(Rom) Der Präsident der Päpstlichen Akademie für das Leben, Kurienerzbischof Vincenzo Paglia, widersprach den Schweizer Bischöfen zur Begleitung bei Tötung auf Verlangen durch Priester und Seelsorger – und äußerte sich auch mit apodiktischem Dogmatismus zu Judas.
Msgr. Paglia hat eine steile Karriere hinter sich, „steil“ sind auch einige seiner Ansichten. Zunächst war er geistlicher Assistent der 1968 gegründeten Gemeinschaft von Sant’Egidio. Von dieser Gemeinschaft, der Paglia nach wie vor angehört, stammen Idee und Organisation der Umstrittenen Assisi-Treffen (siehe Gemeinschaft Sant’Egidio: Interreligiöse Treffen von Assisi 1986 bis Rom 2013).
Nachdem diese Gemeinschaft mit Nachdruck im Vatikan mit dem Wunsch vorstellig wurde, daß auch jemand aus ihren Reihen zum Bischof gemacht wird, wurde Paglia 2000 von Johannes Paul II. zum Bischof von Terni ernannt. Das Bistum hinterließ er 2012 mit einigen finanziellen Problemen, zu denen die Staatsanwaltschaft ermittelte, und seine Bischofskirche mit einem „homoerotischen“ Jüngsten Gericht. 2012 berief ihn Benedikt XVI. als Vorsitzenden des Päpstlichen Familienrates an die Römische Kurie. Eine Beförderung, die sich manche nur durch intensiven Lobbyismus der Gemeinschaft erklären können.
„Aalglatt“ (Riscossa Cristiana) schmiegte er sich schnell an die Linie des neuen, regierenden Papstes, ob zu Amoris laetitia oder zur Homosexualität, die kirchliche Morallehre wird nur „innovativ“ vertreten. So war es ausgerechnet der Familienminister der Kirche, der im Vorfeld der Familiensynode und des Weltfamilientreffens in Philadelphia homophile Signale aussandte. Entsprechend warb er Anfang 2015 für die Kasper-Bergoglio-Agenda und nahm im Juni desselben Jahres am Geheimtreffen der Kasperianer zur Vorbereitung der entscheidenden Familiensynode teil.
2016 wurde der Päpstliche Familienrat in ein neues Dikasterium überführt und Paglia verlor seinen Ministerposten. Franziskus machte ihn deshalb zum Präsidenten der Päpstlichen Akademie für das Leben und zum Kanzler des Päpstlichen Instituts Johannes Paul II. für Studien zu Ehe und Familie. Beide Institutionen, von Johannes Paul II. errichtet, galten bis dahin zu Fragen der Ehe- und Morallehre als Hort der Opposition gegen den Bergoglio-Kurs von Amoris laetitia. Die Aufgabe Paglias bestand darin, beide Einrichtungen auf Kurs zu bringen, was er konsequent durch radikale Methoden umsetzte.
Die Akademie für das Leben wurde von Bioethik auf Humanökologie umgepolt. Dazu gehört seit 2017 eine Öffnung gegenüber der „Sterbehilfe“, wie die Tötung auf Verlangen auch genannt wird (siehe „Papst für aktive Sterbehilfe?“). Als Marco Pannella, der bekannteste Antiklerikale Italiens starb, überschlug sich Paglia in wirrer Lobhudelei.
Christlich-muslimisches Symposium zum Lebensende
Seine jüngste „Öffnung“ in Richtung Selbstmord und Euthanasie äußerte Paglia bei der Vorstellung eines internationalen und interreligiösen Symposiums zum Thema „Religion und medizinische Ethik: Palliative Versorgung und psychische Gesundheit für ältere Menschen“, die in Rom stattfinden wird. Das Symposium ist eine Initiative der Qatar Foundation und wird von der Päpstlichen Akademie für das Leben und dem World Innovation Summit for Health (WISH) mitorganisiert. Schwerpunkt der Tagung ist die christliche und die muslimische Perspektive zu Fragen des Lebensendes.
Bei der Vorstellung wurde Paglia von einer Journalistin um seine Meinung zu einer Erklärung der Schweizer Bischofskonferenz vom 5. Dezember gefragt, wonach Priester und Seelsorger den Raum zu verlassen haben, bevor die Euthanasie durch eine tödliche Injektion oder die Verabreichung eines tödlichen Mittels erfolgt.
Das 30 Seiten umfassende Dokument ist eine Orientierungshilfe der Bischöfe „zur Begleitung suizidwilliger Menschen“. Die Bischöfe reagierten damit auf die steigende Selbstmordrate in der Schweiz. Darin wird festgehalten, daß Sterbehilfe „radikal gegen die Botschaft des Evangeliums verstößt“, und ihre Anwendung ein schwerwiegender Angriff auf das Leben des Menschen ist, das von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod geschützt werden muß.
Paglia antwortete, das Dokument nicht „im Detail“ zu kennen. Sich deshalb vielleicht zurückhalten zu sollen, war aber im redselig gewordenen päpstlichen Umfeld keine Option für ihn:
„Wir sind gegen assistierten Selbstmord, weil wir nicht die schmutzige Arbeit des Todes machen wollen, und weil wir alle wissen, daß für Gläubige das Leben weitergeht. Zu begleiten und die Hand der Sterbenden zu halten, ist daher die große Aufgabe eines jeden Gläubigen, wenn wir auch gegen die Kultur des assistierten Selbstmords kämpfen, die eine große Niederlage für die Gesellschaft darstellt.“
Damit widersprach er den Anweisungen der Schweizer Bischöfe, die auch die Begleitung wünschen, aber ein deutliches, auch räumliches Zeichen der Abgrenzung zur Euthanasie verlangen.
Wer ein Ketzer ist…
Paglia kam dann noch auf Judas Iskariot zu sprechen, der mehrfach auch von Papst Franziskus erwähnt wurde. Judas beging nach dem Verrat an Jesus Christus Selbstmord. Die Kirche äußerte sich zwar nie offiziell zum Schicksal des Judas, doch wurde in der Kirche durch die Jahrhunderte von Volk und Klerus angenommen, daß der abtrünnige Apostel in der Hölle ist. Grund dafür ist ein Herrenwort, das ein Eingehen in den Himmel schwer vorstellbar sein läßt:
„Doch weh dem Menschen, durch den der Menschensohn verraten wird. Für ihn wäre es besser, wenn er nie geboren wäre“ (Mr 14,21; Mt 26,24).
Paglia verkehrte die Zurückhaltung der Kirche zum Judas-Schicksal ins Gegenteil und verkündete ein neues „Dogma“:
„Ich feiere immer die Beerdigung für jemand der Selbstmord begangen hat, weil Selbstmord eine Niederlage für uns ist, weil er immer eine Frage unerfüllter Liebe ist. Wir müssen uns auch daran erinnern, daß für die katholische Kirche jemand, der sagt, Judas ist in der Hölle, ein Ketzer ist.“
Text: Giuseppe Nardi
Bild: InfoVaticana