
Von Wolfram Schrems*
Der Fisch beginnt bekanntlich am Kopf zu stinken. Der Scholastiker sagt dazu: Corruptio optimi pessima. Das Schlimmste passiert, wenn das Beste verdirbt. Diese zeitlose Erkenntnis wird durch die kirchengeschichtlichen Ereignisse der letzten Jahre und Jahrzehnte in überreichem Ausmaß bestätigt. Über die beiden in der Person von Papst Franziskus vereinigten Katastrophen des Niederganges von Papsttum und Jesuitenorden haben wir auf dieser Seite schon ausführlich gehandelt.
Aus aktuellem Anlaß, nämlich wegen der von Papst Franziskus betriebenen Pedro-Arrupe-Nostalgie und ‑Renaissance („Seligsprechung von Pedro Arrupe und seines Kurses“, „Pedro Arrupe war ein Prophet“ , „Wir müssen zu Pedro Arrupe zurückkehren“), soll nun in diesem Zusammenhang ein Schlaglicht auf einen Verantwortlichen dieses Niedergangs geworfen werden.
Rundheraus gefragt:
Kann eine Ordensgemeinschaft dermaßen kollektiv verblendet sein, daß sie den Hauptverantwortlichen für ihren eigenen Niedergang seligsprechen lassen will?
Offensichtlich ja.
Der Jesuitenorden geriet unter dem Generalat von Pedro Arrupe in den Jahren 1965 bis 1981 (im Selbstverständnis des Ordens bis 1983) in eine schwere Verwirrung, brach mit dem überkommenen Glauben und den bewährten Ordensgebräuchen und paßte sich inhaltlich der Welt und ihren Torheiten an. Innerhalb weniger Jahre nach dem Amtsantritt von P. Arrupe verlor der Orden tausende Mitglieder. Mittlerweile fiel die Anzahl der Mitglieder von ihrem Höchststand 1965, nämlich 36.038, auf derzeit 14.839 Mitglieder1.
Der Orden ist ein geradezu gnadenloser Propagandist aller maßgeblichen New-World-Order-Ideologien geworden: Klimahysterie, „Diversität“ und Homosexualität, Coronamaßnahmen, Migration und Apotheose des „Flüchtlings“, interreligiöser Synkretismus.
Eine unzweideutig katholische Botschaft kann anhand der Konsultation rezenter Jesuitenpublikationen nicht erkannt werden, nur mehr Versatzstücke des überlieferten Glaubens und der ignatianischen Spiritualität. Diese werden in ein neues ideologisches System eingebaut. Offenkundig wurde hier der satanistische Imperativ Solve et coagula in die Praxis umgesetzt.
Pedro Arrupe ist für das Desaster seiner Regierungszeit und der dort vollzogenen Richtungsänderungen im Orden klarerweise der Hauptverantwortliche. Er trägt für die Katastrophen der darauffolgenden Zeit ebenfalls Verantwortung, da seine Weichenstellungen natürlich Auswirkungen über seine Regierungs- und Lebenszeit hinaus hatten und immer noch haben.
Diesen stellt Papst Franziskus nun als Vorbild dar, diesen wollen die Jesuiten tatsächlich seligsprechen lassen.
Freilich steht dieser Aberwitz in einem größeren Zusammenhang:
Verwirrung in der Societas Jesu und in der Kirchenhierarchie
Diese Verblendung ist evidenterweise nicht auf den Jesuitenorden beschränkt, genausowenig wie die regelrechte Zelebration dieser Verblendung. Die Kirchenhierarchie macht es vor: Ohne Rücksicht auf die Realität werden das Zweite Vaticanum und die fälschlich so genannte „Liturgiereform“ gefeiert, immer wieder und wieder, pausenlos gibt es Gedenkveranstaltungen, alle möglichen Jahrestage werden zum Feiern herangezogen, permanent werden irgendwelche Symposien abgehalten, euphorische Publikationen aller Art erscheinen, es ist geradezu irre.
Aber dabei bleibt es nicht: Die Umsetzung dieser sich als desaströs erweisenden Konzepte wird neuerdings mit drakonischen Maßnahmen erzwungen, besonders in der Liturgie. Daß der Erzwinger dieses Wahnsinns ausgerechnet ein aus dem Jesuitenorden stammender Papst ist, macht die innere Verbindung von Kirche und Gesellschaft Jesu deutlich – im Guten wie im Schlechten. Diese Art der Apokalypse hätte man sich noch vor zehn Jahren nicht vorstellen können. Aber es wird derzeit offenbar (apokalýptein, „entschleiern“), was sich schon länger im Untergrund vorbereitet hat, in der Kirche und im Jesuitenorden.
Die Wahrheit muß ans Licht
Diesem Themenkomplex wollen wir eine Serie widmen. Es geht um die Kirche, um die Wahrheit, um die Seelen und um die Ehre Gottes. Daher soll halbwegs weit ausgeholt werden. Wir werden das alles so ausführlich behandeln, wie es einer qualitätsvollen katholischen Nachrichtenseite angemessen ist, ausführlicher als eine Streitschrift, aber keine universitäre Publikation.
Die Ausführungen gliedern sich in loser Folge in mehrere Teile:
Zuerst wird ein Überblick über das Leben und Wirken von Pater Arrupe geboten. Ein folgender Teil betrachtet einige besonders augenscheinliche Auswirkungen von dessen Politik auf Orden und Kirche. Sodann thematisieren wir das Verhältnis des Jesuitengenerals zu den Päpsten. Dabei ist es wichtig zu verstehen, daß in einem hierarchischen System selbstverständlich der an der Spitze Stehende die höchste Verantwortung trägt. Mit anderen Worten: Die Jesuiten sind an ihrem Unglück nicht ausschließlich selbst schuld, Weichenstellungen von Päpsten und des II. Vaticanums hatten bereits ein Klima der Verwirrung in der Gesamtkirche erzeugt.2
Und schließlich werden wir über die Politik der Heiligsprechungen nach der Veränderung des Procedere im Jahr 1983 räsonieren und nachdenken, wie traditionsorientierte Katholiken mit den neuen Seligen und Heiligen umgehen sollen. Klar ist, daß Selig- und Heiligsprechungen nach dem neuen Usus und unter den ideologischen Vorzeichen des Progressismus sowie unter der Mitwirkung negativer Kräfte innerhalb der Kirche nicht dieselbe Qualität haben können wie davor.
Heiligsprechungen sind auch zum unverschämt eingesetzten kirchenpolitischen Mittel durch genau diese negativen Kreise innerhalb der Kirchenstrukturen geworden. Das betrifft besonders die skandalöse Kanonisierung beider Konzilspäpste, Johannes‘ XXIII. und Pauls VI. Letzterer stand in starkem Antagonismus zum Generaloberen der Jesuiten. Papst Montini, Zerstörer der Liturgie und Verwirrer der Doktrin, genehmigte trotz der Spannungen mit P. Arrupe tatsächlich die revolutionären Beschlüsse der 32. Generalkongregation der Gesellschaft Jesu (1975) und trug so zum weiteren Verfall von Jesuitenorden und Kirche bei. Die Heiligsprechung von Papst Paul VI. ist unverständlich und ein Ärgernis und wurde vom gläubigen Volk, oder was davon noch übrig ist, auch nicht rezipiert.

Biographisches zu P. Arrupe
Seit bereits gut drei Jahren läuft der Prozeß für die Seligsprechung und Heiligsprechung des 28. Generaloberen der Gesellschaft Jesu, Pater Pedro Arrupe y Gondas. Der Prozeß wurde am 11. Juli 2018 angekündigt und am 5. Februar 2019, dem 28. Jahrestag des Todes von P. Arrupe, eröffnet.3
Arrupe wurde am 14. November 1907 in Bilbao/Bilbo im spanischen Baskenland geboren. Im Jahr 1923 begann er ein Medizinstudium. Bei einem dreimonatigen Aufenthalt in Lourdes wurde er Augenzeuge dreier medizinisch unerklärlicher Heilungen. Das wurde ihm zum Berufungserlebnis. Er setzte das Medizinstudium nicht fort, sondern trat 1927 in die Gesellschaft Jesu ein und absolvierte die ordensüblichen Studien in den Niederlanden, Belgien und den USA, wo er 1936 zum Priester geweiht wurde.
Danach wurde er nach Japan versetzt. Arrupe, der bereits mehrere Sprachen beherrschte, erlernte das Japanische in einer solchen Perfektion, daß er mehrere Bücher auf japanisch verfaßte. Er wurde den Japanern ein Japaner. Nach dem Kriegseintritt Japans 1941 wurde er wegen Spionageverdachts von der Geheimpolizei einem siebenunddreißigstündigen Verhör unterzogen und rechnete mit seiner Hinrichtung. Er wurde aber nach kurzer Gefangenschaft freigelassen. In Hiroshima wurde er im Jahr 1942 Novizenmeister und Superior.
Das US-Kriegsverbrechen des Atombombenabwurfs am 6. August 1945 überstanden die Jesuiten so gut wie unbeschadet, weil ihre Residenz hinter einem schützenden Hügel lag.
Arrupe war aufgrund seiner medizinischen Ausbildung befähigt, wirksam den Opfern sofort zu helfen. Er schickte alle Untergebenen als Sanitäter aus. Die Jesuitenresidenz wurde zum Behelfshospital. Dieser Akt der Nothilfe wurde ihm und den Jesuiten von den Japanern hoch angerechnet.

1958 wurde er zum ersten Provinzial der japanischen Provinz. Dieses Amt übte er bis zu seiner Wahl zum Generaloberen aus.
Das wird im nächsten Teil behandelt.
*Wolfram Schrems, Wien, Mag. theol., Mag. phil., Katechist, Pro-Lifer, reiche Erfahrungen mit der Gesellschaft Jesu.
Bild: Gesuit Global/Jesuitas/MiL (Screenshots)
1 Nach jesuiten.org, „Stand 01/2021“. Etwas weiter unten ist jedoch die noch niedrigere Zahl von 14.439 angegeben. Eingesehen am 22.10.2022.
2 Wie sehr die Freimaurerei innerhalb der Kirchenhierarchie erfolgreich Zersetzungsarbeit betrieben hat, wird durch einen ganz aktuellen Artikel auf Lifesitenews (20. Oktober) dargelegt. Dieser Aufsatz bietet eine Zusammenschau bekannter Indizien (Anweisung der Alta Vendita, Pecorelli-Liste) und Untersuchungen (Kardinal Gagnon, Forschungen von Don Luigi Villa) dieser Zersetzungsarbeit. Ganz aktuell ist auch das Interview, das Dr. Taylor Marshall mit dem Exorzisten P. Chad Ripperger führte (19. Oktober). In diesem Gespräch sagt der Exorzist, daß nach seinen Informationen ein satanistisches Ritual im Vatikan, wie es Malachi Martin in Windswept House darstellt, mit höchster Wahrscheinlichkeit stattgefunden hat. Man kann ergänzen: Nach dem Prinzip vom zureichenden Grund fordert die gegenwärtige Katastrophe von Kirche und Welt geradezu eine bewußte und explizite, in einen ausdrücklichen Akt gegossene Auflehnung gegen Gott.
3 Die folgenden Ausführungen berücksichtigen besonders Malachi Martin, The Jesuits – The Society of Jesus and the Betrayal of the Roman Catholic Church (1987).
In der Reihe bisher erschienen:
Fußnote 2 des Artikels spricht die Frage nach einer Unterwanderung der katholischen Kirche durch die Freimaurerei an und nennt Quellen, die dieses Thema näher beleuchten. Ergänzend sei auf ein kürzlich hier auf „katholisches.info“ publiziertes Interview mit Alice von Hildebrand hingewiesen (https://katholisches.info/2022/09/09/beim-abriss-anwesend/). Gegenstand dieses nach wie vor aktuellen Interviews aus dem Jahre 2001 mit dem bezeichnenden Titel „Beim Abriß anwesend“ ist die nachkonziliare Kirchenkrise. Dabei kommt Frau von Hildebrand, die im vergangenen Januar verstorbene Witwe des Philosophen Dietrich von Hildebrand, auch auf die Einschleusung von Kommunisten und Freimaurern in die Kirche zu sprechen.
Die gewaltige Implosion des Jesuitenordens direkt nach dem Konzil (von 1965 bis 1967 verließen etwa ein Drittel der damaligen Jesuiten den Orden) ist unmöglich nur allein auf Pedro Arrupe SJ zurückzuführen. Fast nichts wurde in dieser Hinsicht gesagt oder geschrieben über Arrupes direkten Vorgänger, P. Jean-Baptiste Janssens SJ (1889–4. Oktober 1964). Pater Provinzial der belgischen Provinz mit besten Verbindungen zum dortigen Episkopat, sehr gut bekannt und eng befreundet mit Léon Suenens (damals Sekretät von Kardinal Van Roey, später selbst Kardinal und „Moderator“ beim Konzil) und mit A. Charrue (biblische Sprachen, Neutestamentler, später Bischof von Namur und Hauptverfasser von Dei Verbum und Lumen Gentium), ab 1942 Pater-General der Jesuiten mit Sitz in Rom und allerbester Vernetzung im Vatikan, führte er den Jesuitenorden von 1942 bis 1964. Unter ihm erreicht der Jesuitenorden seinen personellen Höchststand, werden die revolutionären und nicht selten ketzerischen Gedankenströmungen nach außen abgeschirmt, gegen harte Maßnahmen geschützt und zu gleicher Zeit das katholische Kirchenvolk in Ruhe gewiegt.
Die „Qualität“ der jungen Jesuiten im Jahr 1960 untertraf jegliche Tiefrekorde. Besonders frappierend das Schicksal der „Schweizer Provinz“ (aus historischen Gründen lange verboten und immer schwach): Der damalige noch recht junge Provinzial verlegte den Schweizer Stammsitz elegant komplett nach Rom, wo er dort mit einigen jungen Sekretaressen eine lustige Kommun(intät)e führte. Das ganze Ding wurde (obwohl intern bekannt, komplett totgeschwiegen) verblüfft von der deutschen Wochenzeitschrift Der Spiegel entdeckt und in allen Details beschrieben. Der Jesuitenorden war schon lange vor Arrupe morsch – gerade deshalb konnte unter Arrupe die weitere Zersetzung so schnell gehen.
Ich habe zwei ernsthafte Fragen zu denen ich eine Antwort erbitte:
Ist es richtig, daß jeder Jesuit dem jeweiligen Jesuitengeneral z absolutem Gehorsam verpflichted ist?
Ist ein Jesuit, der zum Papst gewählt wurde dann auch weiter seinem Ordensgeneral zu absolutem Gehorsam verpflichtet?