Messe auf der Luftmatratze oder überlieferter Römischer Ritus?


"Kein Priester, der dem überlieferten Römischen Ritus treu ist, hätte jemals eine Messe in der Badehose mit nacktem Oberkörper auf einer Luftmatratze zelebriert." Die neue Liturgie machte es möglich.
"Kein Priester, der dem überlieferten Römischen Ritus treu ist, hätte jemals eine Messe in der Badehose mit nacktem Oberkörper auf einer Luftmatratze zelebriert."

Von Rober­to de Mattei*

Anzei­ge

Zu den Bil­dern, die im histo­ri­schen Gedächt­nis die­ses Som­mers blei­ben wer­den, gehört die Mes­se, die ein Mai­län­der Prie­ster in Bade­ho­se auf einer auf­blas­ba­ren Matrat­ze im Meer von Kala­bri­en fei­er­te, umge­ben von jun­gen Leu­ten, die mit ihm im Was­ser waren.

Wenn Blas­phe­mie die respekt­lo­se Ver­mi­schung von Hei­li­gem und Pro­fa­nem bedeu­tet, dann wird die objek­ti­ve Blas­phe­mie die­ser Zele­bra­ti­on durch die Tat­sa­che bestä­tigt, daß ein für sei­ne Serio­si­tät bekann­ter Rechts­wah­rer wie der Staats­an­walt von Cro­to­ne, Giu­sep­pe Capoc­cia, ein Ermitt­lungs­ver­fah­ren ein­ge­lei­tet hat, um eine mög­li­che „Belei­di­gung eines reli­giö­sen Bekennt­nis­ses“ gemäß Arti­kel 403 des Straf­ge­setz­bu­ches zu überprüfen.

Der schwer­wie­gend­ste Aspekt der Affä­re ist jedoch die Tat­sa­che, daß der Zele­brant, der Kaplan für die Jugend­pa­sto­ral einer Mai­län­der Pfar­rei, erst nach dem Medi­en­skan­dal den Ernst sei­ner Hand­lung erkann­te und sich in einem öffent­li­chen Brief für sei­ne „Nai­vi­tät“ ent­schul­dig­te. Das Pro­blem ist, wie eini­ge zu Recht bemerkt haben, daß der Vor­fall am Strand von Cro­to­ne nicht den bewuß­ten Wunsch nach Ent­wei­hung offen­bart, son­dern die völ­li­ge theo­lo­gi­sche und lit­ur­gi­sche Unbe­darft­heit von Prie­stern wie dem Mai­län­der Geist­li­chen, die in den ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­ten aus den Semi­na­ren gekom­men sind. Die kirch­li­chen Auto­ri­tä­ten haben weder in die­sem noch in ande­ren Fäl­len ein­ge­grif­fen, eben weil sie sich wei­gern, den Ver­lust der prie­ster­li­chen Iden­ti­tät in der Nach­kon­zils­zeit anzu­er­ken­nen. Es soll­te nach­denk­lich stim­men, daß weder die Stim­me des Erz­bi­schofs von Mai­land, Mario Del­pi­ni, von dem die­ser Prie­ster abhängt, noch die Stim­me von Papst Fran­zis­kus zu hören war, der sich um nicht vor­han­de­ne „Spit­zen der Groß­müt­ter“ sorgt, aber ange­sichts der lit­ur­gi­schen Extra­va­gan­zen schweigt, die sich in jeder Diö­ze­se vermehren.

Papst Fran­zis­kus erklär­te in sei­nem Apo­sto­li­schen Schrei­ben Desi­de­rio Desi­dera­vi vom 29. Juni 2022, daß „wir dem Kon­zil – und der lit­ur­gi­schen Bewe­gung, die ihm vor­aus­ging – die Wie­der­ent­deckung des theo­lo­gi­schen Ver­ständ­nis­ses der Lit­ur­gie und ihrer Bedeu­tung im Leben der Kir­che ver­dan­ken“, und lud uns ein, „jeden Tag die Schön­heit der Wahr­heit der christ­li­chen Fei­er neu zu ent­decken“. Wie Cri­sti­na Sic­car­di jedoch fest­stell­te, kann die neue Lit­ur­gie, die einer von Libe­ra­lis­mus und Rela­ti­vis­mus berausch­ten Bewe­gung ent­sprun­gen ist, nie­mals eine gute Wir­kung erzie­len, wie mehr als 50 Jah­re Erfah­rung in die­ser Hin­sicht bewei­sen. Die Mes­se auf der Luft­ma­trat­ze ist das kon­se­quen­te Ergeb­nis eines inner­kirch­li­chen Säku­la­ri­sie­rungs­pro­zes­ses, der gera­de auf die lit­ur­gi­sche Bewe­gung zurück­geht und nach dem Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil in der Apo­sto­li­schen Kon­sti­tu­ti­on Mis­sa­le Roma­num sei­ne Voll­endung fand, mit der Paul VI. am 3. April 1969 den Novus Ordo Mis­sae ein­führ­te. In dem damals vor­herr­schen­den Fort­schritts­glau­ben soll­te die Lit­ur­gie eine neue Bezie­hung zur Welt zum Aus­druck brin­gen, sich selbst zur „Lit­ur­gie der Welt“ machen, wie Karl Rah­ner schrieb, und in die­ser Ver­welt­li­chung ihre eige­ne „Rei­fe“ fin­den.

Es wäre ein Irr­tum zu glau­ben, daß die nach dem alten Römi­schen Ritus gefei­er­te Mes­se allein aus­reicht, um eine Ver­welt­li­chung der Kir­che auf­zu­hal­ten, die in ihren Wur­zeln nicht nur dem Novus Ordo von Paul VI. vor­aus­geht, son­dern dem Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil selbst, das am 11. Okto­ber 1962 eröff­net und am 8. Dezem­ber 1965 mit der fei­er­li­chen Zele­bra­ti­on des Vetus Ordo abge­schlos­sen wur­de. Den­noch stellt die über­lie­fer­te Lit­ur­gie ein Boll­werk gegen den Pro­zeß der Selbst­zer­stö­rung dar, der die Kir­che seit über einem hal­ben Jahr­hun­dert angreift. Gegen alle For­men der Säku­la­ri­sie­rung erin­nert uns der Alte Ritus durch sei­ne Spra­che, sei­ne unver­än­der­li­chen For­meln, sei­ne Stil­le und sei­ne Ehr­furcht dar­an, daß unser Hori­zont nicht der der Welt, son­dern der des Him­mels ist.

„Ein Kon­zil für unse­re Zeit“ mit Chenus Vor­trag (1962)

In einem berühm­ten Vor­trag, der am 13. Mai 1961 in den Räu­men der Unesco in Paris gehal­ten wur­de, stell­te einer der Väter der Nou­vel­le Théo­lo­gie, der Domi­ni­ka­ner Marie-Domi­ni­que Chenu, den Beginn der Säku­la­ri­sie­rung als das „Ende der Kon­stan­ti­ni­schen Ära“ dar. Pater Chenu schlug eine neue „mis­sio­na­ri­sche Kir­che“ vor, in der Mis­si­on ver­stan­den wer­den soll­te als „ein Vor­gang, durch den die Kir­che aus sich selbst – aus dem ‚Chri­sten­tum‘ – her­aus­kommt, um sich an die Ungläu­bi­gen zu wen­den, um ‚denen, die weit weg sind‘ zu begeg­nen […] in dem Bewußt­sein, daß dies ihr kon­sti­tu­ti­ves Wesen ist. Das ist das Ende der Kon­stan­ti­ni­schen Ära“.1 Die Kir­che soll­te sich nicht mehr das Pro­blem stel­len, die Welt zu chri­stia­ni­sie­ren, son­dern sie so anzu­neh­men, wie sie ist, und sich in sie hin­ein­zu­stel­len. Für den Domi­ni­ka­ner­theo­lo­gen ist es durch die Bezie­hung, die er zu einer ver­än­der­ten Welt auf­baut, mit der sich der Christ „evan­ge­li­schen Typs“ von dem „kon­stan­ti­ni­schen Gei­stes“ unter­schei­det: Letz­te­rer kri­ti­siert die Moder­ne, erste­rer sucht den Dia­log mit ihr, „aus Treue […] zu einer Mystik der Inkar­na­ti­on, die er auf die Mensch­heit des 20. Jahr­hun­derts anwen­det“.

Pater Chenu behaup­te­te die Not­wen­dig­keit, den kon­stan­ti­ni­schen Geist zu besei­ti­gen, durch die Zer­stö­rung der drei Säu­len, auf denen er beruht: das Römi­sche Recht, dem wir den juri­sti­schen Käfig ver­dan­ken, in dem die Kir­che gefan­gen sei; der grie­chisch-römi­sche Logos, der die Ursa­che für ihre dog­ma­ti­sche Starr­heit sei; und Latein, die uni­ver­sel­le Spra­che der Lit­ur­gie, die deren krea­ti­ve Ent­wick­lung ver­hin­dern würde.

Was in den ver­gan­ge­nen sech­zig Jah­ren gesche­hen ist, ist die Ent­fal­tung die­ses Pro­gramms. Pater Chenu ist im Gegen­satz zu sei­nem Mit­bru­der Yves Con­gar nie Kar­di­nal gewor­den, aber er ist der Lehr­mei­ster des Histo­ri­kers Giu­sep­pe Albe­ri­go und der Schu­le von Bolo­gna, die die Dis­kon­ti­nui­tät des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils mit der Tra­di­ti­on der Kir­che behaup­tet. In sei­ner Rede vor der Römi­schen Kurie am 22. Dezem­ber 2005 stell­te Bene­dikt XVI. der Schu­le von Bolo­gna die Her­me­neu­tik der Kon­ti­nui­tät ent­ge­gen und gab sich der Illu­si­on hin, daß die Kri­se der Kir­che durch eine her­me­neu­ti­sche Debat­te zwi­schen theo­lo­gi­schen Schu­len gelöst wer­den könn­te. Als eben­so illu­so­risch erwies sich sein Ver­such einer fried­li­chen Koexi­stenz zwi­schen zwei unver­ein­ba­ren Riten, dem über­lie­fer­ten und dem neu­en, die im Motu pro­prio Sum­morum Pon­ti­fi­cum vom 7. Juli 2007 als „außer­or­dent­li­che Form“ bzw. „ordent­li­che Form“ der kirch­li­chen Lit­ur­gie defi­niert wur­den. Mit dem Motu pro­prio Tra­di­tio­nis Cus­to­des vom 16. Juli 2021 hob Papst Fran­zis­kus den Akt sei­nes Vor­gän­gers auf und erklär­te, daß „die lit­ur­gi­schen Bücher, die von den hei­li­gen Päp­sten Paul VI. und Johan­nes Paul II. in Über­ein­stim­mung mit den Dekre­ten des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils pro­mul­giert wur­den, die ein­zi­ge Aus­drucks­form der lex oran­di des römi­schen Ritus sind“. Das Apo­sto­li­sche Schrei­ben Desi­de­rio desi­dera­vi hat das bekräftigt.

Tra­di­tio­nis cus­to­des hat nicht unrecht, wenn es die Ein­zig­ar­tig­keit der lex oran­di der Kir­che bekräf­tigt, aber Sum­morum Pon­ti­fi­cum kommt das Ver­dienst zu, einen Grund­satz bekräf­tigt zu haben, den Tra­di­tio­nis cus­to­des nicht unter­drücken kann. Bene­dikt XVI. stellt in sei­nem Doku­ment klar, daß „das von Pius V. pro­mul­gier­te Römi­sche Meß­buch (…) wegen sei­nes ehr­wür­di­gen und alten Gebrauchs in Ehren zu hal­ten“ ist und nie­mals „auf­ge­ho­ben“ wur­de (Art. 1).

Vie­le Bischö­fe miß­brau­chen nach Tra­di­tio­nis cus­to­des ihre Auto­ri­tät, indem sie die Zele­bra­ti­on des über­lie­fer­ten Ritus in ihren Diö­ze­sen ein­schrän­ken oder unter­bin­den. Ein Ritus, der nicht abge­schafft wur­de und nicht abge­schafft wer­den kann, ist jedoch legi­tim und jeder Prie­ster hat das Recht, ihn zu zele­brie­ren. Kein Prie­ster, der dem über­lie­fer­ten Römi­schen Ritus treu ist, hät­te jemals eine Mes­se in der Bade­ho­se mit nack­tem Ober­kör­per auf einer Luft­ma­trat­ze zele­briert, wäh­rend die­ser Skan­dal durch die neue Lit­ur­gie mög­lich gemacht wur­de. Es „ist not­wen­dig, daß es zu Ärger­nis­sen kommt“ (Mt 18,7), damit eine Reak­ti­on dar­auf erfolgt. Ist es nicht mög­lich, daß die ent­hei­li­gen­de nach­kon­zi­lia­re Lit­ur­gie von einem neu­en Papst auf­ge­ho­ben wird, der die Mes­se, die als Mes­se des hei­li­gen Pius V. oder triden­ti­ni­sche bekannt ist, als ein­zi­gen Aus­druck des Römi­schen Ritus der Kir­che defi­nie­ren wird? Das wün­schen sich Zehn­tau­sen­de von Katho­li­ken in aller Welt, die in immer grö­ße­rer Zahl zur über­lie­fer­ten Mes­se strömen.

*Rober­to de Mat­tei, Histo­ri­ker, Vater von fünf Kin­dern, Pro­fes­sor für Neue­re Geschich­te und Geschich­te des Chri­sten­tums an der Euro­päi­schen Uni­ver­si­tät Rom, Vor­sit­zen­der der Stif­tung Lepan­to, Autor zahl­rei­cher Bücher, zuletzt in deut­scher Über­set­zung: Ver­tei­di­gung der Tra­di­ti­on: Die unüber­wind­ba­re Wahr­heit Chri­sti, mit einem Vor­wort von Mar­tin Mose­bach, Alt­öt­ting 2017 und Das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil. Eine bis­lang unge­schrie­be­ne Geschich­te, 2. erw. Aus­ga­be, Bobin­gen 2011.

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Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Cor­ri­spon­den­za Romana/​MiL


1 Marie-Domi­ni­que Chenu in: Dubo­is-Dumé­e/­De Broicker, Chenu et al.: Un Con­ci­lio per il nostro tem­po, Mor­cel­lia­na, Bre­scia 1962, S. 65.

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