„Grüße“ von Papst Franziskus

Juan Carlos Cruz ist "im Namen" von Franziskus in Peru unterwegs


"Im Namen von Franziskus", der Auftritt von Juan Carlos Cruz in Peru.
"Im Namen von Franziskus", der Auftritt von Juan Carlos Cruz in Peru.

(Rom) Juan Car­los Cruz, Mit­glied der Päpst­li­chen Kom­mis­si­on für den Schutz von Min­der­jäh­ri­gen, for­der­te die Auf­lö­sung einer katho­li­schen Gemein­schaft päpst­li­chen Rechts. Ein bei­spiel­lo­ser Vorgang.

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Der Chi­le­ne Juan Car­los Cruz, Jour­na­list und beken­nen­der Homo­se­xu­el­ler, wur­de im Zuge des Kon­flikts um den chi­le­ni­schen Bischof Juan Bar­ros Madrid bekannt. Er führ­te ein Komi­tee von Opfern sexu­el­len Miß­brauchs durch den Prie­ster Fer­nan­do Kara­di­ma an, das mit sei­ner öffent­li­chen Kri­tik Papst Fran­zis­kus bei des­sen Chi­le-Besuch Anfang 2018 sehr zusetzte.

Nach­dem des­sen Unter­stüt­zung für Bischof Bar­ros auch die New York Times auf den Plan rief, änder­te Fran­zis­kus schlag­ar­tig sei­nen Kurs, lud Cruz mit zwei ande­ren Komi­tee-Ver­tre­tern zu einem ver­län­ger­ten Wochen­en­de in den Vati­kan ein und eme­ri­tier­te Bar­ros und gleich noch ande­re chi­le­ni­sche Bischö­fe dazu, um nicht zu sehr das Gesicht zu verlieren.

Die Homo-Häresie

Cruz ist ein Opfer des inzwi­schen ver­stor­be­nen Kara­di­ma, der von der Kir­che bestraft und lai­siert wur­de. Der durch Kara­di­ma ange­rich­te­te Scha­den ist nicht wirk­lich wie­der­gut­zu­ma­chen und zei­tigt im kon­kre­ten Fall sogar offen­kun­di­ge Fol­gen: Cruz lebt heu­te selbst homo­se­xu­ell und fin­det nichts dabei. Schwe­rer noch wiegt, daß er nach dem Wochen­en­de im Vati­kan behaup­te­te, Papst Fran­zis­kus habe sei­ne Homo­se­xua­li­tät gut­ge­hei­ßen. Der Vati­kan demen­tier­te die Behaup­tung nicht.

Die­se Vor­ge­hens­wei­se hat Metho­de. Fran­zis­kus ändert de fac­to die Posi­ti­on der Kir­che, ohne direkt Hand an die Leh­re zu legen und ohne selbst, zumin­dest greif­bar, dafür ver­ant­wort­lich gemacht wer­den zu kön­nen. Lega­li­sten leh­nen sich des­halb zurück und ver­tre­ten den Stand­punkt, daß das irrele­vant sei, solan­ge er nicht die Leh­re ände­re. Im Sin­ne Hegels geht Fran­zis­kus jedoch von einem Vor­rang der Pra­xis gegen­über der Theo­rie aus. Die Macht des Fak­ti­schen wer­de durch die Pra­xis bestimmt und zie­he unwei­ger­lich eine Ände­rung der Theo­rie nach sich. Das sei dann nur mehr eine Fra­ge der Zeit.

Tat­sa­che ist, daß es Fran­zis­kus gelun­gen ist, den Fall Bar­ros, der sei­nem Pon­ti­fi­kat bis dahin am stärk­sten zuge­setzt hat­te, unter Kon­trol­le zu brin­gen. Bischof Bar­ros wur­de von ihm eme­ri­tiert und Juan Car­los Cruz über­ra­schend zum Mit­glied der Päpst­li­chen Kom­mis­si­on für den Schutz von Min­der­jäh­ri­gen ernannt. Die­se Beru­fung löste eini­ges Stau­nen aus und wur­de von man­chen Beob­ach­tern zumin­dest als „gewagt“ bezeich­net. Sie zeigt auf, wie weit Fran­zis­kus in sei­nem Popu­lis­mus des Augen­blicks zu gehen bereit ist. Cruz wird seit­her nicht müde, sei­ne beson­de­re Nähe zu Fran­zis­kus zu betonen.

Zur sel­ben Zeit, als Fran­zis­kus im März 2021 Cruz in die Kin­der­schutz­kom­mis­si­on berief, distan­zier­te sich das Kir­chen­ober­haupt von der Ant­wort der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on zur Homo­se­xua­li­tät im Zusam­men­hang mit dem Vor­stoß von Prie­stern und Lai­en­seel­sor­gern im deut­schen Sprach­raum „Homo-Seg­nun­gen“ in der Kir­che durchzuführen.

Fran­zis­kus folgt in Sachen Homo­se­xua­li­tät einem roten Faden.

Der päpstliche Kampf gegen den sexuellen Mißbrauch

Cruz, der sich zur Zeit in Peru auf­hält, gab der dor­ti­gen links­li­be­ra­len Tages­zei­tung La Repu­bli­ca ein Inter­view. Dar­in äußer­te er eine gan­ze Rei­he von „Vor­ur­tei­len“, unter ande­rem indem er ohne ordent­li­ches Ver­fah­ren eine Vor­ver­ur­tei­lung einer kirch­li­chen Gemein­schaft vor­nahm. Aller­dings hilft er dadurch unbe­ab­sich­tigt, die Ereig­nis­se bes­ser ein­ord­nen zu können.

Cruz beton­te in dem Inter­view, daß er heu­te „alle zwei Wochen“ mit Fran­zis­kus spre­che und ihn „ein­mal im Monat“ besu­che. Eine sol­ches Nähe­ver­hält­nis zum Papst wird nur sehr weni­gen zuteil. 

„Es ist ein gro­ßes Geschenk, dem Papst nahe zu sein, einem Mann, dem das Pro­blem des Miß­brauchs wirk­lich am Her­zen liegt“, so Cruz. 

Nicht alle in der Kir­che tei­len die­se Ansicht, schon gar nicht seit dem Fall McCar­ri­ck, der weni­ge Mona­te nach dem Vati­kan-Wochen­en­de von Cruz bekannt wur­de. Zu die­sem Zeit­punkt hat­te Cruz aber bereits die Sei­ten gewechselt.

Laut Cruz bemü­he sich Papst Fran­zis­kus, „sein Bestes“ zu geben, um den Miß­brauch zu bekämp­fen, doch es gebe „vie­le Men­schen, Bischö­fe und Kon­gre­ga­tio­nen“, die ihn nicht dar­in unter­stütz­ten, „die­se Kul­tur des Miß­brauchs und der Ver­tu­schung zu ändern“. Die Sache funk­tio­nie­re also nicht so, wie es sein soll­te, so Cruz.

Den Wider­spruch, daß Fran­zis­kus das größ­te Übel hin­ter dem sexu­el­len Miß­brauch Min­der­jäh­ri­ger durch Kle­ri­ker, näm­lich die Homo­se­xua­li­tät, ver­schweigt, also „ver­tuscht“, erwähnt Cruz nicht. Min­de­stens 80 Pro­zent der Miß­brauchs­fäl­le durch Kle­ri­ker sind homo­se­xu­el­ler Natur. Das Miß­brauchs­pro­blem in der Kir­che ist nicht ein „sexu­el­les“, son­dern ein homo­se­xu­el­les Pro­blem. Wer die­se Tat­sa­che nicht aus­spricht, weil die Homo­se­xua­li­sie­rung gera­de beim Main­stream hoch im Kurs ist, setzt sich dem Ver­dacht aus, die­ser selbst Vor­schub lei­sten, jeden­falls nicht wider­ste­hen zu wollen. 

Als beken­nen­der Homo­se­xu­el­ler ist Cruz in der Sache offen­bar befan­gen. Wie ehr­lich kann dann sein Ein­satz in der Päpst­li­chen Kin­der­schutz­kom­mis­si­on sein? Wie glaub­wür­dig ist es, wenn er mit dem Fin­ger auf ande­re zeigt? Und über­haupt: Wie ehr­lich ist über­haupt die Anti-Miß­brauchs­po­li­tik, die sich Fran­zis­kus auf die Fah­nen schreibt? Man den­ke an den vati­ka­ni­schen Anti-Miß­brauchs­gip­fel im Febru­ar 2019, der eine Ant­wort auf den Fall McCar­ri­ck und ande­re Skan­da­le sein woll­te, bei dem aber das Wort Homo­se­xua­li­tät öffent­lich nie aus­ge­spro­chen wurde.

Das Sodalitium des christlichen Lebens

Im Inter­view mit La Repu­bli­ca zeigt Cruz mit dem Fin­ger auf das Soda­li­ti­um Chri­stia­nae Vitae (SCV), eine Gesell­schaft des apo­sto­li­schen Lebens päpst­li­chen Rechts. Die Gemein­schaft wur­de am 8. Dezem­ber 1971 von Luis Fer­nan­do Figa­ri in der perua­ni­schen Haupt­stadt Lima gegrün­det. 1997 wur­de sie, als erste Lai­en­ge­mein­schaft des apo­sto­li­schen Lebens über­haupt, päpst­lich anerkannt.

Das Soda­li­cio de Vida Cri­stia­na (Gemein­schaft des christ­li­chen Lebens) besteht aus geweih­ten Lai­en und Prie­stern, die als Brü­der in Gemein­schaft nach den evan­ge­li­schen Räten (Gehor­sam, Armut und Keusch­heit) leben. Dem Soda­li­ti­um gehö­ren heu­te ein perua­ni­scher Erz­bi­schof, etwa 40 Prie­ster und 300 Lai­en mit Gelüb­den an. Den Groß­teil der Gemein­schaft bil­den jedoch rund 40.000 Lai­en, die in der Welt leben.

Anfang 2018, weni­ge Tage bevor Fran­zis­kus nach sei­nem ziem­lich stür­mi­schen Besuch in Chi­le nach Peru wei­ter­rei­ste, stell­te der Hei­li­ge Stuhl das Soda­li­ti­um unter kom­mis­sa­ri­sche Kon­trol­le. Zahl­rei­che Medi­en über­schlu­gen sich mit Geschich­ten der Mar­ke „Sex, Crime and Church“ (sie­he zu den Hin­ter­grün­den: Der Kom­mis­sar und die Kir­che in Peru und Luis Figa­ri: ein Fall für die Kir­che, aber auch für den Staat?). Figa­ri, ein Laie, war von der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on der homo­se­xu­el­len Kor­rum­pie­rung von männ­li­chen Jugend­li­chen und jun­gen Erwach­se­nen schul­dig befun­den wor­den. Er wur­de zu einem Leben der Buße und des Schwei­gens ver­ur­teilt und ihm die Rück­kehr nach Peru unter­sagt. Der heu­te 75jährige war 2017 aus dem Soda­li­ti­um aus­ge­schlos­sen wor­den und lebt seit­her in einem ihm zuge­wie­se­nen Klo­ster in Ita­li­en. Das ist die eine Sei­te. Zur ande­ren Sei­te schrieb Katho​li​sches​.info am 22. Janu­ar 2018:

„Weni­ger klar ist, war­um Figa­ris Grün­dung, das Soda­li­ti­um Chri­stianæ Vitæ (SCV), just weni­ge Tage vor Beginn des Papst­be­su­ches unter kom­mis­sa­ri­sche Ver­wal­tung gestellt wur­de, obwohl Figa­ri bereits 2010 die Lei­tung abge­ge­ben und seit 2012 der bis­her amtie­ren­de Gene­ral­obe­re gera­de­zu exem­pla­risch auch die bela­sten­den Doku­men­te, im Sin­ne größt­mög­li­cher Trans­pa­renz, auf der Inter­net­sei­te der Gemein­schaft ver­öf­fent­licht hat­te. Er lei­te­te das Ver­fah­ren gegen Figa­ri ein, das vor einem Jahr zu des­sen kirch­li­cher Ver­ur­tei­lung führte.“

Vier ehe­mals füh­ren­de Soda­li­ti­ums-Ver­tre­ter, alles Lai­en, waren zusam­men mit Figa­ri des homo­se­xu­el­len Miß­brauchs bezich­tigt wor­den. Die Fäl­le bezo­gen sich auf die Zeit vor dem Jahr 2000.

Der neue Gene­ral­obe­re des Soda­li­ti­ums wur­de Ende 2021 von Papst Fran­zis­kus empfangen.

Wie­der­holt an den Pran­ger gestellt wur­de das Soda­li­ti­um in Peru durch lin­ke Poli­ti­ker und Medi­en. Deren Berich­te wur­den von ähn­lich gesinn­ten Medi­en ande­rer Län­der über­nom­men. Auch das Cruz-Inter­view von La Repu­bli­ca fügt sich in die­ses Bild ein. Das hat sei­nen Grund: Das Soda­li­ti­um war Anfang der 70er Jah­re als Reak­ti­on auf die mar­xi­sti­sche Befrei­ungs­theo­lo­gie ent­stan­den und ist bestimm­ten Krei­sen in und außer­halb der Kir­che aus poli­ti­schen bzw. kir­chen­po­li­ti­schen Grün­den ein Dorn im Auge.

Die Ent­sen­dung eines Kom­mis­sars durch die Ordens­kon­gre­ga­ti­on wur­de des­halb mit einem kir­chen­po­li­ti­schen Manö­ver im Zusam­men­hang mit dem damals statt­fin­den­den Umbau der Kir­che in Peru gese­hen. Das galt auch des­halb, weil Papst Fran­zis­kus den US-ame­ri­ka­ni­schen Kar­di­nal Joseph Tobin, Erz­bi­schof von Newark, einen noto­risch homo­phi­len, aber pro­gres­si­ven Kir­chen­für­sten aus dem McCar­ri­ck-Kreis, zum Apo­sto­li­schen Dele­ga­ten für das Soda­li­ti­um ernann­te. Der sexu­el­le Miß­brauch konn­te dem­nach nicht der erste Beweg­grund sein, wes­halb Fran­zis­kus das Soda­li­ti­um einem Kom­mis­sar in die Hand gab.

Obwohl der seit 2012, also nach Figa­ris erzwun­ge­ner Abdan­kung, amtie­ren­de Gene­ral­obe­re mit gera­de­zu über­trie­ben exem­pla­ri­scher Trans­pa­renz alle Mis­se­ta­ten der ein­sti­gen Tetrar­chen der Gemein­schaft an den Pran­ger stell­te, wur­de er 2018 vom Hei­li­gen Stuhl abge­setzt. 2019 durf­te das Soda­li­ti­um unter kom­mis­sa­ri­scher Kon­trol­le einen neu­en Gene­ral­obe­ren wäh­len, den Kolum­bia­ner (also Nicht-Perua­ner) José David Cor­rea Gon­zá­lez. Die Gemein­schaft steht aber wei­ter­hin unter kom­mis­sa­ri­scher Auf­sicht. Die Letzt­ent­schei­dun­gen lie­gen in der Hand von Kar­di­nal Tobin.

Der päpstliche Eingriff in Peru

2019 eme­ri­tier­te Papst Fran­zis­kus den dama­li­gen Erz­bi­schof von Lima Juan Luis Kar­di­nal Cipria­ni Thor­ne, eine her­aus­ra­gen­de Gestalt im latein­ame­ri­ka­ni­schen Epi­sko­pat. Jah­re­lang war er ein bedeu­ten­des Gegen­ge­wicht zur Befrei­ungs­theo­lo­gie. Kaum war der Wech­sel an der Spit­ze der perua­ni­schen Kir­che voll­zo­gen, tauch­ten erste Stim­men auf, auch in der Bischofs­kon­fe­renz, das Soda­li­ti­um auf­zu­lö­sen. Der sexu­el­le Miß­brauchs­skan­dal wird zwar im Zusam­men­hang mit dem Soda­li­ti­um stän­dig erwähnt, spielt aber seit Jah­ren nur mehr im Sin­ne einer Ver­gan­gen­heits­be­wäl­ti­gung eine Rol­le. Alle vier beschul­dig­ten ehe­ma­li­gen Mit­glie­der, aus­nahms­los Lai­en, sind ent­we­der tot, längst aus­ge­schlos­sen oder wie Figa­ri ver­ur­teilt. Die perua­ni­sche Staats­an­walt­schaft hat­te ermit­telt, die Sache aber archi­viert, denn der Haupt­tä­ter war bereits 2001 ver­stor­ben und Figa­ri selbst konn­te nur homo­se­xu­el­ler Kon­takt zu über 16jährigen zur Last gelegt wer­den, was laut gel­ten­dem perua­ni­schem Straf­recht kei­ne Straf­tat ist.

Das Buch von Sali­nas und Ugaz (2015)

Der wirk­li­che Grund für die fort­dau­ern­de Ankla­ge gegen das Soda­li­ti­um ist die Feind­schaft gegen die kon­ser­va­ti­ve Aus­rich­tung der Gemein­schaft und ihre Finanz­kraft, die aller­dings über­trie­ben dar­ge­stellt wird. Der Vati­kan hat­te in einer Erklä­rung 2019 aus­drück­lich fest­ge­hal­ten, daß Kar­di­nal Tobin, trotz der Neu­wahl eines Gene­ral­obe­ren auf unbe­stimm­te Zeit die Kon­trol­le über die Finan­zen der Gemein­schaft behält.

Und schließ­lich gibt es noch zwei perua­ni­sche Jour­na­li­sten, Pedro Sali­nas und Pao­la Ugaz, die mit einem Buch über tat­säch­li­che und ver­meint­li­che Skan­da­le im Soda­li­ti­um Geld mach­ten und Bekannt­heit erlang­ten. Viel von dem, was sie schrei­ben, klingt nach einer Räu­ber­pi­sto­le. Ähn­li­che Skan­dal­bü­cher über katho­li­sche Gemein­schaf­ten wur­den in den 80er und 90er Jah­ren auch in Euro­pa ver­öf­fent­licht. Wah­res und noch mehr Erfun­de­nes wer­den in einen Topf gewor­fen und ver­rührt, sodaß das eine nicht mehr vom ande­ren zu unter­schei­den ist. 

Seit die Staats­an­walt­schaft wegen Ver­leum­dung gegen sie ermit­telt, prä­sen­tie­ren sich die bei­den Buch­au­to­ren als – aller­dings nicht ernst­zu­neh­men­de – „Opfer“, die vom Soda­li­ti­um ver­folgt wer­den, des­sen „lan­ger Arm“ offen­bar, so die Behaup­tung, die perua­ni­sche Justiz kontrolliere.

Und Juan Carlos Cruz

Vor dem inner­kirch­li­chen Hin­ter­grund ver­wun­dert es weder, daß Juan Car­los Cruz in sei­nem Inter­view den neu­en, von Fran­zis­kus ein­ge­setz­ten Erz­bi­schof von Lima, Msgr. Car­los Castil­lo, als „einen guten Mann“ lobt, noch, daß er Kar­di­nal Cipria­ni Thor­ne im sel­ben Atem­zug als „kata­stro­pha­len Mann“ beschimpft. Als „Beleg“ gegen Kar­di­nal Cipria­ni Thor­ne nennt Cruz allen Ern­stes, daß Papst Fran­zis­kus den Pri­mas von Peru mit dem Errei­chen des 75. Lebens­jahrs „sofort“ eme­ri­tier­te. Cruz nennt kei­ne Fak­ten, son­dern wirft mit denun­zia­to­ri­schen Flos­keln um sich, die nur eines erken­nen las­sen: sei­nen ideo­lo­gi­schen Eifer.

Wenn also die­ser erste Teil nicht ver­wun­dert, tut es der zwei­te Teil umso mehr. Cruz sag­te in dem Interview:

„Bevor ich nach Lima kam, sprach ich mit Papst Fran­zis­kus, und er sag­te mir: ‚Grü­ße die Opfer und Pedro (Sali­nas) und Pao­la (Ugaz), sag ihnen, daß ich sie immer unter­stüt­zen werde‘.“

Im Ernst? Papst Fran­zis­kus läßt zwei Revol­ver­jour­na­li­sten via Zei­tungs­in­ter­view Grü­ße aus­rich­ten mit der Ver­si­che­rung „sie immer unter­stüt­zen“ zu wer­den? Oder mach­te sich der Jour­na­list Cruz gegen­über Kol­le­gen, den genann­ten und den Inter­view­ern von La Repu­bli­ca, vor allem wich­tig? Die Fra­ge wird nie geklärt wer­den, da der Vati­kan unter Fran­zis­kus „pri­va­te“ Äuße­run­gen Drit­ter, auch wenn sie „im Namen“ des Pap­stes gesche­hen, nicht kommentiert.

Fest steht, daß Cruz in Peru als Ramm­bock auf­tritt, mit oder ohne päpst­li­chen Auf­trag. Neben dem Lob für Erz­bi­schof Castil­lo und dem Schmutz­kü­bel für Kar­di­nal Cipria­ni Thor­ne attackier­te er auch Erz­bi­schof José Anto­nio Egu­ren, den ein­zi­gen dem Soda­li­ti­um ange­hö­ren­den und noch amtie­ren­den Bischof in Peru. Die­ser habe „die Opfer so schlecht behan­delt“, beklag­te Cruz und for­der­te sei­nen Rück­tritt: „Ich hof­fe, daß er zurück­tritt und auf­hört, die Kir­che zu zerstören“.

Tat­sa­che ist, daß Erz­bi­schof Egu­ren nie im Zusam­men­hang mit sexu­el­lem oder ande­rem Miß­brauch im Soda­li­ti­um genannt wur­de. Sei­ne Schuld besteht dar­in, daß ihn Kar­di­nal Cipria­ni Thor­ne 2002 als sei­nen Weih­bi­schof wünsch­te und ihn Papst Bene­dikt XVI. auf Emp­feh­lung des Kar­di­nals 2006 auf den Erz­bi­schofs­stuhl von Piura berief. Als sol­cher unter­stütz­te er Kar­di­nal Cipria­ni Thor­ne in der Perua­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz. Da sind sie wie­der, die Feind­bil­der und Fron­ten, um die es in Wirk­lich­keit geht.

Cruz, offen­sicht­lich mit der Unter­schei­dung der Gei­ster geseg­net, sag­te weiter:

„Wenn ich so böse Din­ge wie das Soda­li­ti­um sehe, dann sehe ich, daß es nicht Got­tes Werk ist.“

Doch nicht das Soda­li­ti­um ist „böse“. Die Kir­che kennt weder Sip­pen­haf­tung noch ist sie nach­tra­gend gegen­über einer neu­en Lei­tung oder unschul­di­gen Ange­hö­ri­gen einer Gemein­schaft. Schuld ist immer per­sön­lich, nie abstrakt. 

Cruz aber scheint in welt­li­chen Kate­go­rien zu den­ken. Die Kir­che müs­se „schnell, effek­tiv und trans­pa­rent wer­den“. Es kön­ne nicht sein, daß es „immer noch einen Teil der Kir­che gibt, der sich makel­los und unbe­fleckt prä­sen­tie­ren will, im Inne­ren aber kor­rupt ist“. Die „Lang­sam­keit“ in der Kir­che sei bekla­gens­wert und erst recht „die Heu­che­lei bestimm­ter Leu­te“. Das Soda­li­ti­um des christ­li­chen Lebens aber habe aus­ge­tilgt zu werden:

„Das Soda­li­ti­um soll­te auf­ge­löst werden.“

So ver­mengt Cruz prin­zi­pi­ell rich­ti­ge Aus­sa­gen mit unan­ge­mes­se­nen For­de­run­gen. Dabei erschreckt nicht nur der inqui­si­to­ri­sche Eifer, der sexu­el­len Miß­brauch für ande­re Zwecke zu miß­brau­chen scheint, son­dern mehr noch sei­ne offen­sicht­li­che Blind­heit, die wohl sei­nem eige­nen Lebens­wan­del geschul­det ist. In Peru will jemand einen lästi­gen Kon­kur­ren­ten los­wer­den und sei­ne Hand auf des­sen Ver­mö­gen legen.

Die Ernen­nung von Cruz durch Papst Fran­zis­kus, der ihn zu sei­nem Aus­hän­ge­schild bei der Bekämp­fung des sexu­el­len Miß­brauchs Min­der­jäh­ri­ger in der Kir­che mach­te, erscheint durch das Inter­view zwei­fel­haf­ter denn je.

Als Über­schrift für das Inter­view wähl­te La Repu­bli­ca die Aussage:

„Egu­ren und das Soda­li­ti­um sind das genaue Gegen­teil von dem, was Papst Fran­zis­kus will.“

Das bringt die Sache auf erstaun­li­che Wei­se auf den Punkt, aller­dings nicht ganz so, wie Cruz es meint.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Soda​li​cio​.org (Screen­shots)

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