
Das Erzbistum Wien ist auf der Suche nach einem neuen Erzbischof und es überschlagen sich die Gerüchte. Hinter den Kulissen wird am rauhen Stein noch hart gearbeitet.
Am 22. Januar wurde Kardinal Christoph Schönborn von Papst Franziskus emeritiert. Der argentinische Papst hatte den aus deutschem Uradel stammenden und in Böhmen geborenen Dominikaner bis zum Tag seines 80. Geburtstags im Amt belassen. Damit zeigte Franziskus bis zur maximal denkbaren Grenze, wen er schätzt und für das einflußreichste Kirchenamt in Österreich am besten geeignet sah. Doch alles hat einmal ein Ende. Die biologische Uhr tickt. Mit 80 verlieren die Purpurträger das Wahlrecht im Konklave. Seit Einführung von Altersbeschränkungen unter Papst Paul VI. gilt das als Obergrenze.
Der Scheidende: Kardinal Christoph Schönborn
Schönborn, der 1991 Weihbischof und 1995 Erzbischof von Wien wurde, erhielt 1998 von Papst Johannes Paul II. die Kardinalswürde. Lange Zeit war Schönborn Vorsitzender der Österreichischen Bischofskonferenz, vor allem aber der bei weitem einflußreichste Kirchenmann Österreichs. Jede der tatsächlich erfolgten Bischofsernennungen ging über seinen Schreibtisch. Er hat auch maßgebliches Gewicht bei der Nachfolgeregelung. Während er unter Papst Benedikt XVI. Mitglied des Schülerkreises von Joseph Ratzinger wurde, obwohl er nie dessen Schüler war, mutierte der Kardinal nach dem Konklave von 2013 schnell zum Bergoglianer.
Franziskus wußte die Parteinahme zu schätzen und ließ Schönborn 2016 das umstrittene nachsynodale Schreiben Amoris laetitia der Öffentlichkeit präsentieren. Von Schönborn stammt die nicht minder umstrittene Gradualitätstheorie in der Morallehre. Von den eifrigen Verneigungen vor Homosexuellen ganz zu schweigen. Insgesamt betätigte sich Schönborn als aufgeklärter Kirchenfürst, der dem Staat zu Diensten ist. Er mischte sich nicht nur fleißig in politische Debatten ein, fast immer zur Unterstützung des herrschenden Machtsystems, fast immer einseitig und treffsicher für die falsche Sache.
Während der unsäglichen Pseudopandemie namens Corona ließ er im Stephansdom eine mobile Impfstation einrichten, um in der Bischofskirche dem „Impfkult“ zu frönen (siehe auch Die Desinfizierung der Kirche). Von den Homo-Spektakeln, die er in seiner Bischofskirche inszenieren ließ, erst gar nicht zu reden. Zu Kardinal Schönborn siehe auch hier, hier und hier. Der Theologe und Philosoph Wolfram Schrems zog bereits 2019 zum 75. Geburtstag von Schönborn Bilanz über dessen Amtszeit: Kardinal Christoph Schönborn – Was wird bleiben? Danach kam es noch schlimmer.
Im Erzbistum Wien, das erst auf das Spätmittelalter zurückgeht, also für die Kirche ein „junges“ Bistum ist, kann nicht das Domkapitel dem Papst einen Dreiervorschlag vorlegen. In Wien wie in den allermeisten Diözesen der Welt sammelt der Apostolische Nuntius Informationen über geeignete Kandidaten und übermittelt diese an das römische Bischofsdikasterium. Dieses stellt daraus einen Dreiervorschlag zusammen und legt ihn dem Papst vor. Dieser kann, muß aber aber nicht daraus wählen. Der Papst ist frei zu ernennen, wen er für richtig hält. Um welche Namen es sich im Dreiervorschlag für Wien handelt, darüber gibt es unterschiedliche Angaben. Keine wurde offiziell bestätigt. So ist das üblich.
Der nicht Kommende: Pater Bernhard Eckerstorfer
Immer genannt wurde in Medienberichten und auch informell der Benediktiner Pater Bernhard Eckerstorfer aus dem oberösterreichischen Stift Kremsmünster.
Eckerstorfer wurde 2005 zum Priester geweiht und übernahm im Stift zahlreiche Aufgaben, darunter auch jene des Novizenmeisters und Professors am Stiftsgymnasium. Ab 2013 lehrte der promovierte Theologe an der Katholischen Universität Linz und an der Universität Salzburg. 2017 erfolgte seine Berufung an die Benediktinerhochschule in Rom, das Päpstliche Athenaeum Sant’Anselmo, wo er 2019 zum Rektor gewählt und vom Heiligen Stuhl bestätigt wurde. 2022 ernannte ihn Papst Franziskus zum Consultor des Dikasteriums für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung.
Am 25. Januar wurde Eckerstorfer nun aber zum Abt von Kremsmünster gewählt. Da diese Wende für manche überraschend kam, gibt es zahlreiche Spekulationen, warum der von einigen katholischen und konservativen Medien als „aussichtsreichster“ Kandidat genannte Benediktiner damit als möglicher nächster Erzbischof von Österreich aus dem Rennen ist. Pater Eckerstorfer muß durch seine Wahl auch das Rektorat an der Universität der Benediktiner in Rom zurücklegen. So sehen es die dortigen Statuten vor. Ein Termin für die Abtweihe (Benediktion) wurde noch nicht bekanntgegeben.

Die Abtei Kremsmünster wurde im Jahr 777 von Tassilo III., Herzog des bairischen Stammesherzogtums, gegründet und war ursprünglich wohl von Mönchen der iro-schottischen Tradition besiedelt, ehe sie die Benediktsregel annahmen. Dort befindet sich der berühmte Tassilokelch, heute auch als Tassilo-Liutpirc-Kelch bekannt, da der Herzog und seine Frau, eine langobardische Königstochter, gemeinsam auf dem Kelch verewigt sind. In Kremsmünster befindet sich auch das 1742 errichtete älteste Hochhaus der Welt.
Spekulationen der Enttäuschten
Für die Spekulationen der nun Enttäuschten wird sogar ein Homo-Skandal in Belgien herangezogen, wo ein dortiger Benediktiner einen Novizen sexuell belästigt haben soll. Die belgische Justiz ermittelt. Der Vorfall soll auf das Jahr 2018 zurückgehen. Eckerstorfer hatte einem Mitbruder und Landsmann die Koordinierung eines Bildungsprogramms von Sant’Anselmo übertragen. Als Ko-Koordinator dieses Programms wurde 2020 der genannte belgische Benediktiner beauftragt. Das, so heißt es nun, sei wohl der Grund, weshalb Rom die Handbremse gezogen und Eckerstorfer seine Chance verloren habe, Erzbischof von Wien zu werden.
Die Dinge scheinen jedoch anders zu liegen. Der Umweg mit der Skandalgeschichte aus Belgien geht um zu viele Ecken und der Zusammenhang mit Eckerstorfer ist zu marginal, als daß sie für die Personalentscheidung in Wien tatsächlich relevant sein hätte können. Laut vorliegenden Informationen liegen die Dinge viel einfacher und haben mit den „Wiener Verhältnissen“ in Kirche und Staat zu tun.
„Wiener Verhältnisse“
Die Ernennung von Pater Eckerstorfer war die Wunschvorstellung einiger konservativer Kreise in Österreich. Tatsächlich scheint der oberösterreichische Benediktiner gerade deshalb nie reale Aussichten auf den Bischofsstuhl gehabt zu haben. Er war vielmehr das Feigenblatt im Vorfeld der eigentlichen Ernennung. Die kirchlichen und weltlichen Verhältnisse in Wien, gemeint sind jene Kreise, die Einfluß haben und auch nehmen, lassen derzeit offenbar bestimmte Entscheidungen gar nicht zu. Wir sprechen vom Roten Wien, der Hochburg der Sozialdemokraten und vom High-Society-Wien des Dompfarrers Toni Faber, der mit oder ohne Begleitung auftritt und beste Kontakte in die Rauhensteingasse pflegt, wo sich der Sitz der Großloge von Österreich der Alten, Freien und Angenommenen Maurer befindet. Das Verhältnis von Kirche und Freimaurerei ist in Wien seit Kardinal Franz König ein eigenes Kapitel. Von den ÖVPlern des Umlandes nicht zu sprechen, die zwar schon das christliche Etikett wollen, aber ja nur keinen Bischof, der es mit der katholischen Morallehre zu ernst nimmt.
Pater Eckerstorfer scheint in der Sache immer auf verlorenem Posten gestanden zu haben. Das scheinen einige, die auf ihn gehofft hatten, nicht wahrhaben zu wollen. Seine Wahl zum Abt von Kremsmünster entspricht einer realistischen Antwort darauf.
Während hinter den Kulissen weiter um den „geeigneten Konsenskandidaten“ gefeilscht wird.
Text: Giuseppe Nardi
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