(Paris) Unter der Schlagzeile „Rekord“ wurde gestern von zahlreichen Medien über die „älteste Europäerin“, eine französische Ordensfrau, berichtet. Ein bemerkenswertes Detail wurde dabei jedoch unterschlagen.
Der Österreichische Rundfunk (ORF) berichtete gestern:
Älteste Ordensfrau der Welt wird 117
André Randon, die älteste katholische Ordensfrau der Welt, wird am 11. Februar 117 Jahre alt. Sie lebt in einem Seniorenheim in Toulon am Mittelmeer. Seit Oktober 2017 gilt sie auch als älteste lebende Französin, seit Juni 2019 als älteste Europäerin.
Geboren am 11. Februar 1904 im südfranzösischen Ales als Lucile Randon, hat Randon drei französische Republiken erlebt, zehn Päpste und die deutsche Besatzung im Zweiten Weltkrieg. Mit zwölf Jahren begann sie als Kindermädchen zu arbeiten, später war sie Hauslehrerin.
Zu ihren Arbeitgebern zählte auch die Autobauerfamilie Peugeot. Erst 1923, mit 19 Jahren, ließ sie sich taufen. 1944 trat sie in Paris als Novizin in den Orden der Vinzentinerinnen ein. Seit 2009 lebt Randon im Seniorenheim; sie ist erblindet und sitzt im Rollstuhl.
Gott „übertreibt“
Randon hat viele Kriege und Katastrophen erlebt – und beklagt statt eigener körperlicher Beschwernisse vor allem, „dass die Menschen nicht in Eintracht leben können“. In einem Interview zu ihrem 115. Geburtstag berichtete sie über ihre 2018 gestorbene Zwillingsschwester: „Sie ruft mich, sie zieht mich. Beten Sie für mich, dass der gute Gott mich nicht mehr zu lange warten lässt. Er übertreibt!“
Schwester André Randon ist, soweit bekannt, der zweitälteste Mensch der Welt. In Europa gibt es niemand, der älter ist. Ihr Alter wurde durch eine gerontologische Studiengruppe bestätigt, die weltweit die Menschen untersucht, die laut Geburtsurkunde oder die von sich sagen, älter als 110 zu sein.
Was der Österreichische Rundfunk (ORF) nicht berichtete: Die Ordensfrau ist auch der älteste Mensch, der bisher Corona-positiv getestet wurde. Der Tageszeitung Var-Matin (Nizza) sagte die Vinzentinerin zu ihrer Covid-19-Erkrankung:
„Ich wußte nicht einmal, daß ich es hatte.“
Die Schlagzeile der Tageszeitung auf ihrer gestrigen Titelseite lautete daher:
„Das Covid-Wunder.“
Die heute erblindete Ordensfrau erlebte nicht nur „drei französische Republiken, zehn Päpste und die deutsche Besatzung im Zweiten Weltkrieg“, sondern erlebte und überlebte bereits am Ende des Ersten Weltkrieges die Spanische Grippe, die im Vergleich zu Covid-19 eine wirkliche Pandemie war.
Die blinde Ordensfrau war nicht einmal besorgt, als sie von der Corona-Diagnose erfuhr. „Sie zeigte keine Angst vor der Krankheit“, sagte David Tavella, der Sprecher des Pflegeheims, in dem Schwester André lebt.
81 der 88 Bewohner des Pflegeheims wurden im Januar Corona-positiv getestet. Ob die Fälle nach Impfungen mit einem der drei in der EU zugelassenen Corona-Impfstoffen auftraten, ist nicht bekannt.
Zehn der betagten, zumeist hochbetagten Heiminsassen sind gestorben und werden als Corona-Tote gerechnet.
Schwester André hingegen überlebte Corona, ist genesen und darf inzwischen auch wieder die Messe besuchen. Als sie von der Corona-Infektion hörte, fragte sie nur, ob sich dadurch ihre Tagesgewohnheiten ändern würden. Besorgt zeigte sie sich hingegen über die Erkrankungen und den Tod anderer Heiminsassen. Für etwas mehr als zwei Wochen ergaben sich tatsächlich Veränderungen auch für sie. Der tägliche Besuch der Messe wurde ihr nicht gestattet.
Das Detail, daß die älteste Europäerin kurz vor ihrem 117. Geburtstag eine Corona-Infektion und Covid-19 überlebte, scheint nicht allen Medien in ihr auf Angstmache ausgerichtetes Corona-Narrativ zu passen. So läßt man dieses derzeit wichtige „Kleinigkeit“ kurzerhand unter den Tisch fallen.
Schwester André wird morgen ihren 117. Geburtstag feiern. Eine kleine Feier ist vorgesehen. Auf die Frage, ob sie Angst vor dem Tod habe, antwortete sie mit einer Gegenfrage:
„Warum? Mein Leben liegt in der Hand meines Herrn.“
[Update: 10.02.2020, 13:33 Uhr] Der ORF hat inzwischen seine Meldung ergänzt und erwähnt nun auch, daß die Ordensfrau das Coronavirus unbeschadet überstanden hat.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Var-Matin (Screenshot)
Danke für diesen kurzen, erfrischenden, beeindruckenden Bericht!