(Rom) Der Vatikanist Marco Tosatti veröffentlichte eine polemische Stellungnahme eines seiner Alter Egos, konkret von Msgr. X, zur jüngsten Kolumne von Eugenio Scalfari, in der dieser erklärt, daß man Papst Franziskus verteidigen müsse, aber nicht sagt, warum dies geschehen solle. Oder doch?
Zunächst ist der Hintergrund des Geschehens zu erhellen. Eugenio Scalfari ist der Gründer von La Repubblica, der einzigen Tageszeitung, die Papst Franziskus laut eigenen Angaben täglich liest. La Repubblica ist das Flaggschiff des italienischen Linksjournalismus, als dessen Doyen Scalfari gilt. Scalfaris Familie gehört zum freimaurerischen Hochadel, denn schon sein Ur-Ur-Urgroßvater war ein beschürzter Bruder und seither alle direkten männlichen Vorfahren dieser Linie. Über seine eigene Logenmitgliedschaft schweigt sich der inzwischen 96jährige aus, zeigt in seinem Haus aber augenzwinkernd und stolz die freimaurerische Ahnengalerie. Scalfari ist bekennender Atheist und kann auf eine bis in die 50er Jahre zurückreichende aktive und führende Rolle als Kirchengegner verweisen. Soweit das allgemeine Vorspiel.
Dieser Mangiapreti, „Pfaffenfresser“, wie die Italiener sagen, stellte sich im Herbst 2013 der staunenden Öffentlichkeit plötzlich als „Freund“ von Papst Franziskus vor. Diese Freundschaft sei im ersten Sommer dieses Pontifikats gewachsen auf der Grundlage eines Briefwechsels, von Telefongesprächen und schließlich einer ersten persönlichen Begegnung, aus der ein aufsehenerregendes „Interview“ wurde. Die Anführungszeichen sind verpflichtend, da Scalfari im November 2013 vor der römischen Auslandspresse erklärte, die Antworten des Papstes aus dem Gedächtnis rekonstruiert, also selbst formuliert zu haben. So ungewöhnlich diese journalistische Arbeitsweise ist, so sicher darf man aber annehmen, daß Scalfaris Beteuerung zutreffend ist, er habe die Aussagen des Papstes sinngetreu wiedergegeben. Das Szenario wiederholte sich in den vergangenen sieben Jahren mehrfach, da weitere Begegnungen und Telefongespräche mit dem Papst folgten – und immer nach demselben Muster.
Eine unvollständige Aufreihung
2013
- Gibt es keine absolute Wahrheit? — Mißverständlicher Papstbrief an Atheisten Eugenio Scalfari
- Das vollständige Interview des Atheisten Scalfari mit Papst Franziskus — Existiert kein objektiv Gutes?
- „Papst Franziskus hat faktisch die Sünde abgeschafft“ — Scalfaris neues Christentum, das Gott durch das Ich ersetzt
2014
2015
- Bergoliata oder Scalfariade — Scalfaris neuer Leitartikel mit Franziskus-Perlen
- Papst-Telefonat mit Eugenio Scalfari: „Alle Geschiedenen, die wollen, werden zur Kommunion zugelassen“
2016
2017
- „Keine Strafe, keine Hölle. Seelen böser Menschen löschen sich mit dem Tod aus“
- Papst Franziskus ist wirklich ein Revolutionär
2018
2019
2020
- Der neue Scalfari: Franziskus, Ratzinger und die Rettung der Erde
- „Wir haben uns umarmt“ – Was Franziskus Scalfari anvertraute
Den Presseverantwortlichen des Heiligen Stuhls schien zwar jedesmal die Luft wegzubleiben, doch zu einer echten Distanzierung kam es nicht. Damit gilt Scalfaris Wort. Einige Kardinäle empörten sich, Kardinal Burke sagte zu Scalfaris Osterkolumne von 2018, sie gehe „über das erträgliche Maß hinaus“, und Kardinal Müller sprach im Januar 2019 die ernste Empfehlung aus, Franziskus solle sich von Benedikt XVI. statt vom Atheisten Eugenio Scalfari beraten lassen, doch Santa Marta bekümmerte es nicht.
Soweit der spezifische Hintergrund, vor dem das Ganze spielt.
Wir fassen zusammen: Aus Scalfari, dem Kirchen- und Papstgegner, wurde mit der Wahl von Papst Franziskus zwar ein Papstfreund, aber kein Kirchenfreund. In der Tat folgen alle Kolumnen, die der „Freund des Papstes“ in den vergangenen Jahren auf die Titelseite von La Repubblica setzte, dem gleichen Schema: Sie präsentieren den Papst als Bannerträger einer neuen, „anderen“ Kirche, deren Lehren sich – siehe da – von Kolumne zu Kolumne jenen der Freimaurerei annähern.
Scafaris Verteidigungsaufruf
Am 17. November veröffentlichte La Repubblica den Artikel „Der Jesuitenpapst und seine Feinde“ von Miguel Gotor. Ähnliche Verteidigungen gab es in der Vergangenheit bereits zuhauf. Kaum ein führendes Mainstream-Medium, das sich nicht damit schmücken könnte. Neu ist, daß die Zugehörigkeit zum Jesuitenorden so dezidiert als Grund für tatsächliche oder vermeintliche Anfeindungen „in- und außerhalb“ der Kirche angeführt wird.
Zwei Tage später, am 19. November griff dann Scalfari selbst zur Feder und brachte gleich in der Überschrift zum Ausdruck, worum es geht:
„Warum Papst Franziskus verteidigen.“
Nach sieben Jahren der einseitigen Annäherung von Franziskus an Scalfari wird wahrscheinlich niemand mehr verwirrt darüber sein, daß ein linkes Frontblatt und dessen Steuermann als Prätorianergarde des Papstes auftreten. Am 14. Januar 2016, La Repubblica feierte ihr 40. Gründungsfest, erzählte Scalfari den versammelten Mitarbeitern und den zahlreichen Gästen aus Politik, Wirtschaft und Kultur sowie den vielköpfig erschienenen Kollegen anderer Medien, wie Franziskus ihn gebeten habe, sich „nicht zu bekehren“. Natürlich alles irgendwie scherzhaft verpackt. „Denn, so der Papst, er wüßte sonst nicht, wo er dann einen anderen Ungläubigen wie ihn fände, mit dem er reden könne, um neuen Ansporn zu bekommen“, berichtete der anwesende Journalist einer anderen Tageszeitung die Erzählung. Das anwesende Publikum war begeistert.
Zwei Tage vor dem Repubblica-Fest war am 12. Januar 2016 das Gesprächsbuch von Andrea Tornielli mit Papst Franziskus „Der Name Gottes ist Barmherzigkeit“ in den Buchhandel gekommen. Tornielli, seit 2013 päpstlicher Hofvatikanist, wurde von Franziskus Ende 2018 als Chefredakteur mit Leitungs- und Koordinierungsbefugnis für alle Vatikanmedien an die Römische Kurie berufen. Scalfari hatte Papst Franziskus einen „Revolutionär“ genannt. Bei der Vorstellung des Buches durch den bekannten Schauspieler, Regisseur, Oscar-Preisträger und politisch engagierten Roberto Benigni, im deutschen Sprachraum vor allem durch seinen Holocaust-Film „Das Leben ist schön“ bekannt, sekundierte dieser:
„Franziskus ist ein Revolutionär, wie Eugenio Scalfari ihn genannt hat, der auch ein Revolutionär ist. Unter Revolutionären versteht man sich eben.“
Warum also ist Papst Franziskus laut Scalfari zu „verteidigen“? Msgr. X konnte in dessen Kolumne keine Antwort finden. „Meines Erachtens hat Scalfari mit dem Schreiben begonnen, dann aber vergessen, was er sagen wollte.“ Dieser betont zunächst ausführlich das internationale Ansehen, das Franziskus genieße, und daß es dem argentinischen Papst sogar gelinge, die Jesuiten – in manchen Kreisen ein altes Feindbild schlechthin – aufzuwerten. „Aber er erklärt nicht, warum man ihn verteidigen sollte, abgesehen davon, weil er sein Freund ist.“
Der „einzige Gott“ der Eine-Welt-Religion
Liest man weiter, so Msgr. X, finde sich doch ein „realitätsnäherer“ Ansatz: Scalfari führt aus, daß man Franziskus verteidigen müsse, weil er den religiösen Synkretismus voranbringe und einen „einzigen Gott“ vertrete, mehr noch, einen „einzigen nicht-christlichen Gott“. Ob der „Freund des Papstes“ damit vielleicht Pachamama meint, müsse aber offenbleiben.
Das alles sei aber nicht neu. Scalfari wiederholt es seit Jahren. Dann scheint er den roten Faden zu verlieren und meint schließlich, man müsse Franziskus unterstützen, weil Franziskus wegen des Coronavirus nicht mehr überallhin reisen könne, wie er es möchte. Mit Scalfaris Worten: „Er ist gezwungen, in den päpstlichen Gemächern zu bleiben“.
Msgr. X meint, Scalfari sei schon so „senil“, daß er Kolumnen „ohne Hand und Fuß“ schreibe. „Dramatisch.“ Tosattis „Einflüsterer“ ergeht sich dann in einer sarkastischen Polemik, an deren Ende aber doch eine nicht unwichtige Schlußbemerkung steht:
„Als ich die Überschrift des Artikels las, erwartete ich etwas ganz anderes von der Art: ‚Wir müssen Papst Franziskus gegen Feinde verteidigen‘, die nicht die üblichen vier verachteten, alten Traditionalisten ‚mit Zahnersatz‘, sondern ganz andere sind.
Wir haben verstanden, daß Xi Jinping ihn nicht schätzt und ihn benutzt.
Wir wissen, daß Biden an einer Politik des Wirtschaftswachstums arbeitet, die der ‚Wirtschaft des Francesco‘ widerspricht.
Merkel und Macron ignorieren ihn und ziehen ihn nicht einmal in Betracht.
Die jüdische Welt liebt ihn nicht, ja nicht einmal die islamische, trotz der Versuche sich bei ihnen einzuschmeicheln.
Nicht einmal die Jesuiten schätzen ihn.
Wahrscheinlich sind die einzigen, die ihn noch unterstützen, die Freimaurerbrüder. Freilich jene, die benutzen und dann wegwerfen …“
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican.va (Screenshot)
Was soll man dazu noch sagen?
So isses. Die Faktenlage ist nun mal so und nicht anders. Und in ihrer Gesamtheit lässt sie sich eigentlich nur negativ beurteilen. Wohl kein überzeugter Katholik kann darin eine positive Richtung erkennen. Es sei denn, es ist bereits die ernstzunehmende Vorbereitung auf die nahende Wiederkunft Christi. Näheres dazu lässt sich den Gerichtsreden des Herrn entnehmen und natürlich vor allem auch der Geheimen Offenbarung des Johannes. Letztere ist sicher mehr als nur ein für Laien schwer verständliches Trostbuch, wie manche modernen Theologen uns weismachen möchten und das angeblich nur sie entschlüsseln können.
Im obenstehenden Beitrag wird erwähnt, dass Papst Franziskus internationales Ansehen besitze. Ob das wirklich so ist? Vielleicht bei den kirchenfernen/-kirchenfeindlichen Medienmachern. Und inzwischen nicht einmal mehr bei denen. Und wohl schon gar nicht beim 96jährigen Scalfari selbst, der sicher der festen Überzeugung ist, Jorge M. Bergoglio intellektuell haushoch überlegen zu sein.
Wer immer behauptet, das gegenwärtige Pontifikat sei besonders segensreich, muss wohl in einer anderen Welt leben.