
Von Roberto de Mattei*
Das geheime Testament des Zweiten Vatikanischen Konzils ist öffentlich und offiziell geworden. Am 20. Oktober 2019 wurde in den Katakomben von Domitilla der „Pakt für eine dienende und arme Kirche“ feierlich erneuert, der am 16. November 1965 von 42 Konzilsvätern wenige Wochen vor dem Abschluß der Kirchenversammlung geschlossen worden war.
Msgr. Luigi Bettazzi, emeritierter Bischof von Ivrea, der einzige noch lebende Unterzeichner des Katakombenpakts, gab bekannt, daß der Text von 1965 von Msgr. Helder Camara (1909–1999), Erzbischof von Olinda und Recife, verfaßt worden war, der ihn allerdings am 16. November nicht unterzeichnete, weil er damals durch ein Treffen zur Schlußfassung von Gaudium et Spes, dem vielleicht bedeutendsten Dokument des Zweiten Vatikanischen Konzils, verhindert war .
Seit Beginn des Konzils hatte Msgr. Camara ein eisernes Bündnis mit Kardinal Suenens geschlossen, dem er in seiner Korrespondenz mit dem verschlüsselten Namen „Pater Miguel“ anredete. Seitdem war das Duo Camara-Suenens einer der „verborgenen“ Motoren der Konzilsversammlung. Helder Camara bezeichnete Suenens zu Beginn der zweiten Sitzungssession als „Schlüsselfigur des Konzils, die sich des direkten und persönlichen Vertrauens des Heiligen Vaters sicher ist“. Indem er den zurückgelegten Weg der ersten Sitzungssession hervorhob, schrieb er, daß der belgische Kardinal nicht zu Unrecht als „Weltführer des Progressismus“ bezeichnet wird. „Auf dem Konzil ist er mein Anführer“, schrieb der brasilianische Bischof in einem Rundschreiben an seine Gläubigen.
Die beiden trafen sich jeden Tag und teilten sich die Aufgaben auf, Suenens in der Konzilsaula, Camara draußen, auf den außerkonziliaren Korridoren.
„Während der vier Sitzungssessionen“, so erinnern sich seine Biographen, „ergirff Dom Helder nicht einmal in den Plenarversammlungen das Wort, aber er leistete ganze Arbeit als ‚graue Eminenz‘ bei der Planung dessen, was er selbst das ‚heilige Komplott‘ nannte, um in die Agenda der Konzilsarbeiten das Problem des Elends in der Welt und das der unterentwickelten Staaten hineinzubringen, und um einem Reformprozeß innerhalb der katholischen Kirche Auftrieb zu geben.“
Paul VI. protegierte Msgr. Camara und ernannte ihn zum Erzbischof von Olinda und Recife. Nach seiner Ernennung beruhigte er ihn mit den Worten: „Keine Sorge. Es ist offensichtlich, daß auf ihrem Kopf die Hand Gottes ruht. Die Vorsehung ist greifbar geworden“.
„Es ist nicht Sache des Konzils, alles zu sagen – sagte Msgr. Camara in den letzten Tagen des Zweiten Vatikanischen Konzils. Es gibt implizite Aussagen, die wir explizit machen müssen.“
Alle Zitate stammen quellengestützt aus meinem Buch Das Zweite Vatikanische Konzil – Eine bislang ungeschriebene Geschichte, 5. Aufl., Bobingen 2019.
Nach dem Ende des Konzils bot Jacques Lannoye (1915–1999), ein mit Suenens befreundeter belgischer Industrieller, im Namen einer Gruppe von Freunden dem Kardinal und Msgr. Helder Camara die finanzielle Unterstützung an, um die „heilige Flamme“ des Konzils nach seinem Ende am Leben zu erhalten.
Das sind die Ursprünge der Befreiungstheologie in Lateinamerika.
Unter jenen, die den Katakombenpakt unterstützten, war Kardinal Giacomo Lercaro (1891–1976), Erzbischof von Bologna. Sein Name scheint ebenfalls nicht unter den Unterzeichnern auf, aber er wurde von Msgr. Bettazzi vertreten, seinem Weihbischof. Der theologische Berater von Kardinal Lercaro war Don Giuseppe Dossetti (1913–1996). Die Beziehungen zwischen Dossetti und Lercaro sind analog zu denen, die Camara mit Suenens verbanden. Beide waren militante Progressive. Dossetti, ein geschickter, intellektueller Organisator, war der Vater der „Schule von Bologna“, der Denkfabrik der europäischen Ultraprogressismus. Camara, ein politischer Aktivist, ist der wirkliche Vater der Befreiungstheologie, aus der die Promotoren des neuen Katakombenpakts vom 20. Oktober hervorgegangen sind: Kardinal Claudio Hummes, Msgr. Erwin Kräutler und P. Oscar Beozzo, Historiker und Biograph von Camara. Die Zeremonie von 1965 wurde von Msgr. Charles-Marie Himmer (1902–1994), Bischof von Tournai (Belgien) geleitet; jene von 2019 von Kardinal Hummes, der von Papst Franziskus zum Generalredner der Amazonassynode ernannt wurde. Bei der Zelebration der „Eucharistie des Pakts“ in den Domitilla-Katakomben, die von den Teilnehmern als „ein Akt der kosmischen Liebe“ bezeichnet wurde, trug Kardinal Hummes die Stola von Msgr. Camara, dem er sehr ergeben ist.
Das Dokument, das im unterirdischen Friedhof der Via Ardeatina von Bischöfen und Laien unterschrieben wurde, unter ihnen die Organisatoren der blasphemischen Ausstellung „Amazonien, das Gemeinsame Haus“ in der Kirche Santa Maria in Traspontina, ist ein Text mit fünfzehn Punkten und dem Titel: „Pakt der Katakomben für das gemeinsame Haus . Für eine Kirche mit amazonischem Gesicht, arm und dienend, prophetisch und samaritanisch“ . Der sozialpolitische Pakt der 1960er Jahre wurde zum sozialkosmischen Pakt der Ära Greta Thunberg.
Die Unterzeichner bekennen sich zur Verpflichtung, “ für eine integrale Ökologie zu kämpfen , in der alles miteinander verbunden ist, die Menschheit und die gesamte Schöpfung, weil alle Wesen Töchter und Söhne der Erde sind, und der Geist Gottes über ihnen schwebt (1. Mose 1,2)“ (Nr. 2), um „in unseren Kirchen die Option für die Armen, insbesondere für die ursprünglichen Völker, zu erneuern und zusammen mit ihnen das Recht zu garantieren, Protagonisten in der Gesellschaft und in der Kirche zu sein „(Nr. 4), und „daher in unseren Pfarreien, Diözesen und Gruppen jede Art von Kolonialmentalität aufzugeben und kulturelle, ethnische und sprachliche Vielfalt in einem respektvollen Dialog mit allen spirituellen Traditionen zu begrüßen und wertzuschätzen“ (Nr. 5) .
Das ist keine reine Gedenkveranstaltung, sondern der letzte Akt eines Prozesses, der mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil beginnt und im Aufstieg von Jorge Mario Bergoglio auf den Papstthron gipfelt. Am 21. März 2013, eine Woche nach seiner Wahl, erhielt Papst Franziskus von dem argentinischen Aktivisten Adolfo Pérez Esquivel, einem Anhänger der marxistischen Diktatoren Fidel Castro, Nicolas Maduro und Hugo Chavez, ein Exemplar des Katakombenpakts. Am 8. Juli 2014 veröffentlichte Leonardo Boff einen Artikel mit dem Titel „El pacto de las catacumbas vivid por el Papa Francisco“ (Der Katakombenpakt lebt durch Papst Franziskus), in dem er den Katakombenpakt von 1965 vollständig veröffentlichte und mit den Worten abschloß:
„Sind das nicht genau die von Papst Franziskus präsentierten Ideale?“
Am 14. November 2015 wurde in der Aula der Päpstlichen Universität Urbaniana mit einem Seminar an den Katakombenpakt erinnert, an dem Kardinal João Braz de Aviz, Präfekt der Ordenskongregation und der Historiker Alberto Melloni, Leiter der Schule von Bologna, aber auch der Befreiungstheologe Jon Sobrino teilnahm, der 2007 von der Kongregation für die Glaubenslehre verurteilt und am 13. November 2015 von Papst Franziskus empfangen wurde.
Die Amazonassynode ist demnach die symbolische Erfüllung des Zweiten Vatikanischen Konzils, die Verwirklichung der „Option für die Armen“, für die Msgr. Helder Camara und Don Giuseppe Dossetti, Kardinal Suenenes und Kardinal Lercaro kämpften. Die Amazonas-Partei, die den jakobinischen Flügel der Konzils-Revolution repräsentiert, versammelt ihre Truppen in die Domitilla-Katakomben und sendet diese Botschaft an die Kirche:
„Es gibt kein Zurück“.
„Das ist erst der Anfang, für weitere 50 Jahre“, sagte Mauricio Lopez, der Geschäftsführer von REPAM, bei der Unterzeichnung des neuen Katakombenpakts.
Die Revolution schreitet voran, aber wie jede Revolution ist sie dazu bestimmt, ihre Kinder zu fressen. Die Opfer sind vorerst die Girondisten, die sich der Illusion hingaben, zwischen dem Zweiten Vatikanum und seinen schlechten Interpreten unterscheiden zu können. Wer wird morgen an der Reihe sein? Die Hermeneutik der Kontinuität wurde von den Liberalen bereits während der französischen Revolution versucht, um 1793 im Namen von 1789 zu bekämpfen, aber das Ergebnis war der Terreur, die Schreckensherrschaft. Angesichts des Terrors der vorrückt, ist nur die Konterrevolution möglich.
„Aber die Konterrevolution – sagte Graf Joseph de Maistre – ist keine Revolution im entgegengesetzten Sinn, sondern das Gegenteil der Revolution“ (Considérations sur la France, in: Oeuvres Complètes, Vitte, Lyon-Paris 1924).
*Roberto de Mattei, Historiker, Vater von fünf Kindern, Professor für Neuere Geschichte und Geschichte des Christentums an der Europäischen Universität Rom, Vorsitzender der Stiftung Lepanto, Autor zahlreicher Bücher, zuletzt in deutscher Übersetzung: Verteidigung der Tradition: Die unüberwindbare Wahrheit Christi, mit einem Vorwort von Martin Mosebach, Altötting 2017.
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Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Corrispondenza Romana
Sie feiern ein Fest der Nostalgie – die Alt- und die Neo-68er. Und ahnen möglicherweise bereits, dass ihre Zeit sich dem Ende zuneigt. Ein letztes spektakuläres Aufbäumen vielleicht – mit Pachamama-Kult und anderem heidnischen Firlefanz. Dann wird alles in sich zusammenbrechen wie ein Kartenhaus. Das ahnen andere bereits.
Ergänzung
Erzbischof Marcel Lefebvre hatte schon während des 2. Vatikanums die Gefahren erkannt und benannt, die in einigen der Konzilsbeschlüsse stecken, und deshalb seine endgültige Zustimmung verweigert. Wenn das Kartenhaus der 68er-Generation endgültig zusammengefallen ist, müssen die Nachfolger und Schüler dieses Ordensgeistlichen von der Congregatio Sancti Spiritus (CSSp) bereitstehen, Verantwortung mitzuübernehmen. Das ist vielleicht die bevorstehende Hauptaufgabe der FSSPX, deren Verhältnis zur Röm.-Kath. Kirche zwar ein irreguläres, keineswegs jedoch ein schismatisches ist.
Lefebvre erkannte, dass sich die Wahrheit nicht von der Form und das Wort nicht vom eindeutigen Begriff trennen lässt. Es wäre dringend notwendig, das II. Vatik. Konzil auf das zurückzustufen, was es war: ein pastorales Konzil…, aus dem aber völlig falsche die Tradition umgehende pastorale Schlüsse gezogen wurden.
Yves Congar hat bereits 1976 in seinem Buch „Der Fall Lefebvre, Schisma in der Kirche?“ die Missstände und den Glaubensschwund in der Kirche beschrieben, daraus aber gerade die Rechtfertigung des Konzils abgeleitet und die Unrechtmäßigkeit Lefebvres.
Rückblickend kann man daraus m.E. schlussfolgern: das II. Vatikanum wurde nicht nur falsch umgesetzt, es wurde auch von Kräften dominiert, die Lefebvre eindeutig als freimaurerisch idetifiziert hat.
Congar konnte oder wollte die Zusammenhänge nicht sehen.
Erstaunlich eigentlich, da er Lefebvre ansonsten als einen ungeheuer charismatischen, liebenswürdigen und felsenfest Glaubenden – also einen Heiligen beschreibt (wenn auch nur in einem Beisatz).
Aber Congar war wohl zu sehr Teil jener progressiven Kräfte innerhalb des Klerus, an dessen Spitze er sich sogar als Vordenker zu setzen suchte.
Das ist erst der Anfang, für weitere 50 Jahre sagte Mauricio Lopez. Und danach wird Südamerika auf konfessioneller Ebene weitgehend unter der Kontrolle evangelikaler Gruppen stehen.
Gaudi et Spesen, wie Dr Hesse dieses unselige Schriftstück nennt ist haeretisch und widerspricht damit den Lehren der Kirche.
Egal was diese Herrschaften wie auch immer beschließen sie sind, wie das Konzil selbst außerhalb der Kirche.
Ein Gipfel der Verwirrung von dem die Muttergottes in Fatima nichts erzählt haben soll?
Das glauben wirklich nur noch die allerduemmsten.
furchtbar.