Polizeistaat Nicaragua

Erstmals seit 30 Jahren wurde eine Prozession verboten – Priester verhaftet


Am Samstag umstellte die nicaraguanische Nationalpolizei die Kathedrale von Managua, um ein Gebet "für die Kirche und für Nicaragua" zu behindern.
Am Samstag umstellte die nicaraguanische Nationalpolizei die Kathedrale von Managua, um ein Gebet "für die Kirche und für Nicaragua" zu behindern.

(Mana­gua) Der kir­chen­feind­li­chen Maß­nah­men in Nica­ra­gua wer­den zur offe­nen Unter­drückung. Den­noch schweigt Papst Fran­zis­kus zur Ver­fol­gung, wie sie sich an die­sem Wochen­en­de zeigte.

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Die Ereig­nis­se in dem zen­tral­ame­ri­ka­ni­schen Land über­schla­gen sich. In Mana­gua hat­te die Poli­zei die Kathe­dra­le umstellt. In ver­schie­de­nen Lan­des­tei­len waren die Pro­zes­sio­nen zum Fest Maria Him­mel­fahrt ver­bo­ten wor­den. Den Auf­takt hat­te das Ver­bot einer Pro­zes­si­on gemacht, die für den 13. August geplant war. Ein bei­spiel­lo­ser Vor­gang in der Geschich­te des Lan­des seit dem Ende der san­di­ni­sti­schen Revo­lu­ti­ons­re­gie­rung im Jahr 1990. Als Grund nann­te das San­di­ni­sten-Regime „Gefahr für die inne­re Sicherheit“.

Mit die­ser Begrün­dung wur­de zunächst das Ver­bot einer gro­ßen Pro­zes­si­on „für die Kir­che und für Nica­ra­gua“ ver­hängt. Die­se Pro­zes­si­on war für den 13. August zum Abschluß des Maria­ni­schen Kon­gres­ses geplant gewe­sen. In der Pro­zes­si­on soll­te eine Sta­tue Unse­rer Lie­ben Frau von Fati­ma durch die Stra­ßen Mana­gu­as getra­gen werden.

Die Poli­zei über­wach­te weit­räu­mig das Gelän­de um den Kon­greß und behin­der­te die Gläu­bi­gen, das Kon­greß­ge­län­de zu errei­chen. Bus­se und PKWs wur­den ange­hal­ten, die Per­so­nen über­prüft und teil­wei­se an der Wei­ter­fahrt gehin­dert. Die Erz­diö­ze­se Mana­gua rief die Gläu­bi­gen wegen des Ver­bots der Pro­zes­si­on auf, nach dem Ende des Maria­ni­schen Kon­gres­ses in die Kathe­dra­le zu kom­men, um dort in den genann­ten Anlie­gen zu beten.

Sandinistische Kirchenfeindlichkeit: „Dämonen in Soutane“

Staats- und Regie­rungs­chef Dani­el Orte­ga und sei­ne Frau Rosa­rio Mur­il­lo beschul­di­gen die Kir­che, 2018 einen Staats­streich geplant zu haben, um der san­di­ni­sti­schen Herr­schaft ein Ende zu set­zen. In Wirk­lich­keit hat­te sich die kirch­li­che Hier­ar­chie um Ver­mitt­lung zwi­schen dem sozia­li­sti­schen Regime und dem Volk bemüht, das sich zu Mas­sen­pro­te­sten auf den Stra­ßen ver­sam­melt hat­te. Orte­ga ließ die Pro­te­ste bru­tal unter­drücken. Dabei wur­den Hun­der­te von Men­schen getö­tet. Seit­her wird die Kir­che zahl­rei­chen Schi­ka­nen aus­ge­setzt und seit Mona­ten offen ver­folgt. Grund dafür ist, daß Orte­ga und Mur­il­lo über­zeugt sind, daß sich die Regime­kri­ti­ker im Schutz der Kir­che sam­meln, wes­halb sie in jeder Pro­zes­si­on und jedem Gebet eine regime­feind­li­che Kund­ge­bung sehen.

Poli­zei­auf­ge­bot zur Ein­schüch­te­rung und zugriffsbereit

Auf Twit­ter schrieb ein Nut­zer auf die Nach­richt, daß die Poli­zei die Kathe­dra­le von Mana­gua umstellt hatte:

„Wenn es ein Angriff ist, die Mes­se zu besu­chen: Der GLAUBE ist das ein­zi­ge, wovor die­se Dik­ta­tur Angst hat.“

Orte­gas Ehe­frau, die seit 2017 als Vize­prä­si­den­tin amtiert, greift die Kir­che fast täg­lich an. Prie­ster beschimpft sie als „Fäl­scher“ und „Mani­pu­la­to­ren“. Orte­ga selbst bezeich­ne­te die Bischö­fe des Lan­des als „Dämo­nen mit Sou­ta­ne“. Allein in den ver­gan­ge­nen zwei Mona­ten ließ das Ehe­paar Orte­ga-Mur­il­lo elf Radio- und fünf Fern­seh­sen­der schlie­ßen. Die mei­sten davon befan­den sich in kirch­li­cher Trä­ger­schaft. Zuletzt wur­de vom Regime am ver­gan­ge­nen Frei­tag Radio Darío in der Stadt León geschlossen.

Bischof Álva­rez von Matag­al­pa wird von der Poli­zei in sei­ner Kurie in „Gei­sel­haft“ gehal­ten, wie sein Mit­bru­der Msgr. Baéz kri­ti­sier­te. Álva­rez übte auf Twit­ter Kri­tik an den Regierungsmaßnahmen:

„Sie haben alle unse­re Radio­sen­der geschlos­sen, aber sie wer­den das Wort Got­tes nicht zum Schwei­gen bringen.“

Seit dem 4. August hält die Poli­zei die Diö­ze­san­ku­rie von Matag­al­pa umstellt. Seit­her wird der Bischof zusam­men mit meh­re­ren Prie­stern, eini­gen Semi­na­ri­sten und zwei Lai­en dar­in fest­ge­hal­ten. Da er sei­ne Kri­tik über die sozia­len Netz­wer­ke fort­setzt, lei­te­te das Regime inzwi­schen auch ein Straf­ver­fah­ren gegen ihn ein wegen angeb­li­cher „Orga­ni­sa­ti­on gewalt­tä­ti­ger Grup­pen“ und „Anstif­tung zum Haß“.

In ver­schie­de­nen Tei­len des Lan­des unter­sag­te die Poli­zei den Prie­stern gestern, am Fest Mariä Him­mel­fahrt, die Durch­füh­rung der tra­di­tio­nel­len Pro­zes­sio­nen oder ande­rer Akti­vi­tä­ten außer­halb der Kirchen.

Gestern kri­ti­sier­te die Bischofs­kon­fe­renz des Lan­des auch die Ver­haf­tung von Prie­stern, ohne daß ihnen etwas zur Last gelegt wird. So gab die Diö­ze­se Siuna im Nor­den des Lan­des die Ver­haf­tung von Don Oscar Bena­vi­dez von der Hei­lig-Geist-Kir­che in Mulu­kukú bekannt. Der Prie­ster war am Sonn­tag­nach­mit­tag „ohne Nen­nung von Grün­den oder Moti­ven“ ver­haf­tet wor­den. Die Diö­ze­se ver­lang­te Aus­kunft vom Staat über den Ver­bleib des Prie­sters. Die Poli­zei wei­ger­te sich jedoch, selbst die Ver­haf­tung zu bestätigen.

Das Nica­ra­gua­ni­sche Zen­trum für Men­schen­rech­te CENDIH gab bekannt, daß der Prie­ster „aus sei­nem Fahr­zeug geholt und in einem Strei­fen­wa­gen in unbe­kann­te Rich­tung weg­ge­bracht wur­de“, und for­der­te „ein Ende der Ver­fol­gung der Kir­che und ihres Klerus“.

Mulu­kukú war in der ersten Orte­ga-Dik­ta­tur in den 80er Jah­ren ein Zen­trum des anti-san­di­ni­sti­schen Widerstandes.

„Keine Religionsfreiheit, keine Meinungsfreiheit“

Der nica­ra­gua­ni­sche Prie­ster Edwin Román, der im Exil in den USA lebt, sag­te gegen­über VOA News, daß es in Nica­ra­gua „kei­ne Reli­gi­ons­frei­heit, kei­ne Mei­nungs­frei­heit, kei­ne Bewe­gungs­frei­heit“ mehr gebe.

Bischof Sil­vio José Báez, der sich auf Twit­ter mit Bischof Álva­rez soli­da­ri­sier­te, lebt heu­te eben­falls im Exil in den USA. Laut offi­zi­el­ler Sprach­re­ge­lung hat­te der Regime­kri­ti­ker 2019 Papst Fran­zis­kus um Ent­bin­dung von sei­nem Amt als Weih­bi­schof von Mana­gua ersucht. In Wirk­lich­keit hat­te Fran­zis­kus dem Regime sei­nen Kopf prä­sen­tiert, indem er ihn – „zu sei­ner Sicher­heit“ – in den Vati­kan rief. Zunächst hieß es, er bekom­me dort eine neue Auf­ga­be, bis sei­ne Rück­kehr nach Nica­ra­gua wie­der mög­lich sein wer­de. Doch dem war nicht so. Bischof Báez erhielt aus Rück­sicht auf das Orte­ga-Regime kei­ne Auf­ga­be in Rom. Statt­des­sen wur­de dem Kar­me­li­ten eine Jesui­ten­ge­mein­schaft in Flo­ri­da als Wohn­ort zu gewiesen.

Seit Jah­ren befin­det sich die Kir­che in einem Span­nungs­feld, das sie schwer bela­stet. Wäh­rend die Kir­che in Nica­ra­gua immer bru­ta­ler ver­folgt wird, schweigt Papst Fran­zis­kus dazu und Dik­ta­tor Orte­ga nennt Fran­zis­kus unwi­der­spro­chen sei­nen „Freund“. Weder am Sonn­tag noch gestern nahm Fran­zis­kus beim Ange­lus auf dem Peters­platz zu den Ereig­nis­sen in Nica­ra­gua Stellung.

Die „Freund­schaft“ konn­te am ver­gan­ge­nen Sams­tag auf Bil­dern fest­ge­hal­ten wer­den, als die Zufahr­ten zum Maria­ni­schen Kon­greß in Mana­gua von der Poli­zei über­wacht und die Kathe­dra­le von Natio­nal­po­li­zi­sten umstellt war. Den­noch gelang es eini­gen tau­send Nica­ra­gua­nern die Kathe­dra­le zu errei­chen und dort „für die Kir­che und für Nica­ra­gua“ zu beten.

Die Gegend rund um die Kathe­dra­le, im Zen­trum der Haupt­stadt gele­gen, war 2018 Schau­platz gro­ßer Mas­sen­pro­te­ste gegen das Orte­ga-Regime. Seit­her wer­den öffent­li­che Kund­ge­bun­gen vom Staat unter­drückt. Kar­di­nal Leo­pol­do Bre­nes, Erz­bi­schof von Mana­gua und Pri­mas von Nica­ra­gua, sag­te am 13. August, offen­sicht­lich an die Regie­rung gewandt: „Herr ver­gib ihnen, denn sie wis­sen nicht, was sie tun“,

Bezeich­nend für das repres­si­ve Kli­ma in Nica­ra­gua ist die im Som­mer 2022 noch immer durch­ge­setz­te Mas­ken­pflicht wegen einer angeb­li­chen Coro­na-Bedro­hung, die sogar bei Ansamm­lun­gen im Frei­en gilt.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Twit­ter (Screen­shots)

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Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

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