Von Wolfram Schrems*
Am 25. März veröffentlichte der bekannte Historiker Dr. Michael Hesemann unter dem Titel Als Johannes Paul II. und die Gottesmutter von Fatima den Kommunismus besiegten auf kath.net einen Gastbeitrag zum Weiheakt durch Papst Johannes Paul II. zum 40. Jahrestag am 25. März 1984. Hier werden zulasten der Botschaft von Fatima problematische Narrative verbreitet. Das kann nicht unwidersprochen hingenommen werden. Der Widerspruch richtet sich freilich auch gegen die vatikanoffiziellen Stellungnahmen zu Fatima, die seit Jahrzehnten die Gläubigen täuschen. Im Folgenden daher eine kritische Analyse der Hesemannschen Stellungnahme.
Johannes Paul II. und Sr. Lucia?
Hesemann schreibt völlig unkritisch und perpetuiert damit das offizielle Narrativ:
„Am 1. Jahrestag des Attentates reiste er [Papst Johannes Paul II.] nach Fatima, um Maria für seine Rettung zu danken und das letzte überlebende der drei Seherkinder, die damals 75jährige Karmeliterin Lucia, zu treffen und sie über die Geheimnisse und den Wunsch Mariens zu befragen.“
Hier ist sie wieder, die „Karmeliterin Lucia“, nun schon fünfundsiebzig Jahre alt. Eine Ähnlichkeit mit Sr. Lucia dos Santos, wie sie von älterem Bild- und Filmmaterial bekannt ist, besteht nicht im entferntesten. Man fragt sich, warum ein Mann mit der Bildung, mit den internationalen Kontakten und mit den Recherchemöglichkeiten, wie sie Hesemann besitzt, keine Nachforschungen über die merkwürdige Veränderung von Physiognomie, Verhalten und Botschaft von Sr. Lucia (?) nach dem Interview mit P. Agustin Fuentes am 26. Dezember 1957 durchführt. Beim Besuch von Papst Paul VI. in Fatima im Jahr 1967 (man beachte die etwa zehnjährige Lücke öffentlicher Sichtbarkeit und publizierter Stellungnahmen) betritt eine völlig unähnliche Person die Bühne. Daß hier etwas nicht stimmen kann, muß doch jedem unvoreingenommenen Zeitgenossen ins Auge stechen. Diese Thematik wurde hier schon mehrfach behandelt.
Weihe Rußlands an das Unbefleckte Herz Mariens am 25. März 1984 – ohne Nennung Rußlands?
Hesemann erzählt die Ereignisse um die angeblich gültige Weihe Rußlands am 25. März 1984:
„Am 8. Dezember 1983 schickte er [Johannes Paul II.] Briefe an alle Bischöfe der Welt, einschließlich jene der orthodoxen Kirchen, in denen er sie dazu einlud, mit ihm gemeinsam am Festtag Mariä Verkündigung, dem 25. März 1984, eine Weihe der Welt an das Unbefleckte Herz Mariens zu vollziehen. Zu diesem Zweck ließ er die Gnadenstatue eigens von Fatima nach Rom einfliegen, wo sie die Nacht in seiner Privatkapelle verbrachte. Am nächsten Morgen wurde sie vor dem Petersdom aufgestellt, wo Johannes Paul II. zum Abschluss eines zweistündigen Pontifikalhochamtes die Weiheformel sprach. Zeitgleich vollzogen Hunderte Bischöfe in aller Welt mit ihren Gemeinden denselben Ritus. Zudem war ein Vertrauter des Papstes, der slowakische Bischof Pavlo Hlinica [muß heißen: Pavol Hnilica, Anm.], als Tourist nach Moskau gereist. Auf einer Führung durch die Kreml-Kathedralen sonderte er sich ab, um die Weiheformel zu sprechen und mit einer mitgebrachten Ampulle voll Wein und Mini-Hostie das heilige Messopfer zu feiern. ‚Vom Atomkrieg, von unberechenbarer Selbstzerstörung, von jeder Art des Krieges, bewahre uns!‘; betete er gemeinsam mit dem Papst. ‚Ist Russland jetzt geweiht?‘, ließ Johannes Paul II. später über seinen Apostolischen Nuntius bei Schwester Lucia nachfragen. Sie bejahte. ‚Jetzt warten wir auf das Wunder‘, meinte der Nuntius. ‚Gott wird sein Wort halten‘, versprach sie.“
Abgesehen vom Offenkundigsten, nämlich, daß Johannes Paul II. beim Weiheakt Rußland nicht als alleiniges Objekt der Weihe nannte, ja überhaupt nicht nannte, somit auch nicht weihte, kann das klandestine Sprechen einer Weiheformel, so dramatisch die Umstände und so heroisch die Tapferkeit des slowakischen Jesuitenbischofs auch gewesen sein mögen, unmöglich dem ausdrücklichen Wunsch der Muttergottes nach einer Weihe durch den Papst im Verein mit dem Weltepiskopat entsprechen.
Im Zusammenhang mit Fatima sind wir nun schon seit Jahrzehnten mit Verrenkungen, Ausflüchten und Sophistereien seitens der kirchlichen Autoritäten konfrontiert. Sr. Lucia dos Santos hätte das bestimmt nicht gutgeheißen.
Mögliche begrenzte segensreiche Wirkungen des Weiheaktes
Hesemann stellt zwischen dem Akt der Weltweihe am 25. März 1984 und den Ereignissen des Folgejahres einen kausalen Zusammenhang her:
„Nicht einmal ein Jahr nach der Weltweihe, am 11. März 1985, wurde Michail Gorbatschow neuer Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Sowjetunion. Er kündigte an, dass fortan ein neuer Wind in Russland herrschte: Von Glasnost, einer neuen Offenheit, und Perestroika, ‚Umgestaltung‘, war jetzt die Rede. Stattdessen setzte eine in der Geschichte einzigartige Rechristianisierung des orthodoxen Landes ein. Hätte die Weltweihe nicht stattgefunden, so erklärte Sr. Lucia später, wäre 1985 ein globaler Atomkrieg ausgebrochen.“
Es mag durchaus sein, daß der Weiheakt von Johannes Paul II. segensreiche Wirkungen entfaltete. Auf diese Einschätzung stößt man auch in vatikankritischen Publikationen. Die von Hesemann vorgebrachte Geschichte mit der Explosion der sowjetischen Raketen in Seweromorsk bei Murmansk ausgerechnet am 13. Mai 1984 wird übrigens auch von den Patres Huber und Mura erwähnt. Diese Katastrophe verhinderte nach Hesemann einen sowjetischen Atomschlag und zwang die Sowjetführung zu Verhandlungen. Das ist gut möglich. Verhandlungen sind besser als ein Atomkrieg.
Aber die Verheißung Fatimas gemäß der Botschaft vom 13. Juli 1917 ist die Bekehrung Rußlands.
„Orthodoxe Rechristianisierung“ – allenfalls durch Michail Gorbatschow?
Hesemann bringt die Bestellung Michail Gorbatschows („ein Mann des Dialogs“) zum Generalsekretär der KPdSU ins Spiel. Aus dem Zusammenhang geht hervor, daß die Wahl Gorbatschows nach Meinung Hesemanns wohl eine Folge des Weiheaktes vom 25. März 1984 gewesen sein wird.
Aber Gorbatschow war bekanntlich Atheist und Marxist. Die westlichen Eliten, gottlos und machtbesessen, schufen für ihn, der den globalistischen Plänen offenbar gewogen war, später auch Wirkmöglichkeiten im Rahmen der Gorbachev Foundation.
Hesemann spricht von einer einsetzenden „einzigartige[n] Rechristianisierung des orthodoxen Landes“.
Es mag schon sein, daß Rußland seine orthodoxen Wurzeln mehr und mehr wiederentdeckt. Aber was soll damit bewiesen sein? Daß die Weihe wirksam im Sinne der Verheißung gewesen sein soll? Die Verheißung sprach von einer „Bekehrung“. Das heißt natürlich eine Heilung des Schismas, eine Bekehrung zur katholischen Kirche und zum katholischen Dogma, auch zur ausdrücklichen Anerkennung des Dogmas von der Unbefleckten Empfängnis, die im schismatischen Osten nicht vollzogen wird. Das ist nicht eingetreten. Rußland hat bekanntlich auch immer noch einen sehr starken, und wachsenden, islamischen Bevölkerungsanteil und einige heidnische Völkerschaften.
Abwendung des August-Putsches als Triumph der Immaculata?
Fragwürdig ist Hesemanns Beurteilung der Ereignisse im Sommer 1991:
„1991, nach dem Putsch ausgerechnet am Fatima-Jahrestag, dem 19. August, brach die kommunistische Sowjetunion zusammen. Ein Radiosender, der eingeschmuggelt worden war, um ein christliches Radioprogramm für Russland aufzubauen, diente damals Boris Jelzin, um die Bevölkerung zum Widerstand gegen die Putschisten aufzurufen. Am 22. August 1991 war der Putsch niedergeschlagen – ausgerechnet am Festtag Mariä Königin, der bis 1969 als ‚Fest des Unbefleckten Herzens Mariens‘ gefeiert wurde. Weist das nicht eindeutig auf die Prophezeiung hin, in Russland würde ‚Mein Unbeflecktes Herz triumphieren‘?“
Abgesehen davon, daß wir nicht wissen, ob der August-Putsch in Moskau allenfalls eine Inszenierung war oder nicht: Was soll das für ein „Triumph“ des Unbefleckten Herzens Mariens sein, wenn derjenige, der angeblich „triumphiert“, niemals angemessen genannt und gefeiert wird? Zum Begriff des Triumphes gehört es bekanntlich, daß der Triumphator selbstverständlich namentlich bekannt ist und entsprechend geehrt wird. Allen, die behaupten, der „Triumph“ des Unbefleckten Herzens habe schon stattgefunden, müßte eigentlich bekannt sein, daß die Immaculata weder bei der russischen Regierung, noch bei der schismatischen russischen Kirche, noch bei den Völkerschaften Rußlands, noch auch bei der derzeitigen Kirchenführung Roms oder sonst irgendwo ein Thema ist. Das Unbefleckte Herz Mariens kommt in der kirchlichen Verkündigung, in der akademischen Theologie und im Bewußtsein der Gläubigen nicht vor. Es ist nicht Gegenstand der Verehrung, die aber von Gott gemäß der Botschaften sowohl vom 13. Juni als auch vom 13. Juli 1917 ausdrücklich verlangt wird. Nur eine verschwindend kleine Minderheit von Katholiken beschäftigt sich damit überhaupt – oft zum Verdruß ihrer Pastoralassistentinnen, Pfarrer und Bischöfe, die davon nichts wissen wollen.
Wie Hesemann ja selbst schreibt, wurde der 22. August „bis 1969 als ‚Fest des Unbefleckten Herzens Mariens‘“ gefeiert. Also jetzt, nach 1969, offenbar nicht mehr? Was für ein „Triumph“ soll das bitte sein, wenn die kirchliche Autorität (die Fatima grundsätzlich anerkannt hat) diejenige, die triumphieren soll, aus dem Bewußtsein der Gläubigen streicht und dann auch nicht mehr – etwa durch eine Kalenderreform – ins Bewußtsein der Gläubigen zurückholt?
Im übrigen sind wir zwar froh, daß der Putsch kommunistischer Militärs „niedergeschlagen“ worden ist (wie gesagt, vorbehaltlich der Möglichkeit, daß es sich um eine Show handelte), aber daß das Jelzin-Regime den Zielvorstellungen der Muttergottes entsprach, ist nicht der Fall. Da sich (meist jüdische) Oligarchen die Reichtümer des Landes unter den Nagel rissen und Verelendung, gesellschaftliche Auflösung und ein Anstieg der Gewaltkriminalität einsetzten, wird keiner von einem „Triumph“ der Immaculata sprechen können.
Zeit des Friedens? Wann? Wo?
Leider streut Hesemann auch im folgenden Abschnitt dem Leser Sand in die Augen. Er spricht von der „versprochene[n] ‚Zeit des Friedens‘“, die gekommen sein soll, „als im Herbst 1989 in Europa die Mauern und nach ihnen, eines nach dem anderen, die kommunistischen Regime fielen, weil Gorbatschow nicht mehr bereit war sie zu stützen.“
Vielleicht hat Hesemann es schon wieder vergessen, daher zur Erinnerung: Im Sommer 1991 brach ein verheerender Krieg zwischen der jugoslawischen Zentralmacht und den sezessionistischen Kroaten aus. Im darauffolgenden Jahr begann ein Greuelkrieg in Bosnien und Herzegowina, der bis 1995 dauerte. Da ich danach humanitär in der Region tätig war, habe ich eine gewisse Anschauung der Folgen. Die „Zeit des Friedens“ sah darüber hinaus den zweiten Golfkrieg (ab 1990) und die illegale Bombardierung Serbiens (1999), sowie den Krieg des indonesischen Militärs und von Freischärlern gegen die katholische Bevölkerung von Osttimor (1999). Der 1960 ausgebrochene guatemaltekische Bürgerkrieg mit 200.000 Toten wurde erst 1996 beendet. Nach einer Lügenkampagne gegenüber der Weltöffentlichkeit griffen die USA im Jahr 2003 den Irak an, verursachten eine unbekannte Anzahl von zivilen und militärischen Opfern und destabilisierten die ganze Region. Dazu kommt der lange währende und von keinen klaren Zielvorstellungen bestimmte Krieg in Afghanistan, der Europa eine präzedenzlose Invasionswelle bescherte.
Darüber hinaus erlebten wir den ersten Krieg mit Biowaffen und PSYOPS gegen die ganze Menschheit. Etc., etc.
Das soll eine „Friedenszeit“ sein?
Nach Hesemann endete „diese Friedenszeit“ übrigens am 24. Februar 2022 „mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine“ (!).
Aha.
Das war es also schon wieder mit dem Triumph des Unbefleckten Herzens Mariens und der Periode des Friedens?
Das ist komplett absurd.
Wenn dazu ein Autor mit einem solchen Bildungshorizont wie Hesemann die Aggressionshandlungen im Vorfeld, Maidan-Putsch unter US-Regie und Krieg gegen die russischsprachige bzw. russische Bevölkerung des Donbass nicht berücksichtigt, ist das unentschuldbar. Man wird mutmaßen, daß er sich hier mit der willkürlichen Auswahl dieses Datums nach der derzeitigen Linie der globalistischen Meinungsführer richtet.
Deutschland und der besiegte Kommunismus?
Hesemann führt den Leser auf eine falsche Spur, wenn er schreibt:
„So verdanken wir Deutschen unsere Einheit letztendlich der Gottesmutter von Fatima, die Johannes Paul II. das Instrument in die Hand gab, um den Kommunismus zu besiegen.“
Der Kommunismus ist nicht besiegt.
Sowjetdissident Wladimir Bukowski meinte schon vor Jahren, daß die EU-Kommission sehr dem sowjetischen Politbüro ähnle.
WEF-Gründer Klaus Schwab hat in seinem Bücherregal bezeichnenderweise eine Lenin-Büste stehen.
Angela Merkel, die ehemalige FDJ-Funktionärin, setzte sich eine Maske auf und drehte das wiedervereinigte Deutschland auf einen Kurs, der kommunistisch genannt werden muß. Außerdem wird Deutschland als solches gerade abgeschafft.
Die Zeichen der kommunistischen Diktatur kleben förmlich an der Wand.
Nach all dem, was wir seit 1989 beobachten, kann man kaum von einer Überwindung des Kommunismus sprechen, zumal das chinesisch-kommunistische System fest im Sattel sitzt und bei westlichen Globalisten und sogar in der Kirchenhierarchie viele Bewunderer hat.
Nein, es gibt auch einen Kommunismus, dessen Macht nicht auf der Präsenz russischer Panzer in unseren Straßen beruht.
Hesemann ist aber so realistisch, daß er mit einem Gebetsappell abschließt:
„Beten wir, dass wir jetzt genügend Beter finden, die den Geist der Weihe von 1984 leben und erneut einen Dritten Weltkrieg verhindern.“
Resümee
Nun, beten sollten wir wirklich. „Den Geist der Weltweihe von 1984“, die dem Auftrag von Fatima nicht entsprochen hat, lassen wir aber lieber.
Johannes Paul II. versuchte wohl einen Spagat und man muß von einer gewissen Spaltung sprechen: Einerseits wollte er den Anforderungen von Fatima irgendwie entsprechen, auf der anderen Seite setzte er auf Diplomatie und Dialog, auch mit den entschiedensten Feinden der Kirche. Einerseits war er Marienverehrer, andererseits skandalisierte er durch den Greuel von Assisi im Oktober 1986 die gläubigen Katholiken (und die ernsthaften nicht-katholischen Christen, die am Ersten Gebot festhalten). Einerseits betete er den Rosenkranz vor, andererseits unterließ er das Fatima-Gebet nach den Gesätzchen. Die Sühnesamstage, ausdrücklicher Auftrag vom 13. Juli 1917, vom 10. Dezember 1925 und vom 15. Februar 1926, wurden von ihm nicht autoritativ promulgiert.
Darum scheint die Heiligsprechung auch zu rasch, zu ungeprüft, möglicherweise zu kirchen- und konzilspolitisch bestimmt.
Michael Hesemann thematisiert das nicht, sondern folgt mehr oder weniger dem Narrativ aus den Tagen von Johannes Paul II.
Jetzt stecken wir in einer präzedenzlosen Apostasie, angefangen mit der Hierarchie.
Es wäre höchste Zeit, volle Klarheit in die Sache Fatima zu bringen und die Forderungen der Muttergottes endlich umzusetzen, damit der Triumph Mariens und die Periode des Friedens kommen kann.
*Wolfram Schrems, Wien, Mag. theol., Mag. phil., Katechist, Pro Lifer, seit 2011 intensive Auseinandersetzungen mit den Anhängern der vatikanischen Fatima-Darstellungen.
Bild: Wikicommons/Wachtyrz (Screenshots)