(Managua) Der katholische Priester Óscar Benavidez Dávila, Pfarrer der Kirche Espíritu Santo in Mulukukú, einer Gemeinde in der nördlichen Karibikregion Nicaraguas, wurde am Montag wegen angeblicher „Verschwörung gegen die nationale Integrität“ und der Verbreitung von Falschmeldungen zu acht Jahren Gefängnis verurteilt. Das sandinistische Regime macht Ernst. Wegen der gleichen Anklagepunkte befindet sich auch Bischof Rolando Álvarez in Haft.
Die Verurteilung erfolgte durch die dem Regime von Daniel Ortega nahestehende Richterin Nancy Aguirre Gudiel. Sie folgte damit genau dem von der Staatsanwaltschaft geforderten Strafmaß. Der Staatsanwalt forderte fünf Jahre Haft wegen „Verschwörung“ und drei Jahre wegen Verbreitung falscher Nachrichten.
Don Benavidez ist Priester des Bistums Matagalpa, gegen das die Sandinisten ein Exempel statuieren wollen, um die Kirche zu unterwerfen. Der Pfarrer von Mulukukú wurde am 14. August 2022 ohne Nennung von Gründen festgenommen. Seither befindet er sich in Haft. Erst am 8. September wurde ihm mitgeteilt, warum er im Gefängnis sitzt.
In der Gerichtsverhandlung am Montag wies seine Verteidigung darauf hin, daß die Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift keine Beweise für die dem Priester vorgeworfenen Verbrechen vorlegte. Sie benannte weder Personen, die sich mit dem Pfarrer gegen das sozialistische Regime verschworen hätten, noch erklärte sie, in welcher Form er der nationalen Souveränität Nicaraguas Schaden zugefügt hätte.
Obwohl das Verfahren öffentlich war, fand es hinter verschlossenen Türen statt. Familienmitglieder des Pfarrers durften der Verhandlung ebensowenig beiwohnen wie andere Beobachter. Der nicaraguanischen Justiz wird Willkür vorgeworfen und ein verlängerter Arm des sandinistischen Regimes zur Bekämpfung von Kritikern zu sein.
Die Verteidigung hatte den Bischof des Priesters, Msgr. Rolando Álvarez, als Zeugen benannt. Doch dieser befindet sich selbst seit dem 19. August 2022 in Haft. Im Gegensatz zu mehreren Priestern, Seminaristen und Laien seiner Diözese wurde er allerdings unter Hausarrest gestellt. Die Richterin gab dem Antrag der Staatsanwaltschaft statt und lehnte den Bischof als Zeugen ab. Ein solches Vorgehen ist typisch in politischen Prozessen.
Bischof Álvarez muß sich demnächst wegen der gleichen Verbrechen vor Gericht verantworten. Ein Verhandlungstermin wurde noch nicht anberaumt. Dem Priester Benavidez und Bischof Álvarez, obwohl Angehörige derselben Diözese, wird dabei nicht vorgeworfen, sich gemeinsam gegen das Regime „verschworen“ zu haben. Ein Beleg mehr, wie Kritiker sagen, daß der Vorwurf der „Verschwörung“ und der Verbreitung von Falschmeldungen ein Instrument ist, um Regimekritiker verfolgen zu können.
Von den sechs Zeugen der Anklage, die von der Staatsanwaltschaft benannt wurden, sagten nur drei aus, von denen keiner den Priester mit einer „Verschwörung“ oder der Verbreitung von „Falschmeldungen“ in Verbindung brachte.
In den aus seinem Mobiltelefon gewonnenen Informationen fand die Polizei auch keine Kontakte von Personen, die für die Ermittlungen gegen den Pfarrer von Interesse sind.
Von den 5.000 gefundenen Bildern und Dokumenten bezeichnete die Staatsanwaltschaft 50 von Interesse. Sie zeigten Bilder, meist regierungskritische Memes. Die Verteidigung sprach von Meinungsfreiheit. Die Bilder waren dem Priester zugeschickt worden. Eine Verschwörung lasse sich daraus nicht ableiten.
Für das Verbrechen der Verbreitung von Falschmeldungen über Internet legte die Staatsanwaltschaft als Beweis den Artikel einer Zeitung vor, der sich auf dem Mobiltelefon befand und dem Priester über WhatsApp zugesandt worden war. Er bezieht sich auf die Sanktionen, die vom Ausland gegen nicaraguanische Regierungsvertreter verhängt wurden. Für die Staatsanwaltschaft ist der Artikel eine Falschmeldung. Dem Priester konnte nicht nachgewiesen werden, die Nachricht weiterverbreitet zu haben. Wegen des bloßen Besitzes des Artikels auf seinem Mobiltelefon wurde er dennoch zu drei Jahren Gefängnis verurteilt.
Am Tag seiner Verhaftung hatte Don Benavidez gerade die Messe in der Kapelle der Unbefleckten Empfängnis zelebriert. Anschließend wurde er von Polizeibeamten abgefangen, die ihn ohne Haftbefehl und ohne irgendeine Erklärung in einem Streifenwagen mitnahmen.
Später wurde bekannt, daß der Priester nach Managua gebracht und in völliger Isolationshaft im politischen Spezialgefängnis „El nuevo Chipote“ gehalten wurde. Seit Oktober befindet er sich auf richterliche Anordnung im normalen Strafvollzug des Gefängnisses „Jorge Navarro“.
Die am Montag erfolgte Verurteilung zeigt, daß das sandinistische Regime Ernst macht und auch Bischof Álvarez und weiteren Angeklagten eine harte Verurteilung droht. Hinter den Kulissen wird zwischen der nicaraguanischen Regierung und dem Heiligen Stuhl weiterhin über eine „sanfte Lösung“ verhandelt, die eine Exilierung vorsehen würde. Bischof Álvarez müßte das Land verlassen, um einer Verurteilung zu entgehen. Bisher ist er dazu nicht bereit.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: VaticanNews (Screenshot)