Der unrühmliche Abgang

Geschlossenes Priesterseminar und auf die Straße gesetzte Priester und Seminaristen


Bischof Eduardo Maria Taussig trat von seinem Amt als Diözesanbischof von San Rafael zurück. Papst Franziskus nahm am Samstag den Rücktritt an.
Bischof Eduardo Maria Taussig trat von seinem Amt als Diözesanbischof von San Rafael zurück. Papst Franziskus nahm am Samstag den Rücktritt an.

(Rom/​Buenos Aires) Schließ­lich geschah doch, womit nicht gerech­net wer­den konn­te. Am Sams­tag nahm Papst Fran­zis­kus den Rück­tritt von Msgr. Edu­ar­do Maria Tau­s­sig, dem erst 67 Jah­re alten Bischof von San Rafa­el in Argen­ti­ni­en, an.

Anzei­ge

Msgr. Tau­s­sig war 2004 von Johan­nes Paul II. zum Bischof ernannt und von Kar­di­nal Jor­ge Mario Berg­o­glio geweiht wor­den. Er galt vie­len im argen­ti­ni­schen Epi­sko­pat nicht als Mit­glied der Berg­o­glio-Grup­pe, da ihm ein bestimm­ter Ruf nach­hing. Er kam aus einem katho­lisch-kon­ser­va­ti­ven und groß­bür­ger­li­chen Milieu, einem Milieu, zu dem es in Jor­ge Mario Berg­o­gli­os Bio­gra­phie kei­ne Ver­bin­dun­gen gibt. Tau­s­sig war zudem in jun­gen Jah­ren Schü­ler von Car­los Alber­to Sache­ri gewe­sen. Der Tho­mist Sache­ri, einer der bedeu­tend­sten katho­li­schen Den­ker Argen­ti­ni­ens und Ver­tei­di­ger der Natur­rechts­leh­re, wur­de 1974 im Alter von 41 Jah­ren von mar­xi­sti­schen Ter­ro­ri­sten ermordet.

Pres­se­er­klä­rung der Diö­ze­se San Rafael

Tau­s­sig unter­lag, wäh­rend er am Ange­li­cum in Rom sei­ne Stu­di­en fort­setz­te, einem Wand­lungs­pro­zeß. Nach­dem er in den 90er Jah­ren nach Bue­nos Aires zurück­ge­kehrt und Berg­o­glio Erz­bi­schof von Bue­nos Aires gewor­den war, ernann­te ihn die­ser zum Lei­ter der Uni­ver­si­täts­seel­sor­ge in Bue­nos Aires. Die ande­ren dort täti­gen Prie­ster, noch von Kar­di­nal Quar­ra­ci­no beru­fen und kon­ser­va­tiv, wur­den von Tau­s­sig hinausgedrängt. 

Nach der Wahl Berg­o­gli­os zum Papst bemüh­te er sich noch eif­ri­ger, die­sem zu gefal­len. Tau­s­sig war sich wohl bewußt, daß allein sei­ne sozia­le Her­kunft ihn wie durch einen Abgrund von Berg­o­glio trenn­te. Die­ser Ehr­geiz stei­ger­te sich noch, als Tau­s­sig erkann­te, von der berg­o­glia­ni­schen Säu­be­rungs­ak­ti­on ver­schont zu bleiben.

Der Kle­rus der Diö­ze­se San Rafa­el genießt einen guten Ruf. Über die Aus­bild­ner am Prie­ster­se­mi­nar wur­de sehr Gutes berich­tet. Die Liste der Kon­flik­te, die der Bischof bei sei­nem Kle­rus pro­vo­zier­te, ist lang. Sprich­wört­lich ist ein regel­rech­ter Wut­an­fall Tau­s­sigs, als ein Prie­ster dar­auf beharr­te, in der Lit­ur­gie ein Kelch­velum zu ver­wen­den. Zum gro­ßen Kon­flikt kam es, als Tau­s­sig sei­nen Prie­stern unter­sag­te, bei der Wand­lung aus Ehr­furcht wegen der Berüh­rung des Lei­bes Chri­sti Dau­men und Zei­ge­fin­ger zusam­men­ge­legt zu hal­ten. Als sich der Kle­rus wei­ger­te, woll­te der Bischof die­sem „wis­sen­schaft­lich“ bewei­sen las­sen, daß der Herr nicht in den klein­sten Par­ti­keln der kon­se­krier­ten Hostie gegen­wär­tig sei, wes­halb die Fin­ger­hal­tung über­flüs­sig sei. Direkt damit ver­bun­den waren Maß­nah­men, mit denen Tau­s­sig sei­ne Prie­ster zwin­gen woll­te, die Hand­kom­mu­ni­on zu spen­den, eine Pra­xis, die in Argen­ti­ni­en erst spät Ein­zug gehal­ten hat. In sei­nem Bis­tum spra­chen Kri­ti­ker daher von einer „patho­lo­gi­schen“ Hal­tung des Bischofs. Er schien als Bischof alles zu ver­ach­ten und zu ver­fol­gen, was er in sei­ner Jugend gelebt und geliebt hatte.

Die Vor­fäl­le von Wut­aus­brü­chen und Lau­nen häuf­ten sich eben­so wie sein Hang, Befeh­le zu ertei­len und har­te Maß­nah­men zu ergrei­fen, die man­che als „grau­sam“ bezeich­ne­ten. Die Prie­ster sei­ner Diö­ze­se wur­den von ihm meist jähr­lich ver­setzt und höch­stens zwei Jah­re am sel­ben Ort belas­sen. Der Auf­bau von Bin­dun­gen zur Gemein­de, und auch umge­kehrt, wur­de dadurch unmög­lich gemacht. Es wur­de aber auch die Kon­ti­nui­tät stän­dig unter­bro­chen, wor­un­ter die Qua­li­tät lei­den muß­te. Die Dro­hun­gen und Repres­sa­li­en gegen Semi­na­ri­sten und Dozen­ten vor der Schlie­ßung des Prie­ster­se­mi­nars sol­len gar nicht erwähnt werden.

Priester, die im überlieferten Ritus zelebrierten, wurden auf die Straße gesetzt

Die Zele­bra­ti­on des über­lie­fer­ten Ritus bekämpf­te er, indem er sich nicht direkt gegen das Motu pro­prio Sum­morum Pon­ti­fi­cum von 2007 stell­te, aber den Zele­bran­ten und Zele­bra­ti­ons­or­ten lau­fend neue Hin­der­nis­se auf­bau­te. Die Prie­ster, die im über­lie­fer­ten Ritus zele­brier­ten, bestraf­te der Bischof auf ganz ande­ren Ebe­nen. Der Prie­ster, der sich um die Wie­der­be­le­bung des über­lie­fer­ten Ritus in San Rafa­el die größ­ten Ver­dien­ste erwor­ben hat­te, wur­de von Tau­s­sig in den ver­las­sen­sten Win­kel sei­nes Bis­tums ver­bannt, das grö­ßer ist als Öster­reich, aber nur von einer Vier­tel­mil­li­on Men­schen bewohnt wird. 

Als ihm Papst Fran­zis­kus mit Tra­di­tio­nis cus­to­des die Gele­gen­heit bot, schick­te Tau­s­sig sofort meh­re­re Prie­ster, die im über­lie­fer­ten Ritus zele­brier­ten, „nach Hau­se“ – wort­wört­lich. Eini­ge leben nun wie­der bei ihren Her­kunfts­fa­mi­li­en. Wem das nicht mög­lich war, der muß­te sich für ein Dach über dem Kopf an Lai­en wen­den, um nicht auf der Stra­ße zu ste­hen. Ob das auch Teil der berg­o­glia­ni­schen „Barm­her­zig­keit“ ist?

Her­vor­ra­gen­de Prie­ster, die sich nichts zuschul­den kom­men hat­ten las­sen, deren Hal­tung dem Bischof miß­fiel oder die ihm ein­fach nicht zu Gesicht stan­den, sperr­te er jah­re­lang in Klö­stern ein oder ent­ließ sie sogar aus dem Kle­ri­ker­stand. Der Regie­rungs­stil führ­te zu einem Zwi­schen­fall, der abso­lu­ten Sel­ten­heits­wert hat. Das Ver­hal­ten des Bischofs war so beschä­mend, daß einer sei­ner Prie­ster in sei­ner Ver­zweif­lung Tau­s­sig tät­lich anging und sich damit ins Unrecht setzte.

Die Zerschlagung des eigenen Priesterseminars

Als 2020 das Prie­ster­se­mi­nar zer­schla­gen wur­de, stell­te Tau­s­sig nur einem Teil der Semi­na­ri­sten Emp­feh­lun­gen für ande­re Prie­ster­se­mi­na­re in Argen­ti­ni­en aus. Der Groß­teil der Semi­na­ri­sten, her­vor­ra­gen­de Kan­di­da­ten, von denen man­che ihr gesam­tes Stu­di­um hin­ter sich hat­ten und nur mehr auf die Wei­he war­te­ten, setz­te er ein­fach vor die Tür. In sol­chen Momen­ten der Will­kür, die für die Betrof­fe­nen Trau­ma­ta sind, ste­hen Beru­fun­gen und selbst der Glau­be auf dem Spiel. Tau­s­sig küm­mer­te es nicht. 

„Gott wird von Euch Rechen­schaft ver­lan­gen“, dazu Bil­der von Papst Fran­zis­kus und Bischof Tau­s­sig. Gläu­bi­ge taten 2020 ihren Pro­test gegen die Schlie­ßung des Prie­ster­se­mi­nars kund.

Das Prie­ster­se­mi­nar war 1984 vom dama­li­gen Diö­ze­san­bi­schof gegrün­det wor­den, weil er eine glau­bens- und kir­chen­treue Aus­bil­dung sicher­stel­len woll­te. Das Semi­nar zog bald Semi­na­ri­sten aus ande­ren Diö­ze­sen an, in denen ein libe­ra­le­rer Geist weh­te. Das wie­der­um weck­te den Arg­wohn ande­rer Bischö­fe, die in Rom eine Visi­ta­ti­on ver­an­laß­ten. Unter Johan­nes Paul II. und Bene­dikt XVI. genoß das Semi­nar jedoch päpst­li­chen Schutz. 

Der argen­ti­ni­sche Blog­ger Cami­nan­te-Wan­de­rer ist der Über­zeu­gung, die Schlie­ßung des Prie­ster­se­mi­nars von San Rafa­el sei in San­ta Mar­ta ent­schie­den wor­den und Tau­s­sig nur ihr wil­li­ger Voll­strecker. In der Hoff­nung auf einen Erz­bi­schofs­stuhl habe sich der Bischof selbst die­ser Unge­rech­tig­keit gebeugt. Am Sams­tag „kam Berg­o­gli­os Lohn zu ihm: Ernied­ri­gung und Demü­ti­gung. Berg­o­glio hat ihn benutzt und weg­ge­wor­fen“. Dafür spricht, daß Tau­s­sig selbst stets beton­te, daß ihm die Schlie­ßung vom dama­li­gen Prä­fek­ten der Kle­rus­kon­gre­ga­ti­on, Kar­di­nal Benia­mi­no Stel­la, mit­ge­teilt wor­den sei.

Das alte Kir­chen­recht von 1917 kann­te eine Abset­zung aus odi­um ple­bis. Seit der Schlie­ßung des blü­hen­den Prie­ster­se­mi­nars waren die bischöf­li­chen Akti­vi­tä­ten wie abge­stor­ben, was die The­se von Cami­nan­te-Wan­de­rer stüt­zen könn­te. In die Pfar­rei­en wag­te sich Tau­s­sig kaum noch, und wenn doch, wur­de er sehr kühl emp­fan­gen. Immer weni­ger Gläu­bi­ge besuch­ten die von ihm zele­brier­ten Mes­sen, selbst an sei­ner Bischofs­kir­che. Immer häu­fi­ger hielt er sich außer­halb sei­nes Bis­tums auf und kehr­te nicht ein­mal zu den Hoch­fe­sten wie Weih­nach­ten zurück. Die mei­ste Zeit habe er im Haus sei­ner Fami­lie in Reco­le­ta, einem wohl­ha­ben­den Stadt­teil von Bue­nos Aires, ver­bracht. Er schien ver­stan­den zu haben, daß er selbst den Boden, auf dem er in sei­nem Bis­tum stand, ver­brannt hatte. 

Nach der unrühm­li­chen Schlie­ßung des Prie­ster­se­mi­nars hat­te Fran­zis­kus Msgr. Tau­s­sig zu sich nach Rom zitiert. Am sel­ben Tag wur­de auch der Prä­fekt der Bischofs­kon­gre­ga­ti­on in Audi­enz emp­fan­gen. Die Fra­ge stand im Raum, ob Fran­zis­kus das Vor­ge­hen Tau­s­sigs gut­hei­ßen oder tadeln wür­de. Erste­res wur­de ver­mu­tet. Über den Inhalt des Gesprächs wur­de aller­dings nichts bekannt. Tat­sa­che ist, daß kei­ne Gegen­maß­nah­men erfolg­ten und Tau­s­sig unbe­hel­ligt blieb – zumin­dest andert­halb Jah­re lang.

Am Sams­tag gab das vati­ka­ni­sche Pres­se­amt bekannt, daß Msgr. Tau­s­sig von Fran­zis­kus eme­ri­tiert wur­de. Weder die Ernen­nung eines Nach­fol­gers noch eines Apo­sto­li­schen Admi­ni­stra­tors wur­de bekannt­ge­ge­ben. Die­sen gibt es aller­dings, wie es in einer am Sams­tag vom Pres­se­amt der Diö­ze­se San Rafa­el ver­öf­fent­lich­ten Erklä­rung heißt. Es han­delt sich um dem Augu­sti­ner-Rekol­lek­ten Msgr. Car­los Maria Dom­in­guez, den Fran­zis­kus 2019 zum Weih­bi­schof von San Juan de Cuyo ernannt hatte.

Die Situa­ti­on im Bis­tum San Rafa­el ist nicht mit jener von 2014 im para­gu­ay­ischen Bis­tum Ciu­dad del Este zu ver­glei­chen. Den­noch ähneln sich eini­ge Aspek­te. Ver­gleich­bar ist jeden­falls die Ver­wü­stung. In bei­den Bis­tü­mern wur­den blü­hen­de Prie­ster­se­mi­na­re im Auf­trag oder zumin­dest mit Bil­li­gung von Papst Fran­zis­kus zertrümmert.

Ob Msgr. Tau­s­sig am Ende als „Mohr“ von Papst Fran­zis­kus fal­len­ge­las­sen wur­de oder zur Ein­sicht gelangt war, in sei­nem Bis­tum kei­nen Stand mehr zu haben, muß im Augen­blick dahin­ge­stellt blei­ben. Tat­sa­che ist, daß eine Spur der Zer­stö­rung hin­ter­las­sen wird.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Youtube/​Diocesis de San Rafael/​Facebook (Screen­shots)

Print Friendly, PDF & Email
Anzei­ge

Hel­fen Sie mit! Sichern Sie die Exi­stenz einer unab­hän­gi­gen, kri­ti­schen katho­li­schen Stim­me, der kei­ne Gel­der aus den Töp­fen der Kir­chen­steu­er-Mil­li­ar­den, irgend­wel­cher Orga­ni­sa­tio­nen, Stif­tun­gen oder von Mil­li­ar­dä­ren zuflie­ßen. Die ein­zi­ge Unter­stüt­zung ist Ihre Spen­de. Des­halb ist die­se Stim­me wirk­lich unabhängig.

Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

Das ist müh­sam, es ver­langt eini­ges ab, aber es ist mit Ihrer Hil­fe möglich.

Unter­stüt­zen Sie uns bit­te. Hel­fen Sie uns bitte.

Vergelt’s Gott!