(Peking) Die vom kommunistischen Regime in der Volksrepublik China errichtete Parallelkirche feiert ihr 60jähriges Bestehen. 48 Bischöfe erschienen zum Festakt.
„Lächeln, Erinnerungsfotos, Festlichkeiten, Studienseminare“, so AsiaNews, bestimmen die Feierlichkeiten, mit denen in der Volksrepublik China die Gründung der regimehörigen Chinesischen Katholisch-Patriotischen Vereinigung (KPV) vor 60 Jahren gefeiert wird.
1921 wurde durch die Kommunistische Internationale kurz Komintern die Kommunistische Partei China (KPCh) gegründet. 1927 gingen die Kommunisten zum bewaffneten Kampf über, um die Macht im Land an sich zu reißen. Der Kampf dauerte bis 1949 und war die meiste Zeit(1927–1937 und 1945–1949) ein Bürgerkrieg, dazwischen der Kampf gegen Japan.
Mit der Ausrufung der Volksrepublik China am 1. Oktober 1949 hatten sich die Kommunisten gewaltsam durchgesetzt und errichteten die Diktatur des Proletariats. Das bedeutete von Anfang an auch einen brutalen Kampf gegen die katholische Kirche und das Christentum insgesamt. Die ausländischen Priester und Missionare wurden des Landes verwiesen, die chinesischen getötet oder interniert. 1951 wurden die diplomatischen Beziehungen zwischen dem Regime und dem Heiligen Stuhl auch offiziell vollständig abgebrochen.
Als sich das Regime gefestigt hatte und erkennen mußte, das Christentum nicht ausrotten zu können, wurden nach dem Vorbild des sowjetischen Ostblockes kontrollierte „Kirchen“ gegründet. Vor allem die „Unabhängigkeit“ der katholischen Kirche von Rom sollte damit erreicht werden. Der Vatikan wurde zur „ausländischen Macht“ erklärt und die Zusammenarbeit von chinesischen Katholiken mit ihm zum Landesverrat.
So entstand 1957 auf Weisung der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) die von Rom abgespaltene, schismatische Patriotische Vereinigung mit einer eigenen Hierarchie. Ein genaues Gründungsdatum ist nicht bekannt. Als „Gründungsmoment“ gilt die erste Bischofsweihe durch Ernennung der kommunistischen Partei und nicht des Papstes, die am 13. April 1958 erfolgte. Für das Regime vertritt einzig diese durch die Partei erfolgte Gründung die katholische Kirche in China, nicht aber die vom Papst in Rom repräsentierte Weltkirche. Das Regime gab die Parole von einer Kirche aus, die „unabhängig in den Entscheidungen, unabhängig in den Weihen“ sei.
Als erster Bischof von kommunistischen Gnaden wurde 1958 Bernhardin Dong Guangqing geweiht, der 2007 gestorben ist. Mit ihm begann eine lange Reihe von illegitimen Bischofsweihen. Rom exkommunizierte die Betroffenen, deren Treue in erster Linie dem Regime und nicht er Kirche galten.
Die Gründung der Patriotischen Vereinigung bedeutete aber insgesamt eine Spaltung der katholischen Kirche, die in zwei Teile zerfiel. Die romtreue Untergrundkirche ist seit 1949 durch die Illegalität und die vom Regime betriebene Verfolgung und Behinderung der Kontakte zu Rom schwer eingeschränkt. Während der Kulturrevolution unter Mao Tse-tung von 1966–1976 wurde generell der Kampf gegen die Religion wiederaufgenommen, und es wurden beide Zweige der Kirche verfolgt. In den Gefängnissen und Konzentrationslagern (Laogai) fanden sich regimehörige Bischöfe und Untergrundbischöfe Seite an Seite bei der Zwangsarbeit wieder.
Unter Deng Xiaoping (1979–1997) wurde die alte Politik wiederaufgenommen. Die Patriotische Vereinigung (KPV) sollte die katholische Kirche in China verdrängen und ersetzen. Die Katholiken des Landes, vor allem die Priester und Bischöfe müssen sich zwischen der regimehörigen KPV und Rom entscheiden. Eine geduldige Politik unter Johannes Paul II. und Benedikt XVI. führte zu einer fast vollständigen Wiedervereinigung der Kirche, weil es die vom Regime eingesetzten Bischöfe drängte, in die Einheit mit Rom zurückzukehren.
Zwischendurch kam es aber zu immer neuen Rückschlägen, indem das Regime neue Bischöfe weihen ließ (so zuletzt 2000 und 2006) und die Versöhnungsarbeit immer neu beginnen mußte. 2010 folgte schließlich ein großer Rückschlag, indem gleich mehrere Bischöfe unrechtmäßig geweiht wurden. Dieser Bruch wurde erst durch das Geheimabkommen vom vergangenen September behoben, indem Papst Franziskus alle sieben, illegitimen Bischöfe anerkannte und ihre Exkommunikation aufhob.
Das Geheimabkommen ist sehr umstritten. Es erkennt einerseits den Papst erstmals als Oberhaupt der chinesischen Kirche an, ändert aber, wie bisher zu erkennen ist, nichts an der Forderung des Regimes nach einer „unabhängigen“ Kirche. Darauf weist auch das Treuebekenntnis zur Kommunistischen Partei Chinas hin, das von den bisher exkommunizierten Bischöfen abgelegt wurde, gleich nachdem Papst Franziskus sie in die Einheit der Kirche aufgenommen hatte.
Hinzu kommen Ankündigungen von Wang Zuoan, des stellvertretenden Leiters der Zentralabteilung Vereinigte Arbeitsfront der KPCh, die seit 2018 für Religionsangelegenheiten zuständig ist. Das Staatsamt für Religionsangelegenheiten (SARA), das bisher dem Staatsrat (Regierung) unterstand, wurde direkt der kommunistischen Partei unterstellt. Wang Zuoan betonte, daß die „Unabhängigkeit und Selbstverwaltung“ der Kirche in China „zu keinem Zeitpunkt und unter keinen Umständen“ zur Disposition stehe. Zudem drohte er mit einer neuen Welle von Bischofsweihen, die bisher unterblieben ist. Die Drohung steht allerdings im Raum und soll disziplinierend wirken.
Zum Festakt in Nanking versammelten sich 48 Bischöfe, über 100 Priester und mehr als 200 Ordensfrauen. Was gefeiert wurde, ist allerdings eines der tragischsten und dramatischsten Kapitel der Kirchenverfolgung.
Anwesend war in Nanking auch Bischof Ma Yinglin, einer der sieben Bischöfe, deren Exkommunikation von Papst Franziskus im September aufgehoben wurde. Bischof Ma ist Vorsitzender des Chinesischen Bischofsrates (dem regimehörigen Gegenstück zur Bischofskonferenz; der Bischofsrat ist vom Heiligen Stuhl nicht anerkannt). Er sagte beim Festakt, daß es 98 Bistümer in der Volksrepublik China gibt, aber die Hälfte der Bischofsstühle vakant ist. Weitere Bistümer haben Oberhirten, die schon „sehr alt“ sind und dringend Nachfolger brauchen.
Global Times, die regimenahe, englischsprachige Tageszeitung zitierte ihn gestern mit den Worten:
„Die katholische Kirche in China muß Bischöfe auswählen, die politisch verläßlich sind, eine gute Ethik haben und über gute religiöse Kenntnisse verfügen.“
Zugleich zitierte die Tageszeitung eine anonyme Quelle, die sagte:
„Die religiösen Fragen sind kein Hindernis mehr für beide Seiten [die Volksrepublik China und den Heiligen Stuhl], um die Herstellung von diplomatischen Beziehungen durchzuführen.“
Bischof Ma Yinglin kündigte faktisch eine gigantische Welle von Bischofsernennungen an, die das Gesicht der Kirche in China auf Jahrzehnte prägen wird. Laut inoffiziellen Informationen zum Geheimabkommen sieht dieses vor, daß der kommunistische Regierung das alleine Nominierungsrecht zugesprochen bekam, der Papst hingegen das alleine Ernennungsrecht. Beide Seiten könnten sich damit gegenseitig blockieren. Das würde allerdings bedeuten, daß das betroffene Bistum hirtenlos bliebe. Der Unterschied der Positionen ist daher gravierend. Während es den Kommunisten egal ist, ob ein Bistum keinen Bischof hat, gilt das für die Kirche keineswegs.
Nicht bekannt ist zudem, ob der Regierung eine Sonderregelung zuerkannt wurde, eigenmächtig zu handeln, falls Rom nicht innerhalb einer bestimmten Frist entscheidet.
Angesichts der römischen Konkordanzbemühungen dürfte es der Vatikan derzeit auch nicht auf eine Konfrontation ankommen lassen, falls Peking regimenahe Kandidaten vorschlägt. Der Hinweis von Bischof Ma, wie Beobachter vermuten, sei nicht ohne Rücksprache mit dem Regime erfolgt. Die Ernennung neuer Bischöfe für bis zwei Drittel der chinesischen Bistümer könnten in naher Zukunft auf der Tagesordnung stehen, indem die Regierung in Peking Kandidaten nominiert.
Derzeit müssen die Kommunisten nicht einmal selbst, legitime Bischöfe aus dem Amt drängen. Das besorgt der Vatikan selbst.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: AsiaNews