Welche „einzige“ Tageszeitung liest Papst Franziskus nun wirklich?

Überraschender Redaktionsbesuch von Franziskus


Papst Franziskus besuchte am Hochfest Mariä Empfängnis die Redaktion der auflagenstärksten römischen Tageszeitung.
Papst Franziskus besuchte am Hochfest Mariä Empfängnis die Redaktion der auflagenstärksten römischen Tageszeitung.

(Rom) Am 8. Dezem­ber stat­te­te Papst Fran­zis­kus der römi­schen Tages­zei­tung Il Mess­ag­ge­ro einen über­ra­schen­den Blitz­be­such ab und ent­hüll­te Erstaun­li­ches.
Die Sache scheint eine Lap­pa­lie und ist viel­leicht auch eine. Viel­leicht aber auch nicht. Es geht bei­spiels­wei­se um die nicht gerin­ge Klei­nig­keit, woher der Papst sei­ne Infor­ma­tio­nen bezieht. Manch einer könn­te sogar sagen, es geht auch dar­um, was eine päpst­li­che Aus­sa­ge zählt. 

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Am ver­gan­ge­nen Sams­tag nütz­te Papst Fran­zis­kus das Hoch­fest Mariä Emp­fäng­nis, um dem Haupt­sitz der römi­schen Tages­zei­tung Il Mess­ag­ge­ro einen Besuch abzu­stat­ten. Dabei erklär­te das katho­li­sche Kirchenoberhaupt:

„Das ist die ein­zi­ge Tages­zei­tung, die ich lese“.

Il Mess­ag­ge­ro setz­te die­ses höch­ste Lob in der Sonn­tags­aus­ga­be auf die Titel­sei­te. Die Zei­tung sprach von einem „histo­ri­schen Besuch“. Die Bot­schaft des Pap­stes war die „zen­tra­le Bedeu­tung der Pres­se“ und „die Infor­ma­ti­on, die uns gut tut“.

Doch Halt: Hat­te sich der Papst bei sei­nem Redak­ti­ons­be­such viel­leicht versprochen?

Am 24. Mai 2015 erklär­te Papst Fran­zis­kus in einem Inter­view mit der argen­ti­ni­schen Tages­zei­tung La Voz del Pue­blo:

„Ich lese nur eine Tages­zei­tung, La Repubblica.“

Die Aus­sa­ge sorg­te damals für eini­ges Auf­se­hen in der Medi­en­welt. Dabei erstaun­te weni­ger der Inhalt, dafür umso mehr ein so offen­her­zi­ges Bekennt­nis, die auch als ein­sei­ti­ge Par­tei­nah­me gewer­tet wer­den konn­te.  La Repubbli­ca ist nicht nur das Flagg­schiff des ita­lie­ni­schen Links­jour­na­lis­mus, son­dern auch akzen­tu­iert kirchenfern.

Papst Franziskus: „Ich lese nur La Repubblica“
Papst Fran­zis­kus: „Ich lese nur La Repubbli­ca“ (2015).

Was bei jedem Papst Erstau­nen aus­ge­löst hät­te, erstaun­te bei Papst Fran­zis­kus weniger.

Gegrün­det wur­de La Repubbli­ca 1976 von Euge­nio Scal­fa­ri, dem Doy­en des lin­ken Jour­na­lis­mus in Ita­li­en, der aus einem frei­mau­re­ri­schen Haus stammt. Ent­spre­chend ist auch sein Ver­hält­nis zur Kir­che und zum Glau­ben.  Doch mit Papst Fran­zis­kus ver­bin­det ihn seit dem Som­mer 2013 eine Freund­schaft. Die bei­den pfle­gen einen eben­so unre­gel­mä­ßi­gen wie umstrit­te­nen Kon­takt. Das Ergeb­nis sind Tele­fon­an­ru­fe, Inter­views mit dem Papst und Kolum­nen und Leit­ar­ti­kel aus der Feder Scal­fa­ris mit Aus­sa­gen, die er dem Papst zuschrieb, die aber in offe­nem Wider­spruch zur kirch­li­chen Leh­re ste­hen wie zum Bei­spiel die Abschaf­fung der Sün­de, die Leug­nung der Höl­le und der Unsterb­lich­keit der See­len.

Eine Reak­ti­on von damals gehört zu den zahl­rei­chen Kurio­si­tä­ten die­ses Pon­ti­fi­kats. Am 29. Mai 2015 mel­de­te sich Palo­ma Gar­cìa Ove­je­ro auf Twit­ter zu Wort, die damals Rom-Kor­re­spon­den­tin der spa­ni­schen Sen­der­ket­te COPE war, die sich im Besitz der Spa­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz befindet:

„Der Papst sag­te in sei­nem jüng­sten Inter­view, daß er die Tages­zei­tung Repubbli­ca liest, in Wirk­lich­keit woll­te er aber Il Mess­ag­ge­ro sagen. Es war ein Lapsus!“

Papst Fran­zis­kus den Mess­ag­ge­ro lesen zu las­sen, statt La Repubbli­ca, zudem noch als ein­zi­ge Tages­zei­tung, ist ein­deu­tig weni­ger ver­fäng­lich. Der Tweet der spa­ni­schen Jour­na­li­stin war gewis­ser­ma­ßen gut gemeint, wur­de aller­dings nicht ernstgenommen.

Ihrer Kar­rie­re scha­de­te ihr Twit­ter­ein­trag jeden­falls nicht. Ein Jahr spä­ter wur­de sie in den Vati­kan beru­fen und zur stell­ver­tre­ten­den Direk­to­rin des Pres­se­am­tes ernannt.

Zu erwäh­nen ist auch, daß ein eige­nes Büro im Vati­kan dem Papst täg­lich einen umfas­sen­den Pres­se­spie­gel vor­be­rei­tet, der von Fran­zis­kus jedoch eben­so regel­mä­ßig unbe­ach­tet bleibt. Ihm genügt es, eine Tages­zei­tung zu lesen, näm­lich La Repubbli­ca.

Die römi­sche Tages­zei­tung Il Mess­ag­ge­ro ist nicht unbe­dingt katho­li­scher. Sie ist eben­so seit den 70er Jah­ren links aus­ge­rich­tet, aber weni­ger links als La Repubbli­ca. Seit 1996 gehört sie der Mil­li­ar­därs­fa­mi­lie Cal­ta­gi­ro­ne. Mit einer Toch­ter des Hau­ses war in zwei­ter, inzwi­schen auch geschie­de­ner Ehe der Ehren­vor­sit­zen­de der Christ­lich Demo­kra­ti­schen Inter­na­tio­na­le (IDU), Pier Fer­di­nan­do Casi­ni, ver­hei­ra­tet. Der heu­te 63Jahre alte Sena­tor gehört unun­ter­bro­chen seit sei­nem 28. Lebens­jahr dem ita­lie­ni­schen Par­la­ment an.

Nun aber sag­te es Papst Fran­zis­kus ganz offi­zi­ell. Die „ein­zi­ge“ Tages­zei­tung, die er liest, ist der Mess­ag­ge­ro.

Wört­lich sag­te der Papst beim Redaktionsbesuch:

„Den Groß­teil der Infor­ma­tio­nen ent­neh­me ich dem Mess­ag­ge­ro. Er ist die ein­zi­ge Tages­zei­tung, die ich lese. Manch­mal wur­de mir davon abge­ra­ten. Es ist für mich leicht, ihn zu lesen, ich blät­te­re ihn manch­mal etwas eilig durch, und wenn ich etwas sehe, was mich inter­es­siert, hal­te ich mich dabei ein biß­chen auf. Nor­ma­ler­wei­se lese ich ihn zei­tig am Mor­gen, dann arbei­te ich.“

Unter dem Bericht über die­se Aus­sa­ge auf der Inter­net­sei­te des Mess­ag­ge­ro fin­det sich bis­lang der Kom­men­tar eines Lesers, der etwas grob for­mu­liert dar­in eine Höf­lich­keit gegen­über den Haus­her­ren erken­nen will:

„Auch der Papst lügt! Es stimmt aller­dings, daß man im Haus ande­rer immer höf­lich sein soll.“

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Il Messaggero/​La Voz del Pue­blo (Screen­shots)

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