Von Wolfram Schrems*
Dieser Teil schließt unmittelbar an den 3. Teil vom 20.02.23 an.
Zwischenzeitlich ereignete sich wiederum manches im Jesuitenorden, das dessen schändlichen Verfall zeigt (gemäß der offiziellen Netzseite der Zentraleuropäischen Provinz www.jesuiten.org):
Ein deutscher Jesuitenpater deklarierte sich in einer Fernseh-Dokumentation als homosexuell und betreibt anläßlich der Verleihung des Caritas-Pirckheimer-Preises in Nürnberg entsprechende Propaganda, was zu allem anderen einen Mißbrauch der glaubenstreuen Nürnberger Äbtissin Caritas Pirckheimer (1467–1532) darstellt. Der Provinzial der Zentraleuropäischen Provinz verkündete, daß verschiedene sexuelle „Orientierungen“ unter den Mitarbeitern von Jesuitenwerken kein Problem seien. Ein deutscher Jesuit klebte sich mit anderen Verrückten auf die Straße, um gegen den „menschengemachten Klimawandel“ zu protestieren. (Auch in Österreich nahmen übrigens Jesuiten in jüngster Zeit an „Klimademonstrationen“ teil.) Ein österreichischer Jesuit behauptete ernsthaft, Papst Franziskus habe die Kirche „jesuanischer“ gemacht und lobt dessen Kampf gegen das Erste Gebot: „Ich möchte auch seinen Anstoß nennen für das Abrahamic Familiy House in Abu Dhabi: eine Kirche, eine Moschee und eine Synagoge zusammen auf arabischem Boden, die drei Weltreligionen gemeinsam für den Weltfrieden: Das ist großartig!“
Und so weiter und so fort. Es ist komplett irrsinnig. Sie scheinen aber den eigenen Wahnsinn nicht zu bemerken.
Freilich wäre es ungerecht, für alle diese Ärgernisse nun den lange verstorbenen Generaloberen Pedro Arrupe verantwortlich zu machen. Die Weichenstellungen der Arrupe-Ära, nämlich die Abkehr vom traditionellen Glauben und den traditionellen Sitten und die unkritische Hinwendung zur Welt, haben zwar ihre Auswirkungen bis heute. Der Orden hatte aber genug Zeit, die Erfahrungen zu evaluieren und eine Kurskorrektur zu vollziehen. Das ist nicht geschehen. Im Gegenteil ging der Wahnsinn noch schneller voran. –
Damit zum Hauptthema unserer Artikelreihe: Im folgenden geht es um eine überraschende Kehrtwende Arrupes kurz nach seiner Wahl zum Generaloberen. Mit anderen Worten: Es scheint, als habe Arrupe sein Amt mit bona voluntas angetreten, dann aber den Kurs plötzlich geändert.
Alle diese Vorgänge sind für den Seligsprechungsprozeß relevant. Wir hoffen, mit deren Darstellung einen Beitrag zur Verhinderung der geplanten Seligsprechung zu leisten. Wir richten uns wieder weitgehend nach Malachi Martin, The Jesuits – The Society of Jesus and the Betrayal of the Roman Catholic Church (New York: Simon & Schuster, 1987).
Der päpstliche Auftrag zur Bekämpfung des Atheismus – umgedeutet und verraten
Papst Paul VI. beauftragte im Jahr 1965 die Jesuiten, den (sich im 20. Jahrhundert bekanntlich explosionsartig verbreitenden) Atheismus zu studieren und zu bekämpfen.
Pater Arrupe, am 22. Mai 1965 zum Generaloberen gewählt, hielt am 27. September 1965 (dem Gedenktag der Errichtung der Gesellschaft Jesu im Jahr 1540) vor 2500 Konzilsvätern eine aufsehenerregende Ansprache. Nach Malachi Martin sagte Arrupe, die Mentalität und die kulturelle Umgebung der Welt seien atheistisch und zwar „professionell atheistisch“. Darüber hinaus folge diese gottlose Gesellschaft dem, was Arrupe eine „perfekt durchdachte Strategie“ nannte. Arrupe erklärte diesen Punkt im Detail:
„Diese [die gottlose Gesellschaft] kontrolliert fast vollständig die internationalen Organisationen, die Finanzkreise, das Feld der Massenkommunikation“ (The Jesuits, 372).
Er empfahl eine Durchdringung aller dieser Strukturen mit Katholiken, die dort christliche Werte verbreiten sollen.
Das ist durchaus positiv.
Seine Rede vor diesem internationalen Publikum implizierte also, daß eine reale, gut organisierte und weltweite atheistische Organisation existierte.
Als ihm jedoch diese Aussage später unangenehme Momente bei Pressekonferenzen einbrachte, ruderte er zurück. In diesen leugnete er plötzlich, daß er jemals die Idee einer solchen Organisation gehabt und noch viel weniger in der Öffentlichkeit darüber gesprochen hätte.
Die maßgeblichen Mitbrüder Arrupes waren nämlich über dessen Offenheit und die beinahe militärische Terminologie im Zusammenhang einer Kampagne gegen die Atheisten entsetzt gewesen. Dieser Geist widersprach in ihren Augen dem Geist des Zweiten Vaticanum. (Wie schon im 2. Teil festgestellt, habe Pater Arrupe, laut Malachi Martin, damals noch kein Bewußtsein von der Romanità gehabt, also nicht gewußt, daß man in Rom nur verklausuliert sprechen dürfe. Die Sorge derjenigen Jesuiten, die Arrupe für ihre Revolution einsetzten, sei darüber hinaus gewesen, daß Arrupe durch freimütige Aussagen deren Erfolg gefährde.)
Man beachte hier, daß die von Martin referierten Aussagen Arrupes dem ignatianischen Geist durchaus entsprachen. Dieser ist nun einmal militant. Das Ignatianische Exerzitienbuch ist für den geistlichen Kampf ausgelegt. Es sieht also so aus, als hätte Arrupe als neu gewählter Pater General am klassischen ignatianischen Geist anknüpfen wollen.
Arrupe habe aber jetzt plötzlich jede Absicht, „Anti-Kampagnen“ durchführen zu wollen, bestritten. Stattdessen würden die Jesuiten in einen fruchtbaren „Dialog“ mit Atheisten eintreten wollen. Auch Marxisten und der Marxismus wären nach Arrupe keine Ziele für „Anti-Kampagnen“, sondern es ginge um die „soziale Gerechtigkeit“ und gegen den „ungezügelten Luxus“ der wenigen Privilegierten. Diese beiden Ziele würden alle guten Christen und alle guten Marxisten einen.
Nach Martin habe Arrupe bei diesen Aussagen den „Nichtangriffspakt“ des Vatikans mit der Sowjetunion (Geheimabkommen von Metz im August 1962) im Auge gehabt. Er habe auch um die damals schon bestehende De‑facto-Allianz von Marxisten und Jesuiten in Lateinamerika durch die Berichte der lateinamerikanischen Jesuiten bei der 31. Generalkongregation gewußt. Arrupe stellte dann in seiner Amtszeit weder den Nichtangriffspakt noch die jesuitisch-marxistische Allianz in Frage.
Der Auftrag des Papstes an die Gesellschaft Jesu zur Bekämpfung des Atheismus wurde nach Martin in einen „sozio-politischen Kampf der Massen“ transformiert. Jedes spirituelle und übernatürliche Element sei „amputiert“ worden. Im Dekret #3 der 31. Generalkongregation (1965–1966) beziehen sich die Delegierten des Ordens auf diesen Aufruf des Papstes zur Bekämpfung des Atheismus, zunächst mit frommen Worten und der Erwähnung des hl. Erzengels Michael – und verdrehen dann den Auftrag des Papstes geradezu sophistisch: Der päpstliche Aufruf zur Bekämpfung des Atheismus sei ein Aufruf, den Kapitalismus zu bekämpfen, da dieser gemeinsam mit dem Versagen der Kirche die Leute in den Atheismus getrieben hätte.
Oder überspitzt gesagt: Um den Atheismus zu bekämpfen, müssen wir Marxisten werden. So ähnlich habe es nach Malachi Martin wohl Pater Fernando Cardenal etwa fünfzehn Jahre später gehandhabt (The Jesuits, 386). Darüber wurde schon im letzten Teil ausführlich gehandelt.1
Christus oder Luzifer – Papst Pauls überraschende Mahnung
Nach Abschluß der 31. Generalkongregation am 17. November 1966 lud Papst Paul VI. die Delegierten zu einer hl. Messe in die Sixtinische Kapelle ein. Nach Martin erwarteten die Jesuiten nicht, einige harte Dinge vom Papst zu hören, waren aber dann von der für römische Verhältnisse sehr deutlichen Kritik überrascht.
Für unseren Zusammenhang von Bedeutung ist, daß Papst Paul ausdrücklich vor der „Welt des Paktes“ warnte, in die alle eintreten würden, die sich von Licht und Gnade abwenden. Dann gebe es die Welt der „großen Menschheitsfamilie, für die der Vater Seinen Sohn sandte und für die der Sohn Sich selbst opferte“. Der Papst forderte die anwesenden Jesuiten auf, ausschließlich für letztere Welt zu arbeiten und nicht für die „Welt des Paktes“.
Papst Paul legte seinen Finger damit auf die Tatsache, daß einige Jesuiten sich nicht nur so benahmen und so redeten, als wäre Christus nicht der göttliche Retter, sondern daß sie sich selbst Organisationen angeschlossen hatten, die entweder religiös neutral waren oder aber dem Christentum gegenüber feindlich eingestellt waren.2
Die Parallele zwischen dieser Rede und der Rede Arrupes im Jahr zuvor beim Konzil war markant. Der Papst hatte, ähnlich wie Arrupe, gesagt, daß es eine universale Verschwörung gegen die Kirche gibt. Diese wird von Leuten getragen, die sich einer spezifischen Organisation verschrieben, die sich Luzifer und dessen Sache weiht. Der Papst war aber weiter gegangen als Arrupe: Er implizierte, daß einige Jesuiten in diesen Pakt eingetreten sind.
Resümee
Wurde Arrupe zwischen seiner Aussage gegenüber den Konzilsvätern und der Retraktation von im Hintergrund bleibenden Personen angesprochen und gewarnt, unter Druck gesetzt, „umgedreht“?
Das kann man ohne Geständnisse der betreffenden Agierenden nicht wissen. Was aber auffällt, ist, daß Arrupe, laut Martin ein Kompromißkandidat bei der Wahl zum Generaloberen, nun zum Scharfmacher der Revolution wird.
Arrupe trotzte ausdrücklichen Anweisungen des Papstes, nicht nur von Paul VI., sondern auch von Johannes Paul II.
Daß diese Päpste ihrerseits revolutionäre Änderungen einführten, wurde schon öfter gesagt. Aber die Gesellschaft Jesu bot keinerlei Korrektiv mehr. Kein Pater General widersprach der fälschlich so genannten „Liturgiereform“, dem interreligiösen Synkretismus und dem irrealen Weltoptimismus. Der Orden mit dem besonderen Gehorsamsgelübde gegenüber dem Papst hätte in einem glaubensbasierten Widerspruch dem Papst und der Kirche (damit den Seelen, denen Ignatius ja helfen wollte) den größten Dienst leisten können.
Aber der Orden kreiste unter Arrupe nunmehr stark um sich selbst und verbat sich in arroganter Selbstgefälligkeit jede Einmischung der Päpste.
Der katholische Glaube war plötzlich kein Kriterium für das Handeln mehr. Darum kam es langfristig zu den eingangs genannten Ärgernissen.
(Fortsetzung folgt )
*Wolfram Schrems, Wien, Mag. theol., Mag. phil., Katechist, Pro-Lifer, reiche Erfahrung mit der Gesellschaft Jesu
Bild: MiL/aggiornamenti sociali/Centro Gumilla/Vatican.va (Screenshots)
1 Freilich kann man sich auch fragen, warum Papst Paul VI., wenn er den Atheismus bekämpfen wollte, nicht die vom Himmel selbst in Fatima geoffenbarten Heilmittel eingesetzt hat. Als Kardinal Montini 1963 zum Papst gewählt wurde, lagen die Ereignisse in Fatima keine fünfzig Jahre zurück. Nach 1945 reiste die Pilgerstatue triumphal durch Portugal, Spanien, Frankreich, die Benelux-Länder und nach Übersee. Luis Gonzaga da Fonseca SJ berichtet in Maria spricht zur Welt von der begeisterten Beteiligung der jeweiligen Kirchenhierarchie und der zivilen Autoritäten an den Prozessionen und Andachten. Es kam zu zahlreichen Krankenheilungen, Bekehrungen und Versöhnungen unter den zahllosen Teilnehmern. Die Fatima-Pilgerstatue besuchte unter Johannes XXIII. auch Italien. Im Jahr 1953 erschütterten die Tränen einer Marienstatue in Syrakus die Kirche. Die Kirche anerkannte diese Phänomene als übernatürlich. All das muß Papst Montini in frischer Erinnerung gewesen sein. Hier wäre das Heilmittel gegen den Atheismus in greifbarer Nähe gewesen: Die Päpste wußten um ihre Verpflichtung, Rußland dem Unbefleckten Herzen Mariens zu weihen und die Andacht der Sühnesamstage zu verbreiten. Sie haben sie bekanntlich nicht umgesetzt. Ebenso müßte man Pater Arrupe fragen, warum er seinen Jesuiten nicht die Botschaft von Fatima ans Herz gelegt hat. Die Jesuitenkommunität von Hiroshima, der auch Arrupe angehörte, pflegte die Andacht zu Unserer Lieben Frau von Fatima. Es ist ein Rätsel, warum das nicht weitergeführt wurde. Als Medizinstudent war der junge Pedro Arrupe in Lourdes der Augenzeugenschaft an unerklärlichen Heilungen gewürdigt worden. Aber Marienfrömmigkeit und Mariologie wurden im Orden zum Minderheitenprogramm.
2 Daß Kontakte zwischen Jesuiten und Freimaurern bestanden, ist bekannt. Das wurde am Fall von Ex-Pater Töhötöm Nagy deutlich. Darüber schrieben wir bereits. Ob Jesuiten auch formell Mitglieder der Loge waren oder sind, läßt sich naturgemäß nicht sagen. Angesichts der „liberalen“ Lehren der betreffenden Jesuiten ist es aber auch fast unerheblich.
In der Reihe bisher erschienen: