
(Rom) Papst Franziskus beendete gestern seinen Besuch in Peru und ist heute nach Rom zurückgekehrt. Im Vorfeld seiner vierten Südamerika-Reise hatte er die katholische Gemeinschaft Sodalicio de Vida Cristiana, eine peruanische Gründung, unter kommissarische Kontrolle gestellt. Sexueller Mißbrauch war für Franziskus nicht nur ein Thema, mit dem er in Chile konfrontiert wurde, sondern auch in Peru.
Aus einem Dokument der römischen Ordenskongregation geht hervor, daß der Gründer der Gemeinschaft, Luis Fernando Figari, ein Laie, nicht nach Peru zurückkehren wird. Nach einer Verurteilung durch den Vatikan zu einem Leben der Buße und des Schweigens, wurde Figari von der Kirche ein Aufenthaltsort zugewiesen, den er nicht verlassen darf, und ein Rückkehrverbot nach Peru ausgesprochen.
Sexueller Mißbrauch für die Kirche – und der Staat?
Der 71jährige Figari hält sich seither in einem Kloster in Italien auf. Das Dokument enthüllt auch, was ihm zur Last gelegt wird: einvernehmlicher sexueller Kontakt mit männlichen Jugendlichen und jungen Erwachsenen ab 16 Jahren.
Damit ist der Fall Figari trotz zahlreicher, schriller Medienberichte in Peru nichts für den Staatsanwalt, sehr wohl aber für die Kirche, die andere Maßstäbe anlegt.
Wie in Chile zum Fall Karadima wurde Papst Franziskus auch in Peru mit dem Thema sexueller Mißbrauch konfrontiert, der die Medien besonders im Zusammenhang mit der Kirche manchmal zuviel umtreibt. In Peru ging es um den Fall Figari.
Nachdem Ermittlungen gegen Figari von der peruanischen Staatsanwaltschaft aufgenommen, archiviert, wiederaufgenommen, archiviert und zuletzt wiederaufgenommen wurden, titelten peruanische Medien, besonders jene des linken Spektrums, von einem „pädophilen Peruaner“, dem die Kirche „Unterschlupf in Italien“ gewähre.
Die Fakten sind allerdings nach derzeitigem Kenntnisstand etwas anders. Tatsache ist, daß die zuständige Gerichtsbarkeit dem Antrag der Staatsanwaltschaft bisher nicht gefolgt ist. Die Gründe liegen in der Beweislage, die von einem Dokument der Ordenskongregation zusammengefaßt wird. Demnach hatte Figari tatsächlich sexuellen Kontakt zu Minderjährigen, allerdings nicht zu Kindern, sondern 17jährigen und älteren Jugendlichen und jungen Erwachsenen . Die weltliche Gerichtsbarkeit folgt in Sachen Schutzalter und Straftatbestand anderen Gesetzen als die Kirche.
Auslieferung Figaris gefordert

Der sozialistische, peruanische Parlamentsabgeordnete Mauricio Mulder von der Amerikanischen Revolutionären Volksallianz forderte Papst Franziskus in den vergangenen Tagen auf, Figari vom Vatikan an die peruanische Justiz auszuliefern. Allerdings befindet sich Figari nicht im Vatikan, sondern in Italien. „Figari sollte im Gefängnis sitzen. Das wäre eine Geste des Respekts gegenüber den Opfern des sexuellen Mißbrauchs“, so der Abgeordnete, der die Gunst der Stunde für seinen Medienauftritt nützte. Die Sache hat auch damit zu tun, daß Figari und seine Gründung seit den frühen 70er Jahren in Linkskreisen als „rechte“ Gruppe angefeindet wird.
Der Anwalt Figaris gibt sich zuversichtlich, daß die Anklagen auch diesmal in sich „zusammenfallen“ werden.
Mulder weckte jedoch Emotionen. Nicht wenige Peruaner stellten sich wegen der Medienberichte die Frage, warum Figari nach Italien geholt wurde, nachdem sein Fehlverhalten bekannt wurde.
Die Kirche hat aber ihre eigene Gerichtsbarkeit. Sie belangte Figari wegen des Verstoßes gegen das Sechste Gebot. Alle bisher bekannt gewordenen Fälle betreffen sexuellen Kontakt zu Jugendlichen und jungen Männern, die zur Tatzeit älter als 16 waren. Das Schutzalter in Peru liegt bei 15 Jahren. Es gibt keine ausreichenden Hinweise, so die Ordenskongregation, daß dabei gegen Canon 1395,2 des Kirchenrechts verstoßen wurde.
Hausarrest in Italien – Warum jetzt ein Kommissar?
Der Fall wirft zwangsläufig ein schiefes Licht auf die Kirche und ihren Umgang mit Tätern. Allerdings ist es auch verständlich, daß die Kirche kein Interesse hat, jemand oder gar sich im Interesse anderer an den Pranger stellen zu lassen. Tatsache ist jedoch, daß die peruanischen Behörden erst über das weitere Vorgehen und die Beweislage zu befinden haben werden. Das dürfte nach Beendigung des Papstbesuches und unter geringerem öffentlichen Druck mit größerer Klarheit möglich sein.
Sollte Figari in Peru nicht anhand konkreter Beweise wegen anderer Straftaten angeklagt werden, wird er wohl unter Hausarrest in einem Kloster in Italien bleiben. Derzeit sieht es ganz danach aus.
Weniger klar ist, warum Figaris Gründung, das Sodalitium Christianæ Vitæ (SCV), just wenige Tage vor Beginn des Papstbesuches unter kommissarische Verwaltung gestellt wurde, obwohl Figari bereits 2010 die Leitung abgegeben und seit 2012 der bisher amtierende Generalobere geradezu exemplarisch auch die belastenden Dokumente, im Sinne größtmöglicher Transparenz, auf der Internetseite der Gemeinschaft veröffentlicht hatte. Er leitete das Verfahren gegen Figari ein, das vor einem Jahr zu dessen kirchlicher Verurteilung führte.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: TV2000/Youtube (Screenshot)