(Rom/Santiago de Chile) Austen Ivereigh enthüllte 2014 die Existenz einer innerkirchlichen Gruppe, von der die Wahl von Kardinal Jorge Mario Bergoglio SJ zum Papst vorbereitet wurde. Nun kündigte er an, daß Papst Franziskus noch „vor Weihnachten“ einen neuen Primas von Chile ernennen werde.
Ivereigh, der ehemalige Pressesprecher von Kardinal Cormac Murphy O’Connor, enthüllte als erster im November 2014 die Existenz einer organisierten, aber geheimen Gruppe in der Kirche, die im Hintergrund die Wahl von Papst Franziskus organisierte. Ivereigh nannte die Gruppe „Team Bergoglio“ und als Mitglieder neben Murphy‑O’Connor noch die Kardinäle Danneels, Lehmann und Kasper. 10 Monate später enthüllten die Biographen von Kardinal Danneels, daß es bei dem, was Ivereigh Team Bergoglio nannte, um eine innerkirchliche Geheimgruppe höchster Würdenträger handelte, deren Gründung auf die 90er Jahren zurückgeht, und deren Gründer Kardinal Carlo Maria Martini SJ war. Die Gruppe traf sich in der Schweizer Bischofsstadt Sankt Gallen. Kardinal Danneels erzählte bei der Vorstellung seiner Biographie vergnügt, daß man sich selber als „die Mafia“ bezeichnete.
Nun kündigte Ivereigh die Abberufung von Kardinal Ricardo Ezzati Andrello SDB als Erzbischof von Santiago de Chile und Primas von Chile an. Wie die chilenische Tageszeitung La Tercera am 30. November berichtete, bereite Papst Franziskus ein weiteres Schreiben an die chilenischen Bischöfe vor.
Das Land hatte der Papst im vergangenen Januar besucht und den sexuellen Mißbrauchsskandal aufgewirbelt, der ihn seither nicht mehr losläßt. Im Juni begann er in Etappen Bischöfe abzusetzen. Dabei wurde eine längere Liste kolportiert. Drei solcher Etappen gab es bereits. Unter den kolportierten Namen, die von der „Säuberung“ betroffen seien, wurde auch Kardinal Ezzati genannt, der sich im Frühjahr zum Umgang mit dem Mißbrauchsskandal mit deutlicher Kritik an die Adresse des Papstes zu Wort gemeldet hatte.
Der Monat Dezember, so La Tercera, werde ein „Schlüsselmonat für die Katholische Kirche in Chile“.
Der Papst war vor zehn Monaten nach Chile gereist, um Ruhe in die Ortskirche zu bringen und den von ihm eingesetzten und gestützten Bischof Juan Barros Madrid zu stärken. Barros stand seit seiner Ernennung in der Kritik von Mißbrauchsopfern, weil er ein Zögling des Ex-Priesters Fernando Karadima ist. Papst Franziskus wollte bis zu seiner Rückkehr aus Lateinamerika nichts davon wissen, bis schließlich sogar die New York Times Kritik äußerte.
Apostolischer Administrator oder neuer Primas?
Bischof Barros wurde inzwischen abgesetzt, ebenso andere Karadima-Zöglinge im Episkopat. Beobachter vermuteten frühzeitig, daß aber auch Kardinal Ezzati wegen seiner in der Sache geäußerten Kritik an Franziskus gehen werde müssen.
In der Krise der chilenischen Kirche, die durch Franziskus mit ausgelöst wurde, schrieb er im Laufe des Jahres bereits drei Briefe. Der neue Brief soll laut vatikanischen Quellen „sehr hart“ ausfallen und weitere Absetzungen zum Inhalt haben. Betroffen sein könnte vor allem der letzte Karadima-Zögling im Bischofsamt, Msgr. Tomislav Koljatic von Linares.
Da Papst Franziskus Bischof Barros nicht emeritieren wollte, kam es im Frühjahr zu einem spektakulären und beispiellosen Schritt: Alle chilenischen Bischöfe legten ihr Mandat in die Hand des Papstes zurück. Obwohl die Aktion nicht rechtsverbindlich ist, fallen dem Papst daher auch Bestätigungen von Bischöfen im Amt zu.
Am 1. Dezember berichtete La Tercera unter Berufung auf „sehr gute Quellen in Chile“, daß Papst Franziskus noch vor Weihnachten einen Apostolischen Administrator für das Erzbistum Santiago de Chile ernennen werde.
Erwähnt wurde auch ein Tweet von Ivereigh, der schrieb, daß die Ernennung „ohne Zweifel vor Weihnachten“ erfolgen werde, und es könnte sich dabei um „einen Ausländer“ handeln. „Das ist der Mann, der die Kirche von Chile aus der Krise führen wird“, so Ivereigh.
Damit wäre ausgeschlossen, daß es sich nur um einen Apostolischen Administrator handeln wird, wie chilenische Kirchenkreise behaupten.
Zwei Wochen vor Beginn der Papst-Reise nach Chile äußerten die Jesuiten des Landes einen speziellen Wunsch:
„Franziskus, gib uns mehr Kardinäle und andere Bischöfe, damit es nach Dir kein Zurück mehr gibt“.
Der Weg zu „anderen Bischöfen“ wurde bereits freigemacht. Mit der Ernennung eines neuen Erzbischofs von Santiago de Chile ist auch eine Erhebung in den Kardinalsstand möglich.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Twitter (Screenshot)