
Von Wolfram Schrems*
Erfreulicherweise brachte der Sarto-Verlag das Buch Fatima Rom Moskau nach einiger Zeit, da es vergriffen war, wieder auf den Markt. Damit wird eine hervorragende Orientierungshilfe geboten. Diese soll jeden gläubigen Katholiken anregen, angesichts sich zuspitzender Ereignisse in Kirche und Welt selbst im Sinne der Botschaft von Fatima aktiv zu werden.
Knapp vor dem hundertsten Jahrestag der ersten Erscheinung der Muttergottes in Fatima ist jedem, der sich mit der Materie beschäftigt, klar, daß keine dort gestellte Forderung im gesamtkirchlichen Maßstab umgesetzt worden ist. Bekanntlich ist weder die Andacht der Sühnesamstage von der Hierarchie verbreitet worden – heute ist sie so gut wie unbekannt –, noch wurde die Weihe Rußlands an das Unbefleckte Herz Mariens durch den Papst in Einheit mit den Bischöfen vollzogen.
Die bis jetzt unterlassene Weihe ist das Hauptthema des Buches.
Das Motto des Buches ist die am Einband wiedergegebene Aussage Papst Benedikts XVI. am 13. Mai 2010 in Fatima: „Wer glaubt, daß die prophetische Mission Fatimas beendet sei, der irrt sich!“
Die beiden Autoren, Priester der Priesterbruderschaft St. Pius X., ersterer ist langjähriger Lehrer für Philosophie, fragten: „Wird Benedikt der Papst sein, der den Wunsch Mariens zur Weihe Russlands endlich erfüllen wird, durch den uns [der] Triumph Mariens versprochen wird?“
Die Ereignisse seit dem verwirrenden und undurchsichtigen Rücktritt von Papst Benedikt zeigen, daß das nicht der Fall war – allenfalls zumindest noch nicht. Denn wir wissen nicht, was noch alles kommen wird. Vielleicht wird die berühmte Formulierung im bekannten Teil des Dritten Geheimnisses vom „Bischof in Weiß“ bald geklärt.
Weil das Buch sehr wichtig ist, hier dazu etwas ausführlicher.
Die Grundbotschaft: die Weisungen von Fatima als Rettungsanker
Die Grundaussage des Buches ist, daß die Botschaft von Fatima einen Rettungsanker vor Katastrophen darstellt, die die Menschheit aus eigener Schuld über sich bringt. Die Verbreitung der Sühnesamstage wie des Sühnegedankens im allgemeinen, das Bewußtsein vom Ernst des menschlichen Lebens, das ewig scheitern kann, und die Weihe Rußlands an das Unbefleckte Herz Mariens sind als von Gott eröffneter Ausweg aus zeitlichen Katastrophen und Schutz vor ewiger Verwerfung angeordnet.
Historische Zusammenhänge
Die Autoren stellen die Ereignisse ab 1916 (der dreimaligen Erscheinung des „Engels Portugals“ vor den drei Hirtenkindern) umfangreich dar. Diese wiederum werden in Zusammenhang mit den teilweise schon lange zurückliegenden Wellen des Glaubensabfalls (Protestantismus, Freimaurerei, Kommunismus) und vom Himmel eröffneten Gegenmitteln gebracht:

Die ausführlich behandelten Ereignisse in Frankreich sind im Detail im deutschen Sprachraum vermutlich weniger bekannt, der Aufruf an König Ludwig XIV. zur Weihe Frankreichs an das Heiligste Herz Jesu 1689 und deren Unterlassung, die Revolution mit ihren Greueltaten, die unruhige nachnapoleonische Ära einschließlich des Terrors der „Pariser Kommune“ und ihrer Kriegserklärung an Deutschland und die Erscheinung Mariens in Pontmain 1871.
Sehr aufschlußreich sind auch die Belege für die Echtheit der Botschaft von Fatima in Form von Bekehrungen und politischen Befreiungen, besonders spektakulär die Rettung Portugals vor dem Kommunismus 1975.
In aller Klarheit stellen die Autoren dar, daß die Weihe Rußlands an das Unbefleckte Herz Mariens entgegen der offiziellen Darstellung durch kirchliche Stellen nicht vollzogen wurde. Die Weiheakte von Pius XII. und Johannes Paul II. werden genau analysiert. Die Autoren kommen unter Berufung auf Sr. Lucia zu dem Schluß, daß diese (besonders 1942, 1982 und 1984) segensreich in den Lauf der Ereignisse eingegriffen haben. Letztere haben zu einem zügigen Ende der (damals akuten) militärischen Bedrohung seitens der Sowjetunion geführt.
Das bedeutet aber eben noch nicht die Bekehrung Rußlands und hat evidenterweise auch nicht die versprochene Periode des Friedens für die Welt gebracht.
Widerstand gegen die Fatimabotschaft im Klerus: Verleumdungen und Fälschungen
Die Autoren legen dar, wie sehr die Fatima-Botschaft im höheren Klerus auf Widerstand stieß. Schon 1944 hat sich der modernistische flämische Jesuit Eduard Dhanis (1902 – 1978) für die Trennung eines „glaubwürdigen“ Teils der Fatima-Botschaft (nämlich die Erscheinungen von 1917, die er notgedrungen anerkennen mußte) von angeblichen „Erfindungen“ von Sr. Lucia (Botschaften von Pontevedra 1925 und Tuy 1929) ausgesprochen („Fatima 1“ gegen „Fatima 2“, wie dieses Scheinproblem auch genannt wird).
Dhanis, damals in der Minderheit und von namhaften Experten widerlegt, hat später steile Karriere gemacht. Er geistert auch in der (unglaubwürdigen) vatikanischen Erklärung vom 26. Juni 2000 herum:
„Wie groß und nachhaltig der Einfluss dieses flämischen Theologen in der Sache Fatimas tatsächlich war und ist, erkennt man daran, dass bei der Veröffentlichung des dritten Geheimnisses am 26. Juni 2000 auch Dhanis im offiziellen, vom Vatikan herausgegebenen Begleitkommentar zitiert wurde. In diesem ‚Kommentar zum Geheimnis von Fatima‘ wurde er in einem Abschnitt über die Privatoffenbarung als ‚herausragender Kenner dieser Materie‘ gewürdigt“ (172).
Ein „herausragender Kenner der Materie“ war er bestimmt nicht. Er weigerte sich sogar, mit Sr. Lucia persönlich zu sprechen (!).

Daß sich bis jetzt die konspirativ agierenden Gegner der Fatima-Botschaft in der Hierarchie durchgesetzt haben, erhellt vor allem aus dem massiven Widerstand, der einer ausdrücklichen und feierlichen Weihe Rußlands entgegengesetzt wird. Sr. Lucia, die sich nicht öffentlich äußern durfte, wurden in den 80er Jahren Worte in den Mund gelegt und Briefe unterschoben, durch die die lästigen Forderungen nach der Rußlandweihe durch jetzt so genannte „traditionalistische Kreise“ ein für alle Mal abgeschmettert werden sollten:
„Wir würden dieses äußerst unrühmliche Kapitel in der Geschichte Fatimas nur allzu gerne stillschweigend übergehen, wenn diese gezinkten Dokumente [angebliche Briefe von Sr. Lucia an ihre Nichte Maria de Belém, an einen offenbar fiktiven Walter M. Noelker, an Father Paul Kramer und an P. Robert Fox] nicht derartig ausgeschlachtet worden wären, um zu dokumentieren, dass die Weihe Russlands angeblich vollzogen ist. Der Falschbrief an Walter Noelker wurde im Jahre 2000 sogar von Tarcisio Bertone SDB, dem damaligen Sekretär der Glaubenskongregation (…) zitiert, und das im offiziellen Begleitschreiben des Vatikans zur Bekanntgabe des dritten Geheimnisses von Fatima am 26. Juli 2000“ (123).
Widerstand gegen die Rußland-Weihe aufgrund modernistischer Irrlehren
Die Autoren stellen die psychologischen bzw. geistlichen Barrieren gegen die Weihe Rußlands auf seiten der Entscheidungsträger ausführlich dar.
Denn bei dieser geht es um „unmoderne“ theologische Wahrheiten:
„Aus diesen Gründen erweist es sich für eine von progressistischen Ideen beeinflußte kirchliche Hierarchie als so gut wie unmöglich, das angegebene Heilmittel [die Weihe Rußlands] konsequent anzuwenden, solange sie nicht bereit ist zu einer Verabschiedung der ‚nouvelle théologie‘ und zur Rückkehr zur traditionellen Theologie (…). [Die Weihe] steht im Gegensatz zur modernen Religionsfreiheit und stützt die traditionelle katholische Lehre vom sozialen Christkönigtum. Man beachte, dass nicht die Russen geweiht werden, sondern Russland. Das beinhaltet aber den Wunsch und die Bitte an den Himmel, dass das Land selber offiziell christlich werden möge. Eine solche Bitte ist mit der Religionsfreiheit des Zweiten Vatikanums nicht vereinbar (…)“ (137).
Diese Mentalität führte zur faktischen Ablehnung der Fatimabotschaft durch die maßgeblichen Hirten der Kirche. Die Autoren dokumentieren zur Illustration dieses Sachverhalts die unfaßbare Mißgestaltung, ja Verhöhnung des heiligen Bezirks in Fatima selbst (Spottkruzifix vor der monströsen Rundkirche).
Dazu wurde die Erscheinungskapelle 2004 skandalöserweise Schauplatz eines hinduistischen Götzenrituals.
Offensichtlich ist hier etwas faul.
Der Beitrag von Priestern und Laien: Gebet und Sühne in den Anliegen Fatimas
Die Autoren bieten einen umfangreichen und sehr wertvollen Anhang mit Gebeten und Formulierungen von Weiheakten. Die Andacht der Sühnesamstage wird genau erklärt. Auch eine Einführung in die geistliche Betrachtung, die Teil der Gestaltung der Sühnesamstage ist, wird mit Bezug auf das Ignatianische Exerzitienbuch geboten.
Somit wird dem Leser ein Mittel an die Hand gegeben, seinen eigenen Beitrag zu leisten – sei es in der privaten Andacht, sei es im Organisieren öffentlicher Andachten. Wenn auch die höchste Hierarchie der Kirche noch nicht das Ihre getan hat, können Laien und Priester das ihnen Zukommende tun.
Alles wird mit Vertrauen auf die Fürbittkraft Mariens vollzogen, denn:
„Die universelle Mittlerschaft Mariens gründet sich auch auf ihre mächtige und unbegrenzte Fürbittkraft, die wir im Bericht von der Hochzeit zu Kana angedeutet sehen“ (143).
Schlußbewertung
Mit ausführlichen historischen Darstellungen und theologischen Erklärungen, über 800 Fußnoten auf knapp 500 Seiten, 95 Abbildungen und einem umfangreichen Literaturverzeichnis von gut 200 Titeln in mehreren Sprachen erfüllt das Buch hohe Ansprüche. Erfreulicherweise sind die Arbeiten von Frà¨re Michel de la Sainte Trinité (François-Marie Velut, der 1989 in die Große Kartause eintrat und dort auch Prior, somit höchster Oberer des Ordens, war), Toute la Vérité sur Fatima (1985), Frà¨re François de Marie des Anges, Fatima – Joie Intime, Événement Mondial (1991), und Mark Fellows, Fatima in Twilight (2003), eingearbeitet. Leider existieren alle diese Arbeiten meinem Kenntnisstand nach nicht in deutscher Übersetzung. Erstgenanntes Werk ist in englischer Übersetzung online greifbar.
Der Vollständigkeit halber und zur Anregung für den Verlag seien auch die – kleinen – Kritikpunkte genannt: Leider handelt es sich bei der Neuausgabe nicht um eine aktualisierte Neuauflage sondern um einen einfachen Nachdruck. Daher sind die dramatischen Entwicklungen des Papstrücktritts und des derzeitigen katastrophalen Pontifikats nicht berücksichtigt. Das Buch ist also auf dem Stand von vor sechs Jahren. Eine Neuauflage, die die Ereignisse der letzten sechs Jahre einarbeitet, wäre wünschenswert (wenngleich man sich auch selbst seinen Reim darauf machen kann).
Es wäre auch gut gewesen, auf die berühmte Passage aus dem Fatima-Geheimnis „In Portugal wird das Dogma des Glaubens immer bewahrt bleiben etc.“ den Finger zu legen. Denn klarerweise ist der Vatikan bis dato niemals auf das „etc.“ eingegangen, obwohl es in der Erklärung vom Juni 2000 vorkommt.
Was wird hier unterschlagen?
Ebenfalls nicht thematisiert wird die Frage nach einer Seligsprechung von Sr. Lucia. Ihre beiden Cousins wurden ja bereits seliggesprochen. Warum spießt es sich bei Sr. Lucia?
Man wird dem Lektorat für eine Neuauflage zur genaueren Durchsicht raten müssen, denn leider sind etliche Verschreibungen unkorrigiert geblieben. Ein echter sachlicher Fehler ist, daß 1903 nicht der selige Kaiser Karl von Österreich gegen die Wahl Kardinal Rampollas zum Papst Einspruch erhob, sondern natürlich Kaiser Franz Josef (41).
Dem Buch ist große Verbreitung zu wünschen. Es kann vielen Lesern die Augen für die katastrophale Situation in Kirche und Welt öffnen und sie dazu anregen, ihren Teil zu tun. Besonders wichtig wäre es für die Hirten der Kirche.
Gérard R. Mura, Martin A. Huber, Fatima Rom Moskau – Durch die Weihe Russlands zum Triumph Mariens, 1. Auflage, Sarto, Stuttgart 2010, 494 S.
*MMag. Wolfram Schrems, Linz und Wien, katholischer Theologe, Philosoph, Katechist
Bild: kath-ru/karlbarth.unibas/MiL (Screenshots)
Der Staat Sowjetunion existiert nicht mehr, aber der Kommunismus zusammen mit der liberalen Freimaurerei und dem Islam wie auch seit einigen Jahren feststellbaren anderen unheilvollen Tendenzen sind mehr denn je in Welt und Gesellschaft dominierend. In Rußland ist jedoch eine starke Wiedererweckung des christlichen Glaubens zu bemerken und das dauert auch noch an. Auch Rom wurde nicht an einem Tag erbaut.
Die Weihe speziell von Papst Johannes Paul II. im Jahre 1984 hatte ganz gewiß zu diesen Veränderungen hauptsächlich beigetragen. Eine Reihe von Bischöfen wird damals aber wohl dem Aufruf des Papstes, sich mit ihm geistig dazu zu vereinen, nicht oder nur widerwillig nachgekommen sein. Daß es so gewesen sein kann, dafür spricht die vehemente vatikanische Dementierung der bekannten Aussagen von Prof. Dollinger vor wenigen Monaten. Gemäß Prof. Dollinger teilte ihm Kardinal Ratzinger nach Veröffentlichung des 3. Geheimnisses im Jahre 2000 in einer kurzen Unterredung mit, daß nicht alles veröffentlicht worden sei. Es ist wohl keine Spekulation, wenn davon ausgegangen wird, daß der möglicherweise verheimlichte Teil mit den Turbulenzen in der Kirche, dem (zumindest teilweisen) Glaubensabfall so vieler Kleriker zu tun hat. Das ist dann vielleicht der Grund für die erstens (noch) nicht in Gänze erfolgte Bekehrung „Rußlands“ und zweitens den in diesem Zusammenhang stehenden auch aktuell andauernden Unfrieden in der Welt.
Fazit: solange die Dinge in der Kirche sich nicht ändern hin zu den wahren Lehren und Dogmen und zu einer heiligen Liturgie wie im sog. Tridentinischen Ritus, ist auch ein allgemeiner Friede in Gesellschaft und Welt unmöglich.