Der neue Erzbischof von Brüssel und das Muster bei der Besetzung von Schlüsselbistümern

Buenos Aires, Madrid, Brüssel: Franziskus baut für die Zukunft vor


Msgr. Luc Terlinden wurde gestern von Papst Franziskus zum neuen Erzbischof von Mecheln-Brüssel und Primas von Belgien ernannt.
Msgr. Luc Terlinden wurde gestern von Papst Franziskus zum neuen Erzbischof von Mecheln-Brüssel und Primas von Belgien ernannt.

(Rom) Papst Fran­zis­kus ernann­te einen neu­en Erz­bi­schof von Mecheln-Brüs­sel. Es han­delt sich bereits um den zwei­ten Pri­mas von Bel­gi­en, den Fran­zis­kus in sein Amt ein­setz­te. Die Ernen­nung läßt ein Muster erkennen.

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Mit Bue­nos Aires, Madrid und nun Mecheln-Brüs­sel besetz­te Fran­zis­kus inner­halb kur­zer Zeit die Schlüs­s­elbis­tü­mer von drei Staa­ten neu, deren Ober­hir­ten auf­grund ihres Alters abseh­bar min­de­stens 20 Jah­re im Amt blei­ben werden.

Das vati­ka­ni­sche Pres­se­amt gab gestern bekannt, daß der von Kar­di­nal Jozef De Kesel ein­ge­reich­te Rück­tritt als Erz­bi­schof von Mecheln-Brüs­sel und damit auch Pri­mas von Bel­gi­en von Fran­zis­kus ange­nom­men wur­de. Zugleich wur­de die Neu­be­set­zung verkündet:

„Der Hei­li­ge Vater hat Hochw. Msgr. Luc Ter­lin­den vom Kle­rus der­sel­ben Erz­diö­ze­se, bis­her Gene­ral­vi­kar, zum Erz­bi­schof von Mecheln-Brüs­sel ernannt.“

Als Lebens­lauf ver­laut­bar­te der Hei­li­ge Stuhl:

„Msgr. Luc Ter­lin­den wur­de am 17. Okto­ber 1968 in Etter­beek (Brüs­sel) gebo­ren. Nach dem Abschluß eines Wirt­schafts­stu­di­ums und eines Stu­di­ums des Wirt­schafts­in­ge­nieur­we­sens lei­ste­te er sei­nen Mili­tär­dienst ab, sam­mel­te eine kur­ze Berufs­er­fah­rung als Gym­na­si­al­leh­rer und erwarb dann nach sei­nem Ein­tritt in das Prie­ster­se­mi­nar der Diö­ze­se Mecheln-Brüs­sel einen Bache­lor-Abschluß in Phi­lo­so­phie an der UCL­ou­vain und einen Abschluß in Theo­lo­gie am Cent­re d’é­tu­des théo­lo­gi­ques et pasto­ra­les (CETEP).

Er wur­de am 18. Sep­tem­ber 1999 für die Erz­diö­ze­se Mecheln-Brüs­sel zum Prie­ster geweiht und absol­vier­te anschlie­ßend ein Stu­di­um der Moral­theo­lo­gie an der Päpst­li­chen Aka­de­mie Alfon­sia­na in Rom.

Er beklei­de­te die fol­gen­den Ämter: Vikar von Saint-Fran­çois d’As­sise in Lou­vain-la-Neuve und Grün­der des Ora­to­ri­ums nach ita­lie­ni­schem Vor­bild (seit 2003); Lei­ter des diö­ze­sa­nen Beru­fungs­dien­stes (2005–2014); Pfar­rer von Sain­te-Croix in Ixel­les (seit 2010), Lei­ter der Seel­sor­ge­ein­heit und Grün­der von Pôle Jeu­nes XL (seit 2013); Regens des erz­bi­schöf­li­chen Prie­ster­se­mi­nars, Mit­glied des bischöf­li­chen Rates und Titu­lar-Kano­ni­ker der Kathe­dra­le Sint-Rom­bout in Mecheln (seit 2017); Pro­fes­sor für Moral­theo­lo­gie am fran­zö­sisch­spra­chi­gen Prie­ster­se­mi­nar von Namur; bis jetzt Gene­ral­vi­kar der Erz­diö­ze­se, Mode­ra­tor des bischöf­li­chen Rates und Lei­ter des Vika­ri­ats für die fran­zö­sisch­spra­chi­ge Ausbildung.“

Nicht erwähnt wird im vati­ka­ni­schen Lebens­lauf, daß der neue Erz­bi­schof der 1676 in den habs­bur­gi­schen Nie­der­lan­den geadel­ten Fami­lie Ter­lin­den ange­hört. Der Adel wur­de nach 1830 vom bel­gi­schen König­tum aner­kannt und in einem Zweig sogar rang­erhöht. Dem bel­gi­schen Staat gab die Fami­lie zahl­rei­che Rich­ter, dar­un­ter auch einen Gene­ral­staats­an­walt am Ober­sten Gerichts­hof, und hoch­ran­gi­ge Offi­zie­re. Der Groß­va­ter des neu­en Erz­bi­schofs war Gene­ral­leut­nant, des­sen Onkel Gene­ral­ma­jor. Der Vater von Msgr. Luc Ter­lin­den war Oberst. Ein Urgroß­on­kel war Par­la­ments­ab­ge­ord­ne­ter, ein ande­rer Sena­tor. Sein Groß­on­kel Charles-Alexis Ter­lin­den, Pro­fes­sor der Geschich­te an der Katho­li­schen Uni­ver­si­tät Löwen, war Mit­glied des Ordens vom Gol­de­nen Vlies, des rang­höch­sten Ordens über­haupt, der vom Ober­haupt des Hau­ses Habs­burg ver­lie­hen wird.

Der neue Erz­bi­schof von Mecheln-Brüs­sel brach­te sei­ne Ver­bun­den­heit mit Papst Fran­zis­kus umge­hend dadurch zum Aus­druck, daß er als Wap­pen­spruch „Fra­tel­li tut­ti“ nach der gleich­na­mi­gen Enzy­kli­ka von 2020 wählte. 

Cat­ho­bel, die offi­zi­el­le Inter­net­sei­te der Kir­che im wal­lo­ni­schen Bel­gi­en, ver­öf­fent­lich­te die­ses Bild, das Kar­di­nal De Kesel mit sei­nem Nach­fol­ger Luc Ter­lin­den zeigt – und tref­fen­der­wei­se einem Bild von Papst Fran­zis­kus im Hintergrund 

Die Weichenstellungen von Papst Franziskus im Erzbistum Mecheln-Brüssel 

Das Erz­bis­tum Mecheln-Brüs­sel war bald nach der Wahl von Fran­zis­kus in des­sen Fokus gera­ten, schließ­lich war eines der vier Mit­glie­der des Teams Berg­o­glio, das sei­ne Wahl im Kon­kla­ve von 2013 vor­be­rei­tet und for­ciert hat­te, Kar­di­nal God­fried Dan­neels, ein ehe­ma­li­ger Erz­bi­schof von Mecheln-Brüs­sel. Als Dan­neels‘ Nach­fol­ger hat­te Papst Bene­dikt XVI. 2010 nicht des­sen Wunsch­kan­di­da­ten De Kesel (damals Bischof von Brüg­ge) ernannt, son­dern den dama­li­gen Bischof von Namur Msgr. André-Joseph Léo­nard, der im pro­gres­si­ven bel­gi­schen Epi­sko­pat eine iso­lier­te Aus­nah­me­erschei­nung war. Die­ser Ein­griff wur­de Bene­dikt XVI. nie verziehen. 

Erz­bi­schof Léo­nard wur­de sofort zur Ziel­schei­be wüste­ster Angrif­fe, unter ande­rem mehr­fach durch die ukrai­ni­sche Polit-Söld­ner­grup­pe Femen. Wäh­rend Bene­dikt XVI. Dan­neels, da Metro­po­lit, bis zur Voll­endung des 77. Lebens­jah­res im Amt beließ, eme­ri­tier­te Fran­zis­kus den in pro­gres­si­ven Krei­sen ver­ach­te­ten „Ein­dring­ling“ Léo­nard, sobald die­ser 75 wur­de. Er ver­wei­ger­te Léo­nard auch die Kar­di­nals­wür­de, die er statt­des­sen einem Freund von Dan­neels ver­lieh, dem sei­ner­zei­ti­gen Apo­sto­li­schen Nun­ti­us in Bel­gi­en Karl-Josef Rau­ber, der im Gleich­klang mit Dan­neels sich der Ernen­nung Léo­nards durch Bene­dikt XVI. wider­setzt hatte.

Ging es noch demon­stra­ti­ver? Durch­aus. Fran­zis­kus ernann­te 2015 mit De Kesel jenen Mann als Nach­fol­ger Léo­nards zum neu­en Erz­bi­schof von Mecheln-Brüs­sel, der bereits 2010 Dan­neels Wunsch­kan­di­dat war. Die Amts­zeit von Msgr. Léo­nard soll­te in aller Augen als uner­wünsch­tes kurz­zei­ti­ges kon­ser­va­ti­ves Zwi­schen­spiel gebrand­markt werden.

De Kesels Bilanz

De Kesel erfüll­te die in ihn gesetz­ten Erwar­tun­gen. Er leg­te 2019 als Vor­sit­zen­der der Bel­gi­schen Bischofs­kon­fe­renz eine 400 Sei­ten star­ke Miß­brauchs-Stu­die vor, die so tat, als wür­de sie vor lau­ter Bäu­me den Wald nicht sehen: Das Haupt­pro­blem des sexu­el­len Miß­brauchs durch Kle­ri­ker, homo­se­xu­el­le Pädo­phi­lie, blieb uner­wähnt. Über­haupt zeig­te sich der Erz­bi­schof wie auch ande­re Bischö­fe Bel­gi­ens blind für die homo­se­xu­el­le Unter­wan­de­rung der Kir­che. Kein Wun­der, denn De Kesel, den Fran­zis­kus – im Gegen­satz zu Msgr. Léo­nard – sofort mit der Kar­di­nals­wür­de schmück­te, for­der­te als Ver­fech­ter der Homo-Häre­sie mehr­fach die Aner­ken­nung der Homo­se­xua­li­tät.

2018 erlaub­te De Kesel in sei­ner Kathe­dra­le einen Muez­zin­ruf, mit dem zum isla­mi­schen Gebet geru­fen wird.

Als jun­ge Beter 2017 ein Zei­chen gegen das „Refor­ma­ti­ons­ge­den­ken“ in der Kathe­dra­le setz­ten, ließ De Kesel sie von der Poli­zei ent­fer­nen.

2017 führ­te er Bel­gi­ens Bischö­fe auf den neu­en Kurs, den Papst Fran­zis­kus mit dem umstrit­te­nen nach­syn­oda­len Schrei­ben Amo­ris lae­ti­tia vor­ge­ge­ben hat­te, indem sie alle wie­der­ver­hei­ra­te­ten Geschie­de­nen zur Kom­mu­ni­on zuließen.

Eben­so führ­te er 2022 die Bischö­fe Flan­derns an, die als „Vor­rei­ter“, trotz der aus­drück­li­chen Ableh­nung durch die römi­sche Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on, lit­ur­gi­sche Vor­ga­ben für die „Seg­nung homo­se­xu­el­ler Paa­re“ vor­leg­ten. Die Empö­rung war groß, doch Rom hüll­te sich in Schwei­gen. Fran­zis­kus hat­te einer­seits die Klar­stel­lung der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on gebil­ligt, die fest­stell­te, daß eine Seg­nung der Sün­de aus nach­voll­zieh­ba­ren Grün­den unmög­lich ist, ande­rer­seits ver­hin­der­te er jede Reak­ti­on Roms auf die Rebel­li­on in Flan­dern und wider­sprach auch nicht, als der Bischof von Ant­wer­pen beim deut­schen Syn­oda­len Weg vor kur­zem tri­um­phie­rend wis­sen ließ, daß die von ihnen betrie­be­ne Homo-Seg­nung „mit Bil­li­gung von Papst Fran­zis­kus“ ein­ge­führt wurde.

Kaum eine ande­re Maß­nah­me brach­te das Abhau­sen nach einem hal­ben Jahr­hun­dert des pro­gres­si­ven Nie­der­gangs schla­gen­der zum Aus­druck als die von De Kesel ver­ord­ne­te Schlie­ßung von 36 der 110 Kir­chen Brüs­sels. Der viel zu kurz regie­ren­de und von innen schwer boy­kot­tier­te Msgr. Léo­nard konn­te in den knapp fünf Jah­ren sei­ner Amts­zeit das Blatt nicht wen­den, schon gar nicht, weil De Kesel nach sei­nem Amts­an­tritt das Tem­po stark anzog, als wol­le er die „ver­lo­re­nen“ Jah­re aufholen.

Dazu gehör­te auch, daß er kon­ser­va­ti­ve Gemein­schaf­ten, die ein beson­ders leben­di­ges Apo­sto­lat auf­ge­baut hat­ten, aus sei­nem Erz­bis­tum hin­aus­warf. Die von sei­nem Vor­gän­ger aner­kann­te Prie­ster­bru­der­schaft der Hei­li­gen Apo­stel wur­de von ihm zer­schla­gen und die monasti­schen Gemein­schaf­ten von Jeru­sa­lem vor die Tür gesetzt.

Auf­bau­en ist schwer, abbau­en hin­ge­gen leicht. In den acht Jah­ren sei­ner Amts­zeit erfüll­te der ehe­ma­li­ge Bischof von Brüg­ge offen­bar die in ihn gesetz­ten Hoff­nun­gen. Wei­te­re vier Jah­re wird De Kesel in einem Kon­kla­ve wahl­be­rech­tigt sein, um eine ent­spre­chen­de Nach­fol­ge für Fran­zis­kus sicherzustellen.

Ein Muster zur Besetzung von Schlüsselbistümern

Am 26. Mai hat­te Fran­zis­kus den 55jährigen Msgr. Jor­ge Igna­cio Gar­cía Cuer­va zum neu­en Erz­bi­schof von Bue­nos Aires und Pri­mas von Argen­ti­ni­en ernannt.

Am 12. Juni berief Fran­zis­kus den 56jährigen Msgr. José Cobo Cano zum Erz­bi­schof von Madrid.

Die in die­sen Wochen eme­ri­tier­ten und eben­falls von Fran­zis­kus ernann­ten Vor­gän­ger waren zum Zeit­punkt ihrer Ernen­nung bereits 68 (Jozef De Kesel in Mecheln-Brüs­sel), 69 (Car­los Osoro Sier­ra in Madrid) und 65 (Mario Aure­lio Poli in Bue­nos Aires) Jah­re alt.

Mit der Ernen­nung von Msgr. Luc Ter­lin­den zeigt sich ein Muster, das der der­zei­ti­ge Papst bei der Beset­zung von Schlüs­s­elbis­tü­mern anwen­det. Er sorgt für die von ihm gewünsch­te Zukunft vor: Fran­zis­kus ernennt ver­gleichs­wei­se jun­ge Erz­bi­schö­fe, die abseh­bar für min­de­stens zwei Jahr­zen­te im Amt blei­ben und ihn selbst lan­ge über­le­ben werden.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Wikicommons/​Cathobel (Screen­shot)


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