
Von Wolfram Schrems*
Dieser Teil schließt unmittelbar an den 2. Teil vom 12. Jänner an.
Wiederum überschlagen sich die Ereignisse. Denn zwischenzeitig, am 3. Februar, verkündete die zentraleuropäische Jesuitenprovinz, daß demnächst eine weitere Stätte ihres Wirkens aufgegeben werde, nämlich Linz/Donau. Motus in fine velocior, wie es Professor de Mattei öfter sagte: Gegen Ende wird die Bewegung immer schneller.
Nachdem es sich um meine Heimatstadt handelt, einige persönliche Worte cum ira et studio:
Im Jahr 1600, also bereits 44 Jahre nach dem Tod des hl. Ignatius, kamen die ersten Jesuiten nach Linz. In zentraler Lage wurden Ignatius-Kirche und Kolleg errichtet. Die Kirche wurde nach Aufhebung des Ordens (1773) zur Domkirche der neuerrichteten Diözese Linz (1785). Im Jahr 1909 wurde sie an den Orden zurückgegeben, da der Neue Dom zwar noch nicht fertiggestellt, aber schon benutzbar war. Daher der für die Ignatius-Kirche allgemein gebräuchliche Name „Alter Dom“. Auch am westlich des Stadtzentrums gelegenen Freinberg wirkten Jesuiten. Dort war in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts das Gymnasium Collegium Aloisianum gegründet worden. (Dieses wurde nach dem Konzil genauso verspielt wie die traditionsreiche Stella Matutina in Feldkirch und das Kollegium Kalksburg in Wien.)
Der Alte Dom war eine beliebte Beichtkirche. Die hl. Messe im Novus Ordo Missae wurde in den 80er und 90er Jahren nach meiner Erinnerung würdig und rubrikengemäß gefeiert. Den Vorlieben der Arrupe-Ära entsprechend gab es eine wöchentlich tagende Zen-Meditationsgruppe. Es wurden auch geistliche Begleitung und Exerzitien angeboten, durchaus in gläubigem Geist. Da mehr und mehr Exerzitanten kamen, baute man Ende der 90er Jahre die Hauskapelle um, was leider in typischer Anbiederung an den „modernen“ Zeitgeist geschah. Natürlich konnte die Hauskapelle nicht ohne „Volksaltar“ bleiben. Und unbedingt mußte auch in die als Werktagskapelle benützte Marienkapelle ein „Volksaltar“ hineingezwängt werden. Eine Kommunionbank paßte dann natürlich nicht mehr hinein. Vor wenigen Jahren wurden im barocken Alten Dom die alten Beichtstühle entfernt und ein Beicht- und Ausspracheraum im Stil einer zeitgenössischen Autobahn-Toilettenanlage errichtet.
Das war der letzte Streich.
Da die Jesuiten per 31. Juli abgezogen werden sollen, stellt sich die bange Frage, was danach aus der Kirche werden soll. „Jugendkirche“? „Künstlerkirche“? „Frauenkirche“ vielleicht, mit Zelebrationsübungen? Moscheekirche? Logenkirche? Der Linzer Mafia ist alles zuzutrauen.
Der Abfall des Jesuitenordens führte, wie schon öfter gesagt, zur Implosion seiner Strukturen und damit zur geistlichen Verwaisung der aufgegebenen Wirkungsstätten. Nichts für ungut, aber triviale Liedchen („Musikapostolat“) waren ohnehin kein Ersatz für die verlorene Glaubensverkündigung der Jesuitenpioniere des 17. Jahrhunderts und von deren besten Nachfolgern im 20. Jahrhundert.
Sie haben es vermasselt. Es ist ein Jammer. –
Damit zum Hauptthema:
Prominente Jesuiten als Verkörperung der neuen Ordensphilosophie
In diesem Teil der Serie werfen wir einen Blick auf zwei prominente Jesuiten, die in der Ära des Generaloberen Arrupe wirkten. Dieses Wirken muß bei dem Seligsprechungsprozeß für Pater Arrupe selbstverständlich in Betracht gezogen werden: Da der Jesuitenorden eine zentral geleitete Ordensgemeinschaft mit straffer Führung und ausgeprägtem, ja geradezu extrem umgesetztem Gehorsam ist, können sich Jesuiten nur dann öffentlich exponieren, wenn das von der Führung genehmigt oder angeordnet ist. Wenn also etwa prominente Ordensmitglieder in der Öffentlichkeit wirken, heißt das, daß sie das mit Erlaubnis des Oberen oder in seinem Auftrag tun und damit den Orden repräsentieren. Das heißt natürlich auch, daß sich der Obere im Fall von Kritik von außen nicht von seinem Untergebenen distanzieren kann. Man kann also beispielsweise bei einem Jesuitentheologen, der Irrtümer und Häresien verbreitet, nicht sagen, daß das eine irrelevante Einzelmeinung wäre oder daß das ohne Zustimmung der Oberen geschähe.1
Wie schon öfter festgehalten, hatte aber die Kirchenhierarchie ihrerseits mit Konzil und fälschlich so genannter „Liturgiereform“ einen problematischen Weg eingeschlagen, der seinerseits das Glaubensgut verschwimmen ließ.
Damit zu zwei repräsentativen Jesuiten der Arrupe-Ära:
In der Wirkungszeit des Generaloberen Pedro Arrupe von 1965 bis 1981 gab es etliche prominente und weltbekannte Jesuiten, die – mangels eines besseren Ausdrucks – „progressive“ Positionen vertraten. Damit unterstützten sie negative Entwicklungen. Sie verrieten Glauben und Moral und brachten giftige Früchte hervor. Sie unterminierten die Fundamente, die heutzutage allenthalben einstürzen. Ein aktuell geplanter Einsturz wurde ja eingangs genannt.
Um also die Amtszeit von Pater Arrupe zu charakterisieren, sollen hier zwei Jesuiten vorgestellt werden, die im Scheinwerferlicht der Weltöffentlichkeit standen. Vermutlich sind sie der Mehrzahl der deutschsprachigen Leser nicht bekannt. Sie wurden ausgewählt, weil ersterer die Position der Jesuiten zum Lebensschutz unterminierte, mit allen schlimmen Konsequenzen für heute, und zweiterer die Hinwendung des Ordens zum Kommunismus verkörperte – und somit die gegenwärtige Kirchenverfolgung mit der schändlichen Verurteilung von Bischof Rolando Álvarez in Nicaragua begünstigte.
Robert Drinan – ein Jesuit für den Mord an den Ungeborenen
Robert Frederick Drinan (1920 – 2007) war Professor der Rechtswissenschaften. Er beschäftigte sich akademisch und politisch mit Menschenrechten. Er war von 1971 bis 1981 Mitglied des US-Repräsentantenhauses für die Demokraten und ausdrücklich „Pro Choice“, also für (!) das Recht auf Abtreibung. Er sprach sich auch nach seinem Ausscheiden aus dem politischen Amt (Papst Johannes Paul II. verschärfte 1980 das Verbot für Priester, in politischen Funktionen zu wirken) für die Pro-Abtreibungs-Legislatur aus und bestärkte den damaligen US-Präsidenten Bill Clinton in seinem Veto gegen (!) den Partial Birth Abortion Ban Act. Dieser Gesetzesantrag sah ein Verbot der besonders grauenvollen „Teilgeburtsabtreibungen“ vor.
Drinan ist somit mitschuldig an dem himmelschreienden Blutvergießen an den ungeborenen Kindern (vgl. KKK 1867) und an der Schwächung des Widerstandes von Katholiken und allen Menschen guten Willens.

Die juridische Fakultät der von Jesuiten geführten Georgetown-Universität verleiht übrigens bis heute den sogenannten Robert F. Drinan, S.J., Public Service Award an solche Absolventen, „deren Laufbahn, wie die von Pater Drinan, die Menschenwürde erhöhen und Gerechtigkeit [!] fördern.“
Es ist nicht schwer zu sehen, wie der noble Begriff der „Gerechtigkeit“ hier satanisch verdreht wird.
Die Tätigkeit Pater Drinans war nur deswegen möglich, weil die Ordensführung das gestattet hat. Pater Arrupe ließ ihn gewähren. Johannes Paul II. befahl zwar, wie gesagt, im Jahr 1980 das Ende der politischen Tätigkeit von Priestern, griff gegen den Greuel eines abtreibungsbefürwortenden Priesters und Professors aber nicht weiter durch.
An diesem traurigen Beispiel ist die tiefe Korruption des Jesuitenordens erkennbar, aber eben leider auch des postkonziliaren Papsttums. Aus heutiger Sicht fragt man sich ja mit Entsetzen, wie ein Jesuit mit dieser Pro-Abtreibungs-Haltung so lange im US-Kongreß wirken durfte und auch nach seinem Ausscheiden immer noch in diese Richtung wirken konnte, ohne daß die kirchliche Obrigkeit eingriff.
Damit zum anderen prominenten Jesuiten der Arrupe-Ära:
Fernando Cardenal – Minister im marxistischen Regime, Wegbereiter des Marxismus
Fernando Cardenal Martinez (1934 – 2016) stammte aus einer wohlhabenden Familie in Nicaragua. Im Jahr 1952 trat er dem Orden bei. Im Tertiat erlebte er die Armut aus nächster Nähe und entschloß sich, sein Leben der Bekämpfung der Armut zu widmen. Er meinte 1973, dazu die Christlich-Revolutionäre Bewegung (Movimento Cristiano Revolucionario) mitbegründen zu müssen. Nachdem die Sandinisten 1979 im Bürgerkrieg gegen den Diktator Somoza gesiegt hatten, beauftragten sie Fernando Cardenal mit der Leitung des Kreuzzuges zur Überwindung des Analphabetismus. Von 1984 bis 1990 war Fernando Cardenal Bildungsminister. An der Revolution selbst war er logistisch beteiligt gewesen. Nach Malachi Martin, The Jesuits, war Cardenal für das neue Regime von unschätzbarer Bedeutung, weil in einem fast vollständig katholischen Land ein Priester als Minister einem kommunistischen Regime Popularität und Vertrauenswürdigkeit verschaffen konnte. Cardenal wird von Martin als rhetorisch brillant und diplomatisch versiert beschrieben. Er habe gegenüber seinem Publikum immer den von der Situation geforderten Ton gefunden. Er habe die katholische Lehre marxistisch re-interpretiert, wann immer es notwendig war.
Nach Malachi Martin waren bis Februar 1980 etwa 2000 politische Gegner der Sandinisten hingerichtet worden, 6000 waren im Gefängnis. Folter war gängige Praxis. Die Miskito-Indianer waren in Opposition gegen die Sandinisten. Diese suchten nach Martin die lästigen Indianer zu eliminieren (liquidate).
Wie im Kommunismus üblich, bereicherten sich die Funktionäre und kauften in Dollar-Geschäften Luxusgüter, die sich die breite Masse nicht leisten konnte. Nach einer Quelle hat Cardenal bei Junta-Chef Daniel Ortega gegen diese „Kleptokratie“ protestiert – wie intensiv und wie erfolgreich, wissen wir nicht.

Nach der Amtsunfähigkeit von Pater Arrupe im Jahr 1981 aufgrund eines Schlaganfalles verlangte Interimsoberer Pater Paolo Dezza unter Druck von Johannes Paul II. von Fernando Cardenal, sich von seinem Regierungsamt zurückzuziehen. Der Brief Dezzas war nach Malachi Martin jedoch sehr schwach gehalten. Dezza kritisierte auch nicht Cardenals Involvierung mit den Sandinisten. Er signalisierte, daß er diesen Befehl zum Rückzug nur auf Anordnung des Papstes übermittle.
Cardenal gehorchte nicht und seine Oberen insistierten nicht.
Im Jahr 1983 machte Johannes Paul II. einen Pastoralbesuch in Zentralamerika, unter anderem in Nicaragua. Für ihn wurde es zu einer schlimmen Demütigung durch das Regime. Nach Malachi Martin besteht kein Zweifel, daß Cardenal und andere sandinistische Priester an der Organisierung von Demonstrationen u. dgl. beteiligt waren. Fernando Cardenal erschien auch gar nicht zur Messe mit Johannes Paul II.
Cardenal wurde 1984 vom Priesteramt suspendiert und einige Monate später aus dem Orden ausgeschlossen. 1997 wurde er wieder aufgenommen und die Suspension vom Priesteramt aufgehoben.2
Wie auf dieser Seite öfter dargestellt wurde, ist Nicaragua wieder eine kommunistische Diktatur, sogar der Diktator ist derselbe. Die gegenwärtige kommunistische Kirchenverfolgung in Nicaragua und besonders die erwähnte schändliche Verurteilung von Bischof Rolando Álvarez zeigen, wie verderbliche Auswirkungen die marxistische Politik zentralamerikanischer Jesuiten zur Zeit Arrupes bis heute haben. Fernando Cardenal war nicht der einzige Jesuiten-Minister der sandinistischen Junta, der andere hieß Alvaro Argüello Hurtado. Darüber hinaus gab es nach Martin Hunderte Priester und Ordensleute, die dem Regime zuarbeiteten. Eines der Vehikel dafür waren die berühmten „Basisgemeinden“.
Ohne Umschweife gesagt: Es ging um die Errichtung eines Paradieses auf Erden. Wieder einmal hat der Widersacher Kirchenleute erfolgreich zum Narren gehalten.
Resümee
Malachi Martin stellt die Verantwortung des Generaloberen für die Ereignisse in Lateinamerika deutlich heraus, keine Ausflüchte sind möglich:
„Arrupe wußte, daß seine Jesuiten in Zentralamerika marxistische Kader ausbildeten, daß sie selbst aktive kommunistische Guerillas waren, daß sie Regierungsmitglieder einer marxistischen Regierung waren, daß sie Revolutionen anzettelten, daß sie an blutigen und manchmal sakrilegischen Geschehnissen beteiligt waren“ (The Jesuits, 481).
Man fragt sich, wie hier und im Fall von Pater Drinan die „Unterscheidung der Geister“ so kraß versagen konnte.
Der Seligsprechungsprozeß wird das zu berücksichtigen haben.
Fortsetzung folgt.
*Wolfram Schrems, Wien, Mag. theol., Mag. phil., kirchlich gesendeter Katechist, Pro-Lifer, reiche Erfahrung mit der Gesellschaft Jesu
Bild: Youtube (Screenshots)
1 In diesem Zusammenhang eine Bemerkung zur Politik des Generaloberen Arrupe: Er betrachtete nach Malachi Martin, The Jesuits, die Generalkongregation als höchsten Oberen im Orden. Was diese beschlossen hatte, galt ihm als durchzuführendes Gesetz. Hinter deren Beschlüssen verschanzte er sich gegenüber den Päpsten, als diese ihn zur Rede stellten. Da die Beschlüsse der 31. und 32. Generalkongregationen (1965/66 bzw. 1974/75) inhaltlich bereits problematisch waren und von Sendung und Selbstverständnis des Ordens wegführten, wird man diese Vorgangsweise nicht als genuin ignatianisch bezeichnen können. Denn das ignatianische Charisma ist inhaltlich katholisch bestimmt.
2 In einem nicht datierten Vortrag (offenbar an einer amerikanischen Universität), der 2014 auf Youtube (vermutlich zeitnahe) veröffentlicht wurde, sprach Pater Cardenal über sein Leben. Man ist unangenehm berührt von der Eitelkeit und Selbstgefälligkeit des in keiner Weise als Priester erkennbaren Referenten. Bezeichnend ist etwa die dem damaligen jesuitischen Zeitgeist entsprechende lässige Aussage, daß ihn die Philosophie des hl. Thomas nicht sehr interessiere (39:07). Ab 39:47 spricht er über die christliche revolutionäre Bewegung, die zwei Ziele hatte: den Kampf gegen die Somoza-Diktatur und die Errichtung eines neuen Staates. Er rechtfertigt seinen Eintritt in die Revolution mit dem Gleichnis vom Samariter (!). Interessant ist bei 55:50 sein Eingeständnis, daß er bei einem Hearing über Somoza im US-Kongreß verschwieg, daß er bereits selbst Teil der Revolution war. Ein Priester als Waffenschieber ist kein erfreulicher Anblick, so sagt er bei 59:38: „Wir kauften Waffen mit dem Geld von Venezuela und gaben sie nach Panama, um sie nach Nicaragua zu bringen.“
In der Reihe bisher erschienen:
Wem gehorcht Papst Franziskus SJ? Muss er seinem General gehorchen oder „darf“ er Christus gehorchen? Das ist leider eine ernsthafte Frage, denn zum ersten mal ist ein Jesuit Papst. Hoffentlich gibt es jemanden unter den Lesern, der meine Frage beantworten kann.