Vatikandiplomatie im „Dialog“ mit der Regierung Nicaraguas

"Befreundete" sozialistische Regimes


Nicaraguas sandinistische Machthaber: Staatspräsident Daniel Ortega und seine Frau und Vizepräsidentin Rosario Murillo
Nicaraguas sandinistische Machthaber: Staatspräsident Daniel Ortega und seine Frau und Vizepräsidentin Rosario Murillo

(Rom) Der Vati­kan befin­det sich in einem Dia­log mit der nica­ra­gua­ni­schen Regie­rung, „um Repres­sio­nen zu ver­mei­den“. Soweit berich­ten es eini­ge Medi­en wie die katho­li­sche spa­ni­sche Inter­net­zei­tung El Deba­te. Was heißt das kon­kret? Und was tut sich der­zeit in eini­gen benach­bar­ten sozia­li­sti­schen Dik­ta­tu­ren wie Vene­zue­la und Kuba?

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Das san­di­ni­sti­sche Regime, das zuerst Lai­en und Prie­ster ver­folg­te, hält seit August 2022 auch einen Bischof gefan­gen. Vor­dring­lich für ihn wird nach einer Lösung gesucht. Die­ser war, wie es scheint, grund­sätz­lich rela­tiv schnell aus­ge­han­delt wor­den. Msgr. Rolan­do Álva­rez, Bischof von Matag­al­pa und Apo­sto­li­scher Admi­ni­stra­tor von Estelí, soll ins Exil gehen. Die Sache hakt aller­dings an zwei Stellen: 

  • Das Orte­ga-Regime will dafür eine Unter­wer­fung der Kir­che des Lan­des. Einen wei­te­ren Fall Matag­al­pa darf es nicht geben. 
  • Und Bischof Álva­rez scheint nicht bereit zu sein, ins Exil zu gehen. Er will im Land blei­ben und sich not­falls vor Gericht stel­len las­sen. Er gilt als sehr mutig und sei bereit, „einen Teil sei­nes Lebens im Gefäng­nis zu ver­brin­gen“, wenn es der Glau­ben und sein Gewis­sen verlangen.

Der Ter­min für sei­nen Pro­zeß wur­de noch nicht fixiert. Vor kur­zem war ein Prie­ster aus sei­ner Diö­ze­se wegen „Ver­schwö­rung“ gegen den Staat zu acht Jah­ren Gefäng­nis ver­ur­teilt worden.

Was ver­sucht also das vati­ka­ni­sche Staats­se­kre­ta­ri­at? Die Vati­kan­di­plo­ma­ten sind bemüht, die San­di­ni­sten davon zu über­zeu­gen, daß die Ver­fol­gung von Bischö­fen, Prie­stern und Semi­na­ri­sten Nica­ra­gua auf der inter­na­tio­na­len Büh­ne iso­liert. Das wis­sen Orte­ga und sei­ne Anhän­ger. Es ist für sie im Ver­gleich zu ihrer Angst, gestürzt zu wer­den, und der per­ma­nen­ten Not­wen­dig­keit, die eige­nen Anhän­ger durch Auf­peit­schung zu mobi­li­sie­ren und das nica­ra­gua­ni­sche Volk durch Repres­si­on nie­der­zu­hal­ten, aber von sekun­dä­rer Bedeutung.

Der Vati­kan setzt auf Dia­log und ver­zich­tet dafür dar­auf, daß Papst Fran­zis­kus oder das Staats­se­kre­ta­ri­at die Unter­drückung der Nica­ra­gua­ner, von Bischö­fen, Prie­stern und Gläu­bi­gen beim Namen nen­nen und kritisieren.

Den Dia­log zwi­schen dem Vati­kan und der Regie­rung bestä­tig­te in die­sen Tagen Msgr. Car­los Enri­que Her­rera Gut­iérrez OFM, Bischof von Jino­te­ga und Vor­sit­zen­der der Nica­ra­gua­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz. Nica­ra­gu­as Bischö­fe spie­len bei die­sem Dia­log aller­dings kei­ne Rol­le. Staats­prä­si­dent Dani­el Orte­ga beschul­digt sie seit 2018, einen Putsch gegen sei­ne Regie­rung zu beabsichtigen.

Am Mon­tag, 23. Janu­ar, bestä­tig­te das Regime, einen „öffent­li­chen Pro­zeß“ gegen Bischof Álva­rez füh­ren zu wol­len. Was klingt sehr nach einem beab­sich­tig­ten Schau­pro­zeß. Die Ankla­ge gegen den Bischof und ande­re Kir­chen­män­ner ist gleich­lau­tend: „Ver­schwö­rung“ und „Desta­bi­li­sie­rung“. Über die Ankün­di­gung ist man im Vati­kan beun­ru­higt. El Deba­te zitiert eine Quel­le aus dem Vatikan:

„Es muß nach­drück­lich dar­auf bestan­den wer­den, daß die Diplo­ma­tie dis­kret han­delt, da sie sich in Sze­na­ri­en hoher Span­nung bewegt. Es han­delt sich nicht um einen ‚Ver­hand­lungs­pro­zeß‘, son­dern um einen ‚Dia­log‘.“

Papst Fran­zis­kus bemüht sich beson­ders um den Kon­takt zu sozia­li­sti­schen Regimen: 

  • Nica­ra­gu­as Staats­prä­si­dent Dani­el Orte­ga, der Vor­sit­zen­de der sozia­li­sti­schen, mar­xi­stisch-befrei­ungs­theo­lo­gi­schen San­di­ni­sti­schen Natio­na­len Befrei­ungs­front, nennt Fran­zis­kus einen „Freund“.
  • Der vene­zo­la­ni­sche Staats­chef Nicolás Madu­ro, Vor­sit­zen­der der boli­va­ri­schen Ver­ei­nig­ten Sozia­li­sti­schen Par­tei Vene­zue­las, akzep­tier­te am 17. Janu­ar, nach fünf Jah­ren Jah­ren des Tau­zie­hens, die Ernen­nung von Kar­di­nal Bal­ta­zar Por­ras zum neu­en Erz­bi­schof von Caracas
  • Das kuba­ni­sche Regime emp­fängt der­zeit Kar­di­nal Benia­mi­no Stel­la als Son­der­ge­sand­ten von Papst Fran­zis­kus für die Fei­er­lich­kei­ten zum 25. Jah­res­tag des histo­ri­schen Besuchs von Johan­nes Paul II. auf der Insel.

Papst Fran­zis­kus ist an kei­ner „Desta­bi­li­sie­rung“ Nica­ra­gu­as inter­es­siert. Die Fra­ge ist, inwie­weit er für sei­nen regime­freund­li­chen Kurs auch die Ver­tre­ter der Orts­kir­che gewin­nen kann, die am eige­nen Leib die „Seg­nun­gen“ der san­di­ni­sti­schen Repres­si­on erleben.

„Die Ver­ur­tei­lung eines Bischofs zu einer lang­jäh­ri­gen Haft­stra­fe wegen des Ein­tre­tens für die Men­schen­rech­te wür­de das Regime inter­na­tio­nal noch stär­ker iso­lie­ren. Ein ech­ter Bume­rang“, zitiert El Deba­te sei­ne vati­ka­ni­sche Quelle. 

Das läßt aller­dings Zwei­fel dar­an auf­kom­men, ob das tat­säch­lich die Linie der vati­ka­ni­schen Diplo­ma­tie ist. So bleibt letzt­lich, was bereits im Som­mer 2022 in gro­ben Zügen ver­ein­bart war: Bischof Álva­rez ins Exil zu schicken. 

Für Papst Fran­zis­kus ist an der Sache pro­ble­ma­tisch, daß ein „befreun­de­tes“ Regime einen Bischof ins Gefäng­nis wirft. Das läßt sich kir­chen­in­tern schwer ver­mit­teln und schwächt die Rücken­deckung für sei­ne poli­ti­sche Agen­da, zu der es gehört, mit den Glo­ba­li­sten und mit der radi­ka­len Lin­ken ins Gespräch zu kom­men, die in den ver­gan­ge­nen Jah­ren punk­tu­el­le Alli­an­zen ein­ge­gan­gen sind. Kei­nen Dia­log gibt es schon seit Jah­ren mehr mit den Evan­ge­li­ka­len. Das The­ma ist seit 2016 vom Tisch, in den USA und auch in Latein­ame­ri­ka. Ent­schei­dend dafür waren der Tod von Tony Pal­mer und vor allem Donald Trumps Auf­stieg und Wahl­sieg 2016.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: El Deba­te (Screen­shot)

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