
Von Cristina Siccardi*
Das italienische Wochenmagazin Panorama titelte am 27. Dezember 2022: „Die Welt ist ein Pulverfaß und die Lunte brennt“. Es gibt aktuell schätzungsweise 59 Kriege auf der Welt, einige dauern schon seit Jahrzehnten an, andere, wie der in der Ukraine, erst seit einem Jahr. Die Ukraine, Afghanistan, Myanmar, Jemen und Tigray gelten als die „großen Konflikte“, weil in ihnen jedes Jahr mehr als zehntausend Menschen ihr Leben verlieren. Wenn wir auch die Covid-19-Pandemie, die Energieverknappung und jetzt das schreckliche Erdbeben in der Türkei und in Syrien betrachten, laufen die Aussagen und Transparente, die zum Frieden aufrufen, ins Leere. Aber eines muß man realistisch sagen: Seit Papst Franziskus im Vatikan gemeinsam mit Indios zur Pachamama gebetet hat, indem er vor einer angeblichen Inka-Gottheit das Kreuzzeichen machte und sie mit seiner Hand segnete – wir sprechen vom 4. Oktober 2019, dem Gedenktag des heiligen Franz von Assisi – ist die Welt in eine dramatische Spirale geraten.
Wir können auch die tragische Verfolgung von Christen nicht übersehen. Wir sprechen von beeindruckenden Zahlen… aber die Medien schweigen, außer in einigen Ausnahmefällen, wie dem Priester, der im Pfarrhaus der Kirche St. Peter und Paul in Kafin Koro, Diözese Minna, Bundesstaat Paikoro, Nigeria, lebendig verbrannt wurde. Der gemarterte Isaac Achi war ein katholischer Priester, der von der christlichen Gemeinschaft in der Region sehr geschätzt wurde, wo er auch das Amt des Vorsitzenden des örtlichen Zweigs der Christian Association of Nigeria innehatte. Die Terroristen, die in der Nacht vom 14. auf den 15. Januar die Pfarrei stürmten, konnten sich keinen Zugang zu dem gut befestigten Gebäude verschaffen, in dem der Priester lebte, und setzten es in Brand.
In der Demokratischen Republik Kongo starben am selben Tag, an dem sich Pater Isaacs Opfer für den Glauben vollzog, bei einem Anschlag mindestens 17 Menschen und etwa 60 wurden verletzt. In einer Kirche im Osten des Kongo zündete eine Gruppe, die mit islamischen Extremisten in Verbindung steht, einen Sprengsatz in der Pfingstler-Gemeinde von Kasindi-Luvirihya in der Provinz Nord-Kivu, nördlich des Eduardsees, direkt an der Grenze zu Uganda.
Mehr als 360 Millionen Christen sind weltweit aufgrund ihres Glaubens einem hohen Maß an Verfolgung und Diskriminierung ausgesetzt: 312 Millionen sind es, wenn man nur die Länder auf der World Watch List berücksichtigt (in denen das Ausmaß der Verfolgung sehr hoch oder extrem ist), dem offiziellen und zuverlässigen, international anerkannten Jahresbericht von Open Doors über die Christenverfolgung in der Welt. Es gibt 50 Länder, in denen Christgläubige unter Beobachtung und im Fadenkreuz stehen und mit feindseligen Haltungen, Worten und Taten konfrontiert sind. Es ist unmöglich, alle Daten zu nennen, die auf jeden Fall auf der World Watch List abgerufen werden können. Wir können aber sagen, daß die Verfolgung auf drei Ebenen stattfindet: hoch, sehr hoch, extrem. Elf sind die Länder, in denen extreme Verfolgung stattfindet: Nordkorea, Somalia, Jemen, Eritrea, Libyen, Nigeria, Pakistan, Iran, Afghanistan, Sudan, Indien.
Nordkorea
Für Christen ist Nordkorea nach wie vor ein brutal feindseliger Ort. Wenn Christen von den Behörden entdeckt werden, werden sie in Arbeitslager gesperrt, wo die Bedingungen im wahrsten Sinne des Wortes grausam sind. Sie werden als politische Gefangene interniert oder auf der Stelle getötet, und ihre Familien sind dem gleichen Schicksal ausgeliefert. Die Christen haben keine Freiheit; es ist ihnen unmöglich, sich zu versammeln oder zu beten, und diejenigen, die es wagen, müssen dies unter größter Geheimhaltung und unter großem Risiko tun. Ein neues Gesetz der Regierung hat klargestellt, daß es ein schweres Verbrechen darstellt, Christ zu sein oder auch nur eine Bibel zu besitzen, was streng bestraft wird.
Die Gläubigen stellen eine „Bedrohung“ für das kommunistische Regime dar und laut dessen Meinung für die Gesellschaft allgemein. In einem 2022 von der International Bar Association und dem Komitee für Menschenrechte in Nordkorea veröffentlichten Bericht heißt es, daß Christen in nordkoreanischen Gefängnissen besonders häufig gefoltert werden: „Es ist dokumentiert“, so Open Doors, „daß die Haftzeiten für Christen länger sind als für andere Gruppen, und Zeugen haben berichtet, daß Personen, die als Christen identifiziert wurden, über längere Zeiträume verhört werden, in der Regel unter Folter, und einigen der schlimmsten Formen der Folter ausgesetzt sind, um sie zu zwingen, andere Christen zu verraten“. Im Laufe des Jahres haben Kontakte von Open Doors aus zuverlässigen Quellen erfahren, daß mehrere Dutzend nordkoreanische Gläubige aus verschiedenen versteckten Kirchen entdeckt und hingerichtet wurden. Mehr als hundert Mitglieder ihrer Familien wurden verhaftet und in Arbeitslager geschickt. Über geheime Netzwerke in China versorgen lokale Mitarbeiter von Oper Doors 80.000 nordkoreanische Gläubige mit Lebensmitteln und lebensnotwendigen Gütern. Außerdem bieten sie nordkoreanischen Flüchtlingen Unterschlupf in „sicheren Häusern“ in China.
Somalia
In Somalia, einem überwiegend muslimischen Land, erklären Imame in Moscheen und Medressen öffentlich, daß für Christen und ihre Kirchen kein Platz ist. Die gewalttätige Rebellengruppe al-Shabaab hat wiederholt erklärt, die Gläubigen aus dem Land vertreiben zu wollen. Vor allem Christen muslimischer Herkunft gelten als sensible Ziele, sodaß sie, wenn sie entdeckt werden, sofort auf der Stelle getötet werden können. Gläubige werden nicht nur von den Behörden, sondern auch von ihren Familien und der Gemeinschaft, in der sie leben, auf schreckliche Weise verfolgt. Die Abkehr vom Islam gilt als todeswürdiger Hochverrat an Familie und Clan, die somalische Christen schikanieren, einschüchtern und direkt töten können. Jeder, der auch nur im Verdacht steht, zum Christentum zu konvertieren, wird von den Ältesten der Gemeinde und ihren Verwandten streng überwacht. Ein kirchliches Leben ist unmöglich, sodaß die wenigen Christen gezwungen sind, sich im Geheimen zu treffen. In jüngster Zeit haben militante Islamisten ihre Jagd auf Christen intensiviert.
Jemen
Aufgrund der strengen islamischen Gesetze des Landes und der Präsenz militanter islamischer Gruppen ist es äußerst gefährlich, im Jemen Christ zu sein. Die Bevölkerung ist überwiegend muslimisch und es ist illegal, zum Christentum zu konvertieren. Der Jemen ist stark stammesorientiert, und das Stammesrecht verbietet es Stammesangehörigen, das Land zu verlassen. Jemeniten, die zum Christentum konvertieren, laufen nicht nur Gefahr, von ihren Familien, Clans und Stämmen geächtet oder vertrieben, sondern auch ermordet zu werden. Islamische Extremistengruppen wie al-Qaida und der Islamische Staat (IS) bedrohen sogenannte „Abtrünnige“ mit dem Tod, wenn sie nicht zum Islam zurückkehren. In einigen Gebieten, auch in den von den Huthi kontrollierten, werden Konvertiten leicht inhaftiert und erleiden in den Gefängnissen unsägliche physische und psychische Folter. Die gesamte jemenitische Bevölkerung ist von der durch den anhaltenden Bürgerkrieg verursachten humanitären Krise betroffen, aber die jemenitischen Christen sind noch stärker gefährdet, da die Nothilfe meist über die örtlichen Moscheen verteilt wird.
Libyen
In Libyen, das zum gesetzlosen Land gemacht wurde, sind sowohl die einheimischen Christen als auch diejenigen, die aus dem Ausland durchreisen, mit einer noch nie dagewesenen Gewalt konfrontiert. Ohne eine Zentralregierung, die die Ordnung aufrechterhält, liegt die Macht bei militanten islamischen Extremistengruppen, aber auch bei Gruppen, die mit dem organisierten Verbrechen verbunden sind; letztere fangen Christen ab und entführen und/oder töten sie häufig.
Nigeria
In Nigeria gibt es seit 1999 ein tief verwurzeltes Programm der Zwangsislamisierung durch die Scharia, das besonders im Norden des Landes weit verbreitet ist und sich allmählich auch auf den Süden ausweitet. Die Angriffe militanter islamistischer Gruppen haben seit 2015 stetig zugenommen, aber die Regierung hat es nicht geschafft, die Zunahme der Gewalt zu stoppen, von der viele Nigerianer, vor allem aber Christen betroffen sind.
Die Gewalt ist im Norden des Landes am weitesten verbreitet, wo militante Gruppen wie Boko Haram, ISWAP und Fulani-Milizen ihre Opfer ermorden, verletzen, entführen und sexuelle Gewalt ausüben. Christen werden ihres Landes und ihrer Lebensgrundlagen beraubt; viele leben als Binnenvertriebene oder Flüchtlinge. Konvertiten muslimischer Herkunft, die sich zum Christentum bekehrt haben, sehen sich auch der Ablehnung durch ihre Familien, dem Druck, dem Christentum abzuschwören, und oft auch körperlicher Gewalt ausgesetzt.
Indien
In Nigeria, Pakistan, Iran und Sudan sind die Verfolgungszahlen im letzten Jahr gestiegen, während in Indien das Verhalten gegenüber christlichen Frauen tragisch ist: Viele gehören den niedrigsten Kasten an, was sie sehr anfällig für sexuelle Übergriffe macht, die dazu dienen, die gesamte christliche Familie zu beschämen und zu entehren. Es kommt auch zu physischen Angriffen mit Säure, brutalen Schlägen und Morden. Christliche Frauen werden gesellschaftlich ausgegrenzt, und mancherorts wird ihnen sogar die Versorgung mit Trinkwasser verweigert.
Volksrepublik China
Alarmierenderweise sprechen Statistiken von einer Zunahme der Verfolgung in Ländern mit „sehr starker Verfolgung“ und noch nicht „extremer Verfolgung“, z. B. in der Volksrepublik China, der Türkei und Mexiko.
Im ersten Fall setzen strenge Restriktionen und zunehmende Überwachung die Christen verstärkt unter den Druck der Kommunistischen Partei. Die Überwachung in China gehört zu den repressivsten und ausgeklügeltsten der Welt, wie die Corona-Zeit zeigte, und christliche Führer sind besonders anfällig für Verfolgung, einschließlich Inhaftierung und in einigen Fällen sogar Entführung. Neue Beschränkungen für das Internet und die sozialen Medien sowie die Religionsgesetze von 2018, die weiterhin überarbeitet und verschärft werden, schränken die Freiheit der Christen in vielerlei Hinsicht ein. Viele Kirchen werden überwacht und geschlossen, unabhängig davon, ob sie unabhängig sind oder der Patriotischen Vereinigung der Drei Autonomien angehören. Für Personen unter 18 Jahren ist es illegal, eine Kirche zu besuchen.
Wenn ein Christ muslimischer oder tibetisch-buddhistischer Herkunft von seiner Familie oder Gemeinschaft entdeckt wird, kann er bedroht und sogar körperlich verletzt werden, um ihn dazu zu bewegen, seinen christlichen Glauben aufzugeben und zu seiner früheren Religion zurückzukehren.
Türkei
In der Türkei ist der religiöse Nationalismus sehr stark und bringt die Christen zunehmend in Angst und drängt sie, sich zu verstecken. Nationalismus und Islam sind untrennbar miteinander verbunden, und jeder, der kein Muslim ist, vor allem wenn er offen einen anderen Glauben lebt, wird als treuloser Türke betrachtet, so daß Christen nicht als tatsächliche Mitglieder der türkischen Gesellschaft angesehen werden: Sie haben nur begrenzten Zugang zu staatlichen Stellen und werden in der Privatwirtschaft diskriminiert. Die Religionszugehörigkeit wird in den Personalausweisen – heute per elektronischem Chip – festgehalten, und es ist sehr einfach, Christen bei der Bewerbung um eine Stelle zu diskriminieren. In den vergangenen Jahren hat die Regierung Erdogan ausländischen Christen mit türkischen Ehepartnern und Kindern verboten, sich in der Türkei niederzulassen.
Mexiko
In Mexiko hingegen sind schätzungsweise 150 kriminelle Banden aktiv, die von den mächtigen Drogenkartellen finanziert werden; Banden, in denen eine menschenverachtende, dunkle Ideenwelt vorherrscht, die Christen hassen und es auf Christen in prominenten Positionen abgesehen haben, weil sie als gefährlich für die Stabilität und Autorität ihrer kriminellen Organisation gelten. Wenn sich Christen weigern, sich den Forderungen einer Bande zu unterwerfen, oder ihre Verbrechen anprangern, beginnt die Bande Kirchen anzugreifen. Politische Instabilität und Straflosigkeit tragen dazu bei, daß in Fällen, in denen mehrere Priester und Hirten entführt und gegen Lösegeld festgehalten, brutal verprügelt oder ermordet werden, keine Gerechtigkeit herrscht.
Dieser kurze Überblick fordert uns nicht nur auf, für all jene zu beten, die ihr Leben für ihren Glauben an den Gekreuzigten hingegeben haben, und für die Lebenden, die grausame Schikanen erleiden, sondern auch, das Wissen um diese Verfolgungen zu verbreiten, von denen – wiederholen wir es, um uns diese schreckliche Zahl ins Gedächtnis zu rufen – weltweit 360 Millionen Christen betroffen sind: Wenn die Machtlobbys der Welt und die ihnen hörigen Medien nicht darüber sprechen, müssen alle Menschen guten Willens davon Kenntnis nehmen und darüber sprechen.
Für die bevorstehende Fastenzeit 2023 könnten wir unserem Herrn Jesus einige Opfer und Liebeswerke anbieten, die von der christlichen Frömmigkeit leider ebenso vergessen wurden wie die Sündengefahr, aber Gott so wohlgefällig sind. In der von Sünden und den daraus resultierenden göttlichen Strafen zerrissenen Welt (wie das Alte und das Neue Testament lehren) wird das Blut von Märtyrern vergossen, und die Seelen sind unbedingt aufgerufen, sich zu heiligen.
Auxilium Christianorum ora pro nobis!
*Cristina Siccardi, Historikerin und Publizistin, zu ihren jüngsten Buchpublikationen gehören „L’inverno della Chiesa dopo il Concilio Vaticano II“ (Der Winter der Kirche nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Veränderungen und Ursachen, 2013); „San Pio X“ (Der heilige Pius X. Das Leben des Papstes, der die Kirche geordnet und reformiert hat, 2014) und vor allem ihr Buch „San Francesco“ (Heiliger Franziskus. Eine der am meisten verzerrten Gestalten der Geschichte, 2019).
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Giuseppe Nardi
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