Der Krieg, der Papst, Viktor Orbán und die Ungarn

Papst wiederholt ungewöhnliche Bitte: "Betet für mich, nicht gegen mich"


Der­zeit geht es vor allem um Krieg, weni­ger um Frie­den. Eine Gegen­stim­me im Chor ist Ungarns Mini­ster­prä­si­dent Vik­tor Orbán. In einem Inter­view mit der unga­ri­schen Web­site Index warn­te Orbán vor noch tra­gi­sche­ren Entwicklungen:

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„Heu­te gibt es in Brüs­sel eine Mehr­heit von Kriegs­be­für­wor­tern. Die Stim­mung in der EU ist krie­ge­risch. Die Logik des Krie­ges beherrscht die Poli­tik. Ich sehe Kriegs­vor­be­rei­tun­gen von allen und über­all. Der NATO-Gene­ral­se­kre­tär hat gesagt, er wol­le eine Bünd­nis­mis­si­on in der Ukrai­ne ein­rich­ten. Die euro­päi­schen Staats- und Regie­rungs­chefs sind bereits in die­sen Krieg ver­wickelt, sie betrach­ten die­sen Krieg als ihren Krieg und füh­ren ihn auch als sol­chen.
Zuerst ging es nur dar­um, Hel­me zu schicken, dann ging es um Sank­tio­nen, aber natür­lich nicht um Ener­gie. Dann ging es um die Lie­fe­rung von Waf­fen: erst Schuß­waf­fen, dann Pan­zer, dann Flug­zeu­ge, um Finanz­hil­fen in Höhe von meh­re­ren Dut­zend Mil­li­ar­den und jetzt 100 Mil­li­ar­den. Die­se Waf­fen ver­bes­sern die Lage nicht, im Gegen­teil, sie ver­schlech­tert sich. Wir sind nur mehr einen Schritt davon ent­fernt, daß der Westen Sol­da­ten in die Ukrai­ne schickt. Die­ser mili­tä­ri­sche Stru­del kann Euro­pa in den Abgrund rei­ßen. Brüs­sel spielt mit dem Feu­er und läßt Gott erzürnen.“

Auf Face­book bekräf­tig­te Orbán zwei Tage spä­ter, am 21. April:

„Das ist nicht unser Krieg. Wir wol­len ihn nicht und wir wol­len nicht, daß Ungarn wie­der zum Spiel­ball der Groß­mäch­te wird.“

Die­se elo­quen­ten Wor­te soll­te jeder EU-Bür­ger ken­nen. Orbán wird von unse­rem Main­stream jedoch geschnit­ten. Die Nach­rich­ten über ihn wer­den in einer Nega­tiv­aus­le­se gefil­tert. Ungarns Mini­ster­prä­si­dent wird als Schmud­del­kind in den eige­nen Rei­hen prä­sen­tiert. Die­se Ver­zer­rung macht die Schief­la­ge deut­lich, die mit dem zu tun hat, was Orbán kritisiert.

Sei­ne Aus­sa­gen wer­den hin­ge­gen Papst Fran­zis­kus, der seit 2022 nach Kräf­ten bemüht ist, sich der Ver­ein­nah­mung durch die Kriegs­trei­ber zu ent­zie­hen, nicht miß­fal­len haben.

Fran­zis­kus emp­fing just am 25. April, heu­te vor einer Woche, den neu­en unga­ri­schen Staats­prä­si­den­ten Tamás Sulyok in Audi­enz, der das Amt von Kata­lin Novák über­nahm, nach­dem die­se Ende Febru­ar zurück­ge­tre­ten war. Es war offen­bar ein sehr herz­li­ches Tref­fen, bei dem zahl­rei­che Fra­gen dis­ku­tiert wur­den, die die heu­ti­ge Gesell­schaft bewe­gen. Der Papst bekräf­tig­te, man höre, daß er sich mit den Ungarn gut ver­ste­he, so sehr, daß er dies beim Grup­pen­fo­to am Ende der Audi­enz mit einem Lächeln zum Aus­druck brachte. 

Papst Fran­zis­kus emp­fing am 25. April Ungarns neu­en Staats­prä­si­den­ten Tamás Sulyok in einer „herz­li­chen“ Begegnung

Das will etwas hei­ßen, wenn man weiß, wel­che demon­stra­ti­ve Abnei­gung Fran­zis­kus gegen­über nicht-lin­ken Poli­ti­kern an den Tag legt. Jene in der Oppo­si­ti­on sind kate­go­risch vom Zugang zu San­ta Mar­ta aus­ge­schlos­sen. Jene in der Regie­rung wer­den aus pro­to­kol­la­ri­schen Grün­den zwar emp­fan­gen, weil das die inter­na­tio­na­len diplo­ma­ti­schen Gepflo­gen­hei­ten so gebie­ten. Die Mimik für das obli­ga­te Pres­se- und Erin­ne­rungs­fo­to macht jedoch den Unter­schied. Kräf­ti­ges Lachen mit Barack Oba­ma, fin­ste­rer Gra­bes­blick mit Donald Trump…

Auch das anschlie­ßen­de Gespräch Sulyoks im Staats­se­kre­ta­ri­at, mit Kar­di­nal­staats­se­kre­tär Pie­tro Paro­lin und dem vati­ka­ni­schen Außen­mi­ni­ster Erz­bi­schof Paul Gal­lag­her, war sehr aus­führ­lich und herz­lich. Bei­de Sei­ten brach­ten ins­be­son­de­re ihre tie­fe Trau­er über die anhal­ten­den Ver­lu­ste an Men­schen­le­ben in der Ukrai­ne zum Aus­druck und waren sich einig, daß ein sofor­ti­ger Waf­fen­still­stand mit Blick auf Frie­dens­ver­hand­lun­gen not­wen­dig ist. Es besteht kein Zwei­fel dar­an, daß der Hei­li­ge Stuhl und Ungarn heu­te in ihrer Ableh­nung wei­te­rer krie­ge­ri­scher Ent­wick­lun­gen in der Ukrai­ne und auch in der Suche nach einem Waf­fen­still­stand, der als uner­läß­lich gese­hen wird, um wei­te­re Tote, wei­te­re Flücht­lin­ge und wei­te­re Zer­stö­rung zu ver­hin­dern, auf einer Linie liegen.

Am sel­ben Don­ners­tag vor einer Woche, dem Mar­kus­tag, traf der Papst in der gro­ßen Audi­enz­hal­le des Vati­kans mit einer sehr gro­ßen Grup­pe unga­ri­scher Pil­ger zusam­men, die von Kar­di­nal Peter Erdö, dem Erz­bi­schof von Esz­t­er­gom-Buda­pest und Pri­mas von Ungarn, ange­führt wurde. 

Ein Jahr nach sei­nem bereits – man beach­te – zwei­ten Besuch in Ungarn beton­te Fran­zis­kus, daß er dort als Pil­ger, Bru­der und Freund unter­wegs war. Drei Zita­te auf Unga­risch, was von den Anwe­sen­den sehr geschätzt wur­de: Isten áld meg a magyart! Gott seg­ne die Ungarn! Aber auch ein Her­ren­wort, das Pau­lus in der Apo­stel­ge­schich­te zitiert: „Geben ist seli­ger als neh­men.“ Ein Wort, das den Refor­mier­ten beson­ders kost­bar ist, die in Ungarn eine nicht unbe­deu­ten­de Rol­le spie­len. Vik­tor Orbán und eine Rei­he sei­ner Mini­ster sind Reformierte. 

Schließ­lich ver­ab­schie­de­te sich Fran­zis­kus mit einem unge­wöhn­li­chen Zusatz. Er rief die Anwe­sen­den wie gewohnt auf, auch für ihn zu beten, ergänz­te die­se Bit­te jedoch mit dem Zusatz: „Für mich, nicht gegen mich.“

Die­se erstaun­li­che For­mu­lie­rung gebrauch­te Fran­zis­kus erst­mals kurz nach sei­nem zehn­ten Thron­ju­bi­lä­um. Am 27. März 2023 emp­fing er Semi­na­ri­sten der ita­lie­ni­schen Regi­on Kala­bri­en und ver­ab­schie­de­te sich von ihnen mit eben die­sen Wor­ten, für ihn und nicht gegen ihn zu beten. Damit mach­te Fran­zis­kus unmiß­ver­ständ­lich deut­lich, zu wis­sen, wel­chen Wider­stand und wel­che tief­sit­zen­de Ableh­nung sein Pon­ti­fi­kat in Tei­len des Kle­rus und der Gläu­bi­gen findet. 

Seit­her wie­der­hol­te er die­se in der Papst­ge­schich­te wohl bei­spiel­lo­se For­mel am 30. Novem­ber 2023 gegen­über den Mit­glie­dern der Inter­na­tio­na­len Theo­lo­gen­kom­mis­si­on des Hei­li­gen Stuhls, also einem hoch­ka­rä­ti­gen Gre­mi­um, und gegen­über Mit­glie­dern der deut­schen Gesell­schaft Katho­li­scher Publi­zi­stin­nen und Publi­zi­sten am 4. Janu­ar 2024.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Facebook/​Viktor Orbán/​VaticanMedia (Screen­shots)

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2 Kommentare

  1. Aber die katho­li­schen Prie­ster der Ukrai­ne sol­len ohne sei­nen Pro­test, und tot­si­cher mit sei­ner heim­li­chen abso­lu­ten Zustim­mung in den Krieg zie­hen und die Zir­kus­ar­ti­sten zu Hau­se bleiben?
    Man, wer dem Spiel die­ses Man­nes noch glaubt, wozu nun ein­mal gehört, hin und wie­der auch etwas ver­nünf­ti­ges zu sagen, dem ist ein­fach nicht zu helfen.
    Hof­fen und beten wir, dass die Men­schen in Ungarn sich von die­sem fal­schen Spiel nicht auch noch blen­den lassen

  2. Der Miß­stand in den deutsch­spra­chi­gen Leit­me­di­en besteht dar­in, kri­tik­los mit­zu­ma­chen. Sie machen die Politk der Bun­des­re­gie­rung mit, die das Land gro­ße Ein­bu­ßen geko­stet hat. Ber­lin spricht vom bösen Putin und guten Selen­ski. Ber­lin behaup­tet, die Ukrai­ne wäre unser Bünd­nis­part­ner. Die Ukrai­ne ist weder in der Nato, noch in der EU, noch gibt es ein direk­tes Bünd­nis. Ber­lin zwingt unser Land, teu­res Gas zu ander­sei­tig zu bezie­hen, wäh­rend Ruß­land uns immer noch unter Welt­markt­preis belie­fern wür­de. Ber­lin ver­schweigt sogar, daß eine der bei­den Nord­pipe­lines immer noch intakt ist. Wir finan­zie­ren und hofie­ren die Macht­ha­ber aus Kiew. Die gesam­te Poli­tik beruht auf höchst zwei­fel­haf­ten Annah­men, schä­digt unser Land finan­zi­ell und könn­te einen Krieg von Ruß­land gegen uns aus­lö­sen. Und die Leit­me­di­en machen all das mit. 

    Gleich­zei­tig wird jeder, der zwei­felt, ange­grif­fen. In der Argu­men­ta­ti­on wer­den sach­li­che Argu­men­te gar nicht zuge­las­sen. Dabei ist es der Beruf des Jour­na­li­sten, Zwei­fel zu äussern, wo Wider­sprü­che auf­tau­chen. Was geht in sol­chen Jour­na­li­sten vor? Wo ist der gesun­de Men­schen­ver­stand? Lenkt die­se Men­schen etwa jemand? 

    Die Situa­ti­on in Isra­el ist biblisch. Gott han­delt. Die Situa­ti­on in Mit­tel­eu­ro­pa ist auch biblisch. Die Bevöl­ke­rung der EU ist gezwun­gen, den Part zu über­neh­men, für den zuvor die gewähl­ten Regie­run­gen und die Jour­na­li­sten zustän­dig waren. Das Leben läuft nicht mehr von allei­ne, son­dern jeder Bür­ger ist in die Ver­ant­wor­tung gezwun­gen. Fünf Stun­den Schlan­ge ste­hen, um einen Strom­an­schluß zu bekom­men. Zuschau­en, wie jeder Flücht­ling sofort ver­sorgt wird, aber Staats­bür­ger kei­ne Woh­nung fin­den. Scha­ria in der Schu­le der eige­nen Kin­der. Fami­li­en sind zer­bro­chen. Der Part­ner ist ein Frem­der in der gemein­sa­men Woh­nung. Freun­des­krei­se sind verfremdet. 

    Wenn Gott han­delt, was tut er hier? Er stellt jeden Men­schen in die eige­ne Ver­ant­wor­tung. Nie­mand kann sich mehr nach ande­ren aus­rich­ten. Jeder wird mora­lisch völ­lig eigen­ver­ant­wort­lich. Zum ersten Mal in der Mensch­heits­ge­schich­te pas­siert so etwas. 

    Das Gesamt­bild der Ent­wick­lung zeigt auf ein Ziel. Das Gericht. 

    Offen­ba­rung 22,12: „Behold I’m coming quick­ly. And my reward is with me. To ren­der to every man accor­ding to what he has done.“

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