Im Zeichen der Pyramide

Papst Franziskus reist nach Nur-Sultan zum Treffen der Religionsführer – und vielleicht zu Patriarch Kyrill


Nun ist es fix: Papst Franziskus wird im September die Pyramide von Nur-Sultan besuchen, um am Welttreffen der Welt- und Religionsführer teilzunehmen.
Nun ist es fix: Papst Franziskus wird im September die Pyramide von Nur-Sultan besuchen, um am Welttreffen der Welt- und Religionsführer teilzunehmen.

(Rom) Wie von Katho​li​sches​.info am 14. April ange­kün­digt, ist es nun fix: Papst Fran­zis­kus wird sich im kom­men­den Sep­tem­ber in die Pyra­mi­de von Nur-Sul­tan in Kasach­stan bege­ben. Dabei könn­te es nicht nur um die Teil­nah­me am Welt­tref­fen der Welt- und Reli­gi­ons­füh­rer gehen, son­dern noch um einen zwei­ten Anlaß.

Anzei­ge

Noch bevor es eine offi­zi­el­le Bestä­ti­gung gab, erfolg­te bereits die Absa­ge: Ein geplan­tes Tref­fen zwi­schen Papst Fran­zis­kus und dem Ober­haupt der rus­sisch-ortho­do­xen Kir­che, Patri­arch Kyrill I. von Mos­kau, wur­de von Fran­zis­kus Anfang Mai in einem Zei­tungs­in­ter­view wie­der aus dem Ter­min­ka­len­der gestri­chen. Nun könn­te es den­noch zu einer Begeg­nung kommen.

Ein historisch langer Weg

Der 13. Febru­ar 2016 war ein histo­ri­scher Tag: In Havan­na auf Kuba fand die erste Begeg­nung des Pap­stes mit einem Mos­kau­er Patri­ar­chen statt. Eigent­lich hat­te ein Vor­gän­ger Kyrills beim Kon­zil von Flo­renz im 15. Jahr­hun­dert die Uni­on mit Rom unter­zeich­net. Unter der Ägi­de des Groß­für­sten von Mos­kau konn­te die­se aber nur teil­wei­se umge­setzt wer­den. Das Schis­ma von 1054, der gro­ße Bruch zwi­schen West- und Ost­kir­che, obwohl in Flo­renz in allen Punk­ten über­wun­den, blieb auf­recht. Dafür kam es spä­ter zur Rang­erhö­hung, sodaß Mos­kau seit 1589 neben dem Zaren auch einen Patri­ar­chen hat­te, wodurch der Anspruch unter­stri­chen wur­de, Hüter und Wah­rer der Ortho­do­xie zu sein. Tat­säch­lich ist die rus­sisch-ortho­do­xe Kir­che die weit­aus größ­te unter den kano­ni­schen Ostkirchen.

Nie war es zu einer Begeg­nung zwi­schen Papst und Patri­arch gekom­men, so abwei­send war Mos­kau gegen­über Rom. Meh­re­re Vor­gän­ger von Fran­zis­kus bemüh­ten sich um eine neue Gesprächs­ebe­ne, blie­ben mit ihren Bemü­hun­gen aber erfolglos.

Erst Fran­zis­kus gelang, was sei­nen Vor­gän­gern ver­wehrt blieb. 2016 kam es auf neu­tra­lem Boden zum ersten Zusam­men­tref­fen. Es fand nicht in Rom, wohin der Patri­arch nicht woll­te, und nicht in Mos­kau, wohin die Päp­ste ger­ne wür­den, statt, auch nicht auf dem Boden, den die rus­sisch-ortho­do­xe Kir­che als histo­ri­sche Juris­dik­ti­on bean­sprucht, son­dern auf Kuba. Zudem bestehen jahr­zehn­te­lan­ge Bezie­hun­gen zwi­schen Mos­kau und Havan­na, die noch in die Sowjet­zeit zurück­rei­chen. Auch das Rus­si­cum in Rom wur­de von Fran­zis­kus auf­ge­löst. Dar­in ist die Bereit­schaft Roms zu sehen, größt­mög­li­che Rück­sicht auf die Emp­find­lich­kei­ten der seit bald einem Jahr­tau­send getrenn­ten Ost­kir­che zu neh­men. Genau die­ses Datum, das Jahr 2054, hat Fran­zis­kus im Auge. Es soll kein tau­send­jäh­ri­ges Schis­ma-Jubi­lä­um geben, das wäre der Wunsch, wäh­rend er 2017 das fünf­hun­dert­jäh­ri­ge Refor­ma­ti­ons-Jubi­lä­um gelas­sen hinnahm.

Dafür war Fran­zis­kus bereit, nach der Begeg­nung in Havan­na einen ern­sten Kon­flikt mit der ukrai­ni­schen grie­chisch-katho­li­schen Kir­che in Kauf zu neh­men. Sie ist der Teil der rus­si­schen Kir­che, der die erwähn­te Uni­on mit Rom seit Jahr­hun­der­ten ver­wirk­licht. Das wur­de durch histo­ri­sche Gege­ben­hei­ten mög­lich, weil der äußer­ste Westen der Rus nicht der Ober­ho­heit Mos­kaus unter­stand, son­dern im Zuge der Befrei­ung von der Mon­go­len-Herr­schaft unter pol­ni­sche und litaui­sche, also katho­li­sche Kon­trol­le geriet.

Papst Fran­zis­kus und Patri­arch Kyrill beim histo­ri­schen ersten Tref­fen auf Kuba im Febru­ar 2016

Es bedurf­te erheb­li­cher Anstren­gun­gen, bis Fran­zis­kus die katho­li­schen Ukrai­ner beru­hi­gen konn­te. Ein Grund­miß­trau­en ist geblie­ben, wie sich nun auch im Zuge des Ukrai­ne­krie­ges zeigt. In Kiew und Lem­berg, dem histo­ri­schen Zen­trum der Unier­ten, geht die Befürch­tung um, Fran­zis­kus kön­ne für die Annä­he­rung zwi­schen Mos­kau und Rom bereit sein, die Unier­ten fal­len­zu­las­sen.

Wäh­rend in der Ost­ukrai­ne die mehr­heit­lich rus­si­sche oder klein­rus­si­sche Bevöl­ke­rung die Erobe­rung durch rus­si­sche Trup­pen als „Befrei­ung“ fei­ert, kommt eine Rück­kehr unter Mos­kau­er Herr­schaft für die bis 1918 öster­rei­chisch gepräg­te katho­li­sche West­ukrai­ne, bzw. ins­ge­samt das histo­risch zuvor von Polen und Litau­en kon­trol­lier­te Gebiet, unter kei­nen Umstän­den mehr in Frage.

Fran­zis­kus will ver­mit­teln, damit die Waf­fen schwei­gen und eine Ver­hand­lungs­lö­sung gefun­den wird. Das setzt ihn schwe­ren Vor­wür­fen aus, die er beharr­lich zu igno­rie­ren gedenkt. Er will sich vor kei­nen Kar­ren span­nen las­sen, hat aber eine Visi­on im Kopf, das Schis­ma von 1054 zu über­win­den, in wel­cher von ihm gedach­ten Form auch immer. Dar­auf arbei­tet er hin.

Der gescheiterte Versuch im Libanon

Hin­ter den Kulis­sen wur­de daher schon län­ge­re Zeit an einem zwei­ten Tref­fen zwi­schen Kyrill und Fran­zis­kus gear­bei­tet. Zahl­rei­che Hür­den ver­zö­ger­ten die Umset­zung, wozu auch inner-ortho­do­xe Kon­flik­te gehö­ren, wo der Umgang mit Schis­men ein etwas ande­rer ist als in der latei­ni­schen Kir­che. Die größ­te Hür­de ist aller­dings, daß Rom die Kom­mu­ni­ons­pen­dung durch den ortho­do­xen Kle­rus aner­kennt, wäh­rend dies umge­kehrt nicht der Fall ist. Ein Katho­lik kann, wenn er kei­ne ande­re Mög­lich­keit hat, gül­tig eine im byzan­ti­ni­schen Ritus von einem ortho­do­xen Prie­ster zele­brier­te Mes­se besu­chen, wäh­rend die Ortho­do­xen eine im latei­ni­schen Ritus zele­brier­te Mes­se nicht aner­ken­nen. Der Blick auf die jewei­li­ge Gegen­sei­te ist daher grundverschieden.

Schließ­lich war es soweit: Der Liba­non wur­de als neu­tra­ler Boden aus­er­ko­ren für die zwei­te Begeg­nung. In dem ein­zi­gen christ­li­chen Staat des Nahen Ostens sind Ortho­do­xe, Latei­ner und Unier­te behei­ma­tet. Am 12./13. Juni soll­te es soweit sein. Dann brach jedoch der Ukrai­ne­krieg aus und mach­te einen Strich durch die Rechnung.

Am 3. Mai sag­te Fran­zis­kus in einem Inter­view mit dem Cor­rie­re del­la Sera das Tref­fen ab. Zu die­sem Zeit­punkt war es noch nicht ein­mal offi­zi­ell bestä­tigt gewe­sen. In Mos­kau reagier­te man „erstaunt“, hielt sich mit dem Urteil zurück. Offen­bar sind der­zeit bei­de Sei­ten an einer Begeg­nung inter­es­siert. Das war von Mos­kau­er Sei­te lan­ge nicht so.

Im Zeichen der Pyramide

Gestern bestä­tig­te Papst Fran­zis­kus, im kom­men­den Sep­tem­ber in die Pyra­mi­de von Nur-Sul­tan gehen zu wol­len. Dort wird am 14./15. Sep­tem­ber eine Art Welt­tref­fen der Reli­gi­ons­füh­rer statt­fin­den. Sol­chen Ver­an­stal­tun­gen blie­ben die Päp­ste bis­her fern. Wenn schon, nah­men sie an ähn­li­chen Ver­an­stal­tun­gen teil, die von der Gemein­schaft von Sant’Egidio orga­ni­siert wur­den. Fran­zis­kus bricht selbst mit die­ser Pra­xis und wird sich nach Kasach­stan bege­ben, einem mehr­heit­lich isla­mi­schen Land mit star­ker, aller­dings schrump­fen­der rus­sisch-ortho­do­xer Min­der­heit. Der Anteil der Katho­li­ken im Land, haupt­säch­lich Nach­kom­men der 1941 von Sta­lin depor­tier­ten Polen und Deut­schen, ist sehr gering.

Die Pyra­mi­de der Reli­gio­nen von Nur-Sultan

Dem inter­re­li­giö­sen Pyra­mi­den-Pro­jekt, das auf den inzwi­schen ver­stor­be­nen Lang­zeit­herr­scher Kasach­stans Nur­sul­tan Nas­ar­ba­jew zurück­geht, zeigt eine frei­mau­re­ri­sche Sym­bo­lik, wie ins­ge­samt die unter ihm grund­le­gend umge­bau­te Haupt­stadt des Lan­des davon durch­tränkt scheint. Offi­zi­ell trägt das 2006 fer­tig­ge­stell­te Bau­werk die Bezeich­nung „Pyra­mi­de des Frie­dens und der Ver­söh­nung“. Errich­tet wur­de sie eigens für das Tref­fen der Reli­gi­ons­füh­rer. Kri­ti­ker sehen in der Pyra­mi­de von Nur-Sul­tan das greif­bar gewor­de­ne Sym­bol eines alten frei­mau­re­ri­schen Trau­mes, der sich heu­te in der glo­ba­li­sti­schen Agen­da der Welt­ver­ein­heit­li­chung zu ver­wirk­li­chen scheint.

Der 2003 von Nas­ar­ba­jew ins Leben geru­fe­ne Con­gress of Lea­ders of World and Tra­di­tio­nal Reli­gi­ons wird 2022 durch die Teil­nah­me von Papst Fran­zis­kus die bedeu­tend­ste Auf­wer­tung sei­ner Geschich­te erfah­ren. Mit der gest­ri­gen Bekannt­ga­be wur­de sein Besuch in Kasach­stan offi­zi­ell gemacht. Das führt zu Spe­ku­la­tio­nen, daß Nur-Sul­tan auch das Aus­weich­quar­tier für die zwei­te Begeg­nung von Papst Fran­zis­kus mit Patri­arch Kyrill I. wer­den könn­te. Das Tref­fen der Reli­gi­ons­füh­rer wäre der „neu­tra­le“ Rah­men, in dem eine Begeg­nung unter vier Augen nicht unter dem engen Gesichts­punkt des der­zei­ti­gen Ukrai­ne­krie­ges gese­hen und kri­ti­siert wer­den könnte.

Offi­zi­ell gibt es dafür aber noch kei­ne Anzei­chen. Es wird aber erwar­tet, daß Metro­po­lit Hila­ri­on, der „Außen­mi­ni­ster“ des Mos­kau­er Patri­ar­chats, in sei­ner wöchent­li­chen Fern­seh­sen­dung dar­auf zu spre­chen kom­men wird. Die Diplo­ma­ten hin­ter den Kulis­sen sind am Werk.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: MiL/​Wikicommons

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