
Von Cristina Siccardi*
In der Nacht vom ersten auf den zweiten Tag des Jahres 2022 starb Schwester Maria Kaleta im Kloster der Armen Töchter der Heiligen Stigmata des Heiligen Franz von Assisi in Shkodër in Albanien im hohen Alter von 92 Jahren. Sie war eine wertvolle und heldenhafte Glaubenszeugin in den Verfolgungen des kommunistischen Despoten Enver Hoxha (1908–1985), Marxist-Leninist, Bewunderer Stalins und Geißel des Christentums.
Die Geschichte des Kommunismus in Albanien war verheerend, aber nur wenige Menschen erinnern daran, in der Schule wird nicht darüber gesprochen, und die Medien haben sie sofort ausgeblendet, sodaß es heute im kollektiven Gedächtnis so aussieht, als wäre in diesem gequälten Land nichts geschehen. Albanien weigert sich als einziger ehemaliger Ostblockstaat, die Verbrechen des Kommunismus offiziell zu verurteilen. Jeder weiß von den Gräueltaten der Nationalsozialisten, aber die der Kommunisten werden mit Samthandschuhen angefaßt oder schlicht weggelassen, alles nur, weil die kommunistische Kultur und Mentalität mit ihren negativen Werten und ihrem Atheismus in den Fasern des westlichen politischen und sozialen Empfindens erhalten geblieben sind.
Schwester Maria Kaleta ist eine Überlebende, die das weiße Martyrium mit den Schrecken des Hoxha-Kommunismus erlebt hat. Ihr großartiges Untergrundapostolat in ständiger Gefahr hat Wunder bewirkt und ist ein leuchtendes Beispiel dafür, was es bedeutet, Christus treu zu sein, koste es, was es wolle.
Am 29. November 1944 ergriff Enver Hoxha, der Führer der Kommunistischen Partei Albaniens, die Macht und lehnte sich auf radikale Weise an die Sowjetunion an. Bis zum Ausschluß Jugoslawiens aus dem Kominform im Jahr 1948 fungierte Albanien als Satellit der Tito-Föderation, die es bei den Kominform-Treffen vertrat. Ab 1950 ließ Hoxha im ganzen Land Tausende von Ein-Mann-Betonbunkern errichten, die als Wachposten und Waffenlager dienen sollten: Schätzungen zufolge könnten es mehr als 500.000 gewesen sein. Ihr Bau beschleunigte sich, als Albanien 1968 offiziell aus dem Warschauer Pakt austrat, was das Risiko eines ausländischen Angriffs erhöhte.
Hoxha war entschlossen, die stalinistische Politik fortzusetzen, und beschuldigte die sowjetischen Revisionisten, das Wirtschaftssystem zu verraten. Nach der chinesisch-sowjetischen Krise näherte er 1960 sein Land der Volksrepublik China an, was die Beziehungen zu Moskau in den folgenden Jahren beeinträchtigte. Nach einer langen Periode einer immer intensiveren und grausameren Zwangsatheisierung erklärte der Tyrann stolz, Albanien zum ersten Land zu machen, in dem der staatliche Atheismus in der Verfassung verankert ist. In der Verfassung von 1976 hieß es im Artikel 37: „Der Staat erkennt keine Religion an und unterstützt die atheistische Propaganda, um den Menschen die wissenschaftlich-materialistische Weltsicht einzuprägen“, während in Artikel 55 des Strafgesetzbuchs von 1977 Haftstrafen von 3 bis 10 Jahren für „religiöse Propaganda“ und die Herstellung, Verbreitung oder Aufbewahrung religiöser Schriften festgelegt wurden.
Teilweise angeregt durch die chinesische Kulturrevolution beschlagnahmte er Kirchen, Klöster und Kultstätten im Allgemeinen. Religiöse Namen von Personen und Orten wurden abgeschafft. Die politische Unterdrückung von Hoxha in Albanien, der bis 1983 an der Macht war, forderte Tausende und Abertausende von Opfern. Der Haß auf die Katholiken war unerbittlich. Er forderte Menschenleben und die Gläubigen wurden der Ausübung des Glaubens beraubt. Alle Kirchen Albaniens wurden zerstört oder geschlossen, Bischöfe, Priester, Ordensmänner und Klosterfrauen wurden getötet oder inhaftiert, denn das schwerste Verbrechen war das Glaubensbekenntnis. Diejenigen, die nicht gehorchten, wurden hart bestraft, wie die Mutter und die Schwester von Mutter Teresa von Kalkutta, die bis zu ihrem Tod in ihrem Haus abgesondert wurden. Mutter Teresa, die sich bereits in Indien befand, wurde es verwehrt, in ihrer Sterbestunde anwesend zu sein. Sie wurde aber später, nach dem Tod des Diktators, von Hoxhas Frau angerufen, um sie zu bitten, an seinem Grab zu beten, um die Schreie und Erschütterungen zu stoppen, die von dort herauskamen. Die dämonischen Erscheinungen aus dem Jenseits hörten auf, und an diesem Tag durfte die Gründerin der Schwestern der Nächstenliebe zum ersten Mal das Grab ihrer Mutter und ihrer Schwester besuchen.

1946 wurden die Kirche und das Kloster der Stigmatinerinnen in Shkodër geschlossen, und die Schwestern, Novizinnen und Aspirantinnen, darunter auch Maria Kaleta, die 1944 in das Kloster eingetreten war, wurden vertrieben und mußten zu ihren Familien zurückkehren. Sie blieben jedoch Stigmatinerinnen und besuchten die Messe in der Kathedrale von Shkodër und noch häufiger in der von den Franziskanern betreuten Kirche des heiligen Franziskus in Gjuhadol.
Priester und Mönche, die man von den heiligen Stätten entfernt hatte, gingen auf Anfrage und mit großer Umsicht in die Häuser, um den Schwerkranken die Wegzehrung zu bringen. Später verschlimmerte sich die Situation jedoch: Geistliche und Ordensleute wurden verleumdet, denunziert, verhaftet, gefoltert und verurteilt, einige zu harter Arbeit, andere zu harten Gefängnisstrafen und wieder andere zum Tode. Inmitten dieser Verfolgung beteten und litten die Stigmatinerinnen für das Schicksal ihrer Priester, aber sie bemühten sich auch mit großer Nächstenliebe und ungeheurer Kühnheit, den Glauben im Volk lebendig zu erhalten.
Sie besuchten die verhafteten Priester in den Gefängnissen. Sie nutzten solche Treffen, um Hostien zur Konsekration zu bringen. Nachdem die Ordensfrauen, aber auch die Aspirantinnen und Novizinnen, die wegen der Schließung des Klosters noch nicht die ewigen Gelübde ablegen konnten, sie erhalten hatten, hüteten sie den Schatz des lebendigen Jesus in völliger Geheimhaltung. Mit Zustimmung und im Auftrag der Priester bewahrten sie das Allerheiligste in ihren Häusern auf und brachten den im Glauben gefestigten Brüdern und Schwestern und den Schwerkranken die heilige Kommunion. Sie bewahrten die konsekrierten Hostien heimlich in kleinen Kästchen, zwischen Leinentüchern und ihrer persönlichen Wäsche auf: Niemand durfte von dem Schatz wissen, nicht einmal Familienangehörige, denn wegen des in Albanien von der Geheimpolizei Sigurimi erzeugten Klimas bestand überall die Gefahr der Denunziation.
Die jungen Anwärterinnen wurden immer zahlreicher und waren die wagemutigsten. Sie besorgten sich das geeignete Werkzeug, um in den Nachtstunden Hostien zu backen, die sie am Tag den Priestern brachten, um sie konsekrieren zu lassen. Sobald sie den lebendigen Jesus anvertraut bekamen, brachten sie ihn dorthin, wo er am meisten gebraucht wurde. Zu den Hostienbäckerinnen gehörten Giorgina Burgaleci, die die Maschine von den Brüdern des Heiligen Antonius in Tirana erhalten hatte, und Maria Kaleta, die sie von ihrem Onkel, dem Priester Dom Ndoc Suma, bekommen hatte.
Als 1967 die Unterdrückung entsetzlich wurde, kam es vor, daß Priester, die nach Jahren grausamer Haft aus Hoxhas Gefängnissen entlassen wurden, von ihren Angehörigen nicht mehr aufgenommen wurden, weil diese zu große Angst hatten, in den makabren Strudel der Verfolgung zu geraten. Damals nahmen die Stigmatinerinnen, Schwester Michelina und Schwester Marta Suma, den Priester Dom Gilaj 15 Jahre lang unter großer Geheimhaltung in ihrem Haus auf, aber es gab noch weitere Beispiele dieser Art, und sie alle wären Geschichten, die entdeckt, eingehend studiert und weitergegeben werden sollten, denn Verfolgungen haben einzigartige, originelle Konnotationen: die Konzentrationslager, die Gulags, die Tötungsfelder von Pol Pot, die Laogai der chinesischen Kommunisten haben alle ihren Ursprung im Verrat an den Gesetzen Gottes.
Als 1946 auch die junge Maria Kaleta zu ihrer Familie zurückkehrte, rieten ihr viele, ihre Berufung zu vergessen und eine Familie zu gründen, da selbst ihr Onkel, der Priester, sagte, es sei nicht abzusehen, wie lange die Diktatur in Albanien dauern würde.
„Ich aber fühlte mich wirklich berufen, mich dem Herrn zu weihen, und wollte Stigmatinerin sein. So blieb ich Aspirantin bis 1990, als die Schwestern nach Shkodër zurückkehrten, und ich das Gemeinschaftsleben im Kloster wiederaufnehmen konnte.“
1991 war es dann soweit: 46 Jahre nach ihrem Ordenseintritt, konnte Maria Kaleta ihre Ordensgelübde ablegen. Über die Zeit der Verfolgung sagte sie:
„Die Menschen waren wirklich hungrig nach Gott, und ich war mir bewußt, daß mein verborgener und geheimer Dienst ihren Hunger stillte und ihren Glauben nährte. Mein erster und letzter Gedanke des Tages galt Jesus in der Eucharistie, den ich so nahe bei mir hatte: Ich empfand es als eine große Verantwortung.“
In Pistull, dem Dorf, in dem ihre Familie lebte, bewegte sie sich mit einer gewissen Ruhe, aber wenn sie auswärts war, wurde sie oft von der Polizei angehalten. Ihre größte Sorge war, daß die Polizei das bei ihr versteckte Allerheiligste finden und entweihen könnte.
Einmal wurde bei ihr ein Rosenkranz entdeckt und man wurde mißtrauisch. Von da wurde sie häufiger angehalten. Die Wachen wollten vor allem wissen, ob sie Hostien bei sich hatte, und befragten sie. Einmal wurde sie einer Leibesvisitation unterzogen, doch sie fanden nichts, weil sie die Kommunion gerade einem Schwerkranken gebracht hatte.
„Es gab nie eine Entweihung. Der Herr hat uns so viel Mut gegeben, nicht nur mir, sondern auch meinen Schwestern.“
Das sakramentale Wirken der Stigmatinerinnen war außergewöhnlich. Auch ihr Onkel mütterlicherseits machte ihr immer Mut, und als er inhaftiert wurde, hinterließ er ihr das heilige Krankenöl, damit die Nichte es zusammen mit den konsekrierten Hostien zu den Gläubigen in Not bringen konnte, und eines Tages brachte sie das Öl zufällig zu einem sterbenden Priester im Gefängnis.
„Ich gebe dieses Zeugnis über die Eucharistie ab, um Gott die Ehre zu erweisen und allen zu sagen, daß die Kraft, unserer Berufung in so vielen Jahren der Prüfung treu zu bleiben und durchzuhalten, uns durch die reale Gegenwart Jesu gegeben wurde, den als den kostbarsten und edelsten Gast in unserem Haus zu haben wir die Gnade hatten.“
Schwester Maria, die nach so vielen Jahren des treuen Wartens endlich eine Tochter der Stigmata des heiligen Franziskus wurde, hat dem Herrn immer dafür gedankt, daß Er ihr erlaubt hat, die Tragödie der Verfolgung auf diese Weise zu durchleben, indem sie das Allerheiligste Sakrament aufbewahren und den Seelen bringen konnte, da die verhafteten, gefolterten und auch zum Tode verurteilten Priester es nicht mehr tun konnten.
Sie taufte die Kinder in den Dörfern und auch Erwachsene, die es wünschten: Sie nahm das Wasser aus Flüssen und Bächen. Als sie gebeten wurde, ein kleines Mädchen zu taufen, aber kein Wasser zur Verfügung war, nahm sie ihren Schuh und schöpfte damit Wasser aus einem nahen Kanal, weil sie gerade kein anderes Gefäß hatte. Zu den Menschen, die in den Jahren des infernalischen kommunistischen Systems die Taufe aus ihren Händen empfingen, gehörte auch der heutige Bischof von Sapë, Msgr. Simon Kulli, der 1973 in Pistull geboren wurde und in einer der ersten Priesterweihen nach dem Holocaust an den albanischen Katholiken zum Priester geweiht wurde.
*Cristina Siccardi, Historikerin und Publizistin, zu ihren jüngsten Buchpublikationen gehören „L’inverno della Chiesa dopo il Concilio Vaticano II“ (Der Winter der Kirche nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Veränderungen und Ursachen, 2013); „San Pio X“ (Der heilige Pius X. Das Leben des Papstes, der die Kirche geordnet und reformiert hat, 2014); „San Francesco“ (Heiliger Franziskus. Eine der am meisten verzerrten Gestalten der Geschichte, 2019).
Von der Autorin zuletzt veröffentlicht:
- Die Epiphanie der Erlösung und der Strafe
- Der heilige Erzengel Michael siegt über die Mächte der Hölle
- Die geknebelte Heilige Messe: von Padre Pio bis Papst Franziskus
- Die Angst vor dem Coronavirus läßt den Glauben verlieren
- Die verstörende Präsenz von Pater Turoldo im neuen Römischen Meßbuch
- Die Mission, wo seit 53 Jahren nicht mehr getauft wird
- Der echte heilige Franziskus von Assisi – wie er wirklich war
- Antiliberal und antimodernistisch – Der wahre Newman
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Corrispondenza Romana/MiL