
(Rom) Auf dem Rückflug von Peru gab Papst Franziskus in der Nacht von Sonntag auf Montag die gewohnte fliegende Pressekonferenz. Wiederum wurden zahlreichen Themen angesprochen.
Franziskus zeigte sich emotional „sehr gerührt“ von den Begegnungen mit den Menschen in den beiden südamerikanischen Ländern. Vor allem die „Begeisterung“ von 1,3 Millionen Gläubigen bei der Abschlußmesse in las Palmas habe ihn bewegt, aber auch die „Herzlichkeit“ der chilenischen Gläubigen in Temuco und Iquique. Die „Warmherzigkeit der Leute hat mich angesteckt“, so der Papst.
Fall Barros beherrschte die Pressekonferenz
Der Rest der Pressekonferenz drehte sich fast zur Gänze um den Fall Barros, den von Franziskus ernannten Bischof von Osorno. Durch die Kritik von Kardinal Sean O’Malley an Worten des Papstes wurde daraus ein internationaler Fall.
Die Kritik des Kardinals betraf ein Mainstream-Thema und zeigte erzielte damit weit mehr Resonanz als die Dubia der vier Kardinäle, die Kritik am umstrittenen Dokument Amoris laetitia übten. Entsprechend anders reagierte auch Papst Franziskus. Während die Dubia-Kardinäle nach 16 Monaten noch immer auf eine Antwort des Papstes warten, antwortete Franziskus im aktuellen Fall sofort und in aller Öffentlichkeit. Über Bischof Barros wiederholte er seinen Standpunkt:
„Ich bin überzeugt, daß er unschuldig ist“.
Seine Haltung begründete Franziskus auf italienisch und spanisch mit seiner „Wertschätzung“ für den Bischof und dem Mangel an Beweisen. Vielmehr hab er ihn „mehrfach“ überzeugt, nicht zurückzutreten.
„Als er ernannt wurde, ist diese ganze Protestbewegung weitergegangen, und er reichte zum zweiten Mal seinen Rücktritt ein. Ich habe gesagt: ‚Nein, Du gehts [dorthin]‘. Ich habe lange mit ihm gesprochen, andere habe lange mit ihm gesprochen… ‚Du gehst‘. Und sie wissen, was dort passiert ist am Tag der Amtseinführung… Die Ermittlungen gegen Barros sind weitergegangen: Es gibt nicht Offensichtliches (…). Ich kann ihn nicht verurteilen, weil es nichts Offensichtliches gibt; aber ich bin auch überzeugt, daß er unschuldig ist.“
Zur Kritik von Kardinal O’Malley sagte Franziskus:
„Was empfinden die Mißbrauchten: Dazu muß ich um Entschuldigung bitten, denn das Wort ‚Beweis‘ hat viele Mißbrauchten verletzt… Ich bitte um Entschuldigung, wenn ich sie verletzt habe, ohne es zu bemerken, getan habe, ohne es zu wollen (…). Ich merke, daß mein Ausdruck nicht glücklich war… Barros wird dort bleiben, ich kann ihn nicht verurteilen, wenn ich nichts Offensichtliches habe (…) Ich habe an das von Kardinal O’Malley gedacht. Ich danke ihm für die Erklärung, weil das sehr richtig war. Er hat alles gesagt, was ich gemacht habe und mache, und was die Kirche macht.“
Kinderschutzkommission bleibt bestehen
Auf eine Journalistenfrage erklärte Franziskus, daß die von ihm errichtete Kinderschutzkommission ihre Arbeit fortsetzten werde. In der Vergangenheit war es zu Konflikten mit der Kommission gekommen. Im März 2017 war mit Marie Collins ein prominentes Mitglied unter Protest zurückgetreten. Das Mandat der Kommission war ausgelaufen und so herrschte zuletzt Unsicherheit, wie und ob es überhaupt weitergehen würde. Kardinal O’Malley ist Vorsitzender der Kommission. In dieser Funktion hatte er sich mit Kritik an den Papstworten von Iquique zu Wort gemeldet.
Paar der fliegenden Hochzeit „war vorbereitet“
Papst Franziskus wurde auch mit der Frage konfrontiert, ob das Paar, das er auf einem innerchilenischen Flug getraut hatte, ausreichend vorbereitet war. Die Spontaneität der Geste hatte Zweifel aufkommen lassen, ob eine Schlagzeile einen leichtfertigen Umgang mit einem Sakrament rechtfertige.
Wie inzwischen bekannt wurde, war die Geste nicht so spontan, wie es vom vatikanischen Presseamt und anderen Papst-Vertrauten, darunter P. Antonio Spadaro SJ, verbreitet wurde. Das Paar hatte bereits vier Tage vor Beginn des Papstbesuches in Chile der Tageszeitung La Tercera von ihrem Wunsch berichtet, sich vom Papst trauen zu lassen. Franziskus sagte dazu:
„Ich habe sie ein bißchen befragt. Und da waren die Antworten klar: ‚ Für das ganze Leben…‘. ‚Und wie wißt ihr die Sachen? Habt ihr so ein gutes Gedächtnis?‘ – ‚Nein, nein: Wir haben die Ehevorbereitungskurse für damals gemacht.‘ Sie waren vorbereitet (…) Sie haben mich gefragt. Die Sakramente sind für die Menschen… Alle Voraussetzungen waren klar. Und warum nicht heute geben, was man heute geben kann, anstatt es auf morgen verschieben, wenn morgen vielleicht zehn oder acht Jahre mehr gewesen wären…“
Umweltschutz darf sich nicht gegen den Menschen richten
Eine weitere Frage nahm Bezug auf die Ansprache von Franziskus zu den Amazonas-Völkern. Er sprach von einer Umweltpolitik, die den Naturschutz dem Schutz der Menschen entgegensetzt. Im Flugzeug wiederholt Franziskus diesen Punkt. Ja, es sei „leider passiert, daß einige Völker vertrieben wurden, um den Wald zu schützen“, und dann sei „der Wald zum Objekt der Ausbeutung geworden“.
Lateinamerika muß Korruption bekämpfen
Auf die Frage eines peruanischen Journalisten bestätigte Franziskus seine Forderung für ganz Lateinamerika, sich vom endemischen Phänomen der Korruption zu befreien. Das „Doppelleben“ sei eine Plage, die auch die Kirche kennengelernt habe und ihn, den Papst, leiden lasse.
Und wie steht es mit Kardinal Maradiaga?
Ein Journalist fragte das Kirchenoberhaupt nach Kardinal Maradiaga, dem vom italienischen Wochenmagazin L’Espresso vorgeworfen wurde, eine ungerechtfertigt hohe Summe extra zu kassieren: rund 600.000 Dollar im Jahr. Die enthüllten monatlichen Geldzuwendungen an den Kardinal sollen höher als das Monatsgehalt des US-Präsidenten liegen. Doch Papst Franziskus würgte die Sache kurz angebunden ab. Kardinal Maradiaga gehört zu seinem engsten Vertrautenkreis und ist Koordinator des von Franziskus errichteten C9-Kardinalsrates. Er habe dem, was der Kardinal gesagt hat, nichts hinzuzufügen. Punkt.
Der Fall Barros und der Fall Maradiaga zeigen, was seit dem Fall Battista Ricca im Juli 2013 klar ist: Papst Franziskus steht unerschütterlich zu seinen Freunden.
Zur Aussage, daß Chile in 20 Jahren die Armutsrate von 40 Prozent auf 11 Prozent reduziert habe und zur Güte einer liberalen Politik sagte er:
„Ich sage, daß wir die Fälle von liberaler Politik genau studieren sollen. Es gibt andere Staaten in Lateinamerika mit liberaler Politik, die das Land in eine größere Armut geführt haben. Dort wüßte ich wirklich nicht, was antworten, weil ich kein Techniker darin bin, aber allgemein: Eine liberale Politik, die nicht das ganze Volk mit einschließt, ist selektiv und führt nach unten.“
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican News (Screenshot)