Der „neue Jesus“ der „neuen Kirche“ der neuen Gesellschaft Jesu

Vom Umbau des Jesuitenordens zum Umbau der Kirche


Pedro Arrupe (rechts), der Generalobere, der den neuen Geist im Jesuitenorden umsetzte und Jorge Mario Bergoglios (links) großer Mentor war.
Pedro Arrupe (rechts), der Generalobere, der den neuen Geist im Jesuitenorden umsetzte und Jorge Mario Bergoglios (links) großer Mentor war.

Von Cro­ni­cas de Papa Francisco

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Die fol­gen­den Über­le­gun­gen wol­len den Moder­nis­mus auf­decken und ans Licht brin­gen, mit dem der vom hei­li­gen Igna­ti­us gegrün­de­ten Gesell­schaft Jesu [Jesui­ten­or­den] eine ganz neue Kon­no­ta­ti­on gege­ben wur­de, die von Pedro Arru­pe mit der XXXII. Gene­ral­kon­gre­ga­ti­on 1974/​75 ver­wirk­licht wurde.

Der argen­ti­ni­sche Theo­lo­ge Julio Mein­viel­le (1905–1973) berich­te­te 1964 in sei­ner kur­zen Schrift „En tor­no al Pro­gre­sis­mo cri­stia­no“ („Über den christ­li­chen Pro­gres­sis­mus“), daß der Jesu­it Pierre Teil­hard de Char­din (1881–1955) in den 1950er Jah­ren eine ganz eige­ne „Mes­se“ gefei­ert habe. Er habe kei­nen Altar benutzt, son­dern einen Tisch, und nicht Brot und Wein kon­se­kriert, son­dern die Welt, die Mate­rie, dem „kos­mi­schen“ Gott geopfert.

Pierre Teil­hard de Char­din SJ

Die über­wäl­ti­gen­de Mehr­heit der Jesui­ten unter­stütz­te sei­ne Neue­run­gen, unge­ach­tet der stän­di­gen Ermah­nun­gen des dama­li­gen Pater Gene­rals Jean-Bap­ti­ste Jans­sens (1889–1964), denn sie wuß­ten, daß es bald, sehr bald, ein öku­me­ni­sches Kon­zil geben wer­de, das all die von ihnen gefor­der­ten „Refor­men“ bil­li­gen würde.

Und dann kam die­ses öku­me­ni­sche Kon­zil, das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil (1962–1965), des­sen Haupt­ak­teu­re zwei Jesui­ten waren, der Fran­zo­se Hen­ri de Lubac (1896–1991) und der Deut­sche Karl Rah­ner (1904–1984), Ver­tre­ter jener Nou­vel­le Théo­lo­gie, die Pius XII. 1950 in der Enzy­kli­ka Huma­ni gene­ris ver­ur­teilt hat­te. Die ande­ren pro­gres­si­ven Gelehr­ten stan­den ent­we­der auf der Sei­te von de Lubac, des­sen Strö­mung gemä­ßigt war, oder auf der Sei­te von Rah­ner, des­sen Strö­mung radi­kal war.

Im Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil setz­te sich die Strö­mung von de Lubac durch, denn Johan­nes XXIII. und Paul VI. woll­ten das Depo­si­tum Fidei nicht ändern und auch nicht die Ver­gan­gen­heit ver­leug­nen, son­dern die Kir­che erneu­ern und „moder­ni­sie­ren“, da sie die römi­sche Theo­lo­gie, d. h. die tho­mi­sti­sche Scho­la­stik, für unzu­rei­chend hiel­ten, um der moder­nen Welt zu fol­gen, die sich immer wei­ter vom Chri­sten­tum entfernte.

Johan­nes Paul II. und Bene­dikt XVI. folg­ten die­ser Linie, indem sie zwar die Miß­bräu­che und Exzes­se anpran­ger­ten, aber nicht die Irr­tü­mer ver­ur­teil­ten, weil sie nicht akzep­tie­ren konn­ten, daß eben die­se Irr­tü­mer von dem Kon­zil stamm­ten, an dem sie teil­ge­nom­men und an das sie so sehr geglaubt hat­ten. Das Pro­blem sei nicht das Zwei­te Vati­ca­num, son­dern sei­ne Fehl­in­ter­pre­ta­ti­on durch sei­nen selbst­er­nann­ten „Geist“.

Sind wir aber wirk­lich sicher, daß es nur ein Pro­blem der Her­me­neu­tik war? 

Karl Rah­ner SJ

Paul VI. wand­te eine Her­me­neu­tik der Reform in Kon­ti­nui­tät an, wie alle sei­ne Mitt­wochs­au­di­en­zen von 1968 bis 1978 zei­gen, in denen er das nicht­ka­tho­li­sche Den­ken anpran­ger­te, das dabei war, in der katho­li­schen Kir­che zur Mehr­heits­mei­nung zu werden.

Doch eine 1972 an katho­li­schen Uni­ver­si­tä­ten und Schu­len durch­ge­führ­te Umfra­ge ergab, daß der größ­te Theo­lo­ge aller Zei­ten kein ande­rer als der 68jährige Jesu­it Karl Rah­ner sei. Kaum zehn Jah­re waren seit der Eröff­nung des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils ver­gan­gen und sie­ben Jah­re seit des­sen Abschluß, und nicht nur Tho­mas von Aquin, der gemein­sa­me Leh­rer aller Theo­lo­gen, war ver­ges­sen, son­dern auch der 76jährige Jesu­it de Lubac galt schon als überholt.

Das lag dar­an, daß man es eilig hat­te, sehr eilig. Die Erneue­rer hat­ten fast 200 Jah­re lang auf die­se Ver­än­de­run­gen gewar­tet und konn­ten nicht län­ger war­ten. Es ging um „Refor­men“, die sich die Gesell­schaft Jesu seit Beginn des 20. Jahr­hun­derts zu eigen gemacht hat­te und die sie end­lich durch deren Jesui­ti­sie­rung auf die gan­ze Kir­che zur Anwen­dung brin­gen konn­te. Der Bas­ke Pedro Arru­pe, Gene­ral­obe­rer von 1965 bis zu sei­ner kom­mis­sa­ri­schen Ablö­sung 1981 – und gro­ßer Men­tor von Jor­ge Mario Berg­o­glio –, war der wirk­sam­ste Ver­brei­ter des „Gei­stes des Zwei­ten Vaticanums“.

Nur ein jesui­ti­scher Papst kann die Umset­zung der revo­lu­tio­nä­ren Refor­men des „Kon­zils­gei­stes“ vollenden.

Fran­zis­kus ist der erste Papst, der nicht am Zwei­ten Vati­ca­num teil­ge­nom­men hat, aber er ist der erste, der es gelebt hat. Er inter­es­siert sich nicht für die Her­me­neu­tik des Vati­can­ums, denn sei­ne Absicht ist es, die Ver­lang­sa­mung der Öff­nungs- und Wand­lungs­pro­zes­se, die wäh­rend der Pon­ti­fi­ka­te von Johan­nes Paul II. und Bene­dikt XVI. statt­ge­fun­den hat, wie­der aufzuheben.

Pedro Arru­pe SJ

„Sie sind für mich der Papst mei­ner Träu­me nach dem Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil“, sag­te ein por­tu­gie­si­scher Mit­bru­der zu Papst Fran­zis­kus. Denn so wie der hei­li­ge Pius V. der gro­ße Umset­zer des Kon­zils von Tri­ent war, so ist Fran­zis­kus der gro­ße Umset­zer des Zwei­ten Vaticanums.

Es ist wich­tig, das zu ver­ste­hen, denn man muß akzep­tie­ren, daß die­ses Pon­ti­fi­kat kein Unfall auf dem Weg der Refor­men ist, son­dern viel­mehr des­sen rei­fe Frucht.

Alles, was Papst Fran­zis­kus kürz­lich auf sei­ner Rei­se nach Lis­sa­bon gesagt hat – „alle, alle, alle ein­be­zie­hen“, ohne eine Bekeh­rung zu ver­lan­gen, eine Kir­che mit offe­nen Türen usw. – ist nicht neu, denn er hat schon frü­her dar­über gespro­chen, so zum Bei­spiel 2021, aber er hat es eilig, den Wan­del der Kir­che mit der Syn­oda­li­täts­syn­ode zu voll­enden, denn die Jah­re ver­ge­hen, die Zeit ver­geht, und er möch­te sicher­stel­len, daß sein Nach­fol­ger die­sen Weg fortsetzt.

Aber wie wird die­se neue syn­oda­le und nicht mehr katho­li­sche Kir­che aussehen?

Die Civil­tà Cat­to­li­ca vom 17. Juni schrieb von der Not­wen­dig­keit, „die Drei­fal­tig­keit neu zu gestal­ten“, da in der Ver­gan­gen­heit, auf Kosten des Hei­li­gen Gei­stes, zuviel Gewicht auf Chri­stus gelegt wor­den sei.

Und Anto­nio Spa­da­ro, der Schrift­lei­ter der Civil­tà Cat­to­li­ca, behaup­te­te in einem Kom­men­tar zum Evan­ge­li­um vom 20. August, der von der Tages­zei­tung Il Fat­to quo­ti­dia­no abge­druckt wur­de, daß Jesus wegen sei­ner Stren­ge an der kanaa­näi­schen Frau „sün­dig­te“, indem er auf der Leh­re beharr­te, sich dann aber „bekehr­te“ und erkann­te, daß die Men­schen wich­ti­ger sind als die Theologie.

Da nur weni­ge den Deka­log, das gött­li­che Gesetz, in vol­lem Umfang leben könn­ten – das hat auch der Papst gegen­über sei­nen por­tu­gie­si­schen Mit­brü­dern im Jesui­ten­or­den bekräf­tigt –, müs­se dies die Kir­che zur Kennt­nis neh­men und jene ein­be­zie­hen, die nach ihren Mög­lich­kei­ten leben, ohne sie zu beschul­di­gen, Sün­der zu sein. Wie es auch der ver­mensch­lich­te Jesus von Spa­da­ro & Co. getan habe.

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Wiki­com­mons

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Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

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2 Kommentare

  1. Das ist wohl der Wesens­kern: Eine Eman­zi­pa­ti­on vom Chri­sten­tum. Man über­win­det die Gebun­den­heit an das Wort Got­tes, selbst die an Chri­stus – und defi­niert dies als Fort­schritt des ver­hei­ße­nen Hei­li­gen Gei­stes. Und so wird auch die Tra­di­ti­on gele­sen, die die Katho­li­schen von den Evan­ge­li­schen unter­schei­det: Man beharrt nicht auf das Wort Got­tes, son­dern schreibt es fort. Im dop­pel­ten Wortsinne.

  2. Ich fra­ge mich nur: Wenn die­se Kir­che, die jetzt auf uns zuzu­kom­men scheint, nicht mehr die katho­li­sche Kir­che ist, was machen wir dann? In Kon­se­quenz wür­de das das doch bedeu­ten, dass wir Katho­li­ken im deutsch­spra­chi­gen Raum aus der Kir­che aus­tre­ten – ande­re Katho­li­ken kön­nen das ja gar nicht – und dass wir uns unter einem neu­en Papst, der dann natür­lich ein Gegen­papst zum in Rom regie­ren­den Papst wäre, als wah­re katho­li­sche Kir­che neu for­mie­ren? Die eben­falls zir­ku­lie­ren­de Vor­stel­lung, dass der Papst in Rom zwei Kir­chen vor­stün­de, näm­lich der katho­li­schen und einer im Grun­de aka­tho­li­schen „syn­oda­len“ und die­se in „Per­so­nal­uni­on“ lei­tet ist ein rei­nes Gedan­ken­ge­bäu­de, das sich schlicht­weg nicht rea­li­sie­ren lässt. – „Rom wird den Glau­ben ver­lie­ren und Sitz des Anti­christs wer­den“, so heißt es in La Salet­te und die Vor­bo­ten davon erle­ben wir ja heu­te bereits. Ich bin über­zeugt: Es geht jetzt Schlag auf Schlag in den näch­sten Jah­ren. – Aber: Wir brau­chen Lösun­gen. Ich selbst möch­te z.B. nicht in einer häre­tisch-syn­oda­len Kir­che sein, und wenn ihr hun­dert­mal der legi­ti­me Papst vor­steht. Ich bestehe als katho­li­scher Christ auf eine katho­li­sche Kir­che und einen katho­li­schen Papst – nicht auf einen jesui­ti­schen und auch nicht auf einen syn­oda­len, son­dern auf einen wah­ren Nach­fol­ger Petri, der für die Kon­ti­nui­tät steht und nicht für die Ideen eines Pedro Arru­pe! Die Sache ist ver­trackt, ich möch­te sagen: teuf­lisch ver­trackt, und im Grun­de könn­te sie nur der näch­ste Papst lösen – oder aber die Kir­che end­gül­tig in die Spal­tung trei­ben, dann ver­mut­lich mit zwei Päpsten.

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