politisch und sozial nach den Grundsätzen der Freimaurerei, einschließlich der Laizität, aufgebaut ist (S. 70–76) ), was Säkularismus meint, d. h. den Ausschluss jeglichen Einflusses der katholischen Kirche aus der Gesellschaft.
In Brüssel haben sich am 15. Oktober 2010 und am 30. November 2011 die Delegationen verschiedener europäischer Freimaurereien (einschließlich des Großorients von Italien und der Vereinigten Großlogen von Deutschland) mit ihren jeweiligen Großmeistern sowie Vertreter liberaler und humanistischer Vereinigungen mit den Spitzen der Europäischen Union (mit den Präsidenten der Europäischen Kommission, des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rats) getroffen. Sie sollen sich auf einen gemeinsamen Plan zur Förderung „demokratischer“ und „libertärer“ Ideale einigen.12
Am 2. März 2012 besuchte der damalige Vizepräsident des Europäischen Parlaments das Hauptquartier des Großorients von Italien und pflichtete dem freimaurerischen Engagement für den Säkularismus bei.13
Im April 2011 genehmigte die Mitte-rechts-Mehrheit des ungarischen Parlaments (262 Ja-Stimmen gegen 44 Nein-Stimmen) eine Verfassung, die Anfang 2012 in Kraft trat und in der von Gott, christlichen Wurzeln und der traditionellen Familie (Mann und Frau) gesprochen wird. Die ungarische Verfassung schränkt zudem die Befugnisse der Banken ein, verteidigt das Lebensrecht der Ungeborenen und erkennt das „Recht“ auf Abtreibung oder auf homosexuelle Verbindungen nicht an. Die Europäische Union (EU) reagierte, indem sie unter anderem die absolute Unabhängigkeit der Banken (EZB und IWF) verteidigte und wirtschaftliche Sanktionen androhte. Auch die britische BBC kritisierte Orbáns konservatives „Abdriften“.
Auch heute versuchen die Befürworter dessen, was vom Freimaurer Kalergi als „Der Geist Europas“ bezeichnet wurde, die Souveränität der europäischen Staaten einzuschränken, indem sie ihnen eine bestimmte Politik auferlegen, beispielsweise in Bezug auf Homosexualität/Gender und Abtreibung, die mit den christlichen Wurzeln, den echten Wurzeln, des wahren Europas unvereinbar sind.
*Pater Paolo Maria Siano gehört dem Orden der Franziskaner der Immakulata (FFI) an; der promovierte Kirchenhistoriker gilt als einer der besten katholischen Kenner der Freimaurerei, der er mehrere Standardwerke und zahlreiche Aufsätze gewidmet hat.
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Corrispondenza Romana
- Vgl. Gianmario Cazzaniga: Massoneria e Letteratura. Dalla République des Lettres alla letteratura nazionale (Freimaurerei und Literatur. Von der République des Lettres zur Nationalliteratur), in: GM Cazzaniga – G. Tocchini – R. Turchi, Le Muse in Loggia. Massoneria e letteratura nel Settecento (Freimaurerei und Literatur im 18. Jahrhundert), Unicopli Edizioni, Mailand 2002, S. 11–32).
- Vgl. L’Europe sous l’Acacia. Histoire des Francs-maçonneries européennes du XVIIIe siècle à nos jours (Europa unter der Akazie. Geschichte der europäischen Freimaurerei vom 18. Jahrhundert bis heute). Band 1: Le XVIIIe siècle. L’âge d’or de la franc-maçonnerie en Europe. Le temps des Lumières et des Obscurités. Le rêve universel de fraternité et les limites de l’autre (Das 18. Jahrhundert. Das goldene Zeitalter der Freimaurerei in Europa. Das Zeitalter der Aufklärung und Dunkelheit. Der universelle Traum von Brüderlichkeit und die Grenzen des anderen), Editions Dervy, Paris 2012, S. 305.
- Vgl. G. Kuéss – B. Scheichelbauer: 200 Jahre Freimaurerei in Österreich. Zum 175. Geburtstag der Großloge, Verlag O. Kerry, Wien 1959, S. 152f).
- Grand Orient de France – Suprême Conseil pour la France et les Possessions françaises, Congrès Maç.·. international, Compte rendu des séances du congrès, le 31 Août, 1er, 2 Septembre 1900, Secrétariat Général du Grand Orient de France Paris 1901, S. 38f.
- E. Bossi: Qual è la missione essenziale della Massoneria nell’epoca attuale? (Was ist die wesentliche Mission der Freimaurerei in der heutigen Zeit?), in: Rivista della Massoneria Italiana, Nr. 13–15, 15. Juli– 15. August 1902, Rom, S. 232.
- Vgl. Brüd.·. Zusammenkunft am 3.–5. Juli in Baden-Baden-Reunion des Francs-Maçons 3–5 Juillet à Baden-Baden 1909 , S. 18.
- Vgl. François Fejtö: Requiem pour un empire défunt: Histoire de la destruction de l’Autriche-Hongrie, Lieu Commun, Paris 1989, S. 309–313, 337–349, dt. Ausgabe: Requiem für eine Monarchie. Die Zerschlagung Österreich-Ungarns, Bundesverlag, Wien 1991.
- Vgl. E. Semrau: Erleuchtung und Verblendung, Studienverlag, Innsbruck 2012, S. 95.
- Vgl. Albert Tura: Europa divisa (Geteiltes Europa), in: L’Incontro delle genti, Mensile di attualità e cultura, Anno XV, Nr. 7–8 (Juli–August 1975), Rom, S. 8f.
- Vgl. Un‘Europa di Garibaldi (Ein Europa von Garibaldi), in: L’Incontro delle genti, April–Juni 1979, Rom, S. 11, vgl. auch Elvio Sciubba: L’Eco , in: L’Incontro delle genti, Juli–September 1979, Rom, S. 1.
- Vgl. A. Bauer – J.-C. Rochigneux: Les relations internationales de la franc-maçonnerie française (Internationale Beziehungen der französischen Freimaurerei, Armand Colin, Paris 2010) S. 50–53.
- Vgl. Antonio Panaino: La Massoneria protagonista della vita sociale e morale dell’Europa (Die Freimaurerei als Protagonist des sozialen und moralischen Lebens Europas), in: Erasmo notizie, Mitteilungsblatt des Großorients von Italien, Nr. 18, 30. Oktober 2010, Rom, S. 1f; vgl. auch Erasmo notizie, Nr. 20, 30. November 2011, S. 1–5.
- Vgl. Il vicepresidente del Parlamento europeo Pittella in visita al Grande Oriente (Vizepräsident des Europäischen Parlaments Pittella bei einem Besuch beim Großorient), in: Erasmus notizie, Nr. 4–5, 15. März 2012, S. 6.
Weitere Texte von Pater Paolo M. Siano:
- Die Zweideutigkeit der „christlichen“ Esoterik I
- Die Zweideutigkeit der „christlichen“ Esoterik II
- Die Zweideutigkeit der „christlichen“ Esoterik III
- Die Zweideutigkeit der „christlichen“ Esoterik IV
- Die Zweideutigkeit der „christlichen“ Esoterik V
- Freimaurer-Großmeister Bernhard Scheichelbauer und die Kirche 1948−1954
- Deismus, Esoterik und Gnosis in den freimaurerischen Konstitutionen von 1723
- Spuren von Esoterik und Gnosis in der Freimaurerei vor 1717
- „Luzifer“ für Österreichs Freimaurer
- Das Freimaurer-Lexikon von Eugen Lennhoff 33. und Oskar Posner und der Dialog zwischen Kirche und Freimaurerei 1974–1980
- Die freimaurerische Doktorarbeit von Msgr. Weninger
- Bruder.·. Peter Stiegnitz von der Großloge von Österreich (1936–2017)
- Der „Fall Weninger“ – Ex-Diplomat, Priester, Kurialer, Freimaurer
- Die Freimaurerei erklärt von einem Großmeister
- Den Anklopfenden erwarten beim Freimaurerbund Initiation und Gnosis
- Baron Yves Marsaudon – Ein Hochgradfreimaurer im Malteserorden
- Die Loge Quatuor Coronati, der Großmeister und ein Bettelbruder
- „Katholik, der Loge beitritt, ist exkommuniziert“
- Kurze Antwort an einen Großmeister der Freimaurerei
- War Karl Rahner Freimaurer?
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Corrispondenza Romana
Genauso
Sie sind überall, in der kath.Kirche (tonangebend) in der UNO, der WHO, ihnen gehören die Zentralbanken, die Medien und die großen Konzerne, sie steuern die Regierungen und das Ziel ist eine Weltregierung nach kommunistischem Vorbild.
Humanismus, Toleranz, Freiheit sind Metaphern die genau im Gegenteil angewendet werden.
Das ist die perfekte Welt Satans die sich in der NWO verwirklichen wird.
Keiner kann entkommen, sie werden alle umfassen.
Wenn Christus nicht vorher eingreift gehen alle verloren.
Beten wir den Rosenkranz und die Sühnetage zur Muttergottes, nur noch diese Mittel stehen zur Verfügung.
Es dauert nicht mehr lange, da bin ich sicher.