(Rom) Sechs Monate nach seiner Verhaftung wurde Bischof Rolando Álvarez von Papst Franziskus gestern beim sonntäglichen Angelus erstmals öffentlich erwähnt. Die Nennung erfolgte erst, nachdem sich die Ereignisse in Nicaragua überschlagen hatten und Bischof Álvarez in einer Nacht-und-Nebel-Aktion zu 26 Jahren Gefängnis verurteilt worden war. Das sozialistische Antlitz der Kirchenverfolgung zeigt sich umgehend, sobald in der Kirche eine Konkurrenz gesehen wird.
Am 19. August 2022 war Msgr. Rolando Álvarez, der Bischof von Matagalpa und Apostolischer Administrator von Estelí in Nicaragua, von der Polizei des sandinistischen Diktators Daniel Ortega verhaftet worden. Seither befindet er sich im Hausarrest. Zunächst war für März der Prozeß gegen ihn angesetzt worden, dann überschlugen sich die Ereignisse jedoch.
Dem Bischof wird Hochverrat und Verbreitung von Falschmeldungen vorgeworfen. Dem sozialistischen Regime ist es sehr ernst mit der Verfolgung der Kirche. Die Sandinisten, die 1990 nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Ostblocks schon einmal die Macht in Nicaragua abgeben mußten, sind fest entschlossen, sich kein zweites Mal aus den Schaltzentralen verdrängen zu lassen. Koste es, was es wolle.
Mehrere Priester, Seminaristen und ein Laie, die vor einem halben Jahr zusammen mit dem Bischof im bischöflichen Ordinariat verhaftet wurden, sind bereits am 6. Februar Opfer der sandinistischen Willkürjustiz geworden und wurden zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt. Ein anderer Priester war am 16. Januar wegen derselben Anklagepunkte zu acht Jahren Gefängnis verurteilt worden.
Bisher schwieg Franziskus zur radikalen Repression in dem sozialistisch regierten mittelamerikanischen Land. Gestern meldete er sich erstmals nach dem Angelusgebet auf dem Petersplatz zu Wort. Der Papst ging auf die Lage der Kirche in Nicaragua ein und nannte Bischof Álvarez namentlich. Franziskus betonte, für den Bischof „und für alle, die in dieser geliebten Nation leiden“, zu beten. Die Wortmeldung erfolgte erst, nachdem Bischof Álvarez verurteilt worden war. Der Prozeß gegen ihn war zunächst für Ende März angekündigt worden, doch dann ging alles ganz schnell. Überraschend wurde am vergangenen Samstag, dem 11. Februar, bekannt, daß Bischof Álvarez im Stil kommunistischer Schauprozesse zu 26 Jahren Gefängnis verurteilt worden war. Das Exempel an ihm wurde statuiert, der Prozeß fand jedoch in einer Nacht-und-Nebel-Aktion unter Ausschluß der Öffentlichkeit statt.
Papst Franziskus sagte gestern wörtlich:
„Die Nachrichten aus Nicaragua haben mich nicht wenig betrübt, und ich kann hier nicht umhin, mit Sorge an den Bischof von Matagalpa zu erinnern, Bischof Rolando Álvarez, der mir lieb und teuer ist, der zu 26 Jahren Gefängnis verurteilt wurde, ebenso wie an die Menschen, die in die Vereinigten Staaten abgeschoben wurden. Ich bete für sie und für alle, die in diesem geliebten Land leiden, und bitte euch um euer Gebet. Wir wollen den Herrn auch bitten, auf die Fürsprache der Unbefleckten Jungfrau Maria die Herzen der verantwortlichen Politiker und aller Bürger für die aufrichtige Suche nach Frieden zu öffnen, der aus der Wahrheit, aus der Gerechtigkeit, aus der Freiheit und aus der Liebe erwächst und durch die geduldige Dialogausübung erreicht wird. Lasst uns gemeinsam zur Muttergottes beten. [Gegrüßt seist du Maria].“
Im Hintergrund hatten seit August Verhandlungen zwischen dem Heiligen Stuhl und dem sandinistischen Regime stattgefunden. Beide Seiten suchten eine „Lösung“ zu finden, die in der Exilierung von Bischof Álvarez bestehen sollte. Auch die befreiungstheologischen Sozialisten um Daniel Ortega waren daran interessiert, keinen Märtyrer zu schaffen.
Bischof Álvarez weigerte sich jedoch standhaft, auf einen solchen Handel einzugehen. Er habe sich nichts zuschulden kommen lassen, seine Kritik am Regime sei berechtigt gewesen und schließlich trage er Verantwortung für die ihm anvertrauten Diözesen, die er nicht im Stich lassen könne, so die Argumentation des Oberhirten. Nach derzeitigem Stand wird der 56jährige Bischof 82 Jahre alt sein, wenn er wieder freigelassen wird.
Am Samstag trafen 222 nicaraguanische politische Gefangene in den USA ein. Bischof Álvarez war jedoch nicht darunter. Wegen seiner Weigerung, die „großzügige“ Hand seiner Henker ausgeschlagen zu haben, wurde er in einer Nacht-und-Nebel-Aktion und unter Ausschluß der Öffentlichkeit vor Gericht gestellt und im Eilverfahren abgeurteilt. Es besteht kein Zweifel, daß das Urteil nicht von einer unabhängigen und unparteiischen Justiz gefällt wurde, sondern vorab schon im Präsidentenpalast beschlossen worden war.
Bischof Álvarez wurde wegen Regimekritik zu 26 Jahren und vier Monaten Gefängnis verurteilt. Ihm wurden zudem auf Lebenszeit die bürgerlichen Rechte entzogen.
Die sozialistische Diktatur in Nicaragua und ihre Willkür führen zu keinem Aufschrei westlicher Gutmenschen und ihrer Mainstream-Medien. Das mittelamerikanische Land genießt in der einstigen radikalen Linken, die zum heutigen Establishment geworden ist, noch immer einen romantisierenden Klang. Die Realität war schon immer viel nüchterner und brutaler, und sie ist es auch heute. Doch wie schon in den 80er Jahren will man auch heute in den linken Redaktionsstuben des Westens und bei den Salonsozialisten nichts davon hören.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican.va/MiL (Screenshot)