Bischof Schneider: „Der Gehorsam gegenüber dem Papst hat seine Grenzen“

Leitlinien zu Gehorsam und Ungehorsam


Weihbischof Athanasius Schneider gibt den Gläubigen Leitlinien in die Hand über den Gehorsam, den sie dem Papst und den Bischöfen schulden, die Grenzen dieses Gehorsams und die eventuelle Pflicht zum Ungehorsam.
Weihbischof Athanasius Schneider gibt den Gläubigen Leitlinien in die Hand über den Gehorsam, den sie dem Papst und den Bischöfen schulden, die Grenzen dieses Gehorsams und die eventuelle Pflicht zum Ungehorsam.

(Ast­a­na) Bischof Atha­na­si­us Schnei­der ver­öf­fent­lich­te einen Text, in dem er der Fra­ge nach dem Wesen und den Gren­zen des Gehor­sams gegen­über dem Papst nach­geht. Eine Fra­ge von bren­nen­der Aktua­li­tät. Er gibt damit den Gläu­bi­gen Leit­li­ni­en in die Hand über ihre Gehor­sams­pflicht gegen­über dem Papst und den Bischö­fen, deren Gren­zen und auch eine mög­li­che Pflicht zum Ungehorsam. 

Anzei­ge

Der Papst wur­de von Chri­stus selbst mit einer gro­ßen Auto­ri­tät aus­ge­stat­tet. Die­se dür­fe aber „die Inte­gri­tät des katho­li­schen Glau­bens nicht schwä­chen“. Daher habe jede Auto­ri­tät und jeder Gehor­sam Gren­zen, auch die Auto­ri­tät des Pap­stes und der Gehor­sam ihm gegen­über. „Gehor­sam“, so Bischof Schnei­der, „ist nicht blind oder bedin­gungs­los, son­dern hat Gren­zen. Wo es eine Sün­de gibt, sei es eine Tod­sün­de oder eine ande­re, haben wir nicht nur das Recht, son­dern auch die Pflicht, den Gehor­sam zu ver­wei­gern“. Der Text von Msgr. Schnei­der, dem Weih­bi­schof von Ast­a­na in Kasach­stan, der seit Jah­ren zu den pro­fi­lier­te­sten Ver­tre­tern des Wel­tepi­sko­pats gehört, wur­de heu­te von Life­Si­teNews ver­öf­fent­licht und von der deutsch­ame­ri­ka­ni­schen Histo­ri­ke­rin und Publi­zi­stin Mai­ke Hick­son dort vor­ge­stellt. Bischof Schnei­der bie­tet allen Katho­li­ken „Leit­li­ni­en für die rich­ti­ge Ant­wort auf die irri­gen Leh­ren und Gesten, die in die­sen Tagen aus Rom kom­men, wie die Ernen­nung von Abtrei­bungs­be­für­wor­tern in die Päpst­li­che Aka­de­mie für das Leben und die offe­ne För­de­rung der LGBT-Agen­da“, so Hickson.

Der Papst sei als Stell­ver­tre­ter Chri­sti ver­pflich­tet, der katho­li­schen Wahr­heit zu die­nen und sie nicht zu ver­än­dern. Daher „muß man dem Papst sicher­lich gehor­chen, wenn er unfehl­bar die Wahr­heit Chri­sti ver­kün­det [und] wenn er ex cathe­dra spricht, was sehr sel­ten ist. Wir müs­sen dem Papst gehor­chen, wenn er uns befiehlt, die Geset­ze und Gebo­te Got­tes zu befol­gen, [und] wenn er admi­ni­stra­ti­ve und gericht­li­che Ent­schei­dun­gen trifft (Ernen­nun­gen, Abläs­se usw.)“.

Wenn jedoch „ein Papst Ver­wir­rung und Unklar­heit in bezug auf die Inte­gri­tät des katho­li­schen Glau­bens und der hei­li­gen Lit­ur­gie stif­tet, dann darf man ihm nicht gehor­chen, son­dern muß der Kir­che aller Zei­ten und den Päp­sten gehor­chen, die wäh­rend zwei Jahr­tau­sen­den stän­dig und klar alle katho­li­schen Wahr­hei­ten im glei­chen Sin­ne gelehrt haben“.

In Kri­sen­zei­ten, in denen die Kir­chen­füh­rer ihren Pflich­ten als Hir­ten, die die Her­de zu Chri­stus füh­ren, nicht nach­kom­men, sei­en daher ande­re Glie­der des mysti­schen Lei­bes Chri­sti auf­ge­ru­fen, zu hel­fen und den Glau­ben zu verteidigen:

„Wenn die Ver­ant­wort­li­chen in der Kir­che (Papst, Bischö­fe), wie es in unse­rer Zeit der Fall ist, ihre Pflicht, die Inte­gri­tät und die Klar­heit des katho­li­schen Glau­bens und der Lit­ur­gie zu bewah­ren und zu ver­tei­di­gen, nicht treu erfül­len, ruft Gott die Unter­ge­be­nen, oft die Klei­nen und Ein­fa­chen in der Kir­che, dazu auf, die Feh­ler der Obe­ren aus­zu­glei­chen, durch Appel­le, Kor­rek­tur­vor­schlä­ge und, am stärk­sten, durch stell­ver­tre­ten­de Opfer und Gebete.“

Erst vor kur­zem hat­te auch Kar­di­nal Ger­hard Mül­ler, bis 2017 Prä­fekt der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on, klar­ge­stellt, daß Prä­la­ten, die irri­ge Leh­ren ver­brei­ten, nicht gehorcht wer­den soll­te. Einem „offen­sicht­lich häre­ti­schen Bischof“ sei nicht zu fol­gen, nur weil es for­ma­le Grün­de vor­schrei­ben wür­den, „sonst wäre der reli­giö­se Gehor­sam ein blin­der Gehor­sam, der nicht nur der Ver­nunft, son­dern auch dem Glau­ben wider­spricht. Das Recht, sich zu wider­set­zen, ist natür­lich streng an die geof­fen­bar­ten Wahr­hei­ten gebun­den“, so Kar­di­nal Mül­ler. Das gel­te auch für den Papst, der nicht über dem Gesetz Got­tes ste­he und kei­ne „unbe­grenz­te Macht“ habe, was hin­ge­gen ein enger Mit­ar­bei­ter von Papst Fran­zis­kus im jüng­sten Kar­di­nals­kol­le­gi­um ange­deu­tet zu haben scheint, wie Hick­son ergänzt. In die­sem Zusam­men­hang bezeich­ne­te Kar­di­nal Mül­ler die der­zeit in Rom statt­fin­den­de Bischofs­syn­ode über die Syn­oda­li­tät, die vor kur­zem um ein wei­te­res Jahr ver­län­gert wur­de, als „feind­li­che Über­nah­me der Kirche“.

Ange­sichts die­ser Kir­chen­kri­se könn­te der Unge­hor­sam sogar zur Pflicht wer­den, so Hick­son, wenn man sich an die Regel erin­nert, daß man Gott mehr gehor­chen muß als den Men­schen. Bischof Schnei­der schreibt dazu:

„Gegen die Auto­ri­tät eines Pap­stes oder eines Bischofs, die die Gren­zen des gött­li­chen Geset­zes der Inte­gri­tät und der Klar­heit des katho­li­schen Glau­bens über­schrei­tet, muß man ent­schie­de­nen Wider­stand lei­sten, der auch öffent­lich wer­den kann. Dies ist das Hel­den­tum unse­rer Zeit, der schwer­ste Weg zur Hei­lig­keit heu­te. Hei­lig zu wer­den bedeu­tet, den Wil­len Got­tes zu tun; den Wil­len Got­tes zu tun bedeu­tet, Sei­nem Gesetz immer zu gehor­chen, ins­be­son­de­re, wenn dies schwie­rig ist oder uns in Kon­flikt mit Men­schen bringt, die, obwohl sie legi­ti­me Ver­tre­ter Sei­ner Auto­ri­tät auf Erden sind (Papst, Bischof), lei­der Irr­tü­mer ver­brei­ten oder die Inte­gri­tät und Klar­heit des katho­li­schen Glau­bens schwächen.“

Hick­son dazu: „Wir sind Sei­ner Exzel­lenz zutiefst dank­bar für sei­ne kla­re Leh­re und für sei­ne Ermu­ti­gung der­je­ni­gen Katho­li­ken, die über die Demon­ta­ge des katho­li­schen Glau­bens aller Zei­ten vor unse­ren eige­nen Augen bestürzt sind, die aber nichts tun wol­len, was unse­rem Herrn miß­fal­len würde.“

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Die korrekte Bedeutung des Gehorsams gegenüber dem Papst

Von Msgr. Atha­na­si­us Schnei­der ORC

Die hei­li­ge Kir­che ist erstens und zutiefst eine gött­li­che Ein­rich­tung, und sie ist in ihrer über­na­tür­li­chen Bedeu­tung ein Geheim­nis. Zwei­tens hat sie auch die mensch­li­che und sicht­ba­re Rea­li­tät, die sicht­ba­ren Glie­der und die Hier­ar­chie (Papst, Bischof, Priester).

Bischof Atha­na­si­us Schnei­der ORC

Wenn Mut­ter Kir­che eine der tief­sten Kri­sen ihrer Geschich­te durch­macht, wie es in unse­rer Zeit der Fall ist, wo die Kri­se alle Ebe­nen des kirch­li­chen Lebens in erschrecken­dem Aus­maß berührt, ruft uns die gött­li­che Vor­se­hung auf, unse­re Mut­ter Kir­che zu lie­ben, die nicht in erster Linie von ihren Fein­den gede­mü­tigt und ver­höhnt wird, son­dern von innen her­aus von ihren Hir­ten. Wir sind auf­ge­ru­fen, unse­rer Mut­ter Kir­che zu hel­fen, ein jeder an sei­nem Platz, ihr zu einer wah­ren Erneue­rung zu ver­hel­fen durch unse­re eige­ne Treue zur unver­än­der­li­chen Inte­gri­tät des katho­li­schen Glau­bens, durch unse­re Treue zur bestän­di­gen Schön­heit und Hei­lig­keit ihrer Lit­ur­gie, der Lit­ur­gie aller Zei­ten, durch unser inten­si­ves geist­li­ches Leben in der Ein­heit mit Chri­stus und durch Taten der Lie­be und der Nächstenliebe.

Das Geheim­nis der Kir­che ist grö­ßer als nur der Papst oder der Bischof. Manch­mal haben Päp­ste und Bischö­fe der Kir­che Scha­den zuge­fügt, aber gleich­zei­tig hat Gott ande­re Werk­zeu­ge benutzt, oft die ein­fa­chen Gläu­bi­gen, ein­fa­che Prie­ster oder eini­ge Bischö­fe, um die Hei­lig­keit des Glau­bens und des Lebens in der Kir­che wiederherzustellen.

Der Kir­che treu zu sein, bedeu­tet nicht, allen Wor­ten und Taten eines Pap­stes oder eines Bischofs inner­lich zu gehor­chen, da der Papst oder ein Bischof nicht mit der gesam­ten Kir­che iden­tisch ist. Und wenn ein Papst oder ein Bischof einen Weg unter­stützt, der die Inte­gri­tät des Glau­bens und der Lit­ur­gie beschä­digt, dann ist man in kei­ner Wei­se ver­pflich­tet, ihm inner­lich zu fol­gen, denn wir müs­sen dem Glau­ben und den Nor­men der Kir­che aller Zei­ten, der Apo­stel und der Hei­li­gen folgen.

Die katho­li­sche Kir­che ist die eine und ein­zi­ge Kir­che, die Chri­stus gegrün­det hat, und es ist der aus­drück­li­che Wil­le Got­tes, daß alle Men­schen Glie­der Sei­ner einen Kir­che, Glie­der des mysti­schen Lei­bes Chri­sti wer­den sol­len. Die Kir­che ist nicht das Pri­vat­ei­gen­tum eines Pap­stes, son­dern er ist nur der Vikar, der Die­ner Chri­sti. Des­halb kann man die Fül­le der Katho­li­zi­tät nicht von dem Ver­hal­ten eines bestimm­ten Pap­stes abhän­gig machen. Man muß dem Papst sicher­lich gehor­chen, wenn er unfehl­bar die Wahr­heit Chri­sti ver­kün­det, wenn er ex cathe­dra spricht, was sehr sel­ten ist. Man muß dem Papst gehor­chen, wenn er uns befiehlt, die Geset­ze und Gebo­te Got­tes zu befol­gen, [und] wenn er Ver­wal­tungs- und Recht­spre­chungs­ent­schei­dun­gen trifft (Ernen­nun­gen, Abläs­se, usw.). Wenn jedoch ein Papst Ver­wir­rung und Zwei­deu­tig­keit in bezug auf die Inte­gri­tät des katho­li­schen Glau­bens und der hei­li­gen Lit­ur­gie stif­tet, dann darf man ihm nicht gehor­chen, son­dern muß der Kir­che aller Zei­ten und den Päp­sten gehor­chen, die über zwei Jahr­tau­sen­de hin­weg alle katho­li­schen Wahr­hei­ten in dem­sel­ben Sin­ne stän­dig und klar gelehrt haben. Und die­se katho­li­schen Wahr­hei­ten fin­den wir im Kate­chis­mus aus­ge­drückt. Man muß dem Kate­chis­mus und der Lit­ur­gie aller Zei­ten gehor­chen, denen die Hei­li­gen und unse­re Vor­fah­ren gefolgt sind.

Neben ande­ren Über­le­gun­gen wird in den fol­gen­den Zei­len eine kur­ze Zusam­men­fas­sung des mei­ster­haf­ten Vor­trags von Prof. Rober­to de Mat­tei, „Gehor­sam und Wider­stand in der Geschich­te der Kir­che“, gehal­ten beim Rome Life Forum am 18. Mai 2018, präsentiert.

Es ist ein fal­scher Gehor­sam, wenn eine Per­son Män­ner ver­göt­tert, die in der Kir­che Auto­ri­tät reprä­sen­tie­ren (Papst oder Bischof), wenn die­se Per­son Befeh­le annimmt und Bestä­ti­gun­gen ihrer Vor­ge­setz­ten zustimmt, die die Klar­heit und Inte­gri­tät des katho­li­schen Glau­bens offen­sicht­lich schä­di­gen und schwächen.

Der Gehor­sam hat eine Grund­la­ge, ein Ziel, Bedin­gun­gen und Gren­zen. Nur Gott hat kei­ne Gren­zen: Er ist uner­meß­lich, unend­lich, ewig. Jedes Geschöpf ist begrenzt, und die­se Gren­ze defi­niert sein Wesen. Des­halb gibt es auf Erden weder unbe­grenz­te Auto­ri­tät noch unbe­grenz­ten Gehor­sam. Die Auto­ri­tät ist durch ihre Gren­zen defi­niert, und der Gehor­sam ist eben­falls durch sei­ne Gren­zen defi­niert. Das Bewußt­sein die­ser Gren­zen führt zur Voll­kom­men­heit in der Aus­übung der Auto­ri­tät und zur Voll­kom­men­heit in der Aus­übung des Gehor­sams. Die unüber­wind­li­che Gren­ze der Auto­ri­tät ist die Ach­tung vor dem gött­li­chen Gesetz der Inte­gri­tät und Klar­heit des katho­li­schen Glau­bens, und die Ach­tung vor die­sem gött­li­chen Gesetz der Inte­gri­tät und Klar­heit des katho­li­schen Glau­bens ist auch die unüber­wind­li­che Gren­ze des Gehorsams.

Der hei­li­ge Tho­mas stellt die Fra­ge: „Sind die Unter­ta­nen ver­pflich­tet, ihren Vor­ge­setz­ten in allen Din­gen zu gehor­chen?“ (Sum­ma theo­lo­gi­ca, II-IIae, q. 104, a. 5); sei­ne Ant­wort ist nega­tiv. Wie er erklärt, gibt es zwei Grün­de, war­um ein Unter­tan nicht ver­pflich­tet sein kann, sei­nem Vor­ge­setz­ten in allen Din­gen zu gehor­chen. Erstens wegen eines Befehls einer höhe­ren Auto­ri­tät, da die Hier­ar­chie der Auto­ri­tä­ten respek­tiert wer­den muß. Zwei­tens, wenn ein Vor­ge­setz­ter einem Unter­ge­be­nen etwas Unrech­tes befiehlt, zum Bei­spiel, wenn Kin­der nicht ver­pflich­tet sind, ihren Eltern zu gehor­chen, wenn es dar­um geht, eine Ehe zu schlie­ßen, die Jung­fräu­lich­keit zu bewah­ren oder Ähn­li­ches. Der hei­li­ge Tho­mas schließt daraus:

„Der Mensch ist Gott abso­lut und in allen Din­gen, inner­lich und äußer­lich, unter­wor­fen; er ist daher ver­pflich­tet, Gott in allen Din­gen zu gehor­chen. Die Unter­ge­be­nen sind jedoch nicht ver­pflich­tet, ihren Vor­ge­setz­ten in allen Din­gen zu gehor­chen, son­dern nur in bestimm­ten Din­gen. (…) Man kann daher drei Arten des Gehor­sams unter­schei­den: der erste, der zum Heil genügt, gehorcht nur in den ver­bind­li­chen Din­gen; der zwei­te, der voll­kom­men ist, gehorcht in allen erlaub­ten Din­gen; der drit­te, der unge­ord­net ist, gehorcht auch in den uner­laub­ten Din­gen“ (Sum­ma theo­lo­gi­ca, II-IIae, q. 104, a. 3).

Der Gehor­sam ist nicht blind und bedin­gungs­los, son­dern hat Gren­zen. Wenn eine Sün­de vor­liegt, sei es eine Tod­sün­de oder eine ande­re, haben wir nicht nur das Recht, son­dern auch die Pflicht, den Gehor­sam zu ver­wei­gern. Dies gilt auch für Fäl­le, in denen man auf­ge­for­dert wird, etwas zu tun, was der Inte­gri­tät des katho­li­schen Glau­bens oder der Hei­lig­keit der Lit­ur­gie scha­det. Die Geschich­te hat gezeigt, daß ein Bischof, eine Bischofs­kon­fe­renz, ein Kon­zil und sogar ein Papst in ihrem nicht unfehl­ba­ren Lehr­amt Irr­tü­mer ver­kün­det haben. Was soll­ten die Gläu­bi­gen unter sol­chen Umstän­den tun? In sei­nen ver­schie­de­nen Wer­ken lehrt der hei­li­ge Tho­mas von Aquin, daß es in Fäl­len, in denen der Glau­be gefähr­det ist, recht­mä­ßig, ja sogar ange­mes­sen ist, sich einer päpst­li­chen Ent­schei­dung öffent­lich zu wider­set­zen, wie es der hei­li­ge Pau­lus gegen­über dem hei­li­gen Petrus, dem ersten Papst, tat. Der hei­li­ge Pau­lus, der dem hei­li­gen Petrus unter­stellt war, wies ihn öffent­lich zurecht, weil die Gefahr eines Skan­dals in einer Glau­bens­an­ge­le­gen­heit droh­te. Und der hei­li­ge Augu­sti­nus bemerkte:

„Auch der hei­li­ge Petrus hat ein Bei­spiel gege­ben, damit die­je­ni­gen, die regie­ren, aber gele­gent­lich vom rech­ten Weg abkom­men, eine Zurecht­wei­sung, auch wenn sie von ihren Unter­ge­be­nen kommt, nicht als unan­ge­mes­sen zurück­wei­sen“ (ad Gala­ter 2, 14)“ (Sum­ma theo­lo­gi­ca, II-II, q. 33, a. 4, ad 2).

Der Wider­stand des hei­li­gen Pau­lus äußer­te sich in einer öffent­li­chen Zurecht­wei­sung des hei­li­gen Petrus, des ersten Pap­stes. Der hei­li­ge Tho­mas wid­met der brü­der­li­chen Zurecht­wei­sung in der Sum­ma eine gan­ze Fra­ge. Die brü­der­li­che Zurecht­wei­sung kann auch von den Unter­ge­be­nen gegen­über ihren Vor­ge­setz­ten und von den Lai­en gegen­über den Prä­la­ten aus­ge­spro­chen wer­den. „Da aber eine tugend­haf­te Hand­lung durch die rich­ti­gen Umstän­de gemil­dert wer­den muß, folgt dar­aus, daß ein Unter­ge­be­ner, wenn er sei­nen Vor­ge­setz­ten kor­ri­giert, dies nicht mit Unver­schämt­heit und Här­te, son­dern mit Sanft­mut und Respekt tun soll“ (Sum­ma theo­lo­gi­ca, II-II, q. 33, a. 4, ad 3). Wenn eine Gefahr für den Glau­ben besteht, sind die Unter­ge­be­nen ver­pflich­tet, ihre Prä­la­ten, ein­schließ­lich des Pap­stes, zu tadeln, auch öffentlich:

„Wegen der Gefahr eines Skan­dals im Glau­ben tadel­te Pau­lus, der ja dem Petrus unter­stellt war, die­sen öffent­lich“ (ibi­dem).

Die Per­son und das Amt des Pap­stes haben ihren Sinn dar­in, nur der Stell­ver­tre­ter Chri­sti zu sein, ein Instru­ment und nicht der Zweck, und als sol­ches muß die­ser Sinn genutzt wer­den, wenn wir das Ver­hält­nis zwi­schen Mit­tel und Zweck nicht auf den Kopf stel­len wol­len. Es ist wich­tig, dies in einer Zeit zu beto­nen, in der es vor allem unter den gläu­big­sten Katho­li­ken viel Ver­wir­rung in die­ser Hin­sicht gibt. Außer­dem ist der Gehor­sam gegen­über dem Papst oder dem Bischof ein Mit­tel, nicht der Zweck.

Der Papst hat die vol­le und unmit­tel­ba­re Auto­ri­tät über alle Gläu­bi­gen, und es gibt kei­ne Auto­ri­tät auf Erden, die ihm über­ge­ord­net ist, aber er kann weder durch fal­sche noch durch zwei­deu­ti­ge Aus­sa­gen die Inte­gri­tät des katho­li­schen Glau­bens, die gött­li­che Ver­fas­sung der Kir­che oder die bestän­di­ge Tra­di­ti­on der Hei­lig­keit und des Opfer­cha­rak­ters der Lit­ur­gie der Hei­li­gen Mes­se ver­än­dern und schwä­chen. Wenn dies geschieht, besteht die legi­ti­me Mög­lich­keit und Pflicht der Bischö­fe und sogar der Lai­en, nicht nur pri­va­te und öffent­li­che Appel­le und Vor­schlä­ge für Lehr­kor­rek­tu­ren vor­zu­brin­gen, son­dern auch in „Unge­hor­sam“ gegen­über einer päpst­li­chen Anord­nung zu han­deln, die die Inte­gri­tät des Glau­bens, der gött­li­chen Ver­fas­sung der Kir­che und der Lit­ur­gie ver­än­dert oder schwächt. Dies ist ein sehr sel­te­ner, aber mög­li­cher Umstand, der die Regel der Ver­eh­rung und des Gehor­sams gegen­über dem Papst, der beru­fen ist, den Glau­ben sei­ner Brü­der zu bestä­ti­gen, nicht ver­letzt, son­dern bestä­tigt. Sol­che Gebe­te, Appel­le, Vor­schlä­ge für Lehr­kor­rek­tu­ren und ein soge­nann­ter „Unge­hor­sam“ sind im Gegen­teil ein Aus­druck der Lie­be zum Papst, um ihm zu hel­fen, sich von sei­nem gefähr­li­chen Ver­hal­ten zu bekeh­ren, indem er sei­ne pri­mä­re Pflicht ver­nach­läs­sigt, die gan­ze Kir­che ein­deu­tig und mit Nach­druck im Glau­ben zu bestätigen.

Man muß sich auch dar­an erin­nern, was das Erste Vati­ka­ni­sche Kon­zil gelehrt hat:

„Denn den Nach­fol­gern Petri ist der Hei­li­ge Geist nicht dazu ver­hei­ßen wor­den, daß sie durch sei­ne Ein­ge­bung eine neue Leh­re ver­kün­den soll­ten, son­dern damit sie unter sei­nem Bei­stand die durch die Apo­stel über­lie­fer­te Offen­ba­rung oder Glau­bens­hin­ter­la­ge hei­lig bewah­ren und treu aus­le­gen“ (Erstes Vati­ka­ni­sches Kon­zil, Dog­ma­ti­sche Kon­sti­tu­ti­on Pastor aeter­nus, Kap. 4).

In den ver­gan­ge­nen Jahr­hun­der­ten hat sich im Leben der Kir­che ein Rechts­po­si­ti­vis­mus durch­ge­setzt, der mit einer Art von Papo­la­trie ver­bun­den ist. Eine sol­che Hal­tung zielt dar­auf ab, die äuße­ren Ord­nun­gen der Obe­ren und das Recht auf ein blo­ßes Instru­ment in den Hän­den der Macht­ha­ber zu redu­zie­ren, wobei die meta­phy­si­sche und mora­li­sche Grund­la­ge des Rechts selbst ver­ges­sen wird. Von die­sem lega­li­sti­schen Stand­punkt aus, der heu­te in der Kir­che vor­herrscht, ist das, was die Auto­ri­tät ver­kün­det, immer gerecht.

Die tra­di­tio­nel­len geist­li­chen Trak­ta­te leh­ren uns, wie wir der Kir­che und dem Papst oder dem Bischof gehor­chen sol­len. Die­se bezie­hen sich jedoch auf die Zei­ten der Nor­ma­li­tät, als der Papst und die Bischö­fe die Inte­gri­tät des Glau­bens und der Lit­ur­gie tap­fer und unmiß­ver­ständ­lich ver­tei­dig­ten und schütz­ten. Jetzt leben wir offen­sicht­lich in der außer­ge­wöhn­li­chen Zeit einer glo­ba­len Glau­bens­kri­se auf allen Ebe­nen der Kir­che. Ein katho­li­scher Gläu­bi­ger muß die ober­ste Auto­ri­tät des Pap­stes und sei­ne uni­ver­sel­le Lei­tung aner­ken­nen. Wir wis­sen jedoch, daß der Papst bei der Aus­übung sei­ner Auto­ri­tät Auto­ri­täts­miß­brauch zum offen­sicht­li­chen Scha­den des katho­li­schen Glau­bens und der Hei­lig­keit der Lit­ur­gie der Hei­li­gen Mes­se bege­hen kann, wie es lei­der in der Geschich­te gesche­hen ist. Wir wol­len dem Papst gehor­chen, allen Päp­sten, auch dem gegen­wär­ti­gen Papst, aber wenn wir in der Leh­re eines Pap­stes einen offen­sicht­li­chen Wider­spruch fin­den, folgt unse­re Urteils­re­gel der zwei Jahr­tau­sen­de alten Tra­di­ti­on der Kir­che, d. h. der kon­stan­ten Leh­re der Päp­ste durch Jahr­tau­sen­de und Jahrhunderte.

Nach Pater Enri­co Zoffo­li haben die schlimm­sten Übel der Kir­che ihren Ursprung nicht in der Bos­heit der Welt, der Ein­mi­schung oder der Ver­fol­gung der Lai­en durch ande­re Reli­gio­nen, son­dern vor allem in den mensch­li­chen Ele­men­ten, aus denen der Mysti­sche Leib besteht: den Lai­en und dem Kle­rus. „Es ist die Dis­har­mo­nie, die durch den Unge­hor­sam der Lai­en gegen­über dem Werk des Kle­rus und des Kle­rus gegen­über dem Wil­len Chri­sti ent­steht“ (Pote­re e obbe­dien­za nella Chie­sa, Mai­land 1996, S. 67):

„Gegen die Auto­ri­tät eines Pap­stes oder eines Bischofs, die die Gren­zen des gött­li­chen Geset­zes der Inte­gri­tät und der Klar­heit des katho­li­schen Glau­bens über­schrei­tet, muß man ent­schlos­se­nen Wider­stand lei­sten, der öffent­lich wer­den kann. Dies ist das Hel­den­tum unse­rer Zeit, der schwer­ste Weg zur Hei­lig­keit heu­te. Hei­lig zu wer­den bedeu­tet, den Wil­len Got­tes zu tun; den Wil­len Got­tes zu tun bedeu­tet, Sei­nem Gesetz immer zu gehor­chen, ins­be­son­de­re dann, wenn dies schwie­rig ist oder uns in Kon­flikt mit Men­schen bringt, die, obwohl sie legi­ti­me Ver­tre­ter Sei­ner Auto­ri­tät auf Erden sind (Papst, Bischof), lei­der Irr­tü­mer ver­brei­ten oder die Inte­gri­tät und Klar­heit des katho­li­schen Glau­bens schwächen.“

Sol­che Momen­te sind in der Geschich­te der Kir­che sehr sel­ten, aber sie haben sich, wie es für alle sicht­bar ist, auch in unse­rer Zeit ereignet.

Vie­le haben im Lau­fe der Geschich­te ein hel­den­haf­tes Ver­hal­ten an den Tag gelegt und sich den unge­rech­ten Geset­zen der poli­ti­schen Auto­ri­tät wider­setzt. Noch grö­ßer ist das Hel­den­tum derer, die sich gegen die Auf­er­le­gung von Leh­ren durch die kirch­li­che Auto­ri­tät gewehrt haben, die von der bestän­di­gen Tra­di­ti­on des Glau­bens und der Lit­ur­gie der Kir­che abwei­chen. Der kind­li­che, from­me und respekt­vol­le Wider­stand führt nicht zum Aus­tritt aus der Kir­che, son­dern ver­viel­fäl­tigt die Lie­be zur Kir­che, zu Gott und zu sei­ner Wahr­heit, denn Gott ist die Grund­la­ge jeder Auto­ri­tät und jedes Gehorsams.

Aus Lie­be zum päpst­li­chen Amt, zur Ehre des Apo­sto­li­schen Stuh­les und zur Per­son des Pap­stes scheu­ten sich eini­ge Hei­li­ge, z. B. die hei­li­ge Bir­git­ta von Schwe­den und die hei­li­ge Katha­ri­na von Sie­na, nicht, die Päp­ste zu ermah­nen, manch­mal sogar in etwas schär­fe­ren Wor­ten, wie wir sehen kön­nen, wenn die hei­li­ge Bir­git­ta die fol­gen­den Wor­te des Herrn an Papst Gre­gor XI. berichtet:

„Fang an, die Kir­che zu refor­mie­ren, die ich mit mei­nem eige­nen Blut erkauft habe, damit sie refor­miert und gei­stig in ihren ursprüng­li­chen Zustand der Hei­lig­keit zurück­ge­führt wer­den kann. Wenn Du die­sen mei­nen Wil­len nicht befolgst, dann kannst Du ganz sicher sein, daß Du von mir vor mei­nem gan­zen himm­li­schen Gericht mit der glei­chen Art von Urteil und geist­li­cher Gerech­tig­keit ver­ur­teilt wer­den wirst, mit der man einen welt­li­chen Prä­la­ten ver­ur­teilt und bestraft, der sei­nes Ran­ges ent­ho­ben wer­den soll. Er wird öffent­lich sei­nes hei­li­gen, päpst­li­chen Gewan­des beraubt, besiegt und ver­flucht. Genau das wer­de ich mit Dir tun. Ich wer­de Dich von der Herr­lich­keit des Him­mels weg­schicken. Aber, Gre­gor, mein Sohn, ich ermah­ne Dich erneut, Dich in Demut zu mir zu bekeh­ren. Höre auf mei­nen Rat“ (Buch der Offen­ba­rung, 4, 142).

Die hei­li­ge Katha­ri­na von Sie­na, eine Kir­chen­leh­re­rin, rich­te­te fol­gen­de unver­blüm­te Ermah­nung an Papst Gre­gor XI. und for­der­te ihn auf, die Kir­che ener­gisch zu refor­mie­ren oder, soll­te er dies nicht tun, auf das Papst­tum zu verzichten:

„Hei­lig­ster und lieb­ster Vater, Dei­ne arme unwür­di­ge Toch­ter Katha­ri­na in Chri­stus, dem süßen Jesus, emp­fiehlt sich Dir in sei­nem kost­ba­ren Blut. Die gött­li­che Wahr­heit ver­langt, daß Du Gerech­tig­keit übst über die Fül­le der vie­len Unge­rech­tig­kei­ten, die von denen began­gen wer­den, die im Gar­ten der hei­li­gen Kir­che gefüt­tert und gewei­det wer­den. Da Er Dir die Auto­ri­tät gege­ben hat und Du sie über­nom­men hast, soll­test Du Dei­ne Tugend und Macht gebrau­chen; und wenn Du nicht gewillt bist, sie zu gebrau­chen, wäre es bes­ser für Dich, dar­auf zu ver­zich­ten, was Du über­nom­men hast; das wäre mehr Ehre für Gott und Gesund­heit für Dei­ne Seele.“

Wenn die Auto­ri­täts­per­so­nen in der Kir­che (Papst, Bischö­fe), wie es in unse­rer Zeit der Fall ist, ihre Pflicht, die Inte­gri­tät und die Klar­heit des katho­li­schen Glau­bens und der Lit­ur­gie zu bewah­ren und zu ver­tei­di­gen, nicht treu erfül­len, ruft Gott die Unter­ge­be­nen, oft die Klei­nen und Ein­fa­chen in der Kir­che, dazu auf, die Feh­ler der Obe­ren aus­zu­glei­chen, durch Appel­le, Kor­rek­tur­vor­schlä­ge und, am stärk­sten, durch stell­ver­tre­ten­de Opfer und Gebete.

Wäh­rend der tie­fen Kir­chen­kri­se im 15. Jahr­hun­dert, in der der hohe Kle­rus oft ein schlech­tes Bei­spiel gab und in sei­nen pasto­ra­len Pflich­ten schwer ver­sag­te, wur­de Niko­laus Kar­di­nal von Kues (1401–1464) durch einen Traum tief bewegt, in dem ihm die gei­sti­ge Rea­li­tät der Macht der Selbst­hin­ga­be, des Gebets und des stell­ver­tre­ten­den Opfers gezeigt wur­de. Er sah in einem Traum die fol­gen­de Sze­ne: Mehr als tau­send Non­nen bete­ten in der klei­nen Kir­che. Sie knie­ten nicht, son­dern stan­den. Sie stan­den mit offe­nen Armen, die Hand­flä­chen nach oben gerich­tet, in einer Geste der Hin­ga­be. In den Hän­den einer schlan­ken, jun­gen, fast kind­li­chen Non­ne sah Niko­laus den Papst. Man konn­te ihr anse­hen, wie schwer die­se Last für sie war, aber ihr Gesicht strahl­te vor Freu­de. Die­se Hal­tung soll­ten wir uns zum Vor­bild nehmen.

Erst­ver­öf­fent­li­chung: Life­Si­teNews
Einleitung/​Übersetzung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: MiL/​Wikicommons

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