In seinem Interview mit den zehn Chefredakteuren der europäischen Jesuitenzeitschriften, das in Auszügen heute in der italienischen Tageszeitung La Stampa veröffentlicht wurde, nahm Papst Franziskus nicht nur zum Ukrainekrieg, der NATO und dem Dritten Weltkrieg Stellung, sondern auch zu innerkirchlichen Fragen. Dabei kritisierte er die „restaurativen“ Kräfte, denn die Früchte des Zweiten Vatikanischen Konzils seien nur durch einen „neuen Blick“ auf die Dinge zu erkennen.
Im Zuge des Zweiten Vatikanischen Konzils wurden für die Kirche eine strahlende Zukunft vorhergesagt und blühende Kirchenlandschaften versprochen. Ein „neuer Frühling“ für die Kirche wird seither zwar fleißig behauptet, doch mit einem seit 1965 andauernden Problem: Die strahlende Zukunft, die blühenden Landschaften und der neue Frühling sind nirgends zu sehen.
Für dieses offensichtliche Defizit der Konzils-Interpretation bietet Papst Franziskus in seinem Interview eine „innovative“ Lösung an. Wenn man die großartigen Errungenschaften des jüngsten Konzils nicht erkenne, dann liege es nicht daran, daß es sie nicht gibt, sondern am Betrachter, der falsch hinschaue. Man müsse den Blickwinkel ändern, und schon…
„Die Restauration hat das Konzil geknebelt“
Auf die Frage der Schriftleiter, ob er eine „spirituelle Erneuerung in der Kirche“ erkennen könne, sagte Franziskus:
„Es ist sehr schwierig, eine geistige Erneuerung mit sehr veralteten Schemata zu sehen. Wir müssen unsere Art, die Realität zu sehen und zu bewerten, erneuern. In der europäischen Kirche sehe ich die Erneuerung eher in den spontanen Dingen, die entstehen: Bewegungen, Gruppen, neue Bischöfe, die sich daran erinnern, daß ein Konzil hinter ihnen liegt. Denn das Konzil, an das sich manche Hirten am besten erinnern, ist das Konzil von Trient. Und das ist kein Unsinn, was ich sage.“
Der zweite Teil seiner „Lösung“ ist deutlich weniger innovativ und vor allem nicht originell. Er stellt ein Mantra der Konzilsverfechter dar. Laut Franziskus sind demnach am Zusammenbruch, den die Kirche in Teilen Westeuropas erlebt, nicht das Konzil und seine Apologeten schuld, sondern vorkonziliare Kräfte, die nicht etwa im 19. Jahrhundert, im Geist des Ersten Vatikanischen Konzils, sondern, weit schlimmer, noch immer im Geist des Konzils von Trient, also im 16. Jahrhundert, leben.
Franziskus weiter:
„Die Restauration ist soweit gegangen, das Konzil zu knebeln.“
Die Anzahl von „restaurativen Gruppen“ sei „wirklich beeindruckend“. Besonders in den USA gebe es davon viele.
„Ein argentinischer Bischof erzählte mir, daß er gebeten wurde, eine Diözese zu verwalten, die in die Hände dieser ‚Restauratoren‘ gefallen war. Sie hatten das Konzil nie akzeptiert.“
Es gebe Ideen und Verhaltensweisen, so Franziskus, die aus einer restaurativen Haltung erwachsen, die letztlich das Konzil nicht akzeptiert habe:
„Das genau ist das Problem: daß in einigen Kontexten das Konzil noch nicht akzeptiert wurde.“
Warum es aber so lange dauere, bis die Früchte des Zweiten Vatikanischen Konzils allgemein erkennbar seien, erklärt Franziskus wie folgt:
„Es ist auch wahr, daß es ein Jahrhundert braucht, damit sich ein Konzil einwurzelt. Wir haben noch 40 Jahre, um es Fuß fassen zu lassen, also!“
Eines steht damit schon fest: Von den lautstarken Konzilsinterpreten, die falsche Weichenstellungen zu verantworten haben, wird dann niemand mehr am Leben sein, von den Konzilsvätern ohnehin zu schweigen. Der letzte Konzilsvater aus dem deutschen Sprachraum ist 2014, der letzte anglophone Konzilsvater im vergangenen Februar verstorben. Der letzte italienische Konzilsvater, Msgr. Luigi Bettazzi, seit 1999 emeritierter Bischof von Ivrea und einziger noch lebender Unterzeichner des Katakombenpaktes von 1965, lebt hingegen noch. Bettazzi war es, der Papst Franziskus im Sommer 2020 als „Sohn des Zweiten Vatikanischen Konzils“ bezeichnete. Mehr noch:
„Mit der Wahl von Bergoglio habe ich die programmatische Krönung des Konzils gesehen, an dem ich teilgenommen habe.“
Aus geistlicher Sicht ist natürlich nicht das Urteil der Menschen entscheidend, sondern das Gottes. Dennoch scheint ein Mißverständnis vorzuliegen: Eine bewußt vertröstende Projektion, in eine sich jeder vernünftigen Überprüfung entziehenden Zukunft, zur Rechtfertigung konkreter Entscheidungen und Urteile ist wohl nicht damit gemeint, wenn die Kirche lehrt, auf die göttliche Vorsehung zu vertrauen.
Franziskus entschuldigt die Verirrung, weshalb die Kirche nicht im Frühling, sondern im Winter gelandet ist, in dem Interview also auf zweierlei Weise. Verantwortlich dafür sind für ihn im 16. Jahrhundert stehengebliebene restaurative Kräfte, die eine Umsetzung des Zweiten Vatikanischen Konzils verhindert haben, und die Tatsache, daß es mindestens hundert Jahre brauche, bis die Früchte eines Konzils wirklich sichtbar werden. Wir wollen kurz nachrechnen: Demnach wären die Früchte des vom Papst herangezogenen Konzils von Trient frühestens 1663 und jene des Ersten Vatikanischen Konzils frühestens 1970 erkennbar geworden. Warum wurde dann von Johannes XXIII. bereits 1961 ein neues Konzil einberufen? Würgte er damit nicht ein Konzil ab, ehe es fruchtbar werden konnte?
Aber wir wollen rechnerische Nachsicht walten lassen, denn, so Franziskus, es gebe durchaus „Zeichen der Erneuerung“. Allzuviel kommt dem Papst dann aber dazu nicht in den Sinn. Es gebe Gruppen, die „Sozialhilfe“ leisten, denn sie würden der Kirche „ein neues Gesicht“ geben. „Die Franzosen sind sehr kreativ darin.“
„Heute geschieht das gleiche durch die Traditionalisten“
Dann wechselt Franziskus schnell zurück zu den vorhergehenden Ausführungen, um in einer neuen Variante jene angeblich das Zweite Vaticanum abwürgenden Kräfte an den Pranger zu stellen. Dabei bricht er eine Lanze für einen einflußreichen Gestalter der Nachkonzilszeit, den damaligen Jesuitengeneral P. Pedro Arrupe.
Arrupe, ein Baske wie der Ordensgründer Ignatius von Loyola, versuchte im Windschatten des Zweiten Vatikanischen Konzils eine Allianz zwischen Christentum und Sozialismus zu schmieden und gehörte zu den frühen Förderern von Jorge Mario Bergoglio. Arrupe war es, der Bergoglio 1973 zum Ordensprovinzial in Argentinien ernannte.
Arrupes Bestrebungen führten zu einem beispiellosen Niedergang des Jesuitenordens, bis Johannes Paul II., bald nach seiner Wahl, die Handbremse zog und ihn entmachtete. Was dem polnischen Papst von vielen Jesuiten nie verziehen wurde. Unter Franziskus gibt es seit einigen Jahren Bemühungen, Arrupe für seine Zertrümmerung zu den Altären zu erheben. Im Mai betete Franziskus in der römischen Mutterkirche des Ordens am Grab Arrupes. So hatte er es ein erstes Mal bereits im Sommer 2013 getan. Indem Franziskus Arrupe im heute veröffentlichten Interview als „Heiligen“ anspricht, nahm er die offensichtlich bevorstehende Kanonisierung des Jesuitengenerals vorweg.
Zu den Schriftleitern der europäischen Jesuitenzeitschriften sagte er:
„Ihr wart noch nicht geboren, aber ich war 1974 Zeuge des Leidensweges des Generaloberen P. Pedro Arrupe in der XXXII. Generalkongregation. Zu jener Zeit kam es zu einer konservativen Reaktion, um die prophetische Stimme Arrupes zu blockieren! Heute ist dieser General für uns ein Heiliger, aber er mußte viele Angriffe erdulden. Er war mutig, weil er es wagte, den Schritt zu setzen. Arrupe war ein Mann von großem Gehorsam gegenüber dem Papst. Einem großen Gehorsam. Und Paul VI. verstand das. Die beste Abhandlung, die je ein Papst an die Gesellschaft Jesu gerichtet hat, ist jene, die Paul VI. am 3. Dezember 1974 schrieb. Er hat sie mit der Hand geschrieben. Die Originale sind vorhanden. Der Prophet Paul VI. hatte die Freiheit, sie zu schreiben. Auf der anderen Seite unterstützten Personen, die auf irgendeine Weise mit der Kurie verbunden waren, eine Gruppe spanischer Jesuiten, die sich für die echten ‚Rechtgläubigen‘ hielten und sich Arrupe widersetzten. Paul VI. hat sich an diesem Spiel nie beteiligt. Arrupe hatte die Fähigkeit, den Willen Gottes zu erkennen, verbunden mit kindlicher Schlichtheit dem Papst zu folgen.“
Ein spanischer Jesuit, der überall „Schwierigkeiten machte“, habe ihm seinerzeit in Argentinien gesagt, er, Bergoglio, verstehe nichts: Arrupe sei schuld, und er freue sich schon, wenn dieser am Petersplatz am Galgen baumeln werde. Franziskus sagt nicht, was für ein dummes Geschwätz das war, da auf dem Petersplatz noch nie ein Galgen stand. Franziskus benutzt vielmehr die ungewöhnliche Anekdote, um zu zeigen, wie grausam die „restaurativen“ Kräfte in der Nachkonzilszeit gewesen seien, und um einen Brückenschlag in die Jetztzeit zu machen:
„Dasselbe geschieht erneut, vor allem durch die Traditionalisten. Deshalb ist es wichtig, diese Gestalten [wie Arrupe], die das Konzil und die Treue zum Papst verteidigt haben, zu retten. Wir müssen zu Arrupe zurückkehren: Er ist ein Licht jenes Augenblicks, das uns alle erleuchtet.“
Text: Giuseppe Nardi
Bild: MiL/Avvenire/Vatican.va (Screenshots)
Es wird Zeit, daß diese Generation in Rente geht.
Die Gruppe glaubenstreuer spanischer Jesuiten, ohnehin nicht sehr viele, wurde sehr schlecht behandelt. Nach Malachi Martin, The Jesuits, wurde jeder einzelne von P. Arrupe und dessen Mitarbeitern besucht und zur Schnecke gemacht. DAS war der großartige Dialog.
Daß Arrupe bei der 32. Generalkongregation viel gelitten hätte („Leidensweg“), wie Franziskus sagt, kann sein oder auch nicht. Viel mehr gelitten haben diejenigen immer noch glaubenstreuen Jesuiten, denen man ideologische Neuerungen aufgenötigt hat. Besonders das Schlagwort „Einsatz für Gerechtigkeit“ hatte immer eine „linke“ Konnotation.
Viele Jesuiten traten aus (wobei manche ihr Priesteramt anderswo weiterführten).
Übrigens gelangten die Jahrbücher der SJ „Jesuiten – Die Gesellschaft Jesu in der Welt“ von 2021 und 2022 dieser Tage in meinen Besitz. Masken, Masken, Masken, fast alle Photos mit den idiotischen Masken. Und natürlich Impfen, Corona, Flüchtlinge, Klima – knallhart. Die Gesellschaft Jesu wurde zum verlängerten Arm der Oligarchen. Deren Agenda wird mit etwas religiösem Zuckerguß garniert.
Aber dieser Baum ist tot.
Dieser Baum nennt sich UN und schön wäre es, wenn er keine Auswüchse mehr treibt. Aber hieß es nicht noch kürzlich aus dem Vatikan, dass sie mit der UN eines Sinnes seien?
Irrtum, Heiliger Vater! Wir müssen zur katholischen Tradition zurückkehren. Tradition mit Zukunft!