
(Tegucigalpa) Vier Experten und zwölf Zeugen werden im Prozeß gegen den nicaraguanischen Bischof Rolando Álvarez aussagen, dem „Verschwörung gegen die nationale Integrität und Verbreitung“ von „Falschmeldungen zum Schaden des Staates und der nicaraguanischen Gesellschaft“ vorgeworfen werden. Erst am Montag war ein Priester der Diözese Matagalpa in denselben Anklagepunkten zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt worden. Die beiden Verfahren, das gegen den Priester und jenes gegen den Bischof, stehen in keinem Zusammenhang. Kritiker werfen dem sandinistischen Regime Willkürjustiz vor.
Es geht Schlag auf Schlag. Präsident Ortega erhöht den Druck auf die Kirche immer mehr. Unter den zwölf Zeugen, die gegen den regierungskritischen Bischof aussagen werden, befinden sich drei Polizisten, zwei Staatsfunktionäre und Aktivisten der regierenden Sandinisten, wie aus der Liste hervorgeht, die von der Justizbehörde veröffentlicht wurde.
Über Bischof Álvarez, der sich seit 19. August 2022 in Haft befindet, wird Richterin Nidia Camila Tardencilla Rodríguez vom zweiten Strafgerichtshof in Managua urteilen. Seit Daniel Ortega Anfang 2007 an die Macht zurückgekehrt ist, verschlechterte sich das Verhältnis zwischen Staat und Kirche. Seit 2018 wird die Kirche vom Staat offen bekämpft, da ihr Ortega vorwirft, ihn stürzen zu wollen. Msgr. Álvarez ist der erste Bischof in diesem Konflikt, der verhaftet wurde und vor Gericht gestellt wird. Andere Bischöfe vor ihm waren rechtzeitig ins Exil gegangen oder von Papst Franziskus emeritiert worden.
Der im Exil lebende nicaraguanische Rechtsanwalt Yader Morazán, der den Fall verfolgt, spricht von einer gelenkten Anklage. Gegen den Bischof werden Personen als Zeugen aufgeboten, die in Abhängigkeit zum Regime stehen oder dieses offen unterstützen, so der Anwalt. Er veröffentlichte die Verbindungen der Zeugen und Fotos, die Zeugen mit Fahnen der sozialistischen Sandinistischen Befreiungsfront FSLN zeigen.
Bischof Álvarez kann seit fünf Monaten sein Bischofsamt nicht ausüben, obwohl er die Verantwortung für zwei Diözesen trägt: für sein Bistum Matagalpa und als Apostolischer Administrator auch für das Bistum Estelí. Beide liegen im Norden von Nicaragua. Das Bistum Estelí mußte er übernehmen, als Papst Franziskus den dortigen Bischof Juan Abelardo Mata Guevara SDB, der am deutlichsten das Regime kritisierte, emeritierte, als diesem mit Verhaftung gedroht wurde. In Rom heißt es, das sei zum persönlichen Schutz des Bischofs geschehen.
Die nicaraguanische Polizei, deren Chef, Francisco Diaz, der Schwiegersohn von Staatspräsident Daniel Ortega ist, beschuldigt den Bischof, „gewalttätige Gruppen zu organisieren“ mit dem „Ziel, den nicaraguanischen Staat zu destabilisieren und die Verfassungsorgane anzugreifen“.
2022 wurden der Apostolische Nuntius Msgr. Waldemar Sommertag und 18 Ordensfrauen der Missionarinnen der Nächstenliebe von Mutter Teresa des Landes verwiesen. In Matagalpa befinden sich der Bischof, sieben Priester und zwei Laienmitarbeiter in Haft. Neun katholische Radiosender und drei katholische Fernsehsender wurden geschlossen.
Als die Bischöfe des Landes mit Ortega brachen, schrieb ihm Papst Franziskus eine Grußbotschaft, die das Regime propagandistisch ausschlachten konnte. Die Kirche in Nicaragua wird verfolgt von Freunden des Papstes.
Siehe auch:
- Der uneinsichtige Revolutionär – Zum Tod von Ernesto Cardenal
- Miguel D’Escoto gestorben – Sandinist, Befreiungstheologe, marxistischer Revolutionär, suspendierter Priester
- Fernando Cardenal gestorben – Jesuit, Befreiungstheologe und Sandinist
Text: Giuseppe Nardi
Bild: La Pensa (Screenshot)