(Tegucigalpa) Schwere Vorwürfe gegen Kardinal Oscar Rodriguez Maradiaga, den Erzbischof von Tegucigalpa in Honduras und engen Vertrauten von Papst Franziskus, werden in einem neuen Buch erhoben.
Autorin des bisher nur auf spanisch vorliegenden Buches „Traiciones Sagradas“ (Heiliger Verrat) ist Martha Alegria Reichmann, die Witwe des ehemaligen honduranischen Botschafters beim Heiligen Stuhl.
Alegria Reichmann ist eine alte Freundin des Kardinals, der Mittelamerika im C9-Kardinalsrat vertritt, dessen Koordinator er ist. Kardinal Maradiaga verkehrte viele Jahre so vertraut im Haus des verstorbenen Botschafters Alejandro Valladares in Rom, daß er „ganz zur Familie gehörte“. Diesen vertrauten und herzlichen Umgang, wann immer Maradiaga in die Heilige Stadt kam, schilderte die Botschafterwitwe bereits im Frühjahr 2018 einigen Medien. Nun legte sie „die wahre Geschichte“ in Buchform vor und berichtet darin, warum und wie es zum Bruch kam.
Verrat und Vertuschung
Dabei geht es vor allem auch um die Verhältnisse im Erzbistum Tegucigalpa. Dort recherchierte 2018 vor allem auch der US-amerikanische Vatikanist Edward Pentin vom National Catholic Register. Pentin veröffentlichte gestern ein ausführliches Interview mit Martha Alegria Reichmann über ihr Buch, in dem es vor allem um „Verrat“ und „Vertuschung“ geht. Beides wirft die Witwe des einstigen Doyens des beim Heiligen Stuhl akkreditierten Diplomatischen Corps dem Kardinal vor.
Kardinal Maradiaga, bis 2015 auch Präsident der Caritas Internationalis, habe ihre Familie verraten und schweres Fehlverhalten vertuscht. Der Purpurträger habe ihren Mann, der 22 Jahre als Botschafter sein Land beim Vatikan vertrat, zu schlechten finanziellen Investitionen verleitet. Durch sie verlor die Familie ihre Lebensersparnisse. Alegria Reichmann berichtet aber auch die Förderung und Unterstützung von Bischof Juan Jose Pineda, den Maradiaga zum Weihbischof und zu seinem Statthalter im Erzbistum Tegucigalpa machte für die häufigen Zeiten, in denen der Kardinal abwesend war.
Pineda wurde im vergangenen Jahr des sexuellen Mißbrauchs von Seminaristen und zahlreicher homosexueller Beziehungen mit Priestern und Männer bezichtigt, die er als Priester ausgegeben und im Erzbistum unterbracht haben soll. Die Autorin wiederholt auch die Vorwürfe, Pineda habe Unregelmäßigkeiten in den Finanzen des Erzbistums zu verantworten und staatliche Fördergelder auf seine Privatkonten umgeleitet. Das Geld sei in einen aufwendigen Lebensstil und die Finanzierung seiner homosexuellen Liebhaber geflossen.
Als der Druck auf Kardinal Maradiaga zu groß wurde, trat Pineda im Juli 2018 als Weihbischof zurück. Papst Franziskus nahm seinen Vertrauten Maradiaga in Schutz und akzeptierte den Amtsverzicht Pinedas. Die Anschuldigungen wurden weder untersucht noch Sanktionen verhängt. Durch den Rücktritt wurde die Angelegenheit – offenbar im Interesse aller beteiligten Seiten – zu den Akten gelegt. Neun Monate später rollt Martha Alegria Reichmann mit ihrem Buch die offenen Fragen wieder auf.
„Korruptes System“
Geschrieben habe sie das Buch „Heiliger Verrat“, „weil ich unter dem Betrug und dem daraus folgenden Verrat von Kardinal Maradiaga an meiner Familie gelitten habe“.
Zu Edward Pentin sagte sie:
„Ich entdeckte eine dunkle Seite in ihm und könnte den Rest meines Lebens nicht mehr in Frieden und Gelassenheit leben, ohne diese öffentliche Anklage erhoben zu haben, weil meine christlichen, ethischen und moralischen Grundsätze es mir nicht erlaubten, über so schreckliche Dinge zu schweigen. Das hätte auch mich für eine Vertuschung verantwortlich gemacht. Zu erklären, was ich weiß, und was sie mir angetan haben, ist nicht nur ein Recht, das ich habe, sondern eine Pflicht. weil ich ein Opfer des korrupten Systems bin, das im gegenwärtigen Pontifikat herrscht.“
Sie beschränkt sich im Buch nicht nur auf ihre persönliche Erfahrung, sondern gräbt tiefer, „weil es Dinge gibt, die viele Menschen aus Mangel an Informationen nicht kennen, weil die Schlechten triumphieren, wenn die Gerechten schweigen, und schließlich auch, weil Gott verspottet wird“.
Den ungewöhnlichen Buchtitel „Heiliger Verrat“ habe sie gewählt, „weil ich von Leuten verraten wurde, die ein heiliges Amt bekleiden: Bischof Juan Jose Pineda, Kardinal Oscar Andres Rodriguez Maradiaga und Papst Franziskus, drei Menschen, denen ich blind vertraute. In meinem Buch wird alles sehr genau erklärt und bewiesen. Es besteht kein Zweifel, daß es so war.“
Vatikanisches Manöver zum Schutz des Kardinals
Alegria Reichmann behauptet in ihrem Buch, daß mit Hilfe des Vatikans im Fall Maradiaga so manövriert wurde, daß der Kardinal offiziell nicht in den Fall Pineda verwickelt wurde. So konnte verhindert werden, daß auch Maradiaga stürzt.
„Das war eine groteske Aktion und ein Spott auf die Ehrlichkeit, weil ihm Straflosigkeit verliehen wurde.“
Überhaupt sei Papst Franziskus bisher nur „sehr selten“ gegen Vertuscher vorgegangen, und nur dann, wenn der äußere Druck sehr stark war wie in Chile. Anders als im südamerikanischen Land habe „der Kardinal in Honduras die Medien auf seiner Seite, die keine der Anklagen gegen ihn berichten“. Die wenigen Ausnahme werden von Kardinal Maradiaga „der Verleumdung bezichtigt, und die Fanatiker und die Naiven glauben ihm trotz der vielen Beweise. Doch langsam, langsam werden sie von der Wahrheit überzeugt“.
„Ich bin nur eine Witwe, der weder Maradiaga noch Franziskus Bedeutung beigemessen haben, weil sie das Evangelium nicht so praktizieren, wie es sein sollte. Es scheint, daß die Lehren Christi aus der Mode gekommen sind und der Teufel regiert. Die Gründe für diese schreckliche Situation werden in meinem Buch enthüllt, und es ist erschreckend.“
Alegria Reichmann zieht einen Vergleich mit der Situation in Chile. Kardinal Francisco Javier Errazuriz vertrat bis zum vergangenen Herbst Südamerika im C9-Kardinalsrat. Papst Franziskus entfernte ihn jedoch, obwohl es gegen den Purpurträger „nur eine Anschuldigung gab“.
„Gegen Maradiaga gibt es mehrere, schwerwiegende, sehr schwerwiegende Anschuldigungen, aber in Honduras gibt es nicht den Druck, den es in Chile gab.“
So habe man durch die Entfernung von Pineda als Weihbischof die Sache unter Kontrolle und Kardinal Maradiaga in Amt und Würden halten können.
Will Franziskus schlechte Ratgeber?
„Der Papst hält ihn an seiner Seite, weil er vielleicht seinen schlechten Rat braucht, nachdem er jene bestraft hat, die ihm gute Ratschläge erteilt haben wie Pater Thomas Weinandy, einen der angesehensten Theologen der Welt.“
Kardinal Maradiaga sei deshalb so mächtig, „weil er die uneingeschränkte Unterstützung eines viel mächtigeren Menschen genießt, der Papst Franziskus ist“.
Die „dunkle Seite“ habe der Kardinal so gut verbergen können, „weil er eine Doppelmoral hat, die sich niemand vorstellen kann, außer seine Opfer“.
Martha Alegria Reichmann prophezeit jedoch, daß Kardinal Maradiaga durch die Veröffentlichung ihres Buches sich nicht mehr lange halten werde können, weil es nicht mehr genügen werde, alle Anschuldigungen mit einigen „abgedroschenen Sätzen“ abzutun wie: „Das sind Verleumdungen“ und „Sie greifen mich an, um Papst Franziskus anzugreifen“.
Und welche Hoffnung hegt die Witwe von Botschafter Alejandro Valladares?
„Die Hoffnung nicht nur von mir, sondern von vielen Katholiken und Priestern in Honduras ist, daß Maradiaga durch einen Priester ersetzt wird, der Gottesfurcht hat.“
Das würden nicht zuletzt auch die Studenten der Medizinischen Fakultät der Katholischen Universität von Honduras erhoffen, die große Schwierigkeiten durchmachen, „weil Maradiaga so große Geldbeträge von der Universität abgezogen hat“.
Im Erzbistum Tegucigalpa und auch an der Katholischen Universität gebe es viel aufzuräumen. Vielleicht müsse man dazu nicht auf einen anderen Papst warten, falls Franziskus doch „die schönen Sätze, die er spricht, auch umsetzt und nicht nur ausspricht und wie Wolken im Nichts verschwinden läßt“.
„In Bezug auf meine persönliche Situation hoffe und vertraue ich nur auf Gott. Ich verlasse mich mit der absoluten Gewißheit, daß er mir antworten wird. Gott ist barmherzig, Gott ist gerecht, Gott wirkt Wunder… Gott allein genügt.“
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Criterio/L’Espresso (Screenshots)