Computerangriff auf den Vatikan

Spionage durch die Volksrepublik China


Spionage im Vatikan: Spionierten Chinas Machthaber den Heiligen Stuhl kurz vor Beginn der neuen Verhandlungsrunde zum Geheimabkommen über die Bischofsernennungen aus?
Der Vatikan als Zielscheibe eines Spionageangriffs

(Rom) „Inter­net­pi­ra­ten“ haben in den ver­gan­ge­nen drei Mona­ten Com­pu­ter­zu­gän­ge des Vati­kans gehackt. Auf die­se Wei­se wur­de auch das vati­ka­ni­sche Staats­se­kre­ta­ri­at aus­spio­niert. Im Ver­dacht steht die kom­mu­ni­sti­sche Regie­rung der Volks­re­pu­blik China.

Anzei­ge

Ent­deckt wur­de der Hacker­an­griff von der pri­va­ten Über­wa­chungs­fir­ma Recor­ded Future mit Sitz in Som­mer­ville im Staat Mas­sa­chu­setts (USA). Dies berich­te­te die New York Times, die den Angriff in einen Zusam­men­hang mit der Ver­schär­fung der reli­gi­ons­feind­li­chen Poli­tik der kom­mu­ni­sti­schen Staats­füh­rung zum Zweck einer „Sini­sie­rung“ der im Land vor­han­de­nen Reli­gio­nen stellt. Unmit­tel­ba­rer Anlaß sei­en jedoch die bevor­ste­hen­den Ver­hand­lun­gen über eine mög­li­che Ver­län­ge­rung des Geheim­ab­kom­mens von 2018.

Ver­gleich­ba­re Angrif­fe rich­te­ten sich in der Ver­gan­gen­heit gegen isla­mi­sche Uigu­ren, bud­dhi­sti­sche Tibe­ter und Ange­hö­ri­ge der Falun Gong. Erst­mals konn­te nun nach­ge­wie­sen wer­den, daß auch der Hei­li­ge Stuhl Ziel die­ser Cyber­spio­na­ge wurde. 

Recor­ded Future sieht einen Zusam­men­hang mit den Ver­hand­lun­gen zum Geheim­ab­kom­men (sie­he dazu die Chro­no­lo­gie). Kommt es zu kei­ner Ver­län­ge­rung des im Sep­tem­ber 2018 „pro­vi­so­risch“ für die Dau­er von zwei Jah­ren ver­ein­bar­ten Abkom­mens, läuft die­ses Ende Sep­tem­ber aus. Kuri­en­erz­bi­schof Clau­dio Maria Cel­li, einer der Haupt­un­ter­händ­ler des Geheim­ab­kom­mens, beton­te vor kur­zem, der Weg sei „schwie­rig“ und es gebe „Situa­tio­nen, die sehr nach­denk­lich, ich wür­de sagen, besorgt stim­men“, den­noch wol­le der Vati­kan „die­sen Weg fort­set­zen, er will vor­wärts gehen“.

Recor­ded Future spricht von In-fla­gran­ti-Bewei­sen, daß chi­ne­si­sche Hacker in das Com­pu­ter­sy­stem des Vati­kans und der vati­ka­ni­schen Nie­der­las­sung in Hong­kong ein­ge­drun­gen sind. Die Angrif­fe, so die auf Com­pu­ter­si­cher­heit spe­zia­li­sier­te Fir­ma, haben „Anfang Mai“ begon­nen. Die US-Spe­zia­li­sten spre­chen von einer „per­fek­ten Täu­schung“. Den Zugang ver­schaff­ten sich die Ein­dring­lin­ge durch eine elek­tro­ni­sche Datei, die „täu­schend echt“ und inhalt­lich „harm­los“  angeb­lich vom Sub­sti­tu­ten des Kar­di­nal­staats­se­kre­tärs, Kuri­en­erz­bi­schof Edgar Peña Par­ra, an den Lei­ter der vati­ka­ni­schen Nie­der­las­sung in Hong­kong, Msgr. Javier Coro­na Her­rera, ver­schickt wur­de und ein Bei­leids­schrei­ben von Kar­di­nal Paro­lin ent­hielt, in wel­chem die­ser die Trau­er von Papst Fran­zis­kus über das Able­ben eines Bischofs zum Aus­druck brach­te. Unklar ist, ob es sich dabei um ein Ori­gi­nal­do­ku­ment han­del­te, das den Hackern in die Hän­de gefal­len war, oder ob das Schrei­ben eigens für den Angriff nach­ge­baut wur­de. Über die­se Zusen­dung wur­de ein Schad­pro­gramm auf dem Rech­ner der vati­ka­ni­schen Nie­der­las­sung in Hong­kong und über die­se auf den Mail-Ser­vern des Vati­kans installiert.

Mit­te Juli wur­de dar­über spe­ku­liert, ob die chi­ne­si­schen Macht­ha­ber Papst Fran­zis­kus unter Druck set­zen würden.

Spionage im Vatikan: Spionierten Chinas Machthaber den Heiligen Stuhl kurz vor Beginn der neuen Verhandlungsrunde zum Geheimabkommen über die Bischofsernennungen aus?
Der Vati­kan als Ziel­schei­be eines Spionageangriffs

Das Geheimabkommen und die bevorstehenden Verhandlungen

Der Hei­li­ge Stuhl und die Volks­re­pu­blik Chi­na wer­den vor­aus­sicht­lich im Sep­tem­ber Gesprä­che über das Geheim­ab­kom­men füh­ren, mit dem erst­mals seit der kom­mu­ni­sti­schen Macht­über­nah­me im Jahr 1949 die Bischofs­er­nen­nun­gen in der Volks­re­pu­blik Chi­na ein­ver­nehm­lich gere­gelt wur­den – zumin­dest auf dem Papier. Dage­gen gab es hef­ti­ge Pro­te­ste aus den Rei­hen der chi­ne­si­schen Unter­grund­kir­che und aus Hong­kong. Ihre füh­ren­de Stim­me ist Kar­di­nal Joseph Zen, der eme­ri­tier­te Bischof von Hongkong.

Die Bilanz des Abkom­mens fällt nach zwei Jah­ren ernüch­ternd aus. Ein­zi­ger Nutz­nie­ßer war bis­her die Kom­mu­ni­sti­sche Par­tei Chi­nas. Alle von Peking ein­ge­setz­ten Bischö­fe der regi­me­hö­ri­gen Kir­che wur­den von Papst Fran­zis­kus aner­kannt. Die­se schis­ma­ti­sche Kir­che namens Chi­ne­si­sche Katho­li­sche Patrio­ti­sche Ver­ei­ni­gung wur­de von den Kom­mu­ni­sten in den 50er Jah­ren errich­tet, um den Ein­fluß Roms auf die chi­ne­si­schen Katho­li­ken zu bre­chen und die katho­li­sche Kir­che in Chi­na unter ihre Kon­trol­le zu brin­gen. Es konn­te aber kein ein­zi­ger Bischof auf der Grund­la­ge des Abkom­mens ernannt werden.

Statt­des­sen wur­de von der Staats­füh­rung in Peking die Dau­men­schrau­be gegen die Kir­che wei­ter ange­zo­gen. Seit Sep­tem­ber 2018 setz­te sich die Zer­stö­rung von christ­li­chen Sym­bo­len, Klö­stern und Kir­chen fort. Es wur­den Maß­nah­men zur För­de­rung eines got­tes­dienst­frei­en Sonn­tags ergrif­fen, Ver­bo­te gegen jede Form der kirch­li­chen Jugend­ar­beit erlas­sen und der Athe­is­mus aufgezwungen.

Wegen des Coro­na­vi­rus waren vom Staat alle Kir­chen in der Volks­re­pu­blik mehr als vier Mona­te lang gesperrt wor­den. Am 23. Janu­ar hat­te die Staats­füh­rung die bedin­gungs­lo­se Sper­rung ver­ord­net, die erst Anfang Juni wie­der auf­ge­ho­ben wur­de. Am 7. Juni durf­ten Chi­nas Katho­li­ken erst­mals wie­der zur Sonn­tags­mes­se. Aller­dings nicht in allen Pro­vin­zen: In meh­re­ren dau­ert die Sper­re bis heu­te an, da laut Regie­rung das Coro­na­vi­rus „noch nicht besiegt“ sei. Auch in den Pro­vin­zen, in denen die Kir­chen wie­der öff­nen dür­fen, gel­ten stren­ge Auf­la­gen. Beim Zutritt muß die Kör­per­tem­pe­ra­tur gemes­sen wer­den. Wer­den mehr als 37,2 Grad fest­ge­stellt, wird kein Ein­laß gewährt und der Betrof­fe­ne den Gesund­heits­be­hör­den übergeben.

Mehr als vier Mona­te sperr­te Chi­nas Staats­füh­rung wegen des Coro­na­vi­rus alle Kir­chen des Lan­des. In man­chen Pro­vin­zen sind sie noch immer gesperrt.

Vatikan äußert sich nicht

Vati­kan­spre­cher Matteo Bruni woll­te auf Anfra­ge der New York Times gestern abend nicht zu den Ent­hül­lun­gen Stel­lung neh­men. Dem Vati­kan lägen „nicht genü­gend Infor­ma­tio­nen über den mut­maß­li­chen Hack“ vor. 

Die Distanz von San­ta Mar­ta zur der­zei­ti­gen Staats­füh­rung in den USA ist groß. Offi­zi­ell will sich nie­mand äußern. Inof­fi­zi­ell wird im Vati­kan zu ver­ste­hen gege­ben, daß sich die USA auf Kon­fron­ta­ti­ons­kurs mit der Volks­re­pu­blik Chi­na befin­den, der mehr als ein „Han­dels­krieg“ sei.  Jüngst wur­den von bei­den Sei­ten, Washing­ton und Peking, unter­ge­ord­ne­te diplo­ma­ti­sche Ver­tre­tun­gen in den jewei­li­gen Län­dern geschlos­sen. Die USA wol­len die Hoheits­an­sprü­che Pekings auf das Süd­chi­ne­si­sche Meer zurück­drän­gen und den chi­ne­si­schen Ein­fluß auf die 5G-Tech­no­lo­gie im inter­na­tio­na­len Kom­mu­ni­ka­ti­ons­be­reich ver­hin­dern. Die Per­spek­ti­ve des Vati­kans auf Chi­na und die USA ist unter Fran­zis­kus eine ande­re. Han­delt es sich nur um einen US-Schach­zug, um einen Keil zwi­schen den Vati­kan und die chi­ne­si­schen Kom­mu­ni­sten zu treiben?

Die New York Times, die media­le Speer­spit­ze der Anti-Trump-Front, läßt kei­nen Zwei­fel, daß die Spio­na­ge­ak­ti­on gegen den Vati­kan tat­säch­lich aus der Volks­re­pu­blik Chi­na erfolg­te. Recor­ded Future spricht von einer „staats­na­hen Grup­pe“, die als Red­Del­ta bezeich­net wird. Die ange­wand­te Tak­tik, so die Sicher­heits­fir­ma in Mas­sa­chu­setts, ähn­le jener, die bereits bei frü­he­ren Ope­ra­tio­nen die­ser Art ange­wandt wur­de, aller­dings in einer erneu­er­ten Form.

Papst Fran­zis­kus inve­stier­te viel Zeit und Ener­gie in die neue Ost­po­li­tik, um die Bezie­hun­gen zum kom­mu­ni­sti­schen Regime in Peking auf eine neue Grund­la­ge zu stel­len. Sein poli­ti­scher Arm, Kuri­en­bi­schof Mar­ce­lo Sanchez Sor­on­do, lob­te die Macht­ha­ber in Peking mehr­fach und sprach zum Ent­set­zen vie­ler inter­na­tio­na­ler Beob­ach­ter davon, daß die kirch­li­che Sozi­al­leh­re heu­te von der Volks­re­pu­blik Chi­na am besten ver­wirk­licht wer­de. Zudem schweigt San­ta Mar­ta zu den Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen in der Volks­re­pu­blik und übt sich, wie am 5. Juli gesche­hen, in Selbst­zen­sur zu den Ein­schrän­kun­gen der Grund­rech­te in Hongkong.

Die Volks­re­pu­blik Chi­na erkennt die katho­li­sche Kir­che offi­zi­ell an, aller­dings nur in der Form der regi­me­hö­ri­gen schis­ma­ti­schen Kir­che. Der Tota­li­täts­an­spruch der Kom­mu­ni­sti­schen Par­tei dul­det kei­nen ande­ren Ein­fluß neben sich, auch nicht auf reli­giö­ser Ebene.

Gläubige beten vor einer geschlossenen Kirche
Gläu­bi­ge beten vor einer geschlos­se­nen Kirche

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Recor­ded Future/​NYT/​AsiaNews/​Bitte Win­ter (Screen­shots)

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