Von P. Paolo Maria Siano*
1982 trat Michael Heinrich Weninger (geb. 1951 in Wiener Neustadt) in den Diplomatischen Dienst der Republik Österreich ein, wo er eine glänzende Karriere machte. Unter anderem ist er von 1993 bis 1997 Leiter der österreichischen Botschaft in Belgrad und von 2008 bis 2009 in Sarajewo.[1] Weninger, seit 2009 Witwer, wurde am 24. Juni 2011 von Kardinal Christoph Schönborn in Wien zum Priester geweiht. Seit November 2012 ist Hochw. Weninger Mitglied des Päpstlichen Rates für den interreligiösen Dialog.
Im Oktober 2014 wurde von der Internetseite der East Lancashire Provincial Grand Lodge of Mark Master Masons (die englische Markmaurerei wurde von den Meistern der Vereinigten Großloge von England – UGLE gegründet) mitgeteilt, daß einige Tage zuvor in Anwesenheit einer englischen Freimaurerdelegation in Österreich drei Zeremonien zur Installation von Meistern abgehalten wurden. Die Zeremonien fanden in zwei Logen der Markmeistermaurerei (MMM)[2] – in der St. Margaret’s Lodge of MMM und der New Quarries Lodge of MMM, das ist die älteste englischsprachige Markmeistermaurer-Loge in Österreich – sowie in einer Royal-Ark-Mariner-Loge (RAM) statt, der New Shores Lodge of RAM.[3] Diese drei österreichischen Logen mit englischen Namen sind mit der englischen Freimaurerei verbunden und verwenden Rituale in englischer Sprache.
In jeder dieser drei Logen wurde der „Bruder“ Hochw. Michael Weninger („Bro. Rev. Michael Weninger“) als Kaplan für das Jahr 2014–2015 eingesetzt, der sogar eine Gedenkmesse anläßlich des fünften Jahrestages der Eröffnung der New Quarries Lodge und der St. Margaret’s Lodge zelebrierte. Bei der Messe waren 500 Freimaurer aller Obödienzen anwesend. Die Freimaurer-Website fügt hinzu, daß „Bro. Rev. Michael“ (Bro. steht für „Bruder“, so nennen sich die Freimaurer untereinander) für die Position des Logenkaplans bestens qualifiziert sei, da er im Vatikan lebt und als Mitglied des Päpstlichen Rates für den interreligiösen Dialog tätig ist:
„Since he lives in the Vatican as a member of the Pontifical Council for Inter-religious Dialogue but works in Rome.”
Jeder, der sich ein wenig in freimaurerischen Dingen auskennt, weiß, daß Hochw. Weninger, um als Kaplan einer Loge (oder besser gesagt gleich von drei Logen) eingesetzt zu werden, bereits Jahre zuvor als Freimaurer des Ersten Grades (Lehrling) initiiert, dann in den Zweiten Grad (Geselle) übergetreten worden sein muß, um schließlich in den Dritten Grad, den Meistergrad, erhoben worden zu sein. Dann muß er in die Hochgrade aufgestiegen sein, zunächst als Markmeistermaurer, dann als Royal Ark Mariner. Dabei ist nicht auszuschließen, daß er noch weitere „Nebengrade“ („side degrees“) absolvierte.
Es ist daher wahrscheinlich, daß Hochw. Weninger bereits vor seiner Priesterweihe Freimaurer wurde. Ich erinnere mich, daß mir vor Jahren jemand den Fall eines ehemaligen österreichischen Diplomaten erwähnte, der als Priester in die Römische Kurie eingetreten war und als Mitglied der Freimaurerei galt. Erst jetzt stelle ich zweifelsohne fest, daß diese Information den Tatsachen entsprach. Und so kommen wir zu unseren Tagen.
Am Mittwoch, dem 12. Februar 2020, präsentierte Hochw. Michael Heinrich Weninger in Wien in Anwesenheit von Georg Semler, dem Großmeister der Großloge von Österreich (GLvÖ), sein 500-seitiges Buch „Loge und Altar. Über die Aussöhnung der katholischen Kirche und regulären Freimaurerei“. Darin behauptet er (ich fasse zusammen):
- daß die Ablehnung der Kirche gegen die Freimaurerei mehr durch politische als religiöse Gründe motiviert war;
- daß die Kirche nicht in der Lage war, zwischen regulärer und irregulärer Freimaurerei zu unterscheiden;
- daß die Freimaurer der regulären Freimaurerei (z.B. der UGLE, der GLvÖ usw.) nicht exkommuniziert sind
- und daß man daher Katholik und „regulärer“ Freimaurer sein kann.
Hochw. Weninger ließ sein Buch Papst Franziskus, Kardinal Schönborn und verschiedenen vatikanischen Persönlichkeiten zukommen. Großmeister Semler lobte das Buch als einen wichtigen Schritt zur Versöhnung zwischen Kirche und Freimaurerei.[4]
Die Freimaurer und Hochw. Weninger hoffen auf ein Treffen mit dem Heiligen Vater oder mit dem Präfekten der Glaubenskongregation.[5]
Für die österreichische Freimaurerei ist der Dialog mit Mitgliedern der katholischen Hierarchie nicht neu. Von 1968 bis 1983 war der Erzbischof von Wien, Kardinal Franz König, der Protagonist der Dialoge mit Vertretern der österreichischen, schweizerischen und bundesdeutschen Freimaurerei, die 1970 in der Lichtenauer Erklärung zugunsten der Vereinbarkeit von katholischer Kirche und regulärer Freimaurerei gipfelten. Darin heißt es, letztere sei keine Gefahr, weshalb die Exkommunikation aufgehoben werden sollte.
Später bekräftigten die deutschen Bischöfe 1980 und die Glaubenskongregation 1981 und 1983 die Unvereinbarkeit zwischen Kirche und Loge, und das geschah nicht aus politischen, sondern aus doktrinären Gründen, nachdem freimaurerische Schriften, die von Mitgliedern der regulären deutschen Freimaurerei geliefert wurden, einem kritischen Studium unterzogen worden waren.
Eine weitere interessante Neuheit ist, daß das Buch von Hochw. Weninger auf seiner Dissertation beruht, die er an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom vorlegte, mit der er promoviert wurde und die im November 2019 von dieser Universität veröffentlicht wurde. Das ist ihr Titel: „Weisheit. Stärke. Schönheit. Über die Aussöhnung von Katholischer Kirche und regulärer Freimaurerei , Tesi Gregoriana (Serie Spiritualità, 16), PUG 2019, S. 523.
Der Fall von Hochw. Weninger wirft einige Fragen und Überlegungen auf:
- 1) Warum enthüllte diese Internetseite der englischen Markmaurerei den freimaurerischen Status von Hochw. Weninger, der so gut in den Vatikan integriert ist? War es eine unbeabsichtigte Unvorsichtigkeit oder eine raffinierte Zurschaustellung?
- 2) Wie lange ist Hochw. Weningers Mitgliedschaft in der Freimaurerei in der Erzdiözese Wien und an der Römischen Kurie schon bekannt?
- 3) Wie sieht nun angesichts dieses freimaurerischen „Coming-out“ die kanonische Position von Hochw. Weninger aus?
- 4) Wie verhalten sich Freimaurer-Prälaten gegenüber ihren Untergebenen, die Verwunderung und Bedenken bezüglich der Zugehörigkeit von Klerikern und katholischen Laien zur Freimaurerei äußern?
- 5) Kann die sogenannte „freimaurerische Regularität“ ein Kriterium für die kanonische Rehabilitierung der angelsächsischen Freimaurerei sein? Tatsächlich finde ich beim Thema „Freimaurer-Regularität“ einen gewissen Widerspruch. Zum Beispiel erkennt die Vereinigte Großloge von England (United Grand Lodge of England – UGLE) die Großloge von Österreich (GLvÖ) als „regulär“ an, die wiederum den Großorient von Italien (GOI) als „regulär“ anerkennt, der von der UGLE nicht anerkannt wird. Nun, welche Glaubwürdigkeit kann die Großloge von Österreich vor der Römischen Kurie beanspruchen, da sie den Großorient von Italien als „regulär“ anerkennt, der eindeutig eine laizistische und esoterische Freimaurerei mit langer antiklerikaler Tradition ist?
- 6) Die österreichische Freimaurerei will einen Dialog mit dem Papst, dem Glaubenspräfekten und anderen Persönlichkeiten des Vatikans. Gut. Ich hoffe jedoch, daß die österreichische Freimaurerei den vatikanischen Gesprächspartnern nicht nur das Buch von Hochw. Weninger liefert, sondern auch die Rituale der Drei Grade von Lehrling, Geselle und Meister; die Rituale der Hochgrad-Riten, zu denen die Meister der Großloge von Österreich Zugang haben und die esoterischen und initiatischen Schriften, die den Freimaurermeistern vorbehalten sind (es gibt sie, das weiß ich sehr genau).
Nur eine sorgfältige Prüfung einer solch umfassenden Dokumentation kann es kirchlichen Autoritäten und katholischen Gelehrten ermöglichen, ein wirkliches und objektives Urteil über die Freimaurerei zu fällen.
Schließlich beschränke ich mich aus Platzgründen auf diese kurze Information: Bezüglich der englischen Markmaurerei („Mark Master Masons“) und der Royal Ark Mariner (der RAM-Grad ist MMM vorbehalten), die mit der oben genannten Vereinigten Großloge von England (UGLE) verbunden sind, weiß ich mit Sicherheit, daß selbst Maurer dieser Grade, die scheinbar „biblisch“ sind, imstande sind Esoterik zu pflegen. Das gleiche passiert in der österreichischen Freimaurerei. Daher scheinen mir die obigen Aussagen von Hochw. Weninger alles andere als überzeugend.
*Pater Paolo Maria Siano gehört dem Orden der Franziskaner der Immakulata (FFI) an; der promovierte Kirchenhistoriker gilt als einer der besten katholischen Kenner der Freimaurerei, der er mehrere Standardwerke und zahlreiche Aufsätze gewidmet hat. Katholisches.info veröffentlichte von ihm:
- Die Freimaurerei erklärt von einem Großmeister
- Den Anklopfenden erwarten beim Freimaurerbund Initiation und Gnosis
- Baron Yves Marsaudon – Ein Hochgradfreimaurer im Malteserorden
- Die Loge Quatuor Coronati, der Großmeister und ein Bettelbruder
- „Katholik, der Loge beitritt, ist exkommuniziert“ – Kirchenhistoriker Paolo Siano über Kirche und Freimaurerei
- Kurze Antwort an einen Großmeister der Freimaurerei
- War Karl Rahner Freimaurer?
Übersetzung/Fußnoten: Giuseppe Nardi
Bild: Freimaurer-Wiki/PUG (Screenshots)
[1] Heikle und verantwortungsvolle Missionen, da von 1991–1995 im zerfallenden Jugoslawien Krieg herrschte. Das gilt auch für den Einsatz in Sarajewo, das formale Hauptstadt des EU-Protektorates Bosnien und Herzegowina und faktische Hauptstadt der Föderation Bosnien und Herzegowina ist, in der muslimische Bosniaken und katholische Kroaten seit 1996 zusammengeschlossen sind. Diese Zwangssituation wurde von der österreichischen Diplomatie mit Nachdruck unterstützt, als wollte man in einem Experiment zur „Brüderlichkeit“ zwingen.
[2] Die Markmaurerei entstand in England 1756. Damit ist der Markmeistergrad einer der ältesten Freimaurergrade. In Österreich wurde er erst 2009 eingeführt.
[3] Die Royal-Ark Mariner-Logen (RAM) und die Markmeistermaurerei (MMM) sind Teil des angelsächsischen Hochgradsystems, wobei die RAM über den MMM stehen. Sowohl der MMM- als auch der RAM-Hochgrad nehmen Meister aller Glaubensbekenntnisse auf, während bestimmte Obödienzen nur „trinitarische Christen“ zulassen.
[4] Der Großmeister sagte wörtlich: „Dieses Buch ist sehr wichtig. Auch wenn es den Konflikt mit der Kirche praktisch nicht mehr gibt, haben wir von der Großloge ein vitales Interesse, daß es zu einer Versöhnungsgeste kommt.“
[5] Die Online-Freimauer-Enzyklopädie Freimaurer-Wiki veröffentlichte vor wenigen Tagen eine ausführliche Rezension des Weninger-Buches sowie folgende Anmerkung:
„Wie wichtig Weningers Buch international genommen wird, zeigen zwei Begebenheiten: Zur Buchvorstellung „aus dem katholischen Köln eigens angereist“ ist Christoph Bosbach, Großmeister der Vereinigten Großlogen von Deutschland. Und noch bedeutsamer: Die päpstliche Universität Gregoriana hat den Autor, als man dort von seinen Recherchen erfuhr, ausdrücklich ermuntert, das Buch bei ihr als Dissertation einzureichen. Die Gregoriana wird von Jesuiten geführt; der gegenwärtige Papst Franziskus ist auch einer.“
Mehr als einmal habe ich gelesen:
„Jeder Hochgradfreimaurer ist definitiv Satanist“.
Übrigens: Wie kann jemand, der 2009 Witwer wurde nur zwei Jahre später zum Priester geweiht werden ?
Meiner Meinung nach ein bisschen schnell und noch schneller der steile Aufstieg in der Kirche.
Vielleicht allegorisch: Er wurde 2009 Sohn der Witwe, was immer das heissen mag. Dann hätten wir den Anfang datiert.
Unser Herr Jesus Christus hatte keine Beührungsängste mit Menschen unterschiedlicher Anschauung oder Herkunft.
Er lehrte uns sogar: „Liebet eure Feinde, tute Gutes denen, die euch hassen.“
Nebenbei: auch Hayden, Mozart und sogar dessen Vorgesetzter in Salzburg, Erzbischof Hieronymus Joseph, waren Freimaurer.
Einige Hinweise: Wer sich der Freimaurerei anschließt, verfällt ohne weiteres der Exkommunikation. (can. 2335) Dabei reicht es, daß man sich als Mitglied eintragen läßt, d.h. auch ohne Aufnahmeritus gilt die Exkommunikation. Das gilt auch für ähnliche Vereinigungen.
Freimaurer und ähnliche Vereine bekämpfen bzw. agitieren gegen die Kirche, indem sie die kirchliche Autorität, ihre Gewalten, ihre Rechte, ihre Privilegien usw. in Frage stellen.
Das Mozart Freimaurer war ist allgemein bekannt, ob es die anderen waren ist möglich, ist aber unwesentlich. Wesentlich ist, daß die Freimaurer sich die Strafe der Exkommunikation zugezogen haben.
Damit wird dann hier im Forum die Diskussion beendet! Es ist ein katholisches Forum und dient der Kirche und der christlichen Kultur, aber nicht der Freimaurerei!
Schlussmahnung aus 1. Brief des Johannes 5,13–21
Die Bibel sagt klar dass ein Mensch nicht zwei Herren dienen kann.Wer Jesus Christus nachfolgt kann niemals Freimaurer sein.