
von Wolfram Schrems*
(Wien) Die ungeheuerlichen und inakzeptablen Stellungnahmen von Kardinal Schönborn zu Sakramentenempfang, Konkubinat und Homosexualität in dem Interview mit Iacopo Scaramuzzi von Vatican Insider (deutsche Übersetzung) und gegenüber dem Corriere della Sera (deutsche Übersetzung) im Zusammenhang mit der derzeitigen Außerordentlichen Synode zu Ehe und Familie in Rom zeigen die ganze Verwüstung des österreichischen Katholizismus auf bizarre Weise.
Es ist nunmehr ganz evident geworden, daß der innerkirchliche Abfall vom Glauben in Österreich nicht von einigen dissidenten Theologen oder eigenmächtigen Laienfunktionären ausgegangen war.
Der Fisch begann auch hier am Kopf zu stinken.
Nachdem sich Kardinal Schönborn seit Jahren in politischen Fragen notorisch auf die rot-grüne und pro-islamische Seite schlägt, greift er nunmehr die Substanz der katholischen Moraltheologie selbst an. Die betreffenden moralphilosophischen Konzepte, die gegen Glauben und Vernunft gleichermaßen verstoßen, sind dem Fachtheologen von der pervertierten akademischen Theologie her schon lange bekannt. Sie sind jetzt aber ganz offen bei den Trägern des kirchlichen Lehramtes angekommen. Das ist in dieser Qualität etwas neues.
Kardinal Schönborns abwegige Kommentare zur Synode
Die offizielle Website der Erzdiözese Wien berichtet:
Großes Echo habe bei der Synode auch [Kardinal Schönborns] Vorschlag für einen theologischen Schlüssel für die Bewertung von Lebensformen, die nicht der Vollform der sakramentalen Ehe entsprechen, gefunden.
Was die althergebrachte Bewertung durch Bibel und Kirche als Sünde betrachtet, ist jetzt plötzlich offensichtlich eine Vorstufe zur „Vollform“. Das ist völlig absurd. Kardinal Schönborn als geschulter Kenner der Lehre des hl. Thomas muß das wissen. Er kennt den Grundsatz Bonum ex integra causa, malum ex quocumque defectu.
Mit diesem gefährlichen Unfug bringt er Menschen, die in den Bedrängnissen unserer verwirrten Tage Zuspruch und Orientierung bräuchten, in noch größere Verunsicherung. Er gibt den „Kleinen, die an Christus glauben“, Ärgernis. Man kann ihm nur raten, das nicht zu tun.
Im erwähnten Bericht auf der erzdiözesanen Seite heißt es weiter:
Von manchen Kreisen würden derzeit „apokalyptische Szenarien“ gezeichnet werden, in denen dem Papst vorgeworfen werde, die Kirche in den Untergang zu führen. Solches habe man zuletzt vor über vierzig Jahren über den nun seliggesprochenen Paul VI. und seinen Vorgänger den heiligen Johannes XXIII. gehört, so Schönborn. Es sei „erstaunlich“, dass der vom Papst geforderte Blickwechsel so viel Angst auslöst, wo er doch „Frische und Freude des Evangeliums“ in Erinnerung rufen wolle.
Er hat Augen, aber er sieht nicht.
Man versteht es nicht: Stellt er sich dumm oder spricht er wider bessere Einsicht? Was ist das, wenn nicht „apokalyptische Szenarien“, wenn das Glaubensgut selbst öffentlich zur Diskussion gestellt wird?
Sieht er die Folgen der Politik von Johannes XXIII. und Paul VI. wirklich nicht? Dann ist er als Hirte ungeeignet und sollte umgehend abdanken. Oder findet er sie gut? Dann ist er erst recht ungeeignet.
Man beachte auch die psychologisierende Diktion, die aus mind control – Techniken bekannt ist: Der „vom Papst geforderte Blickwechsel“ löse „Angst“ aus.
Erstens hat der Papst ohnehin nicht die geringste Berechtigung, einen „Blickwechsel“ einzufordern. Es gilt der Blick des Glaubens. Aus, fertig. Es ist alles gesagt.
Auch ist zweitens „Angst“ das falsche Wort. Es verunglimpft die rechtgläubigen Synodenteilnehmer, die ja gerade mit großer Tapferkeit der konspirativen Regie des Papstes und von Kardinal Baldisseri ins Angesicht widerstanden (vgl. Gal 2, 11) und sich damit schützend vor das Volk Gottes gestellt haben.
Schließlich zeugt es von Verlust des Realitätssinnes, wenn man die Winkelzüge von Papst Franziskus mit „Frische und Freude des Evangeliums“ in Verbindung bringen würde. Bei aller berechtigten Kritik an Papst Benedikt XVI. muß man ihm doch bei weitem mehr Frische und Freude des Evangeliums konzedieren. Beim jetzigen Papst ist das reine Rhetorik. Ich würde sogar sagen, diese Phraseologie hat ausschließlich die Absicht, zu täuschen. Aus welchen Gründen auch immer.
Daß später im Text der Erzdiözese auch die „aggressive Lobby“ der Homosexuellen angesprochen und von den Kindern als Opfer von „Rosenkriegen“ gesprochen wird, hat daher keine spezielle Bedeutung mehr. Das Kind war schon in den Brunnen gefallen.
Wie dem auch sei: Eminenz Schönborn hat sich in Fragen nach Sakramentenzulassung, Konkubinat und Homosexualität in die offene Irrlehre („Elemente der Wahrheit und der Heiligung“) begeben. Er war über Fragen des pastoralen Ermessensspielraums weit hinausgegangen. Er kann somit nicht mit der Berufung auf die „Klugheit“ verteidigt werden.
Über die Motive für dieses „outing“ kann man nur rätseln.
Man vermutet auch längerfristige Absprachen:
Ein Rückblick auf eineinhalb Jahre Papst Franziskus: Gab es einen Putschplan gegen Papst Benedikt?
Was sich aufgrund des reibungslosen Zusammenwirkens von Kardinal Schönborn mit Papst Franziskus jetzt als wohlbegründete Mutmaßung ergeben muß, ist, daß Eminenz ganz offensichtlich zu den wichtigsten Konspiratoren gegen Papst Benedikt XVI. gezählt hat. Als Mitglied des Ratzinger-Schülerkreises genoß er höchstwahrscheinlich das besondere Vertrauen des Papstes – und enttäuschte es durch zahlreiche Illoyalitäten maßlos (wie schon an anderer Stelle auf dieser Seite ausgeführt) .
Angesichts der Eskapaden des jetzigen Pontifikats, das praktisch in allen Fragen gegen die Politik von Papst Ratzinger gerichtet ist, erscheint somit der „freiwillige Rücktritt aus Altersgründen“ äußerst unglaubhaft. (Wir wissen schon, wie dehnbar der Begriff „freiwillig“ ist.)
Kardinal Schönborn hatte einige Monate nach dem Amtsantritt von Papst Franziskus in einer Presseaussendung wörtlich gesagt, daß „[mit dem neuen Papst] ein Ruck durch die neue Kirche gegangen ist“.
Man beachte hier das, nicht zufällig eingestreute, Signalwort: „neue Kirche“. Der Kardinal ist viel zu intelligent, als daß er das nur so dahin gesagt hätte. Eine „neue Kirche“ kann nur eine ungeheuerliche Monstrosität sein. Aber offensichtlich existiert ein entsprechender Plan.
Dann sagte der Kardinal in derselben Presseaussendung in seiner typisch euphorischen Wortwahl: „Es ist heute so viel mehr Freude zu spüren.“ (!)
Im Umkehrschluß heißt das, daß unter Papst Benedikt wenig oder keine Freude zu spüren war. Eine sehr „nette“ Qualifizierung des „Meisters“ durch einen seiner „Schüler“.
Suggestivkraft anstatt Klarheit der Botschaft
Man fragt sich, warum Eminenz sich überhaupt häufig dieser maßlos euphorischen Diktion bedient („so viel mehr Freude“, „können unendlich viel voneinander lernen“, „dieselbe Sehnsucht hat mich bewogen“, „verbeuge mich noch mehr vor Josef Pröll“ [sic!] , „[sich vor dem] vorbildlichen menschlichen Verhalten Homosexueller verneigen“ u. s. w.). Angesichts der kirchlichen und weltlichen Realität ist das total deplaziert, inhaltlich schreiend absurd.
In seinem ganzen Auftreten setzt Eminenz schon lange auf genau diese merkwürdig euphorische, hypnotische Suggestivkraft, mit der er sich um klare lehramtsgemäße Aussagen drückt (ggf. eben gegen den Zeitgeist) und seine Zuhörer manipuliert. Damit ist er Papst Franziskus seelenverwandt.
Man fragt sich auch, wo er diese verschleiernd-verwirrende, in raffinierter Meisterschaft in oben zitiertem Text eingesetzte, Sprache gelernt hat. Aus der Bibel sicher nicht. Sie ist nicht die Sprache des Glaubens („Eure Rede sei Ja, ja, nein, nein, was darüber hinaus geht, ist vom Bösen“).
Glaubensdoktrin muß vor bischöflicher Willkür stehen!
Welche Loyalität können sich solche Kirchenführer von ihren Gläubigen noch erwarten? Welche von den ihnen unterstellten Geistlichen? Irgendwann wird der Geduldsfaden überstrapaziert.
Nachdem Kardinal Schönborn einige Jahre lang mit Pfarrer Helmut Schüller und der Pfarrerinitiative ein Spiel mit verteilten Rollen zum Besten gegeben hat, ist er jetzt ohne Verstellung in das revolutionäre Lager übergewechselt und kann sich unter veränderten weltkirchlichen Bedingungen, die er aller Wahrscheinlichkeit nach selbst mitorchestriert hat, auf eine neue päpstliche Politik berufen. Diese ist inhaltlich konfus und machttaktisch brutal und fördert mit beidem die Anpassung an den dekadenten Geist der Welt.
Er begünstigt damit den Terror der sexuellen Revolution und unterminiert weiter den Schutz, den Kinder und Jugendliche und überhaupt jeder Mensch vor dem Zugriff des Bösen benötigen (Mt 18,6).
Papst und Bischöfe stehen nicht über der Lehre, die sie im Auftrag Gottes zu verkündigen haben! Quod licet Iovi non licet bovi ist ein heidnischer, kein christlicher Grundsatz. Alle sind an dieselben Gebote gebunden.
Sie sind besonders an eine klare Sprache gebunden. „Gott der Überraschungen“ und ähnliches Gefasel fallen nicht darunter.
Die Oberen müssen mit umso besserem Beispiel vorangehen, da sich ihre Untergebenen natürlich an ihnen orientieren. Das Rot des Kardinalspurpurs signalisiert die Martyriumsbereitschaft. Wer dazu zu feige ist, darf eben kein kirchliches Amt übernehmen. Gegebenenfalls muß er zurücktreten.
Wenn die Kardinäle und Bischöfe in ihrer würdelosen Unterwerfung unter den Zeitgeist die Moral, die Gott geoffenbart hat, untergraben, machen sie sich am Scheitern unzähliger Menschen, besonders von Ehepaaren, die in den Bedrängnissen des Lebens unzweideutige moralische Weisung und Unterstützung benötigen würden, mitschuldig. Sie verursachen dadurch – noch einmal – großes individuelles Leid und begünstigen gesellschaftliche Zustände, in denen die Schwächsten, vor allem Kinder, die verwundbarsten Opfer sind. (Der Fall Natascha Kampusch ist ja nicht aus heiterem Himmel entstanden. Da muß sich eine Gesellschaft schon länger in die falsche Richtung entwickelt haben.)
Es geht auch um ihre Verantwortung für das Seelenheil der ihnen anvertrauten Gläubigen – und ganz besonders um ihr eigenes, das sie selbst aufs Spiel setzen.
Gott sei Dank gibt es noch Bischöfe, die in der gegenwärtigen Verwirrung, die durch diese unglückselige Synode ausgelöst worden ist, die Wahrheit bezeugen. Die Kardinäle Raymond Leo Burke und Gerhard Ludwig Müller sowie Erzbischof StanisÅ‚aw GÄ…decki, Vorsitzender der polnischen Bischofskonferenz, sind neben afrikanischen Bischöfen zu nennen, die dem Druck häretischer Propaganda widerstanden haben. Sie haben sich damit schützend vor die ihnen anvertraute Herde gestellt.
Wird uns vielleicht aus Afrika der Glaube neu gebracht werden, nachdem die europäischen Kirchenführer und ihre verwirrten Haustheologen Glauben, Sitten und Kultur ruiniert haben?
Sollte sich Kardinal Schönborn vielleicht bei seinen Amtskollegen in Durban oder Jos neu einschulen lassen?
Keine Kompromisse!
Die Gläubigen haben gegenüber ephemeren kirchlichen Äußerungen, auch seitens einer Synode, selbstverständlich die Pflicht, sich am immer Gültigen des überzeitlichen Lehramtes zu orientieren. Die Nicht-Gläubigen sind ebenfalls moralisch gehalten, sich ihre Informationen über die Inhalte des kirchlichen Glaubens aus den offiziellen Quellen gemäß deren dogmatischer Verbindlichkeit zu holen.
Da gibt es keine Ausreden.
Die eingangs erwähnte Verwüstung des österreichischen Katholizismus drängt zu einer raschen Erneuerung „an Haupt und Gliedern“.
Wir hoffen vor allem, daß der Klerus nicht länger schweigt, wo es um die Substanz des Glaubens und den Weg zum Heil geht.
Leider sind auch glaubenstreue Geistliche aus falsch verstandenem Gehorsam oder feigem Opportunismus oder beidem dort loyal, wo sie es nicht sein dürften. Es gibt in der Verkündigung sicher einen Ermessensspielraum, aber konfuse Zeiten verlangen apodiktisch klare Verkündigung und die Rechtfertigung des Falschen liegt nicht im Ermessensspielraum.
Wir hoffen, daß sich auch diejenigen Gläubigen, deren Stärke die kritische Unterscheidung der Geister nicht ist und die Kardinal Schönborn gerne um sich sammelt, aus ihrer Hypnose reißen lassen und nicht als von blinden Führern geführte Blinde in dieselbe Grube stürzen.
*MMag. Wolfram Schrems, Linz und Wien, katholischer Theologe und Philosoph, kirchlich gesendeter Katechist, einschlägige innerkirchliche Erfahrung
Bild: Chiesa e Postconcilio (Fotomontage)