(Rom) Was sagt ein Großmeister der Freimaurerei über Papst Franziskus? Vor wenigen Tagen veröffentlichte die offizielle Internetseite der Großloge von Italien (GLRI) einige Gedanken von Großmeister Fabio Venzi. Noch erhellender scheinen Worte seines Vorgängers im Großmeisteramt zu sein.
Das Hauptanliegen von Großmeister Venzi ist es, auf 28 Seiten „enorme Ungenauigkeiten, Widersprüche und Falschangaben“ im jüngsten Bericht des Anti-Mafia-Untersuchungsausschusses des Italienischen Parlaments richtigzustellen. Der parlamentarische Untersuchungsausschuß hatte ihn am vergangenen 21. Dezember 2017 vorgelegt.
Geleitet wurde der Ausschuß, der bis zu den Parlamentsneuwahlen im vergangenen März im Amt war, von der ehemaligen christdemokratischen Politikerin und Gesundheitsministerin Rosy Bindi.
Im Bindi-Bericht ist unter anderem von der Infiltration einiger freimaurerischer Bereiche durch die Mafia die Rede. Auf Seite 155 findet sich ein kurzer Absatz über die Unvereinbarkeit von katholischer Kirche und Freimaurerei, ohne daß die Gründe für diese Unvereinbarkeit genannt werden. Nicht die Vorwürfe einer Unterwanderung durch die Mafia, sondern dieser Absatz von elf Zeilen brachte Großmeister Vanzi auf die Palme. „Das ist ohne Zweifel der beunruhigendste Teil“ des Berichts (S. 2).
In seiner Erwiderung behauptet der Großmeister eine perfekte Vereinbarkeit zwischen Kirche und Loge. Die Freimaurerei verschwöre sich nicht, die freimaurerfeindlichen Kritiker seien in ihren Aussagen absurd und verleumderisch (S. 2ff) und würden an einer „Dysphorie der Persönlichkeit“ (S. 26) leiden.
Großmeister betreibt Verwirrung
Venzi, ein Soziologe, versucht den Durchschnittsleser selbst in scheinbaren Nebensächlichkeiten zu verwirren. So schreibt er:
„Wie ich bereits angedeutet habe, wissen wir, daß die Freimaurerfeindlichkeit schon vor der Freimaurerei entstanden ist“ (S. 25f).
In seinem jüngsten Buch „Die letzte Häresie“ (L’ultima eresia) heißt es hingegen:
„Die Freimaurerfeindlichkeit entstand zusammen mit der Freimaurerei“ (S. 11).
Bei seiner Anhörung vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuß am 24. Januar 2017 erklärte er (siehe Stenographisches Protokoll des Untersuchungsausschusses):
„Die Freimaurerei entsteht 1717. Das erste freimaurerfeindliche Dokument stammt von 1652.“
Und weiter:
„Die Probleme der freien Maurerei sind Probleme, die zusammen mit der Freimaurerei entstehen.“
Keine „satanische“, nur eine luziferische Komponente
Also was nun!? In den Aussagen des Großmeisters herrscht ziemliche Verwirrung. Wann ist die Freimaurerfeindlichkeit nun wirklich entstanden? Daß sie bereits vor der Gründung der Freimaurer bestanden haben könnte, scheint nicht einmal er selbst zu glauben. Die Aussagen des Großmeisters tragen aber dazu bei, die Unvereinbarkeit zwischen Kirche und Loge besser zu verstehen. In seinen Ausführungen läßt der Großmeister deutlich erkennen, daß es sich bei der Freimaurerei um eine „Mysterienschule“ mit „Initiationsritus“, um „eine der vielen esoterischen Bewegungen“ handelt (S. 4).
Entschieden wehrt sich der Großmeister aber gegen die Behauptung einer „‘satanischen‘ Komponente der Freimaurerei“ (S. 5). Eine initiatische, esoterische, gnostische und luziferische Komponente weist er hingegen nicht zurück. Die Titelseite seines bereits genannten, jüngsten Buches „Die letzte Häresie“ ziert immerhin das ein Bild des Gemäldes „Luzifer“ des deutschen Malers Franz von Stuck (1890).
Verschwörung gegen die Kirche? „Lächerlich…“
Die Freimaurerei hat sich gegen die Kirche verschworen?
Unmöglich, lächerlich, absurd, sagt Großmeister Venzi. Er bezeichnet es auch als „lächerlich“, daß er „wichtige ‚klerikale Verbündete‘“ habe und „über Kontakte zu hochrangigen Vertretern im Vatikan“ verfüge (S. 3f). Im Buch „Freimaurerischer Vatikan. Logen, Geld und okkulte Macht: Die geheime Seite der Kirche von Papst Franziskus“ (Vaticano massone), das der Vatikanist Giacomo Galeazzi 2013 mit seinem Kollegen Ferruccio Pinotti veröffentlichte, klingt das noch ganz anders. Die beiden Journalisten sprachen auch mit Großmeister Venzi.
Dieser „enthüllte uns, daß es in seiner Obödienz, der einzigen, die von der Großloge von England anerkannt ist, viele Priester gebe. Venzi ist dabei auf nüchterne und diskrete Weise einen Dialog mit Vertretern des Vatikans zu beginnen“ (S. 54).
Galeazzi und Pinotti schrieben damals:
„Von verschiedener Seite wird angedeutet, daß hinter den jüngsten und revolutionären Ereignissen im Vatikan, besonders dem Rücktritt von Papst Benedikt XVI., die Hand der Logen steckt. In den Gängen der Sacri Palazzi flüstert man, daß sogar die Wahl des neuen Papstes ihr Werk sei. Nach einem Pontifikat der Abschließung wie dem von Ratzinger ist es wahrscheinlich, daß viele unter den Logenbrüdern hoffen, mit Hilfe des Jesuiten Bergoglio die alten Sympathien zwischen der Gesellschaft Jesu und den Freimaurern wiederzubelegen“ (dazu auch Der Jesuit auf dem Papstthron).
„Kennen sie die ‚Santa‘?“
Venzi bestreitet in seinen „Gedanken“, daß die freimaurerischen Rituale geheim seien, da „sie leicht auf zahlreichen Internetseiten zu finden sind“ (S. 13). Allerdings nennt er keine solche Internetseite, die als zuverlässige Quelle dienen könnte. Wenn die Rituale der Freimaurerei, seiner Obödienz oder auch anderer Obödienzen, nicht geheim sind, warum werden sie dann nicht auf der offiziellen Seite der Großloge veröffentlicht?
Der Großmeister tadelt vielmehr die Vorsitzende des parlamentarischen Untersuchungsausschusses Bindi, weil sie ihm bei der Anhörung eine „provokante“ Frage gestellt habe (S. 23). In Wirklichkeit stand die Frage an den Großmeister in direktem Zusammenhang mit dem Auftrag des Anti-Mafia-Ausschusses:
„Kennen sie die ‚Santa‘ die Führungsspitze der ‚Ndrangheta, die ihre Männer in die Freimaurerlogen einschleust?“[1]‚Ndrangheta wird die kalabrische Mafia genannt, die aus verschiedenen Clans (‚Ndrine) besteht, die sich Kalabrien, Italien und das Ausland territorial aufteilen. Die Struktur der ‚Ndrangheta ähnelt … Continue reading
„Freimaurerei kann im Untergrund überleben“
Großmeister Venzi zeigt sich verblüfft, daß im Bindi-Bericht eine mögliche „Auflösung der Vereinigung“ (S. 25) durch den Staat erwähnt wir.
Kryptisch deutet der Großmeister an, daß die Freimaurer imstande seien, in einem solchen Fall auch im Untergrund weiterzuarbeiten. Wörtlich:
„Selbst wenn Italien die Freimaurerei verbieten würde, gäbe es sie noch immer im Ausland, die von dort einsickern und sie auch in Italien wiederaufbauen könnte“ (S. 25).
Mit anderen Worten gibt der Großmeister zu verstehen, daß ein staatliches Verbot eine Geheimgesellschaft mit so langer Erfahrung nicht erschüttern könne.
Der Bindi-Bericht erwähnt auch Papst Franziskus, der 2017 einen designierten Botschafter wegen seiner Logenmitgliedschaft die Akkreditierung beim Heiligen Stuhl verweigerte. Offenbar besorgt den Großmeister, daß auch der italienische Staat diesem Beispiel folgen und die Freimaurer unter seinen Botschaftern aus dem diplomatischen Dienst entfernen könnte. Diese Gefahr scheint aber nicht gegeben, denn Bindi betonte in ihrem Bericht, daß sich der Anti-Mafia-Untersuchungsausschuß„nicht mit dem Phänomen der Freimaurerei an sich zu befassen habe“, auch nicht mit der italienischen Freimaurerei als Ganzes, sondern nur mit vier Obödienzen, darunter der Großloge (S. 91f).
Der Großmeister muß sich also nicht sorgen. Der italienische Staat wird die Freimaurerei nicht verbieten, weil jede Regierung eine massive nationale und internationale Reaktion der Freimaurerei zu fürchten hätte. Angesichts der vom Großmeister angedeuteten Kontakte zu hochrangigen Kirchenvertretern, wäre zudem nicht ausgeschlossen, daß selbst dort jemand in den Chor zur Verteidigung der Logenbrüder einstimmen könnte.
Ex-Großmeister Di Bernardo
Venzi kritisiert auch seinen Vorgänger, Großmeister Giuliano Di Bernardo (S. 24). Di Bernardo war Großmeister des Großorients von Italien (1990–1993). Als das italienische Parteiensystem der Nachkriegszeit unter Korruptionsvorwürfen (Christdemokratie, Sozialistische Partei) und dem Zusammenbruch des Ostblocks (Kommunistische Partei) implodierte, und auch der Großorient und seine Vernetzung ins Scheinwerferlicht geriet, brachte sich Di Bernardo in Sicherheit, trat zurück und gründete die Großloge von Italien, deren Großmeister er wurde. Die Großloge wurde, im Gegensatz zum Großorient, von der Großloge von England anerkannt. Di Bernardo war es, der 1999 den Freimaurer Venzi in die Großloge holte und als seinen Nachfolger aufbaute. Seit 2001 ist Venzi Großmeister.
In einem Radio-Interview für die Sendung Border Nights sagte Di Bernardo im vergangenen April:
„Die Großloge von Italien ist laut dem Bericht der Anti-Mafia-Kommission nach dem Großorient am meisten von Infiltrationen der Mafia und der ‚Ndrangheta verseucht“ (Min. 31:50–32:13).[2]Im Ausland wird oft fälschlich jede Form der organisierten Kriminalität als Mafia bezeichnet. In Wirklichkeit heißt nur die der Sizilianer so. Die von Neapel und Kampanien ist die Camorra, die von … Continue reading.
Di Bernardo fügte hinzu: „Die Großloge von Italien, die das Prunkstück der italienischen und englischen Freimaurerei war, wurde von Fabio Venzi in Schutt und Asche gelegt. Ich frage mich, wie die Großloge von England sie weiterhin als einzige freimaurerische Obödienz auf italienischem Boden anerkennen kann. Warum tritt Venzi nicht zurück? Wenn Venzi abtritt, könnte ein anderer vielleicht dem, was ich meine freimaurerische Schöpfung nenne, ein Minimum an Würde zurückgeben“ (Min. 33:23–34:20).
Ein „aufgeklärter Tyrann“ soll die Welt regieren
Weit interessanter als diese logeninternen Animositäten ist eine andere Aussage von Di Bernardo, der immerhin bereits Großmeister der beiden größten Obödienzen Italiens war und international bestens vernetzt ist. Di Bernardo ist überzeugt, daß die „globale Gesellschaft“ nicht demokratisch regiert werden könne, sondern nur durch „eine Gemeinschaft von Weisen, die den Einen verkörpern, den aufgeklärten Tyrannen“ (Min. 40:00–40:47).
War es aber nicht die Freimaurerei, die vom 18.–20. Jahrhundert mit besonderem Nachdruck gegen das Ancien Regime und gegen die Monarchien (außer die englische) und für die Demokratie kämpfte? Diente die Demokratie nur als Zwischenstufe, um sich der alten Ordnung zu entledigen?
In einem Interview mit der Tageszeitung Libero vom 22. Februar 2016 lobte der ehemalige Großmeister Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, jenen Vatikandiplomaten, den Papst Franziskus im Sommer 2013 an die Spitze des vatikanischen Staatssekretariats stellte. Parolin nahm Anfang Juni als erster Kardinalstaatssekretär mit Zustimmung von Papst Franziskus an einer Jahrestagung der Bilderberger teil.
Und wofür lobt ein Großmeister einen Kardinalstaatssekretär? Weil Parolin, so Di Bernardo, gegenüber den Freimauern und der Esoterik „keine negative und feindselige Haltung hat“. Darauf folgten folgenden im Libero-Interview folgende Frage und Antwort:
Libero: Was ist Ihr Prototyp eines aufgeklärten Tyrannen?
Di Bernardo: Wenn ich wirklich einen Namen nennen soll, dann würde ich sagen: Papst Franziskus.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Corrispondenza Romana/MiL/Wikicommons/IxR (Screenshots)
-
↑1 | ‚Ndrangheta wird die kalabrische Mafia genannt, die aus verschiedenen Clans (‚Ndrine) besteht, die sich Kalabrien, Italien und das Ausland territorial aufteilen. Die Struktur der ‚Ndrangheta ähnelt stark der Freimaurerei. Die Mitgliedschaft wird durch einen Initiationsritus erworben. An der Spitze steht die ‚Santa‘, in der die Mitgliedschat wiederum nur unter bestimmten, bereits durchlaufenen Stufen und nach hierarchischen Bestimmungen möglich ist. Ähnlich gibt es in den Logen Grade und spezielle Logen. Die ‚Santisti‘, Angehörige der ‚Santa‘ rufen rituell drei „Schutzpatrone“ an: Giuseppe Garibaldi, Giuseppe Mazzini und Alfonso La Marmora. Alle drei waren Hochgradfreimaurer, Garibaldi sogar Großmeister des Großorients von Italien. |
---|---|
↑2 | Im Ausland wird oft fälschlich jede Form der organisierten Kriminalität als Mafia bezeichnet. In Wirklichkeit heißt nur die der Sizilianer so. Die von Neapel und Kampanien ist die Camorra, die von Kalabrien die ‚Ndrangheta, die von Apulien die Sacra Corona Unita |