Fernando Cardenal gestorben – Jesuit, Befreiungstheologe und Sandinist


Fernando Cardenal SJ (in Zivil 1.v.l.) mit FSLN-Comandante Daniel Ortega
Fernando Cardenal SJ (in Zivil 1.v.l.) mit FSLN-Comandante Daniel Ortega

(Mana­gua) Er war Mini­ster der San­di­ni­sten-Regie­rung. Unter Papst Johan­nes Paul II. wur­de er a divi­nis sus­pen­diert und aus dem Jesui­ten­or­den aus­ge­schlos­sen. Vom Orden wur­de er spä­ter wie­der auf­ge­nom­men. Er war nicht nur ein theo­re­ti­scher, son­dern vor allem ein prak­ti­scher Ver­tre­ter der mar­xi­sti­schen Befreiungstheologie.

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Nun ist er im Alter von 82 Jah­ren gestor­ben und steht vor dem Rich­ter­stuhl Got­tes. Die Rede ist von Fer­nan­do Car­denal, dem jün­ge­ren Bru­der von Erne­sto Car­denal. Bei­de tra­ten in den Jesui­ten­or­den ein, bei­de waren bereits vor ihrem Ordens­ein­tritt poli­tisch aktiv, bei­de wur­den katho­li­sche Prie­ster, bei­de wur­den mili­tan­te Ver­tre­ter der mar­xi­sti­schen Befrei­ungs­theo­lo­gie und bei­de wur­den Mini­ster der revo­lu­tio­nä­ren san­di­ni­sti­schen Regie­rung, die von 1979–1990 Nika­ra­gua beherrsch­te. Mit dem Zusam­men­bruch des kom­mu­ni­sti­schen Ost­blocks brach auch das san­di­ni­sti­sche Regime zusam­men. Gewan­det, wie etli­che kom­mu­ni­sti­sche Par­tei­en Euro­pas, gehört die San­di­ni­sti­sche Natio­na­le Befrei­ungs­front FSLN heu­te der Sozia­li­sti­schen Inter­na­tio­na­le an und ist eine Schwe­ster­par­tei von SPD, SPÖ und SPS.

Revolutionär aus wohlhabendem Haus

Fer­nan­do Car­denal wur­de 1934 in Gra­na­da in Nika­ra­gua als Sohn einer wohl­ha­ben­den spa­nisch­stäm­mi­gen Fami­lie gebo­ren. Zusam­men mit sei­nem Bru­der Erne­sto schloß er sich früh­zei­tig der nika­ra­gua­ni­schen Oppo­si­ti­on und der mar­xi­sti­schen Befrei­ungs­theo­lo­gie an. Die Brü­der Car­denal wur­den zu ihren bedeu­tend­sten prak­ti­schen Ver­tre­tern und nah­men am bewaff­ne­ten Kampf der san­di­ni­sti­schen Unter­grund­be­we­gung FSLN (Fren­te San­di­ni­sta de Libe­r­ación Nacio­nal) teil, die gegen das Regime der Fami­lie Somo­za kämpfte.

Nach­dem die San­di­ni­sten 1979 gewalt­sam die Regie­rung an sich geris­sen hat­ten, über­nah­men die Brü­der Car­denal füh­ren­de Auf­ga­ben im revo­lu­tio­nä­ren Staat, dem von Euro­pas ortho­do­xer und  nicht ortho­do­xer Lin­ken gro­ße Sym­pa­thien und Unter­stüt­zung ent­ge­gen­ge­bracht wur­den. Fer­nan­do wur­de zunächst stell­ver­tre­ten­der Vor­sit­zen­der des san­di­ni­sti­schen Jugendverbandes.

Die Brüder Cardenal als Minister: Suspendierung a divinis

Fernando Cardenal mit Daniel Ortega (FSLN)
Fer­nan­do Car­denal mit Dani­el Orte­ga (FSLN)

Der bekann­te­re, älte­re Bru­der Erne­sto wur­de 1979 unter Dani­el Orte­ga Kul­tur­mi­ni­ster von Nica­ra­gua. Sein jün­ge­rer Bru­der wur­de 1984 san­di­ni­sti­scher Bil­dungs­mi­ni­ster. Der Vati­kan for­der­te von ihm, wie bereits zuvor von sei­nem Bru­der, den sofor­ti­gen Rück­tritt. Fer­nan­do wei­ger­te sich, wie sich zuvor auch sein Bru­der gewei­gert hat­te. Ein Rück­tritt wäre „eine schwe­re Sün­de gewe­sen“, erklär­te Fer­nan­do Car­denal spä­ter der BBC. „Ich kann mir kei­nen Gott den­ken, der von mir ver­langt hät­te, das Volk im Stich zu lassen.“

Wegen sei­nes Unge­hor­sams, und weil er sich dem bewaff­ne­ten Kampf ange­schlos­sen hat­te, wur­de er von Rom a divi­nis sus­pen­diert. Damit konn­te ihn der Jesui­ten­or­den nicht län­ger hal­ten. Der Orden schließt eine direk­te Aus­übung poli­ti­scher Ämter aus. So muß­te die Gesell­schaft Jesu den vati­ka­ni­schen For­de­run­gen nach­kom­men und Car­denal aus­schlie­ßen. Das Ver­hält­nis zwi­schen den Brü­dern Car­denal und dem Orden blieb den­noch wohlwollend.

Die Rückkehr in den Jesuitenorden

1990 wur­den die San­di­ni­sten abge­wählt. Nach wei­te­ren sechs Jah­ren wur­de Fer­nan­do Car­denal wie­der vom Jesui­ten­or­den ange­nom­men. Nach­dem er ein Jahr Novi­zi­at wie­der­ho­len muß­te, das er, so die Bio­gra­phie, „unter den Ärm­sten El Sal­va­dors“ ver­brach­te, wur­de er 1997 wie­der in vol­lem Umfang in den Orden aufgenommen.

Seit 2011 lei­te­te er in Nika­ra­gua die ordens­ei­ge­ne, 1955 in Vene­zue­la vom chi­le­ni­schen Jesui­ten José Maria Velaz (1910–1985) gegrün­de­te Bewe­gung Ale­gria y Fe. „Glau­be und Freu­de“ dient laut eige­nen Anga­ben der „Alpha­be­ti­sie­rung“ und der „sozia­len und poli­ti­schen Sensibilisierung“.

In den 1970er Jah­ren ideo­lo­gi­sier­te sich Ale­gria y Fe und mach­te sich die Befrei­ungs­theo­lo­gie zu eigen. 1974 wur­de die Bewe­gung auch in Nika­ra­gua aktiv. Sie unter­hält heu­te in Latein­ame­ri­ka mehr als 1000 Schu­len und 53 Radiosender.

Fer­nan­do Car­denal ist am 20. Febru­ar gestor­ben. Gestern fand in Mana­gua im Fest­saal der vom Jesui­ten­or­den gelei­te­ten Zen­tral­ame­ri­ka­ni­schen Uni­ver­si­tät (Uni­ver­si­dad Cen­tro­ame­ri­ca­na, UCA) das Requi­em statt. Anschlie­ßend erfolg­te die Beisetzung.

Im Gegen­satz zu sei­nem Bru­der Erne­sto, der sich der Sozi­al­de­mo­kra­ti­sie­rung des FSLN wider­setz­te und den radi­ka­le­ren Movi­mi­en­to de Reno­va­ci­on San­di­ni­sta, die „Bewe­gung der San­di­ni­sti­schen Erneue­rung“ (MRS) mit­be­grün­de­te, war Fer­nan­do zuletzt nicht mehr direkt poli­tisch aktiv.

„Möge der Herr ihm mit unend­li­cher Barm­her­zig­keit begeg­nen“, so der spa­ni­sche Kolum­nist und Geg­ner der Befrei­ungs­theo­lo­gie Fran­cis­co Fer­nan­dez de la Cigoña.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: La Repu­bli­ca (Ecua­dor) (Screen­shots)

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6 Kommentare

  1. Ein an sich objek­ti­ver Arti­kel mit einem ver­söhn­li­chen Schluss. Woj­ty­la neig­te natür­lich schon zu einer Ver­klä­rung des­sen, was man in der Lin­ken gemein­hin US Impe­ria­lis­mus nennt.
    In Bezug auf die letz­ten Sät­ze kann man sagen, dass Car­denal den Weg sei­ner Über­zeu­gung kon­se­quent gegan­gen ist. Auch der Satz Ich kann mir kei­nen Gott den­ken, der von mir ver­langt hät­te, das Volk im Stich zu las­sen.“ spricht Bän­de. Wel­cher Lin­ke von heu­te wür­de so etwas von sich geben?

  2. Schon interessant,das sehr oft Söh­ne (und Töch­ter) aus gut­bür­ger­li­chem Hau­se den ver­meint­li­chen Idea­len des Mar­xis­mus nachliefen.
    Das Glei­che gilt auch für die heu­ti­gen rot-grü­nen Ideo­lo­gien inclu­si­ve Feminismus.
    Man könn­te auch sagen,GELANGWEILTE Söh­ne und Töch­ter aus gutem Hause,denn die aus den arbei­ten­den Schich­ten hat­ten für Phi­lo­so­phien aller Art weder Zeit noch Nerv.
    Unglück­li­cher­wei­se pro­fi­tier­ten die­se auch eher sel­ten von den Seg­nun­gen die­ser Phi­lo­so­phien son­dern dien­ten meist als Kanonenfutter.

    • Sehr rich­tig gesagt.
      Ich weiß von einem Fall, wo 2 wehr­dienst­pflich­ti­ge Brü­der (Offi­ziers­an­wär­ter) in Gefechts­ein­hei­ten (aus eher ärm­li­chen finan­zi­el­len Ver­hält­nis­sen stam­mend) plötz­lich und ohne ersicht­li­chen Grund gefilzt wur­den durch den Mili­tä­ri­schen Sicher­heits­dienst (MSD);
      2 Tage spä­ter löste sich das Rät­sel auf:
      eine ent­fern­te Cou­si­ne, aus gut­bür­ger­li­chem Hau­se, mit einer christ­de­mo­kra­ti­schen Tan­te mit gro­ßem poli­ti­schen Ein­fluß im Hin­ter­grund, fand sich, obwohl mit Dia­be­tes und ohne grö­ße­re Bega­bung für Fremd­spra­chen, beru­fen um den Rebel­len in Gua­te­ma­la zu verfügen.
      Nach 6 Mona­ten war das Spiel aus und mit Inter­ven­tio­nen der Geheim­dien­sten, der Nato und der Poli­tik lan­de­te die Cou­si­ne inner­halb 48 Stun­den in West­eu­ro­pa (ohne Kof­fer und nicht vergewaltigt).
      Unglaub­lich aber wahr.
      (Der MSD brauch­te die Stamm­num­mern der Brü­der, um der Sache etwas mehr „Kraft“ und „patrio­ti­sche Far­be“ zu geben).

  3. Mar­xis­mus-Leni­nis­mus.
    Der Irr­weg des Mar­xis­mus bleibt ein Irr­weg, auch wenn er aus Über­zeu­gung kon­se­quent und in lau­te­rer per­sön­li­cher Absicht gegan­gen wird. Doch de mor­tuis nihil nisi bene.

  4. Was heißt denn „Befrei­ungs­theo­lo­gie“ ? Befrei­ung von wem oder was ? Man soll­te die­sen Begriff allen­falls in Anfüh­rungs­zei­chen setzen.

  5. Klas­se, Mord und Tot­schlag mit Dul­dung der katho­li­schen Salon­mar­xi­sten. Joh. P. II hat die­se Irr­leh­re durch Kard. Ratz­in­ger auf das Schärf­ste verurteilt.
    Franz spricht die­se Typen hin­ge­gen wahr­schein­lich auch noch heilig.
    O tem­po­ra o mores !

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