Vergangene Woche sollte vor dem Kölner Amtsgericht das Strafverfahren gegen zwei Priester, Prof. Dariusz Oko und Prof. Johannes Stöhr, verhandelt werden. Es wurde dann aber um zwei Monate verschoben. Den angeklagten Priestern drohen bei Verurteilung drei Monate bis fünf Jahre Freiheitsentzug für die Veröffentlichung eines wissenschaftlichen Aufsatzes, der die Mechanismen aufzeigt, wie homosexuelle Seilschaften in der katholischen Kirche Minderjährige und Erwachsene sexuell korrumpieren und ausbeuten. Angezeigt wurden sie wegen „Volksverhetzung“ von einem katholischen Priester, der sich selbst als homosexuell bekennt und im vergangenen Jahr „Homo-Segnungen“ vornahm, unter anderem in einer Schwulen-Sauna, und der bereits in der Vergangenheit wegen seines Lasters eine unrühmliche Rolle spielte. Zur Verteidigung von Prof. Oko und Prof. Stöhr wurde eine Petition initiiert, die „Nein zur Zensur des Wortes“ sagt, denn darum geht es: Stimmen, die sich der sich ausbreitenden Homo-Häresie in den Weg stellen, sollen mundtot gemacht werden. Von Prof. Oko stammt der Begriff Homo-Häresie, um das doppelte Phänomen homosexueller Seilschaften in der Kirche zu benennen, die sich gegenseitig decken und Posten verschaffen und zugleich mehr oder weniger im Verborgenen auf eine Änderung der kirchlichen Lehre zur Homosexualität hinarbeiten. Die Rede ist vom kirchlichen Zweig der internationalen Homo-Lobby, die seit den 80er Jahren, im Zuge der AIDS-Ausbreitung, zunehmende Unterstützung durch das Establishment und den Mainstream erhält. Vor einigen Jahrzehnten prägte ein anderer Priester den Begriff Pornotheologie, an den in diesem Zusammenhang erinnert werden soll, um zu zeigen, daß die Entwicklung schon länger zurückreicht.
Pornotheologie ist ein Begriff, den Pater Cornelio Fabro, ein Stigmatiner, prägte, um eine bestimmte progressive Strömung zu benennen, von der nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil die katholische Moraltheologie umgestoßen wurde. Dieses Phänomen trat Anfang der 1970er Jahre auf und ist inzwischen in das Lehramt eingedrungen. Vor diesem Hintergrund sind auch die Angriffe auf Benedikt XVI. zu sehen.
Der Siegeszug der Pornotheologie
von Stefano Fontana*
Der Leitartikel von Riccardo Cascioli, Chefredakteur der Nuova Bussola Quotidiana, über die Homo-Lobby als Matrix der Angriffe gegen Benedikt XVI. macht deutlich, daß es sich dabei natürlich um ein Netzwerk persönlicher Verbindungen handelt, um sich gegenseitige Deckung zu gewährleisten und gemeinsame Feinde in der Kirche zu bekämpfen, aber auch um theologische Positionen, die als Deckmantel für die eigenen Bestrebungen und konkreten Aktionen gefördert werden. Die Homo-Agenda besteht aus gegenseitigen Gefälligkeiten ihrer Mitglieder, aber sie rühmt sich auch theologischer Rechtfertigungen, um zur Deckung ihrer Verhaltensweisen eine Änderung der kirchlichen Morallehre herbeizuführen.
Die interne Unterstützung der Lobby zielt daher auch auf die Änderung der offiziellen Lehre der Moraltheologie ab, indem beispielsweise der Text des Katechismus über homosexuelle Handlungen geändert oder der Ehebruch wiederverheirateter Geschiedener, die more uxorio zusammenleben, zu einer Art Unfall auf dem Weg der Unterscheidung reduziert wird, und anderes mehr.
Dieser Ansatz, für den es heute nicht nur unter Theologen, sondern auch in der kirchlichen Autorität und im Lehramt der Kirche eindeutige Anzeichen gibt, kommt aber nicht aus dem Nichts, denn die (theologischen) Voraussetzungen dafür wurden bereits vor über fünfzig Jahren geschaffen. In den frühen siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts sprach der Philosoph und Stigmatinerpater Cornelio Fabro von einer „Pornotheologie“, die von „Pornotheologen“ betrieben wird. In seinem Buch „Das Abenteuer der progressiven Theologie“ 1 schrieb er, daß die nachkonziliare Moraltheologie:
„(…) im Dreck gelandet ist und den ungezügelten Hedonismus der konsumorientierten Bourgeoisie legitimiert … es bleibt nur noch die Situationsethik, die Moral der (psychologischen, soziologischen, politischen) Kompromisse und der eigenen Bequemlichkeit“.
Diese „Pornotheologen“ haben sich „auf die andere Seite der Barrikade gestellt, auf die des Hedonismus und der Vulgarität“, sie sprechen „mit äußerster Ernsthaftigkeit von der befreienden Funktion des Marxismus und des exzessivsten Freudianismus …, sie ergreifen offen Partei gegen das auserwählte Volk der Gläubigen“, und „was früher Schlamm und moralisches Elend war, gilt heute als Verwirklichung der Persönlichkeit“.
Die „Pornotheologie“, so Pater Fabro in noch entschiedenerem Ton, „ist die Verhöhnung und Verleumdung der Moral, die die Märtyrer und Heiligen geformt und geprägt hat“.
Diese Feststellungen decken sich mit der Anprangerung des „Zusammenbruchs der katholischen Moraltheologie“, den Benedikt XVI. in seiner Note zum Mißbrauch vom April 2019 beklagt hat, und mit der berühmten Mahnung von Kardinal Ratzinger in der Messe pro eligendo Pontifice vom 18. April 2005, daß so viele in der Kirche bereit sind, sich „vom Windstoß irgendeiner Lehrmeinung hin- und hertreiben zu lassen“, unter dem nichts bleibt als „das eigene Ich und seine Gelüste“. Diese Aussage war vielleicht immer in einem metaphorischen Sinn verstanden worden, aber im Lichte von Fabros „Pornotheologie“ wird sie in ihrem wörtlichen Sinn verständlich. Benedikt XVI. wird zugeben, daß Pater Fabro ihm vorausgeeilt ist: Er hat alles lange vor ihm vorausgesehen.
Pater Fabro schrieb, was ich soeben erwähnt habe, nach zwei Ereignissen, die sich in der Kirche jener Jahre zugetragen hatten: der Tagung italienischer Theologen im Januar 1971 in Ariccia und der Veröffentlichung des von L. Rossi und A. Valsecchi herausgegebenen Dizionario enciclopedico di teologia morale (Enzyklopädisches Wörterbuch der Moraltheologie) 1973 im Verlag Paoline (Paulus-Schwestern). Wie wir wissen, waren die katholischen Verlage zwischen Ende der sechziger und Anfang der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts sehr damit beschäftigt, eine regelrechte redaktionelle Bombe zu zünden, die zu einem neuen theologischen Kulturkampf innerhalb der Kirche führen sollte. Bei dieser Bombe sind die beiden oben genannten Ereignisse von großer Bedeutung. Beim ersten wurde das Verständnis der Theologie geändert, beim zweiten das der Moraltheologie.
Auf der Tagung von Ariccia und in den 651 Seiten des Tagungsbandes wurde Theologie als Anthropologie verstanden. Pater Fabro schreibt dazu:
„Die Offenbarung muß gefiltert, d. h. vermittelt, auf die Dimensionen der menschlichen Subjektivität reduziert und auf eine horizontale Linie gebracht werden … Das bedeutet, daß das gesamte Werk der Tradition und des Lehramtes bereinigt werden muß“.
Als „Hauptverantwortlichen der Zerstörung“ nennt er Karl Rahner. Der Herausgeber des Tagungsbandes war der Rahnerianer Alfredo Marranzini SJ.
Die neuen Theologen ändern die Methode der Theologie. Sie halten es für fundamental, die Offenbarung im Wandel der Zeit zu vermitteln, und sie sind der Meinung, daß die Kirche in die Welt eintauchen und an den Zielen mitarbeiten müsse, die sich diese gesetzt hat. Bis dahin stützte sich die Theologie auf die Heilige Schrift, die Tradition, die Lehre der Väter und Konzilien und auf das unfehlbare Lehramt der Kirche. Die neue Theologie soll auf der Geschichte, den Menschen, der Pluralität der menschlichen Sprachen und den Situationen gründen. Mit der Verbannung der Metaphysik muß sie sich auf die Hermeneutik stützen. Für den Rahnerianer Duilio Bonifazi (Priester der Erzdiözese Fermo) muß sie das „Sein als Zeit und die Zeit als Sein“ begreifen. Die Entscheidung für Heidegger hätte nicht treffender formuliert werden können. In Ariccia wurde beschlossen, daß das Grundgerüst der Theologie nicht länger die Dogmatik sein sollte, und tatsächlich begann das Dogma sich von diesem Moment an unter den Theologen und in den Seminaren nicht mehr guter Gesundheit zu erfreuen.
Das Enzyklopädische Wörterbuch der Moraltheologie von 1973 brachte diese Änderung in der Moraltheologie zur Anwendung. Enrico Chiavacci (Priester der Erzdiözese Florenz), der bis zu seinem Tod eine Revision der kirchlichen Lehre zur Homosexualität forderte, schrieb in diesem Wörterbuch im Eintrag „Naturrecht“, daß „die Natur des Menschen darin besteht, keine Natur zu haben“. Das bedeutet, daß er nur eine Existenz hat, oder, um auf Bonifazis obige Formulierung zurückzukommen, daß der Mensch im wesentlichen Zeit ist, Situationen ist, die aus ihrem Inneren heraus verlaufen, durch das Gewissen vermittelt werden, und die moralische Norm immer wieder neu gelesen werden muß, da sie weder den Anspruch erheben kann, endgültig begründet zu sein, noch in Begriffen der Absolutheit ausgedrückt zu werden.
Seitdem hat die Pornotheologie einen weiten Weg zurückgelegt.
*Stefano Fontana ist Direktor des International Observatory Cardinal Van Thuan for the Social Doctrine of the Church und Chefredakteur der Kirchenzeitung des Erzbistums Triest. Fontana promovierte in Politischer Philosophie mit einer Arbeit über die Politische Theologie. Er lehrte Journalistische Deontologie und Geschichte des Journalismus an der Universität Vicenza, seit 2007 Philosophische Anthropologie und Philosophie der Sprache an der Hochschule für Erziehungswissenschaften (ISRE) von Venedig. Autor zahlreicher Bücher. Zu den jüngsten gehören „La nuova Chiesa di Karl Rahner“ („Die neue Kirche von Karl Rahner. Der Theologe, der die Kapitulation vor der Welt lehrte“, Fede & Cultura, Verona 2017), gemeinsam mit Erzbischof Paolo Crepaldi von Triest „Le chiavi della questione sociale“ („Die Schlüssel der sozialen Frage. Gemeinwohl und Subsidiarität: Die Geschichte eines Mißverständnisses“, Fede & Cultura, Verona 2019).
1 Cornelio Fabro: L’avventura della teologia progressista, Rusconi, Mailand 1974, Neuauflage: Ed. Ivi, Segni 2016.
Einleitung/Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: NBQ
Von Stefano Fontana bisher veröffentlicht:
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