(Rom) Die Amazonassynode ist auch am vierten Synodentag geprägt von widersprüchlichen Signalen bei negativer Grundtendenz. Auf dem Applaus für die Forderung nach verheirateten Priestern folgte der Applaus für die Zulassung von Diakoninnen. Gleichzeitig soll sich Franziskus gegen eine „Klerikalisierung der Laien“ ausgesprochen haben und Vatikansprecher Bruni die jüngsten Behauptungen von Eugenio Scalfari dementiert haben.
Am Montag, erster Synodentag, sprach sich Kardinal Claudio Hummes, der Generalrelator der Synode, für die Abschaffung des priesterlichen Zölibats aus. Applaus in der Synodenaula, wie die Presseabteilung der Synodenregie wissen läßt.
Am Dienstag, zweiter Synodentag, wurde die Forderung von „einigen Synodenvätern“ bekräftigt. Man solle es zumindest versuchen und könne dann ja „mit der Zeit, die Gültigkeit dieser Erfahrung prüfen“, so Vatican News.
Zu den Vorschlägen Synodenvätern gehört auch, „an die Möglichkeit einer Diakonatsweihe für die Frauen zu denken, um ihre kirchliche Berufung aufzuwerten“.
Im Rahmen einer „gelenkten“ Synode versteht es sich von selbst, daß die Presseabteilung der Synodenregie nur genehme, sprich, progressive Wortmeldungen nach außen dringen läßt. Andere Positionen werden verschwiegen, unterschlagen oder finden nur beiläufig in einem Nebensatz Erwähnung.
Nach diesem Muster läuft die tägliche Pressekonferenz ab, die von vatikanischem Presseamt und Synodengeneralsekretariat gemeinsam abgehalten wird. Eklatantes Beispiel: das Auftreten des emeritierten, österreichischen Missionsbischofs Erwin Kräutler bei der Pressekonferenz am Mittwoch.
„Jesus war Politiker“
In den ersten fünf Generalkongregationen gab es 77 Wortmeldungen, der Großteil von Synodalen, von denen manche mehrmals das Wort ergriffen, aber auch von Sondergeladenen und Vertretern anderer Konfessionen. Der einzige Synodale, der aber gestern den Pressevertreten präsentiert wurde, war Msgr. Erwin Kräutler, dessen Positionierung ebenso eindeutig wie einseitig ist.
2014 hatte er als erster bekanntgegeben, daß Papst Franziskus das Thema verheiratete Priester auf seiner Agenda hat. Franziskus sagte es selbst am 19. Februar 2015 seinem zölibatären Klerus in Rom. Das umstrittene Instrumentum laboris der Synode trägt nicht zuletzt Kräutlers Handschrift. Entsprechend äußerte sich der Österreich auch gegenüber den Journalisten und meinte auf verheiratete Priester angesprochen:
„Es gibt keine Alternative.“
Der emeritierte Missionsbischof begründete diese Aussage wie folgt:
„Die indigenen Völker verstehen den Zölibat nicht.“
Die Frage, wie es der Kirche dann zweitausend Jahre möglich war, unter allen Völkern der Welt zu missionieren und dennoch den priesterlichen Zölibat aufrechtzuerhalten, wurde Kräutler nicht gestellt.
Der Missionar vom Kostbaren Blut unterstellte der Kirche eine Verzerrung, denn sie habe durch die Zugangsbestimmungen für die Priesterweihe den Zölibat „über die Eucharistie“ gestellt, als sei dieser wichtiger als das Altarsakrament.
Kräutler sprach aber vor allem über politische Themen, weshalb ein französischer Journalist wissen wollte, ob die Amazonassynode auch eine religiöse Dimension habe, weil er soviel über Politik spreche. Darauf verteidigte der österreichische Missionar, der sich rühmt, nie einen Indio getauft zu haben, energisch seinen jahrzehntelangen, politischen Kampf für den Amazonas. Er präsentierte dazu ein Jesus-Bild, das die Kirche bisher noch nicht kannte:
„Die Kirche war immer Politik. Jesus war Politiker. Wichtig ist, zu wissen, was für eine Politik: Kampf für das Allgemeinwohl.“
„Öko-Sünden“ einführen
Der Forderungskatalog Kräutlers ist lange und umfaßt nicht nur die Zölibatsbeseitigung. Er ließ keinen Zweifel, daß eine „Öffnung“ für das „Frauendiakonat“ und die Einführung von „Öko-Sünden“ in den zu beichtenden Sündenkatalog notwendig sind.
Laut Kräutler seien sich „zwei Drittel“ der Synodalen einig und werden am Ende der Amazonassynode Papst Franziskus auffordern, verheiratete Priester und „laikale Diakoninnen“ zu genehmigen. Wörtlich sagte er, zwei Drittel würden Franziskus „bitten“, die „Möglichkeit“ verheirateter Priester „nicht auszuschließen“ und ebenso die „Möglichkeit“ für ein „Laien-Diakonat für Frauen“ – was immer das genau sein sollte. Kräutler sagte dazu lediglich: „Die [neuen] Ämter sollen den Bedürfnissen der Amazonas-Völker entsprechen.“
Zur Begründung führte er aus:
„Zwei Drittel der indigenen Gemeinschaften sind von Frauen koordiniert und geleitet. Man redet viel von der Aufwertung der Frau, aber was heißt das? ‚Ja, du bist brav…‘ Wir brauchen konkrete Dinge: Ich denke an das Frauendiakonat, warum nicht?“
Weniger erstaunlich war, daß Kräutler alle Journalistenfragen auf sich zog.
Paolo Ruffini, der Präfekt des Kommunikationsdikasteriums, ein Laie, sekundierte Kräutler. Der Vorschlag „viri probati“ (verheiratete Männer) zu Priestern zu weihen, bedeute nicht notwendigerweise „das Gesetz“ zu ändern. Es könne „bedeuten“, sich bewußt zu werden, „daß dieses Gesetz wie alle Menschengesetze Ausnahmen für einige konkrete Situationen haben können“. Dabei könne es sich auch um Neuerungen handeln, die die Kirche grundlegend verändern. Ruffini berief sich dazu auf Papst Franziskus, der bei der gestrigen Generalaudienz die Notwendigkeit zur „Offenheit“ einforderte und gesagt hatte, man dürfe „nicht an Dogmen hängenbleiben“, das hieße, den „Glauben in Ideologie zu verwandeln“.
Tritt Franziskus auf die Bremse?
Bei der sechsten Generalkongregation, gestern nachmittag, ergriff auch Franziskus das Wort, wie Synodalen Medienvertretern bestätigten.
Er habe dabei die Gewalt gegen Frauen in der Amazonas-Region verurteilt und vor einer „Klerikalisierung der Laien“ gewarnt. Diese Aussage sei von „vielen“ Synodalen als päpstliche Absage an die Forderung gedeutet worden, den Zölibat abzuschaffen und verheiratete Männer zu Priestern zu weihen, wie die progressive, spanische Nachrichtenseite Religion Digital berichtet. Zudem habe Franziskus die Arbeit der Orden im Amazonas gelobt.
Trat Franziskus bereits am dritten Tag auf die Bremse?
Möglich, aber unwahrscheinlich, denn die Forderung der Zölibatsbeseitigung für den Weltklerus kam, wie eingangs erwähnt, von Kardinal Claudio Hummes. Franziskus hatte ihn zum Generalrelator berufen und ihm die herausragende Stellung verschafft, diese Forderung gleich in der ersten Wortmeldung der Synode erheben zu können.
Seit vielen Jahren ist Hummes‘ antizölibatäre Haltung bekannt. Als Benedikt XVI. ihn aus Brasilien abzog, in der Hoffnung ihn an der Römischen Kurie milder zu stimmen, kam es zum Skandal. Hummes, den Benedikt zum Präfekten der Kleruskongregation ernannt hatte, sagte vor seiner Abreise nach Rom den Medienvertretern, der Zölibat sei abzuschaffen. Der Vatikan zwang ihn zu einem Dementi. Hummes gehorchte, um seinen Karrieresprung nicht zu vereiteln und schwieg bis zum Amtsverzicht von Benedikt XVI. Seit der Wahl von Franziskus aber ist er der aktivste Zölibatsgegner unter den Purpurträgern.
Franziskus ließ ihn gewähren.
Das Video von der Pressekonferenz mit Bischof Kräutler:
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Youtube/VaticanNews (Screenshot)